Ein tiefer Schnitt mit dem Skalpell, sicher geführte Instrumente, und nach dem Eingriff verschließt eine Naht den Ort des Geschehens. Was im Operationssaal eine Abfolge von Routineabläufen ist, hinterlässt im Körper zunächst ein Bild der Zerstörung. Das chirurgische Messer hat Gewebeschichten durchtrennt, Zellen vernichtet, Blutgefäße und Nervenbahnen zerschnitten. Und doch: Für den Operierten besteht kaum Grund zur Sorge. Denn der Organismus gewinnt rasch Kontrolle über die Situation, sodass am Ende – wenn alles gut läuft – nur noch eine blasse Narbe von der einstigen Katastrophe zeugt.
„Im Prinzip hat es der Körper bei Operationswunden sogar leichter als bei großflächigen Schürfwunden“, weiß Erwin Schultz, Chefarzt der Hautklinik und Sprecher des interdisziplinären Wundzentrums am Klinikum Nürnberg. Durch die Naht liegen die Ränder der Operationsverletzung dicht aneinander und wachsen recht schnell wieder zusammen. Das ist in der Regel nach sechs bis zehn Tagen der Fall.
Die Haut ist ein Paradebeispiel für die menschliche Regenerationsfähigkeit. Der Körper verfügt über alle Mechanismen, um Einschnitte, die eine Operation angerichtet hat, eigenständig zu reparieren. Patienten können dennoch einiges unternehmen, um den Selbstheilungsprozess zu unterstützen. Und sollten dies auch tun – damit die Narbe, die nach einem operativen Eingriff unweigerlich entsteht, optimal verheilt und nach einer gewissen Zeit kaum noch auffällt.
Blutungen signalisieren dem Körper: Reparaturprozess starten!
Die erste Stufe der Heilung läuft bereits an, wenn die frisch Operierten im Aufwachraum liegen. Zunächst fließt noch etwas Blut, was die Wunde reinigt. Zerstörte Zellen und Keime werden ausgeschwemmt. Dann bilden Blutplättchen zusammen mit einem feinen Fasernetz aus dem Eiweißstoff Fibrin einen ersten Wundverschluss. Das stoppt die Blutung und verhindert gleichzeitig, dass neue Keime eindringen. Der erste wichtige Schritt zur Heilung ist getan.
Die drei Phasen der Heilung
Der Reparaturprozess läuft stets nach diesem Muster ab
Nach zehn Tagen können die Fäden gezogen werden
Schwillt die Wunde in den darauffolgen den Tagen leicht an, rötet sich und juckt ein wenig, ist das ein Zeichen dafür, dass die Reparatur nach Plan fortschreitet. Der Körper führt in dieser Phase eine Entzündungsreaktion herbei. „Wichtig ist in dieser Zeit, die Wunde unter sterilem Verbandsmaterial keimfrei zu halten und nicht an der Verletzung zu manipulieren“, sagt Wundexperte Schultz. Regelmäßiger Verbandswechsel sowie eine guter Schutz sind nun wichtig. Das Neuverbinden ist immer auch eine gute Gelegenheit, den Fortgang der Heilung zu begutachten. „Alarmiert sollte man sein, wenn die Wunde plötzlich heiß wird, stark schmerzt und pocht, wenn sie wieder nässt oder Eiter austritt“, sagt Schultz. Dies sind Zeichen für eine Infektion.
Wenn die Wunde nicht heilt
Diese Anzeichen deuten auf eine Infektion hin. Trifft eines zu, dringend Ärztin oder Arzt konsultieren:
- Wunde riecht übel: Ein fauliger oder käsiger Geruch können als Ursache eine bakterielle Infektion haben
- Schmerzen und Wundausfluss: Eiter, vermehrtes Sekret sowie zunehmende Druckschmerzen deuten darauf hin, dass die Verletzung nicht gut heilt
- Lymphknoten geschwollen: Vergrößerte Lymphknoten zeigen an, dass das Immunsystem aktiv ist und der Körper gegen einen Infekt kämpft
- Hohes Fieber: Jetzt sofort handeln! Fieber kann ein Anzeichen für eine Blutvergiftung sein. Umgehend ärztliche Behandlung suchen
Verläuft alles gut, werden nach etwa zehn Tagen die Fäden gezogen. Größere Wundmale versuchen Chirurgen heute durch eine spezielle Naht, die Intrakutan naht, zu verhindern. Der Faden wird dabei knapp unter der Hautoberfläche geführt; um Einstichstellen, die später vernarben, möglichst zu vermeiden. Minimalinvasive Operationstechniken kommen ohne den „großen Schnitt“ aus. Auch das minimiert das Ausmaß der Verletzung.
Dennoch, eine Narbe bleibt immer zurück. Sie entsteht, sobald die zweite Hautschicht, die Dermis, beschädigt wird. Im Prinzip ist Narbengewebe Haut zweiter Wahl. Während die Kollagenfasern normalerweise miteinander verkreuzt sind, verlaufen sie im Narbengewebe parallel. Dadurch büßt das Gewebe an Elastizität ein, ist weniger gut durchblutet und verletzungsanfälliger. Zudem ist die Pigmentierung geringer, sodass sich eine Narbe optisch von der restlichen Haut abhebt und empfindlicher ist gegenüber UV-Strahlung.
FOCUS-Gesundheit 03/24
Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung. Den vollständigen Text finden Sie in der Ausgabe Moderne Chirurgie. Weitere Themen: Was personalisierte Chirurgie für Patienten bedeutet. Gezielte Maßnahmen vor der OP reduzieren Schmerzen und Komplikationen. U.v.m.
Sicherheit zuerst: Der Körper verschließt schnell die Wunde
Biomedizinisch betrachtet ist es durch aus sinnvoll, diese Schwachpunkte in Kauf zu nehmen. „Eine Verletzung setzt die Hauptfunktion der Haut als Schutzbarriere außer Kraft“, erklärt Gerd Gauglitz, Dermatologe aus München und Mitautor der medizinischen Leitlinien zur Narbentherapie. Die gefährliche Lücke zu schließen hat fr den Körüper absolute Priorität. „Da kommt es aufs Tempo an, nicht auf Aussehen und physiologische Perfektion“, sagt Gauglitz. Die vollständige Heilung braucht Zeit. Tiefe Verletzungen benötigen rund neun Monate, bis sie wieder aufgefüllt sind. In dieser Zeit verändert sich die Narbe, passt sich optisch immer mehr dem gesunden Gewebe an – zumindest bei einem normalen Heilungsverlauf.
„Wuchernde Narben entstehen, wenn die Wundheilung gestört ist“, erläutert Gerd Gauglitz. Auch starker Zug auf die Wunde, beispielsweise an Körperstellen mit hoher Hautspannung wie im Bereich von Schulter, Brust oder Gelenken, kann eine übermäßige Produktion von Bindegewebe anregen. Dermatologen sprechen von hypertrophen Narben. Ein weiterer problematischer Typ sind sogenannte Keloide, gutartige Narbentumoren, die auch in das umliegende Gewebe hineinwuchern. Unbehandelt können sie über Jahre weiterwachsen. Genetische Faktoren spielen sehr wahrscheinlich eine Rolle bei der Keloidbildung. Außerdem neigen junge Menschen und Personen mit dunkler Pigmentierung eher dazu.
Die Narbe flach halten: Was Dermatologen tun können
Ärztinnen und Ärzte haben eine Reihe von Therapiemöglichkeiten, um in eine fehlgesteuerte Narbenbildung korrigierend einzugreifen. Synthetische Glukokortikoide – umgangssprachlich als Kortison bezeichnet –, direkt in das Narbengewebe injiziert, hemmen die Bildung von neuem Gewebe und können so Wucherungen stoppen. Diese Behandlung kombinieren Dermatologen häufig mit Kryotherapie, einer Vereisung mit flüssigem Stickstoff, die überschüssiges Gewebe absterben lässt. Auch Laserbehandlungen lassen Narben abflachen und Rötungen verblassen.
Solche Therapien erfordern einen langen Atem. Bei stark wucherndem Gewebe können durchaus bis zu zwei Jahre vergehen, bis das Ergebnis zufriedenstellend ist. Im Idealfall fällt die Narbe danach auf den ersten Blick kaum noch auf. Zumindest bei OP-Narben bis zu einer Länge von zehn Zentimetern ist das realistisch. „Ganz verschwinden lassen können wir sie natürlich nicht“, sagt Gauglitz.
Derzeit untersuchen verschiedene Studien, wie sich eine sanfte Laserbehandlung auswirkt, die sehr früh, nämlich bereits einen Monat nach dem Wundverschluss, beginnt. Die Hoffnung ist, so die physiologische Wundheilung zu unterstützen und noch bessere optische Ergebnisse zu erzielen. Noch ist laut Gauglitz nicht klar, wie gut der Effekt tatsächlich ist. „Letztlich“, so der Experte, „werden 90 Prozent aller OP-Narben von selbst unauffällig.“
Das sollten Sie für eine gute Wundheilung beachten
Offene Wunden richtig pflegen
In der ersten Zeit geht es vor allem darum, Infektionen und Verschmutzungen zu vermeiden
- Schutz, nicht Luft: Wunden am besten mit sterilem Verbandsmaterial abdecken. Luft sollte nicht an die offene Wunde kommen. Das erhöht das Infektionsrisiko. Außerdem trocknet die Wunde schneller aus, was den Abtransport des Sekrets und damit die körpereigene Reinigungsarbeit behindert
- Regelmäßiger Verbandswechsel: Alle ein bis zwei Tage muss frisch verbunden werden. Mit dem Verband nimmt man auch die oberste Sekretschicht ab – und damit alles, was der Körper loswerden will. Wenn es mal klebt: nicht ruckartig abziehen. Die Wundauflage mit körperwarmer, steriler Kochsalzlösung einweichen und sanft ablösen
- Duschpflaster benutzen: Um Verunreinigungen durch Seife oder Shampoo zu vermeiden, sollte man zum Duschen ein wasserabweisendes Pflaster aufkleben
- So geht kühlen: Oft ist Kälte angenehm. Aber Vorsicht! Zu lange und zu kalt stört die Heilung. Statt Eis oder Kältesprays besser Coolpads in ein Tuch wickeln und auflegen
Der Narbe Zeit geben
Die wichtigsten Maßnahmen, damit die Narbe schön flach und unauffällig wird
- Sonnenschutz: Lange und lockere Kleidung und – wenn die Wunde geschlossen ist – Sonnencreme zum Schutz der Narbe sind unverzichtbar. Das gilt bis zu einem Jahr nach der OP. Anderenfalls drohen Verfärbungen
- Silikonpflaster und -gel: Vermehrter Feuchtigkeitsverlust signalisiert der Haut, dass eine schadhafte Stelle geschlossen werden muss; sie produziert Narbengewebe. Silikongele und ‐pflaster gaukeln mit dem Feuchtigkeitsfilm vor, alles sei in Ordnung. Der Körper stellt die Reparaturbemühungen ein, die Narbe wird flacher
- Geduld haben: Bis eine Narbe vollständig ausgereift ist, können bis zu zwei Jahre vergehen. In dieser Zeit verändert sich optisch oft noch viel. Entwickelt sich das Narbengewebe wulstig oder wuchert in gesundes Gewebe hinein, ist ärztlicher Rat gefragt
Den Lebensstil anpassen
Nikotin ist Gift auch für die Wundheilung, Sport ist jetzt zu viel – kleine Veränderungen, die viel bringen
- Mit Sport pausieren: Nach der OP braucht der Körper Ruhe. Sechs bis acht Wochen sollte man mit dem Sport aussetzen. Zug, Reibung oder Druck stören die Heilung, die Narbe kann wulstig werden
- Abstinent bleiben: Nikotin und Alkohol verzögern nachweislich die Wundheilung. Auf beides verzichten
- Eiweißreiche Kost: Während des Heilungsprozesses benötigt der Körper mehr Protein und genügend Energie, die er aus Kohlenhydraten bezieht. Jetzt besonders auf eine ausgewogene Ernährung achten