Was sind Probiotika und Präbiotika?
Laut Definition bedeutet Probiotika „für das Leben“: Das lateinische Wort „pro“ heißt übersetzt „für“, das altgriechische „bios“ steht für „Leben“. Probiotika – zum Beispiel in Form von Joghurt, Joghurtdrinks, Arznei- oder Nahrungsergänzungsmitteln – enthalten lebensfähige Mikroorganismen, die für den Darm als nützlich gelten. Die bekanntesten probiotischen Bakterien sind Milchsäurebakterien, also Laktobazillen, Bifidobakterien oder Enterokokken.
Bei regelmäßiger Einnahme sollen sich diese „guten“ Bakterien an der Darmschleimhaut ausbreiten, die „bösen“ Bakterien verdrängen und in der Folge das allgemeine Wohlbefinden steigern, die Verdauung verbessern und verschiedenen Erkrankungen vorbeugen. Auch das Immunsystem soll von den Bakterienkulturen profitieren.
Neben den Probiotika gibt es noch sogenannte Präbiotika. Dabei handelt es sich nicht um lebende Bakterien, sondern um bestimmte Lebensmittel oder spezielle Präparate, die das Leben der nützlichen Mikroben im Darm fördern, indem sie eine Nahrungsgrundlage für sie darstellen.
Auch wenn Probiotika viele Befürworter haben: Ihre Wirkung, zumindest wenn man sie in Form von Nahrungsergänzungs- oder Lebensmitteln einnimmt, ist umstritten. Zudem sind die möglichen Nebenwirkungen kaum erforscht und – vor allem für Risikogruppen – nicht zu unterschätzen.
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Die Wirkung von Probiotika
Bakterienkulturen aus probiotischen Arzneien, Nahrungsergänzungsmitteln oder Lebensmitteln sollen – von Magensäure unbeschadet – weiter in den Darm gelangen, wo sie sich ausbreiten und ihre positive Wirkung entfalten. Was aber viele nicht wahrhaben wollen: Der wissenschaftliche Beweis dafür, dass Probiotika so wirken, steht noch aus – zumindest für Produkte, die jeder in der Drogerie oder im Supermarkt kaufen kann.
„Es gibt keine Belege dafür, dass Lebensmittel mit speziellen Bakterienkulturen die Gesundheit positiv beeinflussen“, schreibt etwa die Verbraucherzentrale Bayern auf ihrer Website. Probiotika, heißt es weiter, seien für Gesunde zwar unbedenklich, Schwerkranke oder Immungeschwächte sowie Menschen mit Erkrankungen des Verdauungstrakts sollten mit solchen Präparaten aber vorsichtig sein. Kommen Probiotika im Rahmen einer Therapie zum Einsatz, dann sei das immer mit einem Arzt zu besprechen.
Für Lebensmittel aus dem Supermarkt oder Lifestyle-Produkte aus der Drogerie ist das kaum der Fall – weshalb es den Herstellern seit 2012 verboten ist, auf der Verpackung von Joghurtdrinks oder in der Werbung gesundheitsbezogene Angaben zu probiotischen Bakterien zu machen. Sie dürfen zum Beispiel nicht mehr behaupten, dass ihr Produkt die „Abwehr stärke“. Diese Wirkung ist nämlich nie wissenschaftlich bewiesen worden.
„Mit Joghurt und Kefir stärke ich meine Darmgesundheit“
Wie Probiotika wirken und was Sie bei der Einnahme beachten sollten.
Prof. Yurdagül Zopf, ist Ernährungsmedizinerin und Gastroenterologin an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen.Ich liebe fermentierte Milchprodukte und greife beinahe täglich zu Lebensmitteln wie Naturjoghurt, Buttermilch oder auch Kefir. Auch meiner kleinen Tochter biete ich heute zwei- bis dreimal pro Woche ein fermentiertes Milchprodukt an.
Deren Milchsäurebakterien und Hefen sind prima für Verdauungstrakt und Immunsystem. Probiotika siedeln sich im Darm an und halten das Gleichgewicht der Darmflora aufrecht. Auf diese Weise helfen sie unter anderem, entzündliche Veränderungen der Darmschleimhaut zu verhindern. Außerdem unterstützen sie einen regelmäßigen Stuhlgang. Gerade Kefir ist nicht zuletzt ein erfrischender Energielieferant. Ich genieße gerne einen Schluck am Nachmittag, als Zwischenmahlzeit, wenn ein Leistungstief droht.
Die regelmäßige Einnahme ist grundsätzlich entscheidend bei fermentierten Lebensmitteln oder probiotischen Zubereitungen. Das gilt für therapeutische Anwendungen noch mehr als in der Prävention. Wenn etwa Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen vier Wochen lang täglich zu einem probiotischen Mittel greifen, kann sich die Entzündung und somit die Reizung der Darmschleimhaut bessern.
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Probiotika: Wann einnehmen?
Vor allem nach Antibiotika-Therapien schwören viele darauf, ihren Darm mit Probiotika zu unterstützen: Nachdem das antibiotische Medikament die Darmflora durcheinander gebracht hätte, so die Annahme, müsse sie mithilfe eines probiotischen Präparats wieder mit den „richtigen“ Bakterien besiedelt werden. Danach erst könne die Verdauung wieder einwandfrei funktionieren.
Ob das immer sinnvoll ist, ist umstritten. Zwar sind sich Wissenschaftler mittlerweile einig, dass das Mikrobiom im Darm – die Summe aller Mikroorganismen dort – für die allgemeine Gesundheit und das Immunsystem eines Menschen wichtig ist. Dass nach einer Behandlung mit Antibiotika immer eine Darmsanierung mit Probiotika nötig ist, ist jedoch fragwürdig. Wann man Probiotika einnehmen sollte, dazu fallen Befürwortern noch viele weitere Lebenssituationen ein: Sie empfehlen beispielsweise eine Kur mit Probiotika, wenn Menschen Durchfall, Blähungen oder Verstopfung haben. In den Behandlungsleitlinien für das Reizdarm-Syndrom, das all diese Symptome mit sich bringen kann, finden Probiotika dagegen kaum Erwähnung. Die Autoren betonen lediglich, dass „nicht generell gesagt werden kann, dass Probiotika zur Therapie wirksam oder nicht wirksam sind“.Es komme vielmehr darauf an, „welche probiotische Spezies beziehungsweise welcher Stamm bei welcher Patientengruppe nachweislich wirksam oder unwirksam ist“. Einfach irgendein vermeintlich probiotisches Mittel aus dem Reformhaus zu nehmen, löst also nicht unbedingt die Verdauungsprobleme.
Zwar stimmt es, dass viele Krankheiten mit dem Darm-Mikrobiom im Zusammenhang stehen, weshalb es klug scheint, ebenjenes mit Probiotika positiv zu beeinflussen. Gänzlich erforscht ist das Mikrobiom des Menschen jedoch noch lange nicht. Deshalb sind Behauptungen, dass eine Kur mit Probiotika beispielsweise die Gesundheit der Haut fördere, mit Vorsicht zu genießen.
Dass Probiotika gar gegen Hauterkrankungen wie Akne und Neurodermitis helfen, stimmt so auch nicht; in den Behandlungsleitlinien für Akne finden die Bakterienkulturen keine Erwähnung.In jenen für Neurodermitis heißt es sogar: „Zusammenfassend gibt es keine überzeugenden Evidenzen dafür, dass Probiotika einen positiven Effekt auf die Schwere und den Verlauf der Neurodermitis haben.“ Die Studienergebnisse reichten nicht aus, um eine Empfehlung für die Praxis zu geben, daher könne „die Behandlung der Neurodermitis mit Laktobazillen aufgrund der aktuellen Studienlage nicht empfohlen werden“.
Bei Histaminintoleranz wird Betroffenen oft eine Kur mit bestimmten, histaminsenkenden Probiotika empfohlen. Von Probiotika mit Bakterienstämmen, die Histamin bilden, wird ihnen dagegen abgeraten. Auch hierzu ist die Studienlage unklar, während sich im Internet zahlreiche Angebote teils fragwürdiger Hersteller finden. Etwas besser scheint die Datenlage für Lutschtabletten, Spülungen oder Kaugummis zu sein, welche das Mikrobiom im Mund – die Mundflora – positiv beeinflussen. Sie scheinen Zahnfleischentzündungen zu lindern und könnten deshalb die Therapie von Parodontitis sinnvoll ergänzen.Ein leichtes Vollgefühl, Blähungen, Bauchgrummeln oder mal Durchfall – das kennt jeder. Wenn Verdauungsprobleme gehäuft auftreten und chronisch werden, können jedoch ernsthafte Erkrankungen dahinterstecken.
In dieser Folge sprechen wir mit dem Gastroenterologen und Internisten Prof. Jost Langhorst darüber, wie sich Reizdarm oder entzündliche Darmerkrankungen äußern und was man dagegen tun kann.
Wir fragen nach, welche Rolle die Ernährung dabei spielt und wie man mit Arzneipflanzen die Beschwerden lindern kann. Und wir wollen wissen, was bei diesen Krankheiten genau im Darm passiert.
Tabuthema Verdauung und darmgesunde Ernährung (Unser Podcast für ein gutes Körpergefühl – Folge #2)
Zu Gast im Podcast:
Prof. Dr. Martin Storr, Niedergelassener Gastroenterologe mit Praxis in Gauting. Storr lehrt an der Ludwig-Maximilians-Universität München.Über die eigene Verdauung bewahren die meisten Stillschweigen. Dabei muss jeder pupsen – wirklich jeder.
Warum der Begriff „normal“ im Zusammenhang mit der Darmgesundheit trotzdem nicht unbedingt passend ist, klären wir mit dem Gastroenterologen und Buchautor Professor Martin Storr.
Wir sprechen außerdem darüber, was es mit dem Darmgehirn auf sich hat und wie die berühmten Schmetterlinge im Bauch beim Verliebtsein entstehen. Warum Stress sich auf die Stuhltextur auswirkt und wie Hypnose den Darm beruhigen kann. Und wir versuchen herauszufinden, wie eine darmgesunde Ernährung aussieht und welche Rolle die Mikroorganismen in unserem Darm dabei spielen.Dass Probiotika beim Abnehmen helfen, ist dagegen wahrscheinlich ein Trugschluss: Nach der Zusammenschau einer Vielzahl von Studien, so die unabhängigen Faktenchecker von „Medizin-Transparent.at“, „ergibt sich höchstens ein kleiner Nutzen über einen Zeitraum von maximal einem halben Jahr, der aber wahrscheinlich nicht bedeutsam ist“. Die meisten Untersuchungen hätten methodische Mängel.
Es gibt Anhaltspunkte, dass die Darmflora die psychische Gesundheit beeinflusst. Das bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass Probiotika im Darm Depressionen vertreiben. Zwar könnten probiotische Arzneimittel – ausdrücklich nicht probiotische Lebensmittel – eventuell in Zukunft die Therapie unterstützen, heißt es vorsichtig in manchen Studien. Dazu müssten Forscher aber erst einmal herausfinden, welche Bakterienstämme dafür geeignet sein könnten und ob es dabei nicht individuelle Unterschiede zu beachten gilt.Die Erforschung des Mikrobioms und einer gezielten Probiotika-Therapie von Krankheiten steht noch am Anfang. Möglicherweise, das lassen die Daten jetzt schon vermuten, sind aber nicht alle Probiotika für jeden Menschen und jede Erkrankung gleich gut geeignet: Die Wirkung der verschiedenen Bakterienstämme ist einfach zu unterschiedlich.
Probiotika in Schwangerschaft und Stillzeit
Es gibt Hinweise darauf, dass Babys später weniger zu Allergien, Autoimmun- und Hauterkrankungen neigen, wenn ihre Mütter in der Schwangerschaft und Stillzeit Probiotika einnehmen. Welche Probiotika in dieser Zeit geeignet sind, sollten Frauen mit einem Arzt besprechen: Nicht alle Kulturen sind hilfreich.
Probiotika für Kinder und Babys
Manche Wissenschaftler haben untersucht, ob Kinder weniger zu Ekzemen und Asthma neigen, wenn sie als Babys Probiotika in Form von Milchsäurebakterien bekamen. Das Ergebnis: Mit Laktobazillen in den ersten sechs Monaten des Lebens lässt sich diesen Erkrankungen nicht vorbeugen.Hersteller von Babynahrung werben damit, dass ihre Produkte „probiotisch“ oder „combiotisch“ und damit für Säuglinge genau das Richtige seien. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nimmt dazu wie folgt Stellung: Zwar fänden sich keine Hinweise, dass die Produkte für gesunde Babys schädlich seien, es seien jedoch „weitere Daten aus gut geplanten Studien wünschenswert, um zuverlässige Aussagen über die Sicherheit von Mikroorganismen für den routinemäßigen Einsatz in Säuglingsnahrung treffen zu können“.
Das bedeutet: Die Wirkung, welche die Hersteller versprechen, ist wissenschaftlich nicht bewiesen, immerhin richtet probiotische Babynahrung aber wahrscheinlich keinen Schaden an. Einen Vorteil „probiotischer“ Erzeugnisse gegenüber herkömmlicher Babynahrung konnte das BfR nicht finden.
Probiotika richtig einnehmen
Wie sollte man Probiotika nun einnehmen? Wer trotz aller Zweifel von Probiotika zu profitieren glaubt, muss sicherstellen, dass sie nach der Einnahme in ausreichender Menge den Dünndarm erreichen und nicht vorher schon von der Magensäure zersetzt werden. Allein deshalb sind probiotische Arzneimittel wirksamer als Lebensmittel: Während auf Joghurtdrinks oft keine verlässlichen Angaben über die Menge der enthaltenen Bakterien stehen, haben probiotische Arzneimittel einen Beipackzettel, auf dem der Probiotika-Gehalt exakt vermerkt ist.
Es bringt zudem nichts, Probiotika nur einmalig einzunehmen, weil sich die Bakterien daraus nur vorrübergehend an der Darmschleimhaut ansiedeln. Wie lange eine regelmäßige Einnahme welcher Mittel erfolgen sollte, besprechen Patienten am besten mit ihrem Arzt. Unterstützen können sie die Vermehrung der „guten“ Bakterien in ihrem Darm mit den richtigen Nahrungsmitteln, sogenannten „Präbiotika“.
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Probiotika aus Lebensmitteln
Es gibt Lebensmittel, welche die Darmflora wahrscheinlich positiv beeinflussen. Geeignete Produkte auf Milchbasis sind beispielsweise:
- Joghurt
- Buttermilch
- Dickmilch
- Kefir
- Ayran
- Lassi
Vegane Alternativen sind:
- Sauerkraut
- Karotten
- milchsauer vergorene (fermentierte) Bohnen
- Rote Bete
Neben einer darmfreundlichen Ernährung mit vielen Ballaststoffen für die „guten“ Bakterien ist regelmäßige Bewegung wichtig, um die Verdauung in Schwung zu halten.
Die Nebenwirkungen von Probiotika
Wissenschaftler sind sich einig, dass es nicht ratsam ist, als gesunder Mensch ungezielt und wahllos Probiotika in welcher Form auch immer einzunehmen: Man müsse Probiotika wie Arzeimittel behandeln und nicht wie Nahrungsergänzungsmittel. Die Frage, ob die Mittel nicht auch schaden können, sei bisher viel zu selten gestellt worden. Entsprechend ist die Datenlage, was mögliche Nebenwirkungen angeht, fast ebenso dünn wie die für die Wirkung.
Manche Untersuchungen lassen vermuten, dass Probiotika nahezu dieselben unerwünschten Effekte hervorrufen können, wie jene, gegen die sie eigentlich helfen sollen: Bauchweh und Blähungen. „Erstverschlimmerung“ heißt das im Fachjargon. Sogar von einer giftigen Wirkung auf Nervenzellen ist in einigen Arbeiten die Rede – weil die Laktobazillen im Darm vermehrt sogenannte D-Milchsäure produzieren, die dann im Blut zirkuliert und im schlimmstenfalls zu Verwirrung führen kann.
Andere Studien legen nahe, dass Probiotika für bestimmte Patientengruppen gefährlich sein können. So entwickeln abwehrgeschwächte Menschen wahrscheinlich eher Pilzinfektionen, wenn sie Arzneihefe (Saccharomyces boulardii) einnehmen.Bei manchen Erkrankungen kann es dennoch sinnvoll sein, die Therapie mit Arzneimitteln, die Probiotika enthalten, zu unterstützen. Dies sollte dann aber immer in Rücksprache mit einem Arzt erfolgen.
Quellen
- S2k-Leitlinie: Therapie Akne (Deutsche Dermatologische Gesellschaft); Stand: Februar 2010
- S2k-Leitlinie: Neurodermitis (Deutsche Dermatologische Gesellschaft); Stand: März 2015
- S3-Leitlinie: Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie (Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten und Deutsche Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität); Stand: 01.02.2011
- Bafeta, A et al.: Harms Reporting in Randomized Controlled Trials of Interventions Aimed at Modifying Microbiota”; Annals of Internal Medicine; 2018; DOI: 10.7326/M18-0343
- Cabana, M et al.: Early Probiotic Supplementation for Eczema and Asthma Prevention: A Randomized Controlled Trial; Pediatrics; 2017; DOI: 140 (3) e20163000
- Garcia-Larsen, V et al: Diet during pregnancy and infancy and risk of allergic or autoimmune disease; PLOS Medicine; 2018; DOI: e1002507
- Online-Informationen Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): www.bfr.bund.de; Abruf: 25.11.2020
- Online-Informationen Deutsche Gesellschaft für Mukosale Immunologie und Mikrobiom: www.dgmim.de; Abruf: 23.11.2020
- Online-Informationen Verbraucherzentrale: www.verbraucherzentrale-bayern.de; Abruf: 23.11.2020