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Prehabilitation: Optimal vorbereitet für eine Orthopädie-, Herz- oder Krebs-Operation

Ein großer Eingriff ist körperlich belastend wie ein Marathon. Man sollte ihn möglichst gut vorbereitet angehen. Was Menschen mit Orthopädie-, Herz- oder Krebserkrankungen bei einer Prehabilitation gewinnen können.

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Patientin trainiert mit Trainer mit Widerstandsbändern

© Shutterstock

Am Hüftstrecker trainiert Astrid Schmidt-Brunn besonders gerne. Hier ist die Aussicht am besten: geradeaus der Hamburger Hafen mit der Werft von Blohm und Voss, links der „Michel“, im Augenwinkel die Elbphilharmonie. „Da vergeht das Training wie im Flug“, lacht die 70-Jährige. Zweimal pro Woche steuert die pensionierte Anästhesistin die Helios Endo-Klinik Hamburg an, um sich im Rehazentrum über den Dächern der Stadt auf ihre Knie-OP am rechten Bein vorzubereiten. Wie hilfreich gestärkte Muskeln sind, hat sie im Sommer 2020 erlebt, als ihr linkes Knie ersetzt wurde. „Ich habe sieben Wochen vor der OP mit den Übungen angefangen“, erzählt die Hamburgerin. „Nach dem Eingriff erholte ich mich viel schneller, als es normalerweise der Fall ist.“

Wie das Training vor der OP Schmerzen reduzieren kann

Prehabilitation nennen Experten die gezielte Vorbereitung auf eine Operation oder eine kräftezehrende Therapie. Während die klassische Reha Patienten im Anschluss an einen Klinikaufenthalt bei der Genesung unterstützt, leitet die Preha (von lat. „prä“ = vor) das Gesundwerden schon im Vorfeld ein. „Sie bringt die Patienten in einen Zustand, der sie die Behandlung besser überstehen und danach schneller wieder auf die Beine kommen lässt“, erklärt Sportmediziner Wilhelm Bloch von der Deutschen Sporthochschule Köln. Im Idealfall kombiniert die Prehabilitation verschiedene Bausteine, die individuell auf den Betroffenen zugeschnitten werden: vor allem Physiotherapie, Muskel- und Atemtraining, aber auch Gewichtsabnahme und Ernährungstherapie.

Erste Studien zeigen die positiven Effekte etwa in der Endoprothetik. Bei Patienten, die ein neues Hüft- oder Kniegelenk bekamen, halbierten sich durch ein vierwöchiges Training die Schmerzen. Die Beweglichkeit nach der OP verdoppelte sich. Noch bieten nur vereinzelt engagierte Ärzte die Preha als Pilotprojekte oder im Rahmen von Studien an. Doch Experte Bloch ist sich sicher:

„In 20 Jahren wird es völlig normal sein, dass Patienten sich auf einen körperlichen Eingriff intensiv vorbereiten.“ Was Menschen mit Orthopädie-, Herz- oder Krebserkrankungen dabei gewinnen, zeigen die bestehenden Angebote schon heute.

Astrid Schmidt-Brunn trainiert insgesamt zwei Stunden pro Woche an den Geräten und ist auch sonst körperlich aktiv. In ihrem Trainingsplan wird nichts dem Zufall überlassen. „Bevor es mit dem Übungsprogramm losgeht, testen wir mithilfe einer speziellen Analysemethode, wie es bei den Patienten etwa um Mobilität, Kraft und Balance steht“, sagt Johannes Reich, leitender Therapeut des Endo-Rehazentrums. Gerade Menschen mit Gelenkverschleiß verharrten häufig über Monate und Jahre in Schonhaltung und Ausweichbewegungen. All dies erkennt die Analyse.

„Aus den Ergebnissen erstellen wir ein individuelles Trainingsprogramm. Es soll Defizite ausgleichen, damit die Patienten möglichst fit in die OP gehen und das neue Gelenk anschließend optimal nutzen können“, sagt Reich.

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Wie Sie Vertrauen in Ihren Körper zurück gewinnen

Auch Patienten, denen eine Bypass-OP bevorsteht, werden durch körperliches Training schneller und sicherer gesund. Carolin Steinmetz, Sportwissenschaftlerin an der Universität der Bundeswehr in München, konnte in einer Patientenstudie zeigen, dass selbst ein kurzzeitiges Training effektiv ist. Sechs Trainingstermine absolvierten die Studienteilnehmer innerhalb von zwei Wochen; jedes Mal nahm die Belastung etwas zu. Am Ende strampelten die Probanden zweimal 25 Minuten auf dem Fahrradergometer, mit kurzer Pause zwischen den Einheiten. Dadurch besserte sich nicht nur der Blutdruckwert, sondern auch die Lebensqualität. „Das Training gab ihnen Selbstbewusstsein und Vertrauen in ihren Körper“, sagt Steinmetz. Die Teilnehmer hätten dem großen Eingriff mit mehr Zuversicht entgegengesehen.

Oliver Pfenning war einer der Patienten aus der Studie. „Die Prehabilitation hat mein Leben verändert“, sagt der 57-Jährige heute. Noch vor fünf Jahren rauchte der Angestellte eine Schachtel Zigaretten am Tag, war übergewichtig und bewegte sich kaum. Bei einer Tauchtauglichkeitsuntersuchung äußerte ein Arzt nach dem Blick aufs EKG den Verdacht auf verengte Herzgefäße. Pfenning fuhr trotzdem erst mal zum Tauchen auf die Malediven. Bei einer Herzkatheteruntersuchung ein paar Wochen später zeigte sich das ganze Ausmaß der Erkrankung: Mehrere Herzkranzgefäße waren so verschlossen, dass kaum Blut durchdrang. „Die Ärzte erklärten mir, mit dem Befund hätte ich das Jahr nicht überlebt“, sagt der Bischofsheimer.

Die Preha machte aus dem Couch-Potato einen sportlichen Mann: „Mir ging es körperlich und psychisch schon nach wenigen Trainingseinheiten besser“, erzählt er. Schon bald nach seiner OP, bei der ihm ein Herzspezialist fünf Bypässe legte, nahm er das Übungsprogramm wieder auf. Seitdem hat Pfenning nicht mehr aufgehört, sich zu bewegen. „Ich fahre viel Fahrrad, walke oder steige auf den Hometrainer“, erzählt er. Er wurde Nichtraucher und isst heute viel Gemüse und Obst. Inzwischen liegt sein Body-Mass-Index mit 24 im Normalbereich. „Die Preha war das Beste, was mir passieren konnte“, sagt Pfenning rückblickend.

Welche Preha-Projekte es bereits gibt

Eine Vorbereitung, die vor allem auf muskulärer Fitness basiert, geht manchen Medizinern allerdings nicht weit genug. „Effektiver sind multimodale Programme, die verschiedene Facetten der körperlichen Verfassung ansprechen“, ist Natascha Nüssler überzeugt. Die Chefärztin für Allgemein- und Viszeralchirurgie an der München Klinik Neuperlach würde am liebsten allen Patienten, denen ein größerer Eingriff an den Bauchorganen bevorsteht, ein solches Programm anbieten. Ihr Konzept umfasst drei Säulen: Ernährungstherapie, Muskelaufbau und das sogenannte Blutmanagement. Der Hintergrund: Blutarmut – eine häufige Begleiterscheinung etwa bei Krebserkrankungen – erhöht das Risiko für Komplikationen vor und nach den Eingriffen.

„Mit Eiseninfusion bessern sich die Werte gewöhnlich nach wenigen Tagen“, sagt Nüssler. Durch das Auffüllen der Eisenspeicher und blutsparende Operationstechniken können Bluttransfusionen bei der OP vermieden werden. Andere Patienten profitieren von gezielten Ernährungsempfehlungen auf Basis einer Laboranalyse.

Preha-Projekte

Die Prehabilitation steht in Deutschland noch am Anfang. Lediglich bei Hüft- und Knieersatz ist sie weiterverbreitet. Fragen Sie als Patient vor größeren Eingriffen ruhig trotzdem nach einer individuell angepassten Bewegungstherapie, die Sie fit für die OP macht.

 

Hüft- und Knie-TEP: Preha-Angebote gibt es u. a. an diesen Einrichtungen: Bauch- und Allgemeinchirurgie: Die München Klinik Neuperlach bietet Preha vor Eingriffen am Magen-Darm-Trakt an (z. B. bei Speiseröhren-, Magen- und Darmkrebs)

 

Eierstockkrebs: An

läuft eine Preha-Studie zu dieser Tumorart.

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Wieso eine starke Muskulatur vor einer OP wichtig ist

Obendrein verteilt Nüssler ihren Patienten, die oft wenig in Form sind, ein Merkblatt mit einfachen Übungen: Treppen steigen, zügig spazieren gehen, 20-mal vom Stuhl aufstehen. „Das sind banale Dinge, die vor allem bei Untrainierten erstaunliche Effekte zeigen“, so die Chirurgin. Gerade schwer und schwerstkranke Patienten hätten große Chance, einen gravierenden Eingriff besser zu überstehen.

„Die Zukunft der Prehabilitation liegt vor allem bei den großen Operationen und körperlich zehrenden Therapien“, ist auch der Sportmediziner Bloch überzeugt – etwa bei Eingriffen an den Bauchorganen oder am Herz, bei Tumoren, Bestrahlungen oder Chemotherapien. Bloch setzt vor allem auf den Aufbau der Muskulatur. Die Aktivität der Muskeln und ihrer Botenstoffe wirke auf jedes Organ – einschließlich des Immunsystems, „und von den Abwehrkräften und dem Fitnesszustand hängt es ab, wie gut sich die Patienten erholen“. Den wissenschaftlichen Nachweis will er jetzt in einer Studie mit der Kölner Uniklinik erbringen, bei der Patienten vor Eingriffen im Bauch- und Brustbereich ein maximal vierwöchiges Trainingsprogramm absolvieren.

Für wen und wo Prehabilitation bereits möglich ist

Eine große Operation oder eine belastende Therapie sollte man also tunlichst ebenso vorbereiten wie einen Marathon oder eine Fernreise. Bislang steckt die Prehabilitation hierzulande allerdings noch in den Kinderschuhen. Es gibt kein Netzwerk, das Patienten zu Angeboten weist. Keine Leitlinien, die Kranken und ihren Therapeuten vorgeben, wie oft und wie lange trainiert werden sollte. Die Studienlage ist so dünn, dass die Kassen bislang die Kosten nicht übernehmen.

Interessierte Patienten sind deshalb auf den guten Willen der Klinken angewiesen. Oder sie müssen die Leistungen selbst finanzieren. Die Helios Endo-Klinik in Hamburg etwa verlangt insgesamt 120 Euro für die empfohlenen zehn Trainingstermine. „Das Angebot wird längst nicht von allen angenommen, für die es sinnvoll wäre“, bedauert der Ärztliche Direktor Thorsten Gehrke. Auch bei vielen Kollegen seien die Vorteile eines Vorab-Trainings noch nicht angekommen.

„Es braucht noch Zeit, bis die Prehabilitation zu einer standardisierten Versorgung wird“, vermutet der Orthopäde. Dass sie auch wirtschaftlich Sinn macht, steht für ihn außer Frage. „Die Zahl der Gelenkersatz-OPs steigt. Zugleich sollen die Menschen möglichst kurz in der Klinik verweilen.“ Die gute körperliche Vorbereitung zahle auf beide Entwicklungen ein.

Überzeugungsarbeit ist auch bei den Patienten nötig. Menschen mit Tumorerkrankungen etwa legten Wert auf einen möglichst schnellen OP-Termin. „Es liegt dann an uns Medizinern, den Betroffenen zu erläutern, warum es sich lohnt, den Eingriff gegebenenfalls zu verschieben“, sagt Viszeralchirurgin Natascha Nüsslein. „Die zwei, drei Wochen, die wir uns für die Prehabilitation nehmen, verbessern das Ergebnis deutlich“, beteuert die Ärztin.

Wer wie Arthrosepatientin Schmidt-Brunn die Vorteile am eigenen Leib erfahren hat, möchte die Preha nicht mehr missen. Die Hamburgerin hat ihre Operation jedenfalls erst einmal verschoben. Die Turnerei hat die Muskulatur rund um ihr Knie derart gestärkt, dass das Gelenk stabiler geworden ist und weniger schmerzt. Eine Erleichterung für Schmidt-Brunn: „Das eigene Knie ist doch die beste Lösung.“

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