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Alkoholismus

Alkoholismus ist in Deutschland nicht selten. Doch was ist Alkoholabhängigkeit, ab wann ist jemand Alkoholiker und welche Symptome zeigen sich?

Geprüft von Susanne Wittlich, Medizinredakteurin

Veröffentlicht:
Aktualisiert: 2022-06-09T00:00:00+02:00 2022-06-09T00:00:00+02:00

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Inhaltsverzeichnis
Mann trinkt Alkohol, im Vordergrund Glasflaschen gefüllt mit Alkohol

© Shutterstock

Alkoholismus-Definition: Ab wann ist ein Mensch Alkoholiker?

Alkoholismus ist eine Krankheit, die den Körper, die Psyche, den Geist und das soziale Leben in Mitleidenschaft zieht. Denn auch andere Menschen, etwa der Partner, die Kinder, Verwandte und Freunde betrifft die Alkoholabhängigkeit mit.

Alkoholismus bedeutet nicht, dass man das eine oder andere Gläschen trinkt, manchmal vielleicht auch eines zu viel. Alkohol ist eine legale Droge, die überall erhältlich, leicht zugänglich und gesellschaftlich akzeptiert ist. So gehören das Feierabendbier, ein Glas Wein oder ein Cocktail für die meisten Menschen zum Alltag oder zu einer Party. Das Problem ist jedoch, dass der Übergang vom normalen Alkoholkonsum in eine Alkoholkrankheit fließend geschieht. Viele erkennen erst spät oder überhaupt nicht, dass sie ein Problem mit dem Alkohol haben.

Folgende Empfehlungen gelten laut der Weltgesundheitsorganisation WHO für Männer und Frauen, was den Alkoholkonsum betrifft:

  • Frauen sollten nicht mehr als 12 Gramm Alkohol pro Tag konsumieren – das entspricht ungefähr einem kleinen Glas Bier von 0,3 Litern.
  • Für Männer gelten 24 Gramm Alkohol pro Tag als moderat – das sind etwa zwei Gläser Bier pro Tag.
  • Zusätzlich sind regelmäßige Alkoholpausen ratsam – an mindestens zwei Tagen pro Woche.

Die Statistik zum Alkoholiskonsum zeigt aber: Viele Menschen nehmen deutlich höhere Mengen an Alkohol zu sich.

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Alkoholismus – ab wann?

Alkoholismus ist per Definition eine Suchterkrankung, die nichts mit Charakter- oder Willensschwäche zu tun hat.  Kritisch wird es, wenn Menschen gehäuft zu große Mengen an Alkohol konsumieren, dies nicht mehr aus reinem Genuss geschieht und der Alkohol bestimmte Funktionen erfüllt: Beruhigung, Belohnung nach einem stressigen Tag, „Wegtrinken“ von Problemen.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Kriterien festgelegt, ab wann ein Mensch Alkoholiker ist (eine Art „Alkoholiker-Definition“). Sie sind in Internationalen Klassifikation der Krankheiten (International Classification of Diseases, ICD-10) festgehalten (siehe Diagnose von Alkoholismus). Ab dem Jahr 2022 gilt die ICD-11, in der die Einteilung an manchen Stellen abgeändert wurde. Die Zweiteilung in Alkoholabhängigkeit versus schädlicher Gebrauch von Alkohol bleibt jedoch bestehen.

Alkoholsucht: die Alkoholismus-Typen

Ärzte unterscheiden fünf Alkoholismus-Typen– sie gehen auf den Psychologen Elvin Molton Jellinek zurück, der diese 1960 definiert hat:

Alpha-Trinker sind Problemtrinker: Sie setzen den Alkohol als Mittel ein, um seelischen Stress und Belastungen leichter auszuhalten. Sie sind zwar nicht körperlich aber seelisch abhängig. Sie trinken undiszipliniert, verlieren jedoch nicht die Kontrolle. Sie können noch aufhören, sind aber gefährdet, Alkoholiker zu werden.

Beta-Trinker sind Gelegenheitstrinker. Sie konsumieren Alkohol bei gesellschaftlichen Anlässen. Sie sind weder seelisch noch körperlich abhängig vom Alkohol, lassen sich jedoch leicht verleiten. Sie sind auf jeden Fall suchtgefährdet.

Gamma-Trinker sind Suchttrinker. Sie sind seelisch stärker abhängig als körperlich. Unauffällige Phasen und Trinkexzesse wechseln sich ab. Nach dem ersten Schluck Alkohol packt sie ein nahezu unstillbares Verlangen, immer mehr und weiter zu trinken.

Delta-Trinker sind Spiegeltrinker: Die körperliche Abhängigkeit ist stärker als die seelische. Dieser Alkoholismus-Typ braucht eine bestimmte Menge Alkohol (einen Spiegel oder Pegel), damit er sich gut fühlt. Trinkt er nicht genügend, setzen Entzugserscheinungen ein wie Zittern, Schlaflosigkeit oder Durchfall.

Epsilon-Trinker sind Quartalstrinker und psychisch abhängig. Sie rühren oft über Monate keinen Alkohol an, um dann umso exzessiver zu trinken. Sie verlieren die Kontrolle, trinken tagelang und oft schwindet ihr Gedächtnis vorübergehend (der typische „Filmriss“). Anschließend sind sie oft wieder abstinent – bis zum nächsten Trinkmarathon.

Alkoholismus – Statistik für Deutschland

In Deutschland trinken Männer wie Frauen nach wie vor zu viel Alkohol, wie folgende Zahlen aus dem Jahrbuch Sucht 2022 der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) zeigen:

  • Im internationale Vergleich bleibt Deutschland weiterhin ein Hochkonsumland für Alkohol: 10,2 Liter Reinalkohol konsumierten die Bundesbürger ab 15 Jahren im Jahr 2019 durschnittlich. Allerdings ist ein Abwärtstrend auszumachen: Im Jahr 1970 hatte noch jeder Bundesbürger ab 15 Jahren im Schnitt 14,4 Liter Reinalkohol zu sich genommen.
  • Vergleicht man den Alkoholkonsum von 44 Nationen, nimmt Deutschland die 13. Position ein. Damit liegt der Alkoholverbrauch hierzulande deutlich über dem Durchschnitt der OECD-Länder.
  • In Deutschland starben etwa 62.000 Menschen (19.000 Frauen und 43.000 Männer) an einer alkoholbezogenen Todesursache. Das entspricht vier Prozent aller Todesfälle unter Frauen und 9,9 Prozent aller Todesfälle unter Männern. Die Zahlen stammen von der Weltgesundheitsorganisation WHO aus dem Jahr 2016.
  • Täglich sind es rund 200 Todesfälle durch zu hohen Alkoholkonsum.

Kinder und Jugendliche tranken im Jahr 2020 – dem Corona-Jahr – weniger Alkohol. Dies ist sicherlich den Kontaktverboten, geschlossenen Kneipen, Restaurants und Clubs sowie abgesagten Festen und Partys während der Corona-Pandemie geschuldet.

Einige Zahlen des Statistischen Bundesamtes:

  • Rund 12.200 Kinder und Jugendliche von 10 bis unter 20 Jahren mussten 2020 wegen akuten Alkoholmissbrauchs stationär in einem Krankenhaus behandelt werden. Das waren 39,7 Prozent weniger als im Jahr 2019. Damals waren es rund 20.300 Kinder und Jugendliche.
  • Über alle Altersgruppen hinweg gab es mit 76.200 Fällen rund ein Viertel (minus 23,8 Prozent) weniger Krankenhausbehandlungen wegen akuter Alkoholvergiftung im Vergleich zu 2019. Dieser Rückgang lässt sich in allen Altersgruppen beobachten, fällt aber bei den 15- bis unter 20-Jährigen (minus 41,7 Prozent) und bei den 20- bis unter 25-Jährigen (minus 41,5 Prozent) am höchsten aus. In der Altersgruppe der 40- bis unter 45-Jährigen sowie bei den 60- bis unter 65-Jährigen nahm die Zahl der Fälle um jeweils 12,2 Prozent ab.
  • Das Risiko einer Alkoholvergiftung ist bei Jugendlichen nach wie vor besonders groß: In der Altersgruppe der 15- bis unter 20-Jährigen wurden auch 2020 mit 9.900 die meisten Fälle verzeichnet. Danach folgen die 50- bis unter 55-Jährigen mit 8.400 Fällen.
  • Beim Alkoholmissbrauch gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern – die Männer liegen weit vor den Frauen: Etwa 54.300 Männer mussten über alle Altersgruppen wegen Alkoholmissbrauchs ins Krankenhaus -  das waren 71,2 Prozent aller Fälle.

Alkoholismus: Symptome richtig deuten

Der Übergang vom „normalen“ Alkoholkonsum in eine Abhängigkeit geschieht oft schleichend und schrittweise. So lässt sich Alkoholismus nicht leicht erkennen und viele bemerken selbst gar nicht, dass sie in eine Abhängigkeit schlittern. Häufig bemerken Familie und Freunde als Erste das Problem. Auf einen möglichen Alkoholismus deuten diese Anzeichen hin:

  • Starkes Verlangen nach Alkohol
  • Kontrollverlust, wieviel und wann getrunken wird - viele trinken heimlich, schnell und können das Trinken nicht selbst stoppen
  • Toleranzentwicklung: Es sind immer größere Mengen an Alkohol nötig, um den gewünschten Effekt zu spüren
  • Entzugserscheinungen, z.B. Unruhe, Nervosität, Zittern, Reizbarkeit, Schweißausbrüche, wenn die Alkoholmenge reduziert oder auf Alkohol verzichtet wird
  • Appetitmangel, Mangelernährung, Gewichtsverlust und schlechter körperlicher Zustand
  • Schlafstörungen, starkes Schwitzen, rotes Gesicht
  • Depressive Verstimmungen bis hin zu Suizidgedanken
  • Vernachlässigung anderer Interessen und Bedürfnisse
  • Das Trinkverhalten wird beibehalten, obwohl es schon Hinweise auf körperliche (Leistungseinbußen, sinkende Fitness, Leberschäden), seelische (depressive Verstimmungen) oder soziale Folgeerscheinungen (Trennung vom Partner, Verlust des Jobs) gibt.
  • Langfristig macht sich Alkoholismus auch optisch bemerkbar: im Gesicht, auf der Haut, an den (glasigen, geröteten) Augen oder der Nase (gerötete „Alkoholiker-Nase“).
  • Delirium tremens (Entzugsdelir): Desorientiertheit, Bewusstseinsstörungen bis zum Koma, Schwitzen, Zittern sowie optische und akustische Halluzinationen. Es entwickelt sich Fieber und der Blutdruck steigt. Störungen der Herz-Kreislauf-Regulation und Atmung können schnell lebensbedrohlich werden. Das Entzugsdelir bedarf der sofortigen ärztlichen Behandlung.

Den eigenen Alkoholismus zu erkennen und sich seiner Krankheit zu stellen, ist nicht leicht. Viele glauben, ihren Alkoholkonsum im Griff zu haben und jederzeit mit dem Trinken aufhören zu können. Wenn der Partner oder Freunde den Betroffenen darauf ansprechen, ist Verharmlosung oder Abwehr eine gängige Reaktion. Letzlich kann nur ein Arzt einen Alkoholiker erkennen und die Diagnose stellen.

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Alkoholismus: Phasen der Abhängigkeit

Der Verlauf bei Alkoholismus ist individuell unterschiedlich. Alkoholismus kann in Phasen verlaufen, die der Psychologe Elvin Molton Jellinek so beschreibt:

  • Voralkoholische Phase: Ein Mensch trinkt gelegentlich oder dauerhaft, um Stress, Probleme und Belastungen zu vermindern und Spannungen abzubauen. Er setzt Alkohol immer häufiger als Problemlöser ein.
  • Anfangsphase: Das Gedächtnis setzt durch den Alkoholkonsum wiederholt aus und Betroffene erleben Filmrisse oder Blackouts. Zudem ändert sich ihr Verhalten: Weil sie sich schämen und nicht möchten, dass andere den hohen Alkoholkonsum mitbekommen, trinken sie heimlich.
  • Kritische Phase: Die Betroffenen können das Trinken nicht mehr kontrollieren. Sie ordnen alles dem Alkohol unter und ihre Gedanken kreisen ständig ums Trinken. Hobbys, Freunde und Freizeitaktivitäten vernachlässigen sie. Ohne Alkohol erleben sie Entzugssymptome, beispielsweise Zittern, Nervosität oder Schweißausbrüche. Sie machen sich Vorwürfe und versuchen, gegen das Alkoholproblem anzukämpfen, trinken aber dennoch weiter. Konflikte in der Familie, mit Freunden und am Arbeitsplatz sind unausweichlich. Betroffene ziehen sich zurück und isolieren sich sozial.
  • Chronische Phase: Der Alkohol ist die Nummer eins. Oft sind Menschen tagelang berauscht oder haben zumindest einen permanent hohen Alkoholpegel. Sie vertragen den Alkohol immer schlechter oder gar nicht mehr.  Schon geringe Mengen genügen, um betrunken zu sein. In dieser Endphase des Alkoholismus setzen die Schäden auf allen Ebenen ein: Körper, Psyche, Persönlichkeit und Sozialleben.  

Dieses ist nur ein Erklärungsmodell. In der Realität lassen sich die einzelnen Alkoholismus-Phasen nicht immer scharf voneinander abgrenzen, die Beschwerden können auch gleichzeitig auftreten. Klar ist jedoch, die Folgeschäden nehmen im Verlauf immer weiter zu.

Alkoholismus: Folgen sind gravierend

Alkohol im Übermaß ist ein gefährliches Gift. Alkoholismus hat einschneidende Folgen: für den Körper, die Psyche, den Geist und das Sozialleben mit Familie und Freunden.

Alkoholismus: Folgen für den Körper

Alkohlomissbrauch schädigt alle Organe:

  • Leberschäden: Die Leber ist ein wichtiges Entgiftungsorgan, das auch den Alkohol abbaut. Fettleber, Leberzirrhose und manchmal Leberkrebs drohen.
  • Schäden an der Bauchspeicheldrüse, zum Beispiel chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung.
  • Speiseröhre: Schleimhautrisse, Entzündungen, Geschwüre oder Krebs. Bilden sich Krampfadern in der Speiseröhre und platzen diese, besteht die Gefahr, zu verbluten.
  • Magen-Darm-Probleme, etwa Durchfall, Appetitlosigkeit oder Übelkeit und Erbrechen; es drohen Magen- und Darmgeschwüre und im schlimmsten Fall Krebs.
  • Schäden an Herz und Gefäßen: Bluthochdruck, Gefäßveränderungen (rote „Trinkernase“), Herzrhythmusstörungen oder Erkrankungen des Herzmuskels.
  • Schäden an Gehirn und Nerven (alkoholbedingte Polyneuropathie): Die Konzentration und das Gedächtnis leiden („Filmriss“ oder „Blackout“); der Alkohol lässt Gehirnzellen absterben. Das Korsakow-Syndrom, eine Form der Gedächtnisstörung mit Erinnerungslücken und Orientierungslosigkeit, kann infolge von jahrelangem Alkoholmissbrauch auftreten.
  • Potenzstörungen und Libidoverlust

Alkoholismus: Folgen für die Psyche

  • Veränderungen der Persönlichkeit: häufige Stimmungswechsel mit erhöhter Aggressivität und Gewaltbereitschaft sowie Selbstmitleid und Weinerlichkeit, Stimmungstiefs bis hin zur Depression.
  • beeinträchtigte Sinneswahrnehmung, Desorientiertheit, Unruhe, Schlafstörungen und Halluzinationen
  • massive Ängste, Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle
  • Psychische Erkrankungen wie Panikstörungen oder Phobien
  • Suizide

Alkoholismus: Folgen im sozialen Umfeld

  • Probleme am Arbeitsplatz, in der Schule oder Ausbildung – Jobverlust oder Abbruch von Schule und Ausbildung sind keine Seltenheit
  • Verlust von Freunden und sozialen Kontakten – gesellschaftliches Abseits und Isolation
  • Trennung von Partner, Kindern und anderen Angehörigen
  • Sozialer Abstieg: Verlust von Führerschein, Wohnung, Obdachlosigkeit

Alkohol in der Schwangerschaft

Alkoholismus trifft auch die Kinder. Trinkt eine werdende Mutter in der Schwangerschaft, kann dies schwerwiegende Folgen fürs Ungeborene haben – in Form des fetalen Alkoholsyndroms (FAS). Typisch dafür sind:

  • Geringeres Geburtsgewicht
  • Fehlbildungen wie schmale Oberlippen, Augenspalten oder Kleinwuchs
  • Später: körperliche und geistige Entwicklungsstörungen (fetales Alkoholsyndrom), auch bleibenden Schäden wie Fehlbildungen von Augen, Genitalien, Herz, Knochen, Nieren sowie eine verminderte Intelligenz sind möglich.

Alkoholismus: Therapie in mehreren Phasen

Die Behandlung des Alkoholismus hängt von der Phase der Alkohlsucht ab, in der sich der Betroffene bei Therapiebeginn befindet. Auch die persönliche Situation spielt eine Rolle. Ziel ist es, lebenslang vom Alkohol abstinent zu bleiben. Auf dem Weg dorthin gilt inzwischen bereits die Reduktion der Trinkmenge als wichtiges Zwischenziel. Der Gedanke dahinter: Durch die niedrigere Hemmschwelle sollen sich mehr Menschen trauen, eine Therapie zu beginnen.

Solche Kurzinterventionen können Menschen mit riskantem Alkoholkonsum, Rauschtrinkern oder Alkoholabhängigen helfen – Männern wie Frauen, aber auch älteren Menschen. Kurzinterventionnen umfassen meist bis zu fünf Sitzungen von jeweils etwa 60 Minuten.

Eine Alkoholismus-Therapie läuft in mehreren Schritte ab:

  • Kontakt- und Motivationsphase: Alkoholiker sollen zunächst Einsicht in die Tatsache gewinnen, dass sie krank sind und Hilfe brauchen. Nur durch diese Selbsterkenntnis lässt sich das eigene Verhalten ändern. Hier können Selbsthilfegruppen einen entscheidenden Beitrag leisten. Einen Alkoholiker ohne Einsicht und ausreichende Eigenmotivation können Ärzte nicht erfolgreich therapieren.
  • Alkoholentzug: Die Entgiftungsphase erfolgt unter ärztlicher Aufsicht und Überwachung. Durch den radikalen Verzicht auf Alkohol setzen zum Teil heftige Entzugssymptome ein, die sich mit Medikamenten mildern lassen.
  • Entwöhnung: Ist die körperliche Alkoholabhängigkeit überwunden und sind die Entzugssymptome abgeklungen, heißt es: die Psyche stärken. Alkoholkranke erhalten psychotherapeutische Unterstützung, um die seelische Abhängigkeit zu überwinden. Die Therapeuten beleuchten die Gründe fürs Trinken. Außerdem entwickeln sie gemeinsam mit den Patienten alternative Strategie, wie diese zukünftig mit Problemen und schwierigen Phasen umgehen können, damit Stress, Probleme oder seelischen Schmerzen künftig nicht mehr im Alkohol ertränkt werden.
  • Nachsorge- und Rehabilitationsphase: Diese zielt darauf ab, Rückfällen vorzubeugen und ehemalige Alkoholiker wieder in den Alltag, Beruf und ins Sozialleben zu integrieren. Suchtambulanzen, Suchtberatungsstellen und Ärzte, aber auch Selbsthilfegruppen übernehmen in dieser Phase eine wichtige Funktion. Sie bieten Hilfe, weiterhin trocken zu bleiben. Auch Medikamente können unterstützen. Allerdings ist die Rückfallgefahr bei Alkoholikern hoch: Rund die Hälfte greift innerhalb der ersten drei Monate wieder zum Glas.

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Alkoholismus-Ursachen: mehrere Faktoren sind am Werk

Die Ursachen von Alkoholismus sind noch nicht im Detail geklärt. Bekannt sind aber einige Risikofaktoren, welche die Alkoholabhängigkeit begünstigen. Es gibt beim Alkoholismus nicht „die eine“ Ursache, sondern es wirken mehrere Faktoren zusammen. Einige Beispiele:

  • Früher Alkoholkonsum: Je jünger eine Person beim ersten Alkoholkonsum ist, desto größer ist die Gefahr für späteren Missbrauch oder Abhängigkeit von Alkohol.
  • Soziales Umfeld: Eltern, Großeltern, Geschwister und Freunde sind Vorbilder, wenn es um den Umgang mit Alkohol geht. Kinder schauen sich auch das Trinkverhalten ab. Wenn Eltern bei Problemen oder in der Freizeit häufig Alkohol trinken, prägt dies die Kinder und sie übernehmen diese Verhaltensweisen möglicherweise. Auch wenn es unter Freunden als cool gilt, Blackouts und Filmrisse zu haben, fördert dies den missbräuchlichen Konsum von Alkohol.
  • Traumata, psychische und soziale Probleme verleiten dazu, die Probleme im Alkohol zu „ersäufen“. Alkohol bläst (vorübergehend) die Sorgen weg.
  • Erbliche Belastung: Ist Alkoholismus vererbbar? Bis zu einem gewissen Grad schon.  Die Gene spielen offenbar mit. Kinder aus Familien mit einem Alkoholproblem haben ein erhöhtes Risiko, selbst Alkoholiker zu werden. Allerdings sind erbliche Einflüsse nicht die alleinige Ursache für Alkoholismus.

Alkoholismus: Diagnose in mehreren Schritten

Eines vorab: Wenn Sie den Verdacht auf ein Alkoholproblem haben, bietet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung einen Selbsttest auf ihrer Webseite an unter www.kenn-dein-limit.de. Dort können Sie selbst überprüfen, wie es um Ihren Alkoholkonsum steht. Wenn das Testergebnis Anhaltspunkte dafür liefert, dass Sie zu viel trinken, ist der Hausarzt ein guter Ansprechpartner. Alternativ könnte auch eine Selbsthilfegruppe wie die Anonymen Alkoholiker eine erst Anlaufstelle sein.

Alkoholbezogene Störungen sind in der Bevölkerung häufig, aber Ärzte diagnostizieren sie selten. Um Menschen mit alkoholbezogenen Störungen besser identifzieren und individuell behandeln zu können, haben sich Ärzte einige neue Massnahmen überlegt. Ziel ist es, Alkoholprobleme früher zu erkennen, genauere Diagnosen zu stellen, den Schweregrad besser einzuschätzen sowie den Verlauf und die Prognose besser zu beurteilen.

Neue Instrumente für die Diagnose sind:

  • Screening auf alkoholbezogene Störungen, etwa anhand von Fragenbögen oder den Blutwerten – am besten in einem festgelegten zeitlichen Rhythmus
  • Case Finding, wenn es klinische, psychische oder soziale Hinweise auf das Vorliegen einer alkoholbezogenen Störung gibt.

Der Arzt könnte Ihnen in einem anfänglichen Gespräch zum Beispiel folgende Fragen stellen:

  • Wie oft und wie viel Alkohol trinken Sie pro Tag und Woche?
  • Haben Sie schon morgens oder tagsüber das Verlangen, Alkohol zu trinken?
  • Kreisen Ihre Gedanken häufiger um Alkohol?
  • Haben Sie selbst den Eindruck, dass Sie zu viel trinken?
  • Haben Sie schon einmal versucht, Ihren Alkoholkonsum zu senken. Und ist dies gelungen?
  • In welchen Situationen trinken Sie gehäuft? Zum Beispiel: Probleme, Konflikte, Stress, Belastungen
  • Hat der Alkohol positive Wirkungen und ruft er auch negative Empfindungen hervor?
  • Haben Sie schon Entzugssymptome bei sich festgestellt, wenn sie weniger oder überhaupt keinen Alkohol trinken: Zittern, Nervosität, Schweissausbrüche?
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Zu hoher Alkoholkonsum: weitere Untersuchungen

Bei Auffälligkeiten folgen weitere Untersuchungen zur Diagnose von Alkoholismus. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Körperliche Untersuchung: z.B. Geruch nach Alkohol im Atem, Haut (gerötetes Gesicht und rote Innenflächen der Hände), Händezittern, Neigung zum Schwitzen, vorzeitige Alterung, Gewichtsverlust, Vergesslichkeit, Gedächtnisprobleme
  • Blutuntersuchung: Es gibt einige „Marker“ im Blut, die auf einen zu hohen Alkoholkonsum hindeuten: GGT (Gamma-Glutamyltransferase), MCV (Mean Corpuscular Volume) oder CDT (Carbohydrate Deficient Transferrin). Laborwerte allein sind aber nicht aussagekräftig genug, um die Diagnose Alkoholismus zu stellen.
  • Urinuntersuchung: z.B: Nachweis von Ethylglucuronid (EtG) und Ethylsulfat (EtS) im Urin
  • Screening mit Fragenbögen und Tests: Sie dienen der Abklärung, ob der Alkoholkonsum riskant oder schädlich ist oder ob eine Alkoholabhängigkeit besteht. Zum Einsatz kommen zum Beispiel der Lübecker Alkoholismus Screening Test (LAST) und der Alcohol Use Disorders Identification (AUDIT). Es gibt auch einen weniger aufwändigen Test, den AUDIT-C.
  • Screening von Schwangeren: Ärzte sollten alle Schwangeren dahingehend beraten, dass jeglicher Alkoholkonsum während der gesamten Schwangerschaft und Stillzeit schädlich für das Ungeborene ist. Zum Nachweis von Alkoholkonsum bei Schwangeren sollten sie eventuell mütterliche Proben untersuchen. Beispiele: Ethylglucuronid im Urin, Fettsäuremethylester (FAEEs) im Haar, Phosphatidylethanol (PEth) im Blut. Wenn ein neonatales Screening erfolgen soll, liefern FAEEs und EtG im Mekonium wichtige Hinweise. Fragebogen sind in diesem Fall nicht ausreichend empfindlich und lassen keine eindeutigen Rückschlüsse zu.

Einstufung – von risikoarmem Alkoholkonsum bis Alkoholabhängigkeitssyndrom

Laut der aktuellen Leitlinie zu alkoholbezogenen Störungen gibt es folgende Einstufungen in der Diagnostik:

  • Risikoarmer Konsum: Der Begriff „risikoarm“ beinhaltet, dass es keinen risikofreien Alkoholkonsum gibt. Die Grenzwerte für risikoarmen Alkoholkonsum liegen bei bis zu 24 g Reinalkohol pro Tag für Männer und bis zu 12 g Reinalkohol für Frauen sowie mindestens zwei Tage Alkoholabstinenz pro Woche.
  • Riskanter Alkoholkonsum: Das Risiko für alkoholbedingte Folgeschäden steigt mit der Menge an konsumiertem Alkohol. Die Tagesgrenzwerte liegen bei mehr als 24 g Reinalkohol für Männer und mehr als 12 g Reinalkohol für Frauen. Sie gelten ausschließlich für gesunde Erwachsene, nicht für Kinder und Jugendliche, schwangere Frauen, ältere Menschen über 65 Jahren oder Personen mit einer körperlichen Erkrankung.
  • Rauschtrinken (engl. binge drinking): Eine risikoreiche Konsumform, bei der Menschen große Alkoholmengen binnen kurzer Zeit zu sich nehmen. Bei Männern: fünf oder mehr Getränke, bei Frauen vier oder mehr Getränke (Standarddrinks) bei einer Gelegenheit. Der Anteil der Rauschtrinker ist unter Männern deutlich höher als unter Frauen.
  • Akute Intoxikation: Ein vorübergehender Zustand nach dem Konsum von Alkohol -  mit Störungen von Bewusstsein, kognitiven Funktionen, Wahrnehmung, Gefühlen oder Verhalten. Diese Diagnose stellen Ärzte nur dann, wenn ein Mensch zum Zeitpunkt der Intoxikation keine längerdauernden Probleme mit Alkohol hat.
  • Schädlicher Alkoholgebrauch: Wenn durch den Konsum von Alkohol nachweislich Folgeschädigungen der seelischen oder körperlichen Gesundheit auftreten. Das Muster des Alkoholkonsums sollte seit mindestens einem Monat bestehen oder in den letzten zwölf Monaten wiederholt aufgetreten sein.

Alkoholabhängigkeitssyndrom – diese Kriterien müssen erfüllt sein

Nach der internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) liegt ein Alkoholabhängigkeitssyndrom vor, wenn mindestens drei der folgenden Kriterien innerhalb der letzten zwölf Monate gleichzeitig erfüllt waren:

  • Starkes Verlangen oder eine Art Zwang, Alkohol zu trinken
  • Schwierigkeiten, das Alkoholtrinken zu kontrollieren – dies betrifft den Beginn, die Beendigung und Menge
  • Körperliches Entzugssyndrom, wenn eine Person den Alkoholkonsum reduziert oder komplett auf Alkohol verzichtet  – nachweisbar durch die Symptome eines Alkoholentzugs oder die Aufnahme einer ähnlichen Substanz, um die Alkoholentzugssymptome zu vermindern oder zu vermeiden
  • Toleranzentwicklung gegenüber den Wirkungen von Alkohol - immer größere Mengen sind nötig, um überhaupt eine Alkoholwirkung zu spüren.
  • Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Alkoholkonsums – Betroffene wenden viel Zeit und Energie auf, um sich Alkohol zu beschaffen, ihn zu konsumieren oder sich wieder von seinen Wirkungen zu erholen. Der Blick ist auf das Alkoholtrinken verengt, der Betroffene verwahrlost zunehmend.
  • Fortdauernder Alkoholkonsum, obwohl die schädlichen Folgen eindeutig nachgewiesen und den Betroffenen bekannt sind, etwa eine Leberschädigung oder depressive Verstimmungen

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Alkoholiker helfen – Adressen und Hotlines

Es gibt verschieden Anlaufstellen, die Hilfe und Unterstützung bieten:

Quellen
  • S3-Leitlinie: Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen (Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie e.V. (DG-Sucht)); Stand: 01.01.2021
  • Online-Informationen Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz: www.gesundheit.gv.at; Abruf: 30.5.2022
  • Online-Informationen Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Alkohol – Zahlen, Daten, Fakten: www.dhs.de; Abruf: 30.05.2022
  • Online-Informationen Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Jahrbuch Sucht 2022: www.dhs.de; Abruf: 30.05.2022
  • Online-Informationen Weltgesundheitsorganisation (WHO): www.euro.who.int; Abruf: 31.05.2022
  • Online-Informationen Anonyme Alkoholiker: www.anonyme-alkoholiker.de; Abruf: 31.05.2022
  • Online-Informationen Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V.: www.kinderaerzte-im-netz.de; Abruf: 31.05.2022
  • Online-Informationen Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): www.kenn-dein-limit.de; Abruf: 31.05.2022
  • Online-Informationen Bundesärztekammer: www.bundesaerztekammer.de; Abruf: 31.05.2022
  • Pressemeldung Statistisches Bundesamt DeStatis: Corona-Jahr 2020: 40 % weniger Kinder und Jugendliche wegen Alkoholmissbrauchs im Krankenhaus als im Vorjahr; 06.05.2022
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