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Oxytocin

Oxytocin spielt bei der Geburt, beim Stillen und bei Beziehungen eine wichtige Rolle. Alles über die Wirkung und Anwendung des „Kuschelhormons“.

Geprüft von Yvonne Küster, Medizinjournalistin

Veröffentlicht:
Aktualisiert: 2022-12-07T00:00:00+01:00 2022-12-07T00:00:00+01:00

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Inhaltsverzeichnis
Oxytocin: Eine Person umarmt eine Frau von hinten.

© Unsplash

Was ist Oxytocin?

Oxytocin ist ein Hormon, genauer gesagt ein sogenanntes Peptidhormon. Das Wort „Peptid“ bedeutet, dass es aus mehreren Aminosäuren aufgebaut ist, die wiederum über spezielle chemische Bindungen miteinander verknüpft sind. Der Name „Oxytocin“ kommt aus dem Griechischen: „ōkys“ bedeutet „schnell“ und „tokos“ „Geburt“. Damit ist eine wichtige Aufgabe des Oxytocins schon gut beschrieben, denn das Hormon spielt beim Geburtsvorgang eine wesentliche Rolle. Es sorgt dafür, dass sich die Gebärmuttermuskulatur während der Geburt zusammenzieht und das Baby unbeschadet nach draußen in die Welt gelangt.

Der britische Physiologe und Biochemiker Henry Dale entdeckte das Oxytocin im Jahr 1906 in der Hypophyse, eine erbsengroße Hormondrüse an der Basis des Gehirns. Zuerst entschlüsselte er die Wirkung des Oxytocins im Zusammenhang mit der Geburt, später seine Funktion beim Stillen.

Am bekanntesten ist Oxytocin wohl als „Bindungshormon“ zwischen Liebespaaren, Eltern und Kindern – es wirkt wie eine Art sozialer „Kitt“ oder „Kleber“. Umgangssprachlich heißt es daher auch „Kuschelhormon“, „Liebeshormon“, „Vertrauenshormon“ oder „Treuehormon“. Oxytocin beeinflusst das Sozialleben und Bindungsverhalten zwischen den Menschen maßgeblich. Es fördert das Sozialverhalten, stärkt das Vertrauensgefühl und ist entscheidend für die Entstehung emotionaler Bindungen zwischen Menschen. Auch spielt es eine Rolle bei der Liebe, Sexualität und Stabilität von Partnerschaften. Ganz allgemein wirkt sich das Kuschelhormon positiv auf das menschliche Wohlbefinden aus.

Gebildet wird das Oxytocin hauptsächlich im Hypothalamus des Gehirns, im sogenannten Nucleus paraventricularis. Einen geringeren Teil des Hormons produziert ein anderes Areal im Hypothalamus, der Nucleus supraopticus. Von diesen Regionen aus gelangt es zur Hypophyse (Hirnanhangdrüse). Dort wird es zwischengespeichert und bei Bedarf ins Blut ausgeschüttet.

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Oxytocin: Wirkung

Oxytocin gilt aber nicht nur als Kuschel- oder Bindungshormon zwischen Menschen, sondern besitzt noch weitere  Wirkungen im menschlichen Körper.

Die wichtigsten sind:

  • Gegen Ende der Schwangerschaft reagiert die Gebärmutter am empfindlichsten auf das Oxytocin. Das Hormon fördert die Wehen während der Geburt, indem es die Kontraktion der Gebärmuttermuskulatur anregt. Das Baby wird nach und nach ins Licht der Welt „geschubst“. 
  • Oxytocin stimuliert außerdem bestimmte Zellen (myoepitheliale Zellen) im Bereich der Brustdrüse, lässt sie kontrahieren und fördert so den Milchfluss. Die eigentliche Bildung der Muttermilch beeinflusst das Hormon jedoch nicht.
  • Die frisch gebackene Mama produziert Oxytocin beim Stillen, was wiederum die Bindung zu ihrem Kind zu stärkt.
  • Oxytocin hilft nach einer Schwangerschaft dabei mit, dass sich die Gebärmutter wieder rückbildet.
  • Oxytocin senkt den Blutdruck, vermindert Ängste und baut Stress ab.
  • Es dämpft vermutlich Aggressionen und mindert die Streitlust. Allerdings könnte es auch andersherum sein, wie eine aktuelle Studie der Universität Regensburg, die im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht wurde, ergab: Bei weiblichen Ratten erhöhte das Hormon das Aggressionsverhalten. Restlos aufgeklärt ist seine Wirkung in diesem Fall also noch nicht.
  • Das Kuschelhormon kann empathischer und einfühlsamer machen.
  • Das Bindungshormon fördert die Leistung des Gedächtnisses, es ist wichtig für das Erkennen und Erinnern.
  • Oxytocin könnte auch als körpereigene „Schmerzbremse“ wirken und Schmerzen lindern. Allerdings wurde diese schmerzlindernde Wirkung bisher nur im Tierversuch nachgewiesen. Die Ergebnisse sind also nicht direkt auf den Menschen übertragbar.
     

Neugeborene brauchen Nähe

Nicht nur die Geburt, sondern auch das, was direkt danach passiert, ist für Säuglinge enorm wichtig.

Prof. Dr. Michael Abou Abou-Dakn, ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am St. Joseph Krankenhaus in Berlin
Herr Prof. Abou-Dakn, wie unterstützen Sie einen gelungenen Start ins Leben?

Indem wir in der Geburtshilfe nicht nur medizinische Aspekte im Blick haben. Lange Zeit standen die Geburtsmechanik, also das komplexe Zusammenspiel des Fötus mit dem Geburtskanal, sowie die mütterliche Gesundheit im Vordergrund. Inzwischen wissen wir aber, wie entscheidend es für die Entwicklung des Kindes ist, dass die Geburt mit möglichst wenig Eingriffen auskommt. Auch was unmittelbar nach der Entbindung passiert, ist enorm wichtig. Erfährt der Säugling sofort Wärme, Schutz, Liebe und Geborgenheit, entsteht eine intensive Bindung zwischen Kind und Eltern. Das schafft -Urvertrauen und prägt den Säugling für künftige Beziehungen. Für die Eltern sind diese ersten Momente ebenso wichtig. Es ist nämlich ein Irrtum, dass mit der Geburt des Kindes die Liebe plötzlich da ist. Sie muss erst erlernt werden.

Was geschieht im Idealfall direkt nach der Geburt?

Wir legen das Neugeborene sofort auf die Brust der Mutter, wenn es irgendwie geht auch nach einem Kaiserschnitt, und unterbrechen die erste Annäherung zwischen Eltern und Baby möglichst nicht für medizinische Untersuchungen. Der unmittelbare menschliche Kontakt – insbesondere zwischen Mutter und Kind – ist ein wesentlicher Punkt.

Welche Bedeutung haben Väter in Ihrer Klinik?

Eine sehr große. Auch in pandemischen Phasen haben wir es Vätern ermöglicht, im Kreißsaal dabei zu sein. Die Geburtsphase ist für alle – Mutter, Kind und Vater – sehr prägend und intensiv. Nur bei medizinischen Notfällen müssen wir davon leider abweichen. Und selbst für diesen Fall haben wir Familienzimmer auf unserer Neo-Intensivstation eingerichtet – was bisher in Kliniken eine große Ausnahme ist.

Interview: Christian Andrae

Oxytocin: Anwendung

Oxytocin ist nicht nur ein körpereigenes, natürliches Hormon, sondern lässt sich auch als Medikament anwenden. Zum Einsatz kommt dabei künstliches Oxytocin, das im Labor hergestellt wird. Ärzte nutzen Oxytocin als Arzneimittel vor allem in der Schwangerschaft und Geburtshilfe vor und nach der Geburt:

  • Synthetisches Oxytocin kommt beim Geburtsvorgang als wehenförderndes Mittel in Form von Infusionen oder Injektionen zum Einsatz. Dies kann der Fall sein, wenn Ärzte die Geburt aus medizinischen Gründen an einem bestimmten Termin einleiten müssen. Aber auch wenn der errechnete Geburtstermin schon deutlich überschritten ist, erfolgt oft die Einleitung der Geburt mit Hilfe von Oxytocin.
  • Auch bei einer Wehenschwäche während der Geburt ist Oxytocin eine Behandlungsmöglichkeit – es stimuliert die Wehentätigkeit.
  • Wenn sich nach der Geburt die Gebärmuttermuskulatur nicht ausreichend kontrahiert, setzen Ärzte Oxytocin ein, um die Plazenta auszustoßen.
  • Auch Blutungen nach der Geburt kann man mit Oxytocin vorbeugen beziehungsweise behandeln.
  • Oxytocin gibt es zudem als Nasenspray, um den Milchfluss beim Stillen zu fördern. Es wird aber auch eingesetzt, um einer Brustentzündung (Mastitis) vorzubeugen. Das Nasenspray ist in Deutschland seit dem Jahr 2008 nur noch mit Rezept erhältlich.
Weil Oxytocin auch verschiedenen Funktionen im Gehirn besitzt, untersuchen Forschende in Studien, ob es sich auch zur Anwendung als Medikament in der Neurologie und Psychiatrie eignet. Die Studien konzentrieren sich zum Beispiel auf die Behandlung folgender psychischer Krankheitsbilder:

Es gibt aber derzeit noch kein Oxytocin-Medikament, das für eine dieser Indikationen zugelassen ist.

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Oxytocin: Nebenwirkungen

Wie jedes Medikament kann Oxytocin auch einige Nebenwirkungen haben. Dazu gehören zum Beispiel:

Die Oxytocinmenge erhöhen – Tipps und Tricks

Ein erhöhter Oxytocin-Spiegel kann sich positiv auf den Körper und die Psyche auswirken und das Wohlbefinden steigern. Womöglich geht es auch in Ihrer Beziehung etwas friedfertiger und stressfreier zu, wenn vermehrt Oxytocin ausgeschüttet wird. Einige Tipps, die den Spiegel des Kuschelhormons steigen lassen:

  • Nähe, Berührungen, Umarmungen, Kuscheln: Halten Sie öfters Händchen, drücken Sie einander fest oder schmiegen Sie sich abends auf der Couch aneinander.
  • Sex: Beim Geschlechtsverkehr und nach dem Orgasmus schüttet der Körper Oxytocin aus, bei Frauen wie bei Männern. Paare fühlen sich nach dem Sex daher besonders miteinander verbunden und zufrieden.
  • Streicheln und Massagen: Fahren Sie Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin mal öfters durchs Haar oder streicheln Sie seine/ihre Wange, auch eine sanfte Massage kann die Ausschüttung von Oxytocin ankurbeln
  • Soziale Interaktionen mit anderen
  • Sinne aktivieren, zum Beispiel durch gutes Essen oder die Lieblingsmusik
  • Meditation, Yoga
  • Empathisches Verhalten: sich in andere Menschen hineinfühlen
  • Selbstlos handeln, etwa anderen Geschenke machen

Im Internet bieten viele Hersteller Oxytocin als Nasenspray an. Aber Achtung: Als Medikament sollten Sie Oxytocin niemals auf eigene Faust ohne ärztlichen Rat einnehmen. Denn oft ist es unklar, welche Inhaltsstoffe genau enthalten sind. Ebenfalls unbekannt ist, wie sich langfristig angewendetes Oxytocin auf das Hormonsystem des Körpers auswirkt.

Quellen
  • Steinbach, X & Maasen, S: Oxytocin: Vom Geburts- zum Sozialhormon; N.T.M.; 2018; DOI: 10.1007/s00048-018-0186-y 
  • Bugg GJ, et al.: Auswirkung/Verwendung des Medikaments Oxytocin zur Behandlung bei langsamem Geburtsfortschritt; Cochrane; 2013; DOI: 10.1002/14651858.CD007123.pub3 
  • Oliveira, V E d M et al.: Oxytocin and vasopressin within the ventral and dorsal lateral septum modulate aggression in female rats; Nat Commun; 2021; DOI: 10.1038/s41467-021-23064-5 
  • Pressemeldung Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE): Nasenspray gegen Angststörungen: Kuschelhormon Oxytocin könnte Therapie psychischer Erkrankungen ergänzen; 23.02.2018
  • Online-Informationen DocCheck: flexikon.doccheck.com; Abruf: 27.8.2021
  • Online-Informationen Max-Planck-Gesellschaft (MPG): www.mpg.de; Abruf: 27.8.2021
  • Pressemeldung Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ): Oxytocin: doppelt wirksam gegen Schmerz; 04.03.2016
  • Online-Informationen Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: www.gesundheit.gv.at; Abruf: 27.8.2021
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Dieser Artikel enthält allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Den passenden Arzt finden Sie über unser Ärzteverzeichnis.

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