Definition: Was ist ein Bandscheibenvorfall?
Ein Bandscheibenvorfall entsteht, wenn der weiche Gallertkern durch den äußeren Faserring einer Bandscheibe bricht und in den Wirbelkanal hinausfließt. Die typischen Schmerzen kommen zustande, wenn die Gallertmasse auf die umliegenden Nerven drückt und diese reizt.
Bei einer Bandscheibenvorwölbung ist der äußere Faserring nur teilweise eingerissen. Der Knorpel kann die Bandscheibe dadurch nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form halten, sie wölbt sich vor und ragt in den Wirbelkanal hinein. Dort kann sie auf die Nerven drücken und Schmerzen verursachen. Der Gallertkern tritt aber nicht hinaus.
Am häufigsten entwickelt sich ein Bandscheibenvorfall (Ärzte bezeichnen ihn auch als Bandscheibenprolaps) bei Menschen zwischen 30 und 50 Jahren. Die Erkrankung kann aber auch in jüngeren Jahren entstehen und bereits 18- oder 20-Jährige plagen. Dafür müssen noch nicht einmal Übergewicht und Bewegungsmangel vorliegen, also die beiden Hauptrisikofaktoren. Hinter den Wirbelsäulenproblemen können auch eine dauerhafte Fehlbelastung (zum Beispiel durch Sport) oder eine genetische Veranlagung stecken. Meist haben die Betroffenen zudem ein schwaches Bindegewebe.Wirbelsäulen-Anatomie: Wie ist die Bandscheibe aufgebaut?
Die menschliche Wirbelsäule besteht aus 7 Halswirbeln, 12 Brustwirbeln und 5 Lendenwirbeln. Damit diese zentrale Stütze bei Schritten oder Sprüngen elastisch reagieren kann, besitzt sie zwischen zwei Wirbeln jeweils einen kleinen flexiblen Stoßdämpfer: die Bandscheibe. Insgesamt zählt die Wirbelsäule 23 Bandscheiben. Drückt Gewicht auf den Rücken, werden diese Stoßdämpfer zusammengepresst, federn den Druck ab und verteilen ihn danach abgeschwächt auf die angrenzenden Wirbel. Damit das gut klappt, besitzt die Bandscheibe einen besonderen Aufbau: Sie besteht aus einem festen äußeren Faserring, der Kollagenfasern besitzt, und einem weichen gelartigen Kern.Um elastisch zu bleiben, benötigt die Bandscheibe Flüssigkeit. Die meisten Gewebearten im Körper beziehen Flüssigkeit über Blutgefäße. Doch bei der Bandscheibe ist das anders: Sie wird nicht durch Blutgefäße versorgt, sondern bekommt Wasser und Nährstoffe aus dem umliegenden Gewebe. Und dafür ist körperliche Aktivität notwendig. Bei jedem Schritt, den ein Mensch macht, wird durch die Belastung der Bandscheibe Flüssigkeit mitsamt Nährstoffen in den Stoßdämpfer hineingeknetet – wie ein Schwamm saugt der Puffer dieses Elexier auf.
Durch Bewegungsmangel bekommt die Bandscheibe zu wenig Flüssigkeit, sie wird dadurch flacher, spröde und rissig.
Hexenschuss oder Bandscheibenvorfall?
Bei einem Hexenschuss (in der Fachsprache auch Lumbago genannt) spürt der Betroffene einen starken, einschießenden Schmerz im unteren Rücken, der bis ins Bein ausstrahlen kann. Die Beschwerden sind meist so qualvoll, dass sich die Person kaum noch bewegen kann. Da der Schmerz plötzlich und heftig entsteht, glaubte man im Mittelalter, eine Hexe habe dem Betroffenen einen Pfeil in den Rücken geschossen, daher die Bezeichnung „Hexenschuss“.Typische Auslöser sind eine ungünstige Bewegung, schweres Heben oder ungewohntes Bücken. Meist geht einem Hexenschuss ein länger bestehender Bewegungsmangel und damit eine Schwächung der Rückenmuskeln voraus. Eine falsche Bewegung genügt dann oft, dass der Schmerz einem ins Kreuz fährt.
Die Ursache für den Hexenschuss kann auch ein Bandscheibenvorfall im Lendenwirbelbereich sein, bei dem der Ischiasnerv eingeklemmt wird. Wenn im Bein Schmerzen und Gefühlsstörungen wie ein Kribbeln oder Taubheitsgefühle entstehen, sollten Betroffene umgehend einen Arzt kontaktieren.Werbung
Bandscheibenvorfall erkennen: Welche Symptome treten auf?
Ein Bandscheibenvorfall verursacht nicht immer deutliche Symptome wie Schmerzen oder Lähmungserscheinungen. Häufig verläuft er sogar ohne Beschwerden. Erst wenn die Bandscheibe auf umliegende Nerven oder das Rückenmark drückt, kommt der Schmerz.
Am häufigsten, bei rund 90 Prozent aller Fälle, treten Bandscheibenvorfälle in der Lendenwirbelsäule (LWS) auf. Hier übt das Körpergewicht einen besonders starken Druck auf die Wirbel und Bandscheiben aus. Meist entsteht solch ein lumbaler Bandscheibenvorfall zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel (L4/L5), sowie zwischen dem 5. Lendenwirbel und dem Kreuzbein (S1). In diesen Bereichen ist die mechanische Belastung am höchsten.
In manchen Fällen ist die Halswirbelsäule (HWS) betroffen, Ärzte sprechen hierbei von einem zervikalen Bandscheibenvorfall. Meist entsteht er zwischen dem 5. und 6. oder zwischen dem 6. und 7. Halswirbelkörper. Sehr selten entwickelt sich ein Bandscheibenvorfall im Bereich der Brustwirbelsäule (BWS).
Je nachdem, wo der Bandscheibenvorfall entsteht, treten unterschiedliche Symptome auf:
Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule (HWS)
Typische Symptome sind stechende Nacken- und Kopfschmerzen sowie Schmerzen, die in den Arm ausstrahlen. Muskelverhärtungen im Nacken und zwischen den Schulterblättern kommen ebenfalls vor, auch Schwindelgefühle sind möglich. Die Betroffenen können Taubheits- und Kribbelgefühle sowie motorische Störungen in Armen und Händen verspüren. Wenn das Rückenmark betroffen ist, können Lähmungserscheinungen auftreten. Bei diesen Warnsignalen sollten Betroffene schnell einen Arzt aufsuchen.Bandscheibenvorfall in der Brustwirbelsäule (BWS)
Entsteht ein Bandscheibenvorfall im Brustwirbelsäulenbereich, treten gürtelförmig ausstrahlende Schmerzen entlang der Rippen auf; gelegentlich machen sich überdies Gefühlsstörungen im Bereich des Brustkorbs und motorische Probleme bemerkbar.
Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäure (LWS)
Drückt der Bandscheibenvorfall auf den Ischias-Nerv, löst das im unteren Rücken einen starken, stechenden Schmerz aus. Die Pein kann bis ins Gesäß und über den Oberschenkel bis zu Knie und Fußsohle ausstrahlen. Möglich sind auch motorische Störungen und ein Kribbeln oder Taubheitsgefühle im Bein.
In schweren Fällen tritt eine Lähmung der Blase und des Mastdarms auf. Der Betroffene hat plötzlich Probleme damit, Urin oder Stuhlgang zu kontrollieren. Ein medizinischer Notfall! Der Betroffene sollte die Notaufnahme eines Krankenhauses aufsuchen, sonst droht eine dauerhafte Lähmung.
Ursachen eines Bandscheibenvorfalls
Es gibt verschiedene Faktoren, die einen Bandscheibenvorfall auslösen können:
- Abnutzung mit zunehmendem Lebensalter: Bereits ab dem 20. Lebensjahr verliert der Gallertkern der Bandscheibe allmählich die Fähigkeit, Flüssigkeit zu speichern. Setzt man seinen Faserring zusätzlich durch Übergewicht, Fehlhaltung oder andere Faktoren permanent unter Druck, wird der Faserknorpel zunehmend spröde und rissig – die Bandscheibe kann verrutschen, der Gallertkern aus dem Faserring herausquellen und auf einen Nerv drücken.
- Übergewicht: Je mehr Druck auf den Bandscheiben lastet, desto stärker werden sie abgenutzt. Bei manchen Übergewichtigen sind die Stoßdämpfer so stark abgerieben, dass Wirbelkörper fast auf Wirbelkörper sitzt, was sehr schmerzhaft ist.
- Bewegungsmangel: Bei jeder körperlichen Aktivität wird wichtige Nährstoffflüssigkeit in die Bandscheiben gepresst. Bewegungsmangel hingegen führt dazu, dass diese Puffer zuwenig Flüssigkeit bekommen, Elastizität verlieren und spröde und rissig werden. Hinzu kommt, dass eine schwache Rumpfmuskulatur (das heißt Rücken- und Bauchmuskeln) die Wirbelsäule nur schlecht stützt und die Bandscheiben ebenfalls belastet.
- Fehlbelastung: Stundenlanges Sitzen in starrer Haltung oder eine Fehlstellung der Hüftelenke belasten die Bandscheibe über längere Zeit einseitig. Das begünstigt eine vorzeitige Abnutzung der körpereigenen Stoßdämpfer und erhöht das Risiko für einen Bandscheibenvorfall.
- Überlastung: Beim Tragen von Gegenständen kann der Rücken sehr belastet werden. Das klassische Beispiel: Eine schwere Getränkekiste wird vom Boden hochgehoben. Wer das mit gebeugtem Rücken tut, übt auf seine Lendenwirbelsäule einen acht- bis zwölffach höheren Druck aus, als wenn er den Limoträger aus der Hocke heraus und mit geradem Rücken nach oben stemmt.
- Belastender Sport: Sportarten wie Reiten und Mountainbiken, bei denen die Wirbelsäule regelmäßig erschüttert wird, setzen die Bandscheiben unter Druck. Bei Tennis und Squash wird die Stütze in sich verdreht, auch das birgt ein Risiko.
- Schwangerschaft: Je größer der Fötus im Mutterleib wird, desto mehr Druck übt er auf die Wirbelsäule der Mutter aus. Dies kann einen Bandscheibenvorfall während oder nach der Schwangerschaft begünstigen.
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Bandscheibenvorfall: Diagnose
In vielen Fällen reichen ein ausführliches Untersuchungsgespräch sowie ein neurologischer Check-up aus, um die Diagnose „Bandscheibenvorfall“ zu stellen. Der zuständige Facharzt ist ein Orthopäde, ein Neurologe oder ein Neurochirurg. Der Behandler sollte durch die sorgfältige Diagnose andere Krankheiten mit ähnlichen Symptomen wie etwa eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) ausschließen können.
- Untersuchungsgespräch: Bei einem ausführlichen Untersuchungsgespräch wird sich der behandelnde Arzt erkundigen, wo die Beschwerden auftreten (zum Beispiel im Lendenwirbelbereich), wie sie sich genau äußern (zum Beispiel als stechender Schmerz, als Taubheitsgefühl in den Armen), seit wann die Symptome bestehen und ob sie sich bei Bewegungen oder etwa beim Niesen oder Husten verstärken. Der Arzt wird danach fragen, ob der Patient regelmäßig Sport macht und welche Sportart er ausübt, ob er im Berufsalltag viel sitzt und ob in der Familie bereits Bandscheibenvorfälle aufgetreten sind.
- Neurologischer Test: Mit einfachen Check-ups kann der Arzt feststellen, ob ein Bandscheibenvorfall vorliegen könnte. Er überprüft etwa, ob der Patient im Liegen das Bein schmerzfrei nach oben anheben kann, ob er leichte Berührungen auf den Armen oder Beinen sofort spürt und ob er die Hände des Arztes mit normaler Kraft drücken kann.
- Röntgen: Ein Röntgenbild von vorne und von der Seite hilft dem Arzt, indirekt festzustellen, ob ein Bandscheibenvorfall besteht. Zwar lassen sich die Bandscheiben auf einer Röntgenaufnahme nicht darstellen, aber der Mediziner sieht, ob die Räume zwischen den Wirbeln verengt oder verschoben sind. Ist das der Fall, kann dies auf beschädigte Bandscheiben hinweisen.
Allerdings: Eine abgenutzte oder vorgewölbte Bandscheibe muss nicht der Grund für die gesundheitlichen Probleme sein. Häufig verursacht solch eine nicht-intakte Bandscheibe nämlich überhaupt keine Beschwerden. Stattdessen rühren die Schmerzen im Rücken von anderen Ursachen her, etwa einer starke Muskelverspannung. In sehr seltenen, schweren Fällen löst ein bösartiger Tumor in der Wirbelsäule oder auch in anderen, angrenzenden Körperbereichen wie etwa der Bauchspeicheldrüse die Probleme aus. Der Arzt sollte die Ursache für die Beschwerden eindeutig abklären, um die richtige Behandlung einzuleiten.
- Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT): Auf einer CT- oder MRT-Aufnahme lässt sich ein Bandscheibenvorfall sofort erkennen. Die Bilder zeigen genau, in welchem Abschnitt der Wirbelsäule das Problem auftritt und in welche Richtung sich die Bandscheibe verschoben hat. Diese Aufnahmen sind allerdings kostspielig und kommen meist nur zum Einsatz, um eine fragliche Diagnose zu untermauern oder um einen vermuteten Tumor im Wirbelsäulenbereich zu entdecken.
Behandlung eines Bandscheibenvorfalls ohne OP
In 90 Prozent aller Fälle genügt eine konservative Therapie (also eine Behandlung, die ohne Operation auskommt), um einen Bandscheibenvorfall erfolgreich zu lindern. Denn der Körper baut vorgewölbtes Bandscheibengewebe meist innerhalb von sechs bis zwölf Wochen ganz von alleine ab. Schwellung und Entzündung bilden sich zurück und der Druck auf die Nerven schwindet.
Die konservative Therapie setzt sich aus zwei Grundpfeilern zusammen: zum einen sollen die Schmerzen gelindert und zum anderen die Rumpfmuskulatur gestärkt werden.
- Schmerzlinderung: Damit sich der Patient wieder ohne Beschwerden bewegen kann, verordnet der Arzt ein Medikament, das Schmerzen und Entzündungen reduziert. Entzündungshemmer wie Ibuprofen, Diclofenac oder ASS besitzen eine schmerzlindernde und abschwellende Wirkung. Oft verordnet der Arzt auch COX2-Hemmer, um die Schmerzen und Entzündungen zu lindern sowie Medikamente zur Muskelentspannung (Muskelrelaxantien). Verspürt der Patient starke und andauernde Pein, können Antidepressiva die Schmerzschwelle anheben.
Trotz ihres Handicaps sollten Betroffene nicht in einer Schonhaltung erstarren. Das sorgt sonst dafür, dass sich die Rückenmuskeln noch mehr zurückbilden und die Schmerzen zunehmen. Leichte Bewegung hingegen fördert die Genesung. Auch Wärme (zum Beispiel Wärmepflaster, ein Wannenbad oder Rotlicht) und Massagen helfen, die Muskeln zu entspannen, zu lockern und die Beschwerden zu lindern.
- Peridurale Infiltration (PDI) und periradikuläre Therapie (PRT): Spritzen an die Nervenwurzel: Sind die Schmerzen nicht durch die üblichen Medikamente in den Griff zu bekommen, kann der Arzt eine periradikuläre Therapie (PRT) oder eine peridurale Infiltration (PDI) durchführen. Dabei spritzt er unter computertomografischer Kontrolle eine Kombination aus Schmerzmittel und Kortison direkt an die eingeengte Nervenwurzel. Dadurch klingen Entzündung und Schwellung meist rasch ab.
- Stärkung der Muskulatur: Sobald sich der Patient wieder schmerzfrei bewegen kann, sollte er mit der Physiotherapie beginnen. Die Krankengymnastik kann in einer Physiotherapeuten-Praxis oder in einer nahegelegenen Reha-Klinik stattfinden. Bei den Übungen werden Rücken- und Bauchmuskulatur gestärkt und die Bandscheiben entlastet.
Wichtig ist, dass Patienten die gelernten Übungen regelmäßig zuhause wiederholen (auch nach dem Ende der Physiotherapie). Nur so lässt sich die Muskulatur dauerhaft ausreichend stärken und dehnen. Vor allem bei schweren oder chronischen Leiden empfiehlt sich eine multimodale Therapie in einer Reha-Klink. Hier erhalten Patienten drei bis sechs Wochen lang eine Behandlung, die u.a. aus einer Physiotherapie, verschiedenen Sportarten, Entspannungsübungen, einer Patientenschulung und einer psychologischen Beratung besteht.
Ratsam ist außerdem, eine Rückenschule zu besuchen. Bei diesen Kursen lernen Patienten in Vorträgen, wie sie ihr Kreuz im Alltag pflegen und was sie etwa beim Sitzen und Heben beachten sollten. Tabu sind für Bandscheibenpatienten alle Tätigkeiten, bei denen sie schwere Lasten heben müssen (etwa beim Tragen von Getränkekisten oder massiven Möbelstücken) oder sich längere Zeit in gebückter Haltung befinden (etwa beim Gärtnern, Putzen oder Fliesenlegen).
Spätestens nach acht Wochen sollten sich die Bandscheibenprobleme deutlich bessern. Wenn dies nicht der Fall ist oder sich Beschwerden sogar verschlechtern, kann eine Operation ratsam sein.
Bandscheibenvorfall: Operation
Wann ist bei einem Bandscheibenvorfall eine Operation notwendig?
Ein Bandscheibenvorfall sollte operiert werden, wenn die konservative Therapie nicht anschlägt oder wenn die Bandscheibe eine Nervenfaser komplett abdrückt und dadurch funktionelle Ausfälle wie etwa eine Lähmung verursacht. Wenn Patienten bereits an Lähmungserscheinungen leiden und die neurologischen Ausfälle sich schnell verschlechtern, sollte umgehend eine Operation erfolgen.
Zu diesen medizinischen Notfällen zählt das Kaudasyndrom. Dabei werden Nerven im unteren Teil des Rückenmarks, der sogenannten Cauda equina, gequetscht. Viele Betroffene können ihre Füße nicht mehr richtig anheben und besitzen keine intakten Reflexe mehr im Bein. Im Bereich der Geschlechtsorgane treten Empfindungsstörungen auf, die Entleerung von Blase und Enddarms lässt sich nicht mehr kontrollieren (Harn- oder Stuhl-Inkontinenz). Dazu kommen Schmerzen im Lendenwirbelbereich und Taubheitsgefühle an den Innenseiten der Oberschenkel (sogenannte Reithosenanästhesie). Wenn diese Beschwerden auftreten, muss der Betroffene sofort operiert werden! Die Operation sollte möglichst innerhalb von sechs Stunden (spätestens innerhalb von 24 Stunden) nach dem erstmaligen Auftreten der Symptome erfolgen, um irreparable Schäden wie das Absterben von Nervenwurzeln, dauerhafte Lähmung und Inkontinenz möglichst zu vermeiden.Welche OP-Methoden gibt es? Bei der OP wird in der Regel das ausgetretene Bandscheibengewebe entfernt, das gegen die Nervenstränge drückt und die Beschwerden verursacht. Es gibt verschiedene OP-Techniken, meist führt der Chirurg den Eingriff minimalinvasiv durch. Dann fällt nur ein kleiner Hautschnitt an. Der Eingriff dauert in der Regel 45 bis 60 Minuten. Lediglich in schweren Fällen oder wenn mehrere Bandscheiben operiert werden müssen, kommt die offene Operation zum Einsatz, bei der der Chirurg einen größeren Hautschnitt vornimmt.
Minimalinvasive OP-Methoden:
- Mikrochirurgische Diskektomie: Sie ist heutzutage das häufigste OP-Verfahren, um einen Bandscheibenvorfall zu operieren. Ihre Bezeichnung leitet sich von den griechischen Wörtern Diskus (Bandscheibe) und Ektomie (Entfernung) ab. Der Operateur setzt einen kleinen Hautschnitt, führt ein Operationsmikroskop ein und entfernt mit dessen Hilfe und weiterer feiner Spezialinstrumente das beschädigte Bandscheibengewebe. Dadurch werden die eingeengten Nerven entlastet, die die Beschwerden auslösen.
- Endoskopische Operation: Für einen minimalinvasiven Eingriff kann der Chirurg auch ein Endoskop verwenden, also eine schlauchartige, schmale Sonde, die mit einer winzigen Kamera ausgestattet ist. Unter der Kamerakontrolle entfernt der Operateur die beschädigte Bandscheibe. Weil der Arzt bei dieser OP nur eine kleine Hautstelle zu öffnen braucht, um in den Körper zu gelangen, heißt sie auch Schlüsselloch-Operation.
- Chemonukleolyse: Wenn der Faserring der Bandscheibe zwar noch intakt ist, aber sich verschoben hat und auf die umliegenden Nerven drückt, kann der Operateur das betreffende Bandscheibengewebe mit Hilfe des Enzyms Chymopapain verflüssigen und absaugen. Chemonukleolyse nennen Ärzte dieses Verfahren.
- Perkutane Nukleotomie: Bei dieser Methode wird das betreffende Bandscheibengewebe nicht mit Hilfe eines Enzyms verflüssigt, stattdessen verwendet der Chirurg ein spezielles Sauggerät. Um die Kanüle einzuführen und exakt zu platzieren, kontrolliert der Arzt den Vorgang per Computertomografen.
- Laser: Alternativ kann der Chirurg das vorgewölbte Bandscheibengewebe mit Hilfe eines Lasers entfernen. Die Laser-Lichtblitze können Teile der Bandscheibe gezielt verdampfen und verkleinern.
Konventionelle offene Operation:
In schweren Fällen, wenn etwa mehrere Bandscheiben betroffen sind oder der Patient schon seit längerer Zeit an starken Beschwerden leidet, kann ein größerer Eingriff unter Vollnarkose notwendig sein. Da solche offenen Operationen ein höheres Risiko für Komplikationen bergen, werden sie zunehmend seltener durchgeführt.
Einsatz einer künstlichen Bandscheibe:
Manchmal ist es ratsam, eine beschädigte Bandscheibe durch eine Prothese zu ersetzen. Dies ist der Fall, wenn ein Patient einen besonders schweren Bandscheibenvorfall hat und an chronischen Schmerzen leidet. Die künstliche Bandscheibe aus Titan ersetzt dann das beschädigte Original.
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Bandscheibenvorfall: Dauer
Wie lange die Genesung dauert, ist von Patient zu Patient verschieden. Sie hängt davon ab, wie schwer der Bandscheibenvorfall war, wie alt der Betroffene ist und in welchem gesundheitlichen Zustand er sich generell befindet.
Wie lange ist der Patient krank?
Im Durchschnitt dauert die Genesung mindestens vier bis sechs Wochen, sie kann sich aber auch über mehrere Monate hinziehen.
Krankenhausaufenthalt und Reha
Nach einer minimalinvasiven Bandscheibenoperation muss der Patient in der Regel drei bis fünf Tage im Krankenhaus bleiben. Es ist empfehlenswert, anschließend eine ambulante, teilstationäre oder vollstationäre Rehabilitation (Reha) zu machen. Dabei wird die Rumpfmuskulatur gestärkt und ein rückenfreundliches Verhalten im beruflichen und privaten Alltag trainiert. In der ambulanten Reha macht der Patient die Übungen in einer Praxis oder in einem Reha-Zentrum und fährt danach wieder nach Hause. In der teilstationären Reha bekommt er das gleiche Angebot wie in einer vollstationären Reha – mit dem Unterschied, dass er zuhause übernachtet und meist dort auch seine Mahlzeiten einnimmt. Bei der vollstationären Reha verbringt der Patient mehrere Wochen in einer Klinik und nimmt dort an einem täglichen Reha-Programm teil. Welche Reha-Variante für den Patienten am besten geeignet ist, entscheidet er mit dem behandelnden Arzt. Eine Reha dauert zwischen drei und sechs Wochen.
Rückkehr ins Berufsleben
Berufstätige können in der Regel nach drei bis vier Wochen zum Arbeitsplatz zurückkehren, wenn der Arzt zustimmt. Im Job sollten sie aber in den ersten sechs bis acht Wochen keine körperlich belastenden Arbeiten durchführen.
Es gilt: in den ersten drei Wochen sollten Patienten höchstens zwei Stunden am Stück sitzen, manche Ärzte raten sogar nur zu 60 Minuten am Stück. Dies sollte mit dem behandelnden Facharzt unbedingt abgesprochen werden.
Bandscheibenvorfall Übungen
Welche Übungen die Rücken- und Bauchmuskulatur stärken (und auch richtig dehnen), lernen Patienten am besten in einer Physiotherapie. Diese einstudierten Workouts sollten nach dem Ende der Krankengymnastik regelmäßig zuhause weitergeführt werden.
Im Internet gibt es ebenfalls zahlreiche Übungen für die Rücken-, Brust- und Bauchmuskulatur, die sich prima zuhause durchführen lassen. Gute Beispiele finden sich auf der Webseite des Deutschen Grünen Kreuzes: https://dgk.de oder bei der Techniker Krankenkasse: https://www.tk.de. Patienten sollten die Übungen täglich 20 bis 30 Minuten lang machen.
Wer die Workouts gerne unter Anleitung durchführt, kann zudem an einem Rückentrainingskurs teilnehmen, den viele Sportvereine und Fitness-Studios anbieten.
Darüber hinaus sollten Betroffene mindestens zweimal pro Woche Sport betreiben. Welche Sportart infrage kommt, sollten sie mit ihrem behandelnden Arzt besprechen. Meistens eignen sich Walking, Schwimmen oder Tanzen. Auch ein längerer Spaziergang tut dem Bewegungsapparat gut.
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Bandscheibenvorfall vorbeugen
Bandscheibenvorfall: Ursachen und die richtige Therapie + Tipps gegen Rückenschmerzen (Podcast Folge #9)
Zu Gast im Podcast:
Dr. med. Ulf Marnitz, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie am Rückenzentrum am Markgrafenpark in BerlinMehr zur Folge
Rückenschmerzen kennt (fast) jeder, denn sie zählen zu den häufigsten Beschwerden der Menschen in Deutschland.
In dieser Podcastfolge sprechen wir mit dem Schmerzexperten, Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. Ulf Marnitz darüber, was jeder tun kann, um der Pein im Kreuz effektiv vorzubeugen. Der ergonomische Büroarbeitsplatz gehört genauso dazu wie die richtige Bewegung.
Unser Experte erklärt, warum Sitzbälle Schnee von gestern sind und wie ihr die innere Rückenmuskulatur am besten trainiert. Die passende Übung für zu Hause verrät er natürlich auch.
Außerdem finden wir die SOS-Tipps für akute Rückenschmerzen heraus und klären, was langfristig hilft. Zudem erfahrt ihr, wie ein Bandscheibenvorfall entsteht und weshalb schonen immer kontraproduktiv ist.
Quellen
- Online-Informationen Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie: www.dgou.de; Abruf: 29.04.2019