Beim Grauen Star hilft nur eine einzige Therapie: Der Arzt ersetzt die getrübte Linse in einem 15-minütigen mikro-chirurgischen Eingriff durch ein klares Exemplar aus Kunststoff. Etwa 700.000-mal jährlich findet die sogenante Kataraktoperation hierzulande statt. Entsprechend groß ist die Auswahl an Intraokularlinsen (von „intra okular“, innerhalb des Auges, kurz IOL).
Es gibt Modelle, die auf ein, zwei oder sogar auf drei Entfernungen scharf stellen, das Sehen bei Nacht komfortabler machen oder eine Hornhautverkrümmung ausgleichen.
Gesundes Auge (links): Die Augenlinse bündelt das durch die Pupille einfallende Licht auf der Netzhaut. So entsteht ein scharfes Bild.
Beim Grauen Star (rechts) trübt die Linse zunehmend ein. Auf die Netzhaut fällt unscharfes Streulicht. Deshalb leidet nicht nur die Sehkraft, sondern auch die Wahrnehmung von Kontrasten.
„Neue Linsentechnologien bieten vielen Patienten ein Sehen nach Maß“, sagt Burkhard Dick, Direktor der Universitäts-Augenklinik Bochum. Die erste Frage für Patienten, die vor einem Austausch der altersschwachen Linse stehen, lautet zumeist: In welchen Bereichen möchte ich künftig eine optimale Sehschärfe besitzen? Denn anders als die natürliche Linse, die ihre Krümmung verändert, um auf unterschiedlich weit entfernte Gegenstände zu fokussieren, stellt sich das starre Plastikmodell nicht flexibel auf verschiedene Distanzen ein. „Je nachdem, über wie viele Brennpunkte die Linse verfügt, ergeben sich unterschiedlich deutliche Sehentfernungen“, erklärt Dick.
Augenarzt und Direktor der Universitäts-Augenklinik Bochum
Grauer Star: Welche Linse ist die richtige?
Monofokallinse bei Grauem Star
Standard- und Kassenlösung ist die sogenannte Monofokallinse. Sie verfügt über lediglich einen Brennpunkt. In der Regel wird die Sehhilfe für die Ferne ausgelegt. Für den scharfen Blick auf den Tacho oder auf das Programmheft im Theater benötigen Träger eine Brille.
Bifokallinse bei Grauem Star
Die in den 90er-Jahren eingeführten Bifokallinsen (Zweistärkenlinsen) ermöglichen Betroffenen nach einer Kataraktoperation gutes Sehen sowohl in der Ferne als auch in der Nähe. „Im Zwischenbereich, also etwa auf Armlänge, blieb allerdings eine Lücke bestehen. Für die Arbeit am Computer oder das Ablesen der Armaturen im Auto brauchten Patienten dennoch wieder eine Sehhilfe“, so Burkhard Dick.
Trifokallinse bei Grauem Star
Diese Lücke füllen die Trifokallinsen, die sich in den letzten Jahren etabliert haben. Diese Modelle besitzen einen weiteren Brennpunkt im Intermediärbereich. Damit decken sie sowohl Nähe (35 bis 40 Zentimer) als auch mittlere Sicht (60 bis 80 Zentimeter) und Ferne ab. Das Gehirn bekommt also ständig mehrere scharfe Bilder und sucht sich das für die jeweilige Entfernung benötigte aus. „Die Trifokalinsen haben die Bifokalen mittlerweile weitgehend vom Markt verdrängt“, so Burkhard Dick.Leider haben Multifokallinsen einen sozusagen eingebauten Nachteil. Weil das einfallende Licht auf mehrere Brennpunkte verteilt wird, kommt in jeder dieser Zonen nur ein Teil davon an. Am hellen Tag ist dieser Makel nahezu unbemerkbar, in der Dämmerung allerdings kann das Kontrastsehen leiden. Außerdem führen die optischen Prinzipien, durch die mehrere Brennpunkte erzeugt werden, dazu, dass helle punktförmige Lichtquellen wie etwa Straßenlaternen mit feinen Reflexen (Glare bzw. Halo genannt) erscheinen können. „In der Regel fallen diese Phänomene allerdings milde bis moderat aus. Der Großteil der Patienten nimmt das entweder nicht wahr oder fühlt sich dadurch nicht gestört“, versichert Augenarzt Dick.
Intraokularlinsen bei Grauem Star
Was die schwindenden Kontraste in der Dämmerung betrifft, kommt Abhilfe von den Intraokularlinsen der neuesten Generation (z.B. „Tecnis Synergy IOL“, „Panoptix Trifocal IOL“). Sie versprechen gute Kontrastempfindlichkeit selbst bei schwachem Licht. Zudem bilden sie auch die Übergänge von der Nähe zum Mittelabstand und vom Intermediärvisus zur Ferne scharf auf der Netzhaut ab – ähnlich wie eine Gleitsichtbrille.
Damit Patienten mit ihrer künstlichen Augenlinse möglichst keine Fehlsichtigkeit mehr aufweisen, muss die benötigte Brechkraft exakt berechnet werden. Dazu misst der Arzt die Hornhautkrümmung, die Tiefe der Augenvorderkammer und die Länge des Augapfels. Klinikchef Burkhard Dick: „Bei Menschen, die sich früher einer Laser-OP am Auge unterzogen haben, um eine Sehschwäche zu korrigieren, ist das Ermitteln der Kunstlinsenstärke allerdings erschwert. Bleibt beim Berechnen ein Restfehler, müssen die Betroffenen möglicherweise wieder Brille tragen. “Patienten, die dieses Risiko ausschließen möchten, bietet sich die sogenannte lichtadjustierbare Linse (LAL) an.
Lichtadjustierbare Linse (LAL) bei Grauem Star
Die lichtadjustierbare Linse (LAL) wird nach der Operation, also wenn es bereits fest im Auge sitzt, um bis zu zwei Dioptrien nachjustiert. Das geschieht berührungslos per UV-Licht: Unter dem Einfluss der energiereichen Strahlung kann sich das weiche Kunststoffmaterial der Linse ausdehnen oder zusammenziehen – entsprechend ändert sich der Brechwert der LAL.
Die Anpassung nimmt der Augenarzt nach der Ausheilungsphase vor, etwa zwei bis drei Wochen nach der Operation. „Bis dahin müssen Patienten eine Lichtschutzbrille tragen, damit keine UV-Strahlung ins Auge fällt“, erklärt Burkhard Dick.
IOL mit Lochblende (IC-8-Linse) bei Grauem Star
Eine weitere Alternative bietet eine IOL mit Lochblende, auch IC-8-Linse genannt. Ihre Konstruktion aus undurchsichtig Scheibe mit kleiner Öffnung im Zentrum funktioniert nach dem Prinzip einer Fotokamera: kleine Blende, große Schärfentiefe. „Die IC-8 bietet eine sehr gute Sehschärfe von der Nähe bis in die Ferne“, urteilt Dick, dessen Universitäts-Augenklinik Bochum die Linse als eines der ersten Zentren weltweit implantiert hat.
Ärzte setzen die Lochblendenlinse in der Regel in das nicht dominante Auge; während das Nachbarorgan eine Monofokal-IOL erhält. Das Gehirn fügt beide Seheindrücke nahtlos zusammen.
FOCUS-GESUNDHEIT 09/21
Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung. Den vollständigen Text finden Sie in der Ausgabe Klinikliste 2022 von FOCUS-GESUNDHEIT. Weitere Themen: Was Pflegende an ihrer Arbeit lieben und was sich ändern muss. Moderne Anästhesie: schonend, sicher, maßgeschneider. U.v.m.
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Linsen bei Grauem Star: Kosten und Kostenübernahme der Krankenkassen
Welche Linse grundsätzlich infrage kommt, ermittelt der Augenarzt bei einem gründlichen Vorab-Check. Wichtig zu wissen: Die Krankenkassen bezahlen lediglich die Standardlösung, also ein Monofokalmodell. Bereits für Einstärkenlinsen mit verbesserter Bildqualität (asphärische Linsen) wird eine Zuzahlung von etwa 700 Euro pro Auge fällig.
Die Kosten für Premiumlinsen liegen zwischen 2.000 und 4.000 Euro pro Auge und müssen aus eigener Tasche bezahlt werden.
Wem hilft welche Linse?
Keine Intraokularlinse (IOL) deckt alle Bedürfnisse der Patienten vollständig ab. Hier die wichtigsten Modelle mit ihren Vorzügen und potenziellen Schwachpunkten