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So gesund ist Eisbaden

Starke Kältereize sollen Infekte abwehren, den Schlaf fördern und sogar chronische Schmerzen lindern. Funktioniert das wirklich?

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Inhaltsverzeichnis
Junge Frau beim Eisbaden

© Plainpicture

Für die Hundebesitzer, die frühmorgens an der Münchner Isar ihre Vierbeiner ausführen, ist es längst ein gewohnter Anblick. Ein Grüppchen meist jüngerer Frauen und Männer schält sich am Flussrand aus den Daunenmänteln, tappst mit Badehose und Mütze bekleidet in das winterlich kalte Gewässer und taucht bis zum Kinn im Wasser unter. Zurück am Ufer rubbeln sich die Rothäute trocken, schlüpfen rasch in die abgelegten Klamotten und ziehen ihres Weges ...

Kälte ist das neue Vitamin C. Nach diesem Motto sollen Eisbaden, aber auch Schneetreten oder das klassische Wechselduschen das Immunsystem stimulieren, mehr Abwehrzellen zu bilden. Die Hoffnung: Erkältungen und andere Atemwegsinfekte treten seltener auf. Außerdem soll das absichtlich erduldete Frieren die Anpassungsfähigkeit der Arterien trainieren und auf diese Weise das Herz-Kreislauf System stärken.
Tatsächlich ist es gut möglich, dass die Anhänger der Abhärtung fitter durch den Winter kommen als die Warmduscher. Bewiesen hat es noch keiner. „Es ist vorstellbar, dass regelmäßige Kältereize die Infektanfälligkeit senken oder Bluthochdruck reduzieren“, sagt Thomas Keil, der als Professor für Prävention und Gesundheitsförderung an der Universität Würzburg lehrt. „Leider fehlen uns gut gemachte Untersuchungen, die solche Effekte nachhaltig belegen. Dazu bräuchte es Studien mit Hunderten Teilnehmern, einer Kontrollgruppe sowie einem Beobachtungszeitraum von mindestens einem Jahr, um saisonale Einflüsse zu berücksichtigen.“

So wirken bereits geringe Kältereize

Es ist das Dilemma vieler Naturheilanwendungen. Ihre Anhänger schwören auf die Erfolge, doch die wenigen Untersuchungen zum Thema genügen häufig nicht den Maßstäben der Wissenschaft. Oder die Studien können die erhofften Effekte nicht belegen. Unstrittig ist immerhin, dass Kaltduschen oder selbst Winterspaziergänge langfristig die Thermoregulation des Körpers trainieren. Der Wärmehaushalt passt sich schneller an die Umgebung an, der Mensch friert nicht so leicht.

„Man kann sich schon nach wenigen, kurzen Expositionen an die Kälte adaptieren“, sagt der auf Kälteforschung spezialisierte US Physiologe John Castellani vom United States Army Research Institute of Environmental Medicine.

Akzeptiert man kleinere Studien als Hinweisgeber auf mögliche positive Effekte, dann scheinen dosierte Kältereize Erstaunliches zuwege zu bringen. Das zeigt auch ein Experiment, das Forscher der holländischen Universität Maastricht jüngst auf dem jährlichen Kongress der Fachgesellschaft European Association for the Study of Diabetes (EASD) vorstellten.

Die Wissenschaftler hatten eine Gruppe von 15 übergewichtigen Männern und Frauen an zehn aufeinanderfolgenden Tagen jeweils eine Stunde lang in einen allmählich von 32 auf 10 Grad heruntertemperierten Kälteanzug gesteckt, so lange, bis die freiwilligen Teilnehmer zu zittern begannen. Sowohl vor der ersten Kälteapplikation als auch nach der letzten bestimmten die Forscher eine Reihe von Blutwerten. Mit erstaunlichen Resultaten: Glukosetoleranz und Nüchternblutzucker verbesserten sich unter der Bibbertherapie leicht, die Konzentration an Blutfetten sank deutlich um bis zu einem Drittel. Auch der systolische und diastolische Blutdruck fielen drastisch um durchschnittlich 10 mmHg beziehungsweise 7 mmHg. Dieses Ergebnis entspricht dem Effekt von regelmäßigem Ausdauersport.

FOCUS-GESUNDHEIT 01/23

Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung. Den vollständigen Text finden Sie in der Ausgabe Besser leben. Weitere Themen: Studien belegen den gesundheitlichen Gewinn von Kaffee, neue Medikamente reduzieren Übergewicht. U.v.m.

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Kälteeffekte durch Arzneien

Die Studienautoren buchen diese Erfolge auf das Konto der braunen Fettzellen. Dieses spezielle Körpergewebe, das durch Kälte stimuliert wird, gilt als gesundheitsförderlich. So legt auch eine 2021 im renommierten US Journal „Diabetes“ veröffentlichte Wiener Studie nahe, dass das Vorhandensein von braunem Fett stark übergewichtige Menschen vor den Folgeerkrankungen von Adipositas schützt. Im Alter nimmt dieser Gegenspieler der weißen Fettzellen ab, genau wie bei Menschen mit Diabetes und adipösen Personen. Forscher arbeiten deshalb intensiv an der Entwicklung von Wirkstoffen, die den Effekt regelmäßiger Kälteerlebnisse nachahmen und das braune Fett künstlich aktivieren.

Der Frost und das Fett

Unsere Fettzellen bilden eine Isolierschicht gegen Kälte und wandeln Energie in Wärme um.
 

  • Mehr als 90 Prozent des Körperfetts bestehen aus weißen Fettzellen. Diese Adipozyten dienen als Energiespeicher und halten als Unterhautfettgewebe die Körperwärme im Inneren.
  • Braune Fettzellen hingegen haben die Aufgabe, Wärme zu erzeugen. Sie werden durch Kältereize aktiviert.

Kälteeffekte durch Kyrotherapie

Keine medikamentöse Imitation, sondern die ganz reale Kälteexposition erwartet Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) im Rahmen der Kryotherapie. „Bei dieser Behandlung wirken Temperaturen von minus 110 Grad Celsius kurzzeitig auf den Körper ein. Die Kälte blockiert die Rezeptoren und Nervenbahnen, die für die Weiterleitung der Gelenkschmerzen zuständig sind, und lindert so die Beschwerden“, sagt der Rheumatologe Uwe Lange, stellvertretender Leiter des Rheumazentrums der Kerckhoff Klinik in Bad Nauheim. Auch der Umstand, dass bei niedrigen Temperaturen der Muskeltonus sinkt und die Zugkräfte auf die rheumageplagten Glieder ab nehmen, trägt zur Besserung bei. Zwar fehlt auch bei der Kältekammertherapie noch der Nachweis einer langfristigen Wirkung. Doch Lange forscht, um das zu ändern. Angefangen mit einer kleinen Pilotstudie 2008 hat ein Team um den Rheumatologieprofessor mittlerweile drei Untersuchungen zur Kryotherapie publiziert. „Wir konnten zeigen, dass die Zahl der für das Krankheitsbild typischen Entzündungsmoleküle im Blut sank. Die Schmerzen der Patienten nahmen um mehr als ein Drittel ab.“ In den Studien hielt die Linderung der Beschwerden nach sechs bis zwölf Besuchen in der Kältekammer bis zu drei Monate lang an. Auch Patienten mit Fibromyalgie und Schuppenflechte profitierten von den Kryobehandlungen. Therapeutische Kältesaunen finden sich zumeist in Rheumazentren. Die Kosten (ca. 15 bis 25 Euro pro Anwendung) müssen selbst bezahlt werden.

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Kneipp-Güsse scheinen zu wirken

Ähnlich wie die Kryotherapie stehen auch Kneipp-Behandlungen mit ihren Wasserkuren gegenwärtig auf dem Prüfstand. An der Berliner Charité etwa arbeitet Benno Brinckhaus, Internist und Professor für Naturheilkunde, an einer systematischen Übersichtsarbeit zur Evidenz der Hydrotherapie. Die Arbeit soll 2023 publiziert werden. Laut einem vorläufigen Resümee, das 2022 in der Zeitschrift „Die innere Medizin“ erschien, stehen die Zeichen für den Wirksamkeitsnachweis gut. „Bereits vorliegende Studien weisen auf positive oder signifikante Effekte hin“, so die Autoren.

Demnach helfen regelmäßige Kaltgüsse tatsächlich bei Erkrankungen wie Venenleiden, Bluthochdruck, Erkältungsanfälligkeit oder Schlafstörungen. Fans von Wechselduschen oder Eisbaden sind von den gesundheitsförderlichen Effekten der Abhärtung ohnehin längst überzeugt. Dazu trägt vermutlich auch der Umstand bei, dass intensive thermische Reize das Wohlbefinden wie auf Knopfdruck erhöhen. Hat man sich erfolgreich überwunden, führt der kurze Kälteschock zu einem Ausstoß am Wachmacher Adrenalin und Endorphinen, den Botenstoffen der Freude.

Der Kälte-Knigge

So wird das frostige Erlebnis zum Erfolg:
 

  • Abchecken: Neulinge sollten den Arzt fragen, bevor sie sich intensiven Kältereizen etwa beim Eisbaden aussetzen. U. a. bei Durchblutungsstörungen ist Kältetherapie tabu.
  • Ausbauen: Kältetoleranz ist Übungssache. Untrainierte starten am besten mit Wechselduschen oder Kneipp-Güssen.
  • Aufwärmen: Für alle Kälteerlebnisse gilt: Der Körper darf weder vorher noch hinterher auskühlen, sonst drohen Infekte.
FOCUS-Gesundheit – Klinikliste 2025

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Klinikliste 2025

FOCUS-Gesundheit 04/2024
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Dieser Artikel enthält allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Den passenden Arzt finden Sie über unser Ärzteverzeichnis.

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