Die Aussagen stammen vom Bundesgesundheitsministerium. In einer 2023 veröffentlichten Studie hatte die Politik prüfen lassen, wie sich die Behandlungsqualität im Rahmen der geplanten Krankenhausreform verbessern lässt. Dazu analysierten die Forscher Daten zu Krebs, Schlaganfall und Gelenkersatz-OPs aus Unterlagen der gesetzlichen Krankenversicherung, Qualitätsberichten der Krankenhäuser und medizinischen Registern der Fachgesellschaften.
Medizinische Qualität hat also deutlichen Einfluss auf den Therapieerfolg. Und die Chance, dass Patienten die bestmögliche Behandlung erhalten, steigt maßgeblich, wenn bestimmte Kriterien eingehalten werden. Aber was genau macht den Unterschied? Welche Aspekte der ärztlichen Arbeit sind es, die auf gute OP-Ergebnisse, Therapieerfolge und Überlebensraten einzahlen?
In der Chirurgie macht Übung den Meister. Beim Hüft- und Kniegelenkersatz wird das besonders deutlich. Das Niveau steigt mit der Zahl der Eingriffe, die ein Operateur pro Jahr durchführt, Fehler treten seltener auf, die Implantate sitzen besser und halten länger. „Beim Knie ist das Risiko, dass innerhalb eines Jahres eine Revisions-OP durchgeführt werden muss, an einer Klinik mit 100 Eingriffen im Jahr um 21 Prozent geringer als an Häusern mit niedrigeren Fallzahlen“, sagt Robert Hube, Endoprothetik-Spezialist an der Orthopädischen Chirurgie München (OCM).
Von handwerklicher Routine profitieren auch Herzpatienten beim Klappenersatz in der Kardiologie. Holger Thiele, Direktor der Universitätsklinik für Kardiologie am Herzzentrum Leipzig: „Ab 4.00 Eingriffen im Jahr gehen die Komplikationen, die bei den meist älteren Risikopatienten zu erwarten sind, signifikant zurück.“ In Bereichen, in denen Ärzte chirurgisch oder auch mit Kathetereingriffen tätig sind, gelten Fallzahlen als eine aussagekräftige Komponente.
Wie wird Qualität in der Medizin festgestellt?
Zertifizierungen gibt es in vielen Bereichen der Medizin. Als Qualitätsmerkmal fließen sie auch in die Recherche der FOCUS-Arztempfehlungen ein. Einen Einblick in die Methodik, die das Rechercheinstitut FactField (Burda) bei der Erhebung der großen Ärzteliste zugrunde legt, finden Sie hier: www.focus-gesundheit.de/top-mediziner/methodik
Der Weg in zertifizierte Zentren lohnt sich. Nachgewiesen ist das vor allem für Menschen mit Krebs. „Ihre Überlebenschancen sind dort deutlich besser“, sagt Annette Hasenburg, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Frauengesundheit der Universitätsmedizin Mainz.
„Dabei kommen mehrere Qualitätsfaktoren zusammen, die in Summe den Therapieerfolg signifikant erhöhen.“ Als Beispiele nennt sie: Expertinnen und Experten, die mit der Standardtherapie für die jeweilige Erkrankung vertraut sind und die neuesten Behandlungsoptionen kennen, spezialisierte Chirurginnen und Chirurgen, die bessere Resultate erzielen. Und die Möglichkeit, an Studien teilzunehmen, um so auch von neuen Therapieoptionen zu profitieren.
Herausragende Medizin findet auch außerhalb solcher Zentren statt. Entscheidend sind die Aspekte, die bei der Zertifizierung eine Rolle spielen, weil sie sich positiv auf medizinische Leistungen auswirken. „Es spricht für die Qualität“, sagt beispielsweise Wolfram Windisch, Chefarzt der Lungenklinik an den Kliniken der Stadt Köln, „wenn es Spezialisten für einzelne Schwerpunkte gibt und Mediziner oder Kliniken Forschung zu COPD betreiben.“ Spezialisierung und wissenschaftliche Publikationen sind auch in anderen Fachgebieten qualitätsbildend und gehören zu den Kriterien, die in die FOCUS-Arztempfehlungen einfließen.Werbung
Spitzenmedizin ist Teamarbeit
Bei Systemerkrankungen, schweren Operationenoderkomplexen Therapien sind meist mehrere Fachrichtungen gefragt. Patientinnen und Patienten profitieren von Vernetzung und interdisziplinärer Zusammenarbeit in allen Bereichen – von der Therapieplanung über die Behandlung bis zur Nachsorge.
Stephan Hackenberg, Direktor der HNO-Klinik am Universitätsklinikum Würzburg, behandelt unter anderem Patienten mit Tumoren im Kopf-Hals-Bereich, die oft das Sprechen, Kauen, Schlucken und Atmen beeinträchtigen. „Den Kern des chirurgischen Behandlungsteams bilden HNO-Ärzte sowie Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen“, berichtet er. Eine zentrale Rolle spiele außerdem die Strahlentherapie, sowohl zur alleinigen als auch zur gemeinsamen Behandlung. Wichtig sei zudem die Zusammenarbeit mit Onkologie, Radiologie, Nuklearmedizin und Pathologie. „In Häusern, die von der Krebsgesellschaft als Kopf- Hals-Tumorzentrum zertifiziert sind, kümmert man sich auch um das Danach“, sagt er, „etwa um die Wiedergewinnung der Schluckfunktion und die Rehabilitation der Stimme mithilfe von Phoniatern und Logopäden.“FOCUS-Gesundheit 02/24
Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung. Den vollständigen Text finden Sie in der Ausgabe Die große Ärzteliste 2024. Weitere Themen: Immuntheapien bremsen Nahrungsmittelallergien. Sexuell übertragbare Krankheiten treffen jedes Alter. U.v.m.
Damit das Überleben wieder in ein gutes Leben mündet, nehmen interdisziplinäre Teams den ganzen Menschen in den Blick. „Neben der optimalen medizinischen Versorgung wird in zertifizierten Zentren viel Wert auf die Lebensqualität der Betroffenen gelegt“, bestätigt die Gynäkologin Annette Hasenburg. „Zum Beispiel bieten psychoonkologisch geschulte Expertinnen und Experten eine psychoonkologische Begleitung an, psychosoziale Beratungsstellen unterstützen den Weg zurück in den Alltag.“
Interdisziplinäre Teams stellen die Patienten in den Mittelpunkt. Die Frage, was jedem einzelnen am besten hilft, ist auch für Wiebke Fenske, Adipositas-Spezialistin am BG Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum, bestimmend. „Weil die Ursachen für schweres Übergewicht so vielschichtig sein können, müssen auf Adipositas spezialisierte Zentren das komplette Therapiespektrum kennen“, sagt sie. „Alle diese Bausteine gilt es gut zu kombinieren, damit die individuellen Behandlungsziele erreicht werden. Das ist manchmal schon fast wie Schachspielen.“Spezialisierung bedeutet tiefes Wissen auf neuestem Stand. Besonders gefordert ist dies zum Beispiel bei ernsten und systhemischen Erkankungen, bei diffizilen OP- und Behandlungsmethoden oder anspruchsvollen Diagnosen. Lungenfacharzt Wolfram Windisch nennt beispielhaft die Diagnostik der gefährlichen Lungenerkrankung COPD, bei der die Atemwege chronischentzündet und verengt sind. „Die Überblähung des Organs ist nur im Rahmen einer differenzierten Lungenfunktionsanalyse in einer Spezialambulanz sichtbar“, sagt er.
Gute Medizin misst sich für ihn auch daran, dass Therapien immer wieder überprüft und infrage gestellt werden. „Expertise kann auch heißen, Behandlungen bewusst zu unterlassen oder zu reduzieren, wenn diese keine Effekte zeigen oder sogar mehr schädlich als nützlich sind.“
Gute Therapieentscheidungen, die Patientinnen und Patienten wirklich dienen, berücksichtigen Risiken, Nutzen und Lebensqualität. Dies gut gegeneinander abzuwägen braucht Überblick, Erfahrung und Souveränität.
Worauf es beim Therapieerfolg ankommt, weiß niemand besser als Ärztinnen und Ärzte mit hoher Expertise. Sie sind nicht nur Spezialisten ihres Faches, sondern auch Experten für medizinische Qualität. Viele von ihnen setzen sich aktiv dafür ein, die Heilungschancen und die Sicherheit für Patientinnen und Patienten zu erhöhen. In Fachgesellschaften formulieren sie medizinische Leitlinien, bewerten Therapien und geben Behandlungsempfehlungen. Sie entwickeln Anforderungen für Qualitätszertifikate und prüfen deren Einhaltung. Forschend treiben sie ihr Fach voran und entwickeln neue Therapien. In sogenannten Peer-Review-Verfahren nehmen Mediziner Einblick in die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen und geben ihnen Feedback. So etwa im Rahmen der Initiative Qualitätsmedizin (IQM), in der sich rund 500 Krankenhäuser in Deutschland und der Schweiz zusammengeschlossen haben, um medizinische Qualität zu messen, zu veröffentlichen und zu verbessern. Fachärtze kennen die Behandlungsergebnisse der Kolleginnen und Kollegen, an die sie ihre Patienten überweisen. Sich gegenseitig über die Schulter zu schauen und Leistungen zu bewerten ist im medizinischen Qualitätsmanagement und im ärztlichen Alltag fest verankert.
Die Wahl eines Arztes oder einer Klinik kann eine wichtige Weichenstellung auf dem Weg zur Genesung oder gar zum Überleben sein. Je komplexer und schwerwiegender eine Erkrankung, desto maßgeblicher ist es, an wen Patientinnen und Patienten sich dabei wenden.