Ein Lächeln öffnet viele Türen. Und am besten sieht das freundliche Gesicht mit den „echten“ Zähnen aus. Diese so lange wie möglich zu erhalten ist das Ziel zahnmedizinischer Behandlung. Für Entzündungen, die bis tief ins Innere des Zahns reichen, sind Ärztinnen und Ärzte mit dem Fachgebiet Endodontologie die Spezialisten. Sie führen Wurzelkanalbehandlungen durch, wie der Eingriff medizinisch korrekt heißt. Dank wirksamer Betäubungsmedikamente hat das zahnchirurgische Verfahren seinen Schrecken inzwischen weitgehend verloren. Langwierig kann es dennoch sein. Aber es ist oft auch die letzte Chance. „Wir können heute Zähne sehr lange erhalten, die wir vor 20 Jahren noch ziehen mussten“, sagt Christian Gernhardt, Professor für Zahnerhaltungskunde an der Universitätspoliklinik Halle.
Woran spürt man, dass die Wurzel der Grund des Übels ist?
Die häufigste Ursache für eine Wurzelkanalbehandlung ist eine Entzündung des weichen Gewebes in der Zahnwurzel, Pulpa oder Zahnmark genannt. Ob diese vorliegt, kann nur eine Zahnärztin oder ein Zahnarzt feststellen. „Meistens haben Kariesbakterien oder deren Abbauprodukte den Zahn zerstört und sind bis ins Mark vorgedrungen“, erklärt Gernhardt.
„Auch Unfälle oder eine Behandlung, etwa eine große Füllung oder das Abschleifen des Zahns, können ein Grund sein.“ In diesen Fällen ist die Pulpa nicht mehr ausreichend versorgt und reagiert mit Entzündung. Die Patientin oder der Patien spürt meist heftige Zahnschmerzen, oft klopfend. Hören diese plötzlich auf, kann das ein Warnsignal sein: Das entzündete Mark ist abgestorben, der Zahn „tot“. Ärztin oder Arzt testen deshalb zunächst mit Klopf und Kältereiz, ob der Nerv noch reagiert. Ein Röntgenbild zeigt, ob eine Entzündung besteht und wie ausgedehnt diese ist.
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Wie erfolgreich ist eine Wurzelkanalbehandlung?
In 80 bis 90 Prozent der Fälle werden die Zähne dauerhaft gerettet. Das zeigen Langzeitstudien über zehn Jahre. „Im Einzelfall können wir allerdings nicht garantieren, dass die Behandlung gelingt“, stellt der niedergelassene Endodontologe Bernard Bengs aus Berlin klar. Zu viele Faktoren spielen hinein: Wie groß ist die Entzündung? Wie viel Zahnsubstanz ist bereits abgetragen? „Daneben kommt es auf das Immunsystem des Patienten an. Auch Besonderheiten im Mundraum – sehr enge, verkalkte oder gebogene Wurzelkanäle – beeinflussen das Ergebnis“, so Bengs. Nicht zuletzt spielt die Erfarung des Zahnarztes eine Rolle für den Behandlungserfolg. Der Patient selbst kann abgesehen von einer guten Zahnpflege wenig tun, um neuerliche Entzündungen zu vermeiden.
Behandlungen der Zahnwurzel brauchen Zeit – haben aber beste Erfolgsaussichten.
Was genau hat sich eigentlich entzündet?
Das Zahninnere besteht zum überwiegenden Teil aus dem knochenähnlichen Gewebe Dentin. Darin verlaufen feine Wurzelkanäle. Jede Zahnwurzel hat mindestens einen. Die Kanäle sind mit dem Weichgewebe Pulpa gefüllt. Durchzogen ist es von Blutgefäßen und Nervenfasern, die Richtung Kieferknochen gehen. Die Infektion des Marks reizt die Nerven, die Schmerzsignale an das zentrale Nervensystem leiten. Besteht die Entzündung im Zahninneren über längere Zeit, kann sie auf den Kieferknochen übergreifen. Oder in das umliegende Gewebe vordringen, wo sich Eiterablagerungen in Form einer „dicken Backe“ äußern.
Wie läuft die Behandlung ab?
Der Mediziner bohrt den Zahn auf und entfernt das entzündete oder bereits zerfallene Gewebe der Pulpa. Mit feinen rotierenden Feilen erweitert und reinigt er die Kanäle. Es folgt eine Spülung, die sämtliche Keime entfernen soll. „Damit die Lösung auch in kleinste Verästelungen vordringt und dort Biofilme auflöst, in denen sich Bakterien verschanzen, sollten diese aktiviert werden“, erklärt Experte Gernhardt. Dies geschieht entweder mittels pulsieren dem Laser oder (Ultra)Schall. Beides sind keine Kassenleistungen.
Zur Desinfektion kann auch Laser eingesetzt werden, der Keime mit Hitze bekämpft. Um die Wurzelbakterien dicht zu verschließen, wird eine zuvor verflüssigte Masse in die Kanäle gepresst. Dazu müssen Ärztin oder Arzt deren exakte Länge kennen. Bestimmt wird diese entweder durch ein weiteres Röntgenbild oder – genauer und strahlungsärmer – mit der elektronischen Längenmessung (keine Kassenleistung). Ist die Wurzel schließlich dicht und die Entzündung abgeklungen, kann der Zahn mit einer Füllung oder Krone versorgt werden. Nach einigen Monaten erfolgt eventuell eine erneute Kontrolle per Röntgenaufnahme, die zeigt, ob die Entzündung im Kieferknochen rückläufig ist, die Behandlung also erfolgreich war. Das ist wichtig, weil schwelende Entzündungsprozesse den Körper belasten und Herz oder Gelenkprobleme verursachen können.
Das passiert bei einer Wurzelbehandlung
Der Weg zum Übel führt über den Zahnwurzelkanal
Ist die Prozedur schmerzhaft?
„Die Medikamente zur Betäubung sind heute so gut, dass Patienten wirklich schmerzfrei und entspannt sind“, versichert Bengs. „Ansonsten könnten wir mit dem Dentalmikroskop auch gar nicht arbeiten“.
Extraleistungen – Was ist sinnvoll?
Die Wurzelkanalbehandlung zahlt meist die Krankenkasse. Ärzte bieten jedoch zusätzliche Leistungen, die privat berechnet werden:
Mikroskopische Behandlung
Ca. 25 – 80 Euro je Sitzung. „Absolut sinnvoll, um die feinen Wurzelkanäle zu finden und Zahnsubstanz beim Aufbohren zu schonen“, sagt Christian Gernhardt, Experte für Zahnerhaltung an der Uni Halle.
Elektronische Längenmessung
4 – 14 Euro pro Anwendung. Laut Gernhardt „exakter und strahlungsärmer als die Messung per Röntgenbild“.
Aktivierung der Spüllösung
Verstärkt die Desinfektionswirkung. 4 – 14 Euro je Sitzung. „Sinnvoll, um die Kanäle keimfrei zu bekommen“, so Gernhardt.
3D-Röntgen
150 – 350 Euro. „Die Strahlenbelastung ist höher als bei normalen Röntgenaufnahmen. Die Untersuchung sollte Spezialfällen vorbehalten sein“, sagt Gernhardt.
Beratung
Kostenfreie Zweitmeinung bei der Zahnärztekammer: www.patientenberatung-der-zahnaerzte.de/patienten-im-mittelpunkt
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Wann ist Besserung zu erwarten?
„Eine Wurzelkanalbehandlung braucht Sorgfalt und Zeit, das geht nicht schnell, schnell“, betont Gernhardt. In der Regel sind mehrere Termine notwendig, die recht lange dauern können. Die Behandlung selbst ist anspruchsvoll. Trotz Röntgen wissen Ärztin oder Arzt vorab nicht immer genau, wie viele Wurzelkanäle der erkrankte Zahn hat und wo sie genau liegen. „Manchmal sind diese auch verschlossen und deshalb schwer zu entdecken“, erläutert Gernhardt. Die Kanäle sind ungefähr 20 Millimeter lang und haben teilweise einen Durchmesser von unter 0,1 Millimeter, sie können extrem verästelt und gebogen sein – all dies macht eine vollständige Reinigung und Desinfektion kompliziert.
Sind Wurzelspitze oder Kieferknochen entzündet, kann sich die Heilung über Monate hinziehen. Wenn der Patient immer noch Schmerzen oder andere Entündungsanzeichen spürt, muss die Prozedur wiederholt werden. Ärzte sprechen von Revision. Ist auch dann die Entzündung nicht im Griff, kann als letzte Option die Wurzelspitze gekürzt werden. Zahnärzte oder Oralchirurgen arbeiteten sich von außen über den Kieferknochen zur Zahnwurzel vor, kappen diese um zwei bis drei Millimeter und entfernen entzündetes Gewebe. „Diese sogenannte Resektion löst das Problem nur, wenn der Wurzelkanal vorher keimfrei und komplett gefüllt ist“, sagt Bengs. Andernfalls sei es nur eine Frage der Zeit, bis die Entzündung erneut aufflamme.
Warum kann sich ein behandelter Zahn verfärben?
„Durch Einblutungen vom Pulpagewebe in die kleinen Dentinkanälchen entsteht eine Art blauer Fleck, der sich leider nicht zurückbildet“, erklärt Bengs. Oder aber es dringen Farbstoffe aus der Nahrung in die Kanäle ein, weil im wurzelgefüllten Zahn ohne die Pulpa weniger Druck herrscht. „Im Schneidezahnbereich kann man Verfärbungen sehr gut aufhellen“, sagt der Endontologe. „Das hält Jahre und ist schonender als eine Krone.“
Dieser Text erschien zuerst in der Ausgabe Moderne Chirurgie von FOCUS-Gesundheit. Das Magazin ist erhältlich als E-Paper und als Print-Ausgabe.