Was ist eine Darmsanierung?
Dass eine Vielfalt von Bakterien unseren Darm bevölkert, die für den Körper nützlich sind, ist mittlerweile bekannt. Wissenschaftler nennen die Gesamtheit aller Mikroorganismen im Verdauungstrakt „Darmmikrobiom“. Eine aus dem Gleichgewicht geratene Darmflora bringen Experten mit zahlreichen Krankheiten oder zumindest mit Verdauungsbeschwerden in Zusammenhang. Das bringt viele Menschen auf den Gedanken, eine Darmsanierung durchzuführen: um die vorhandene Darmflora zu stärken, eine gesunde neu aufzubauen oder wiederherzustellen. Wissenschaftliche Beweise dafür, dass eine Darmsanierung wirksam oder nötig ist, gibt es allerdings nicht.
„Darmsanierung“ bedeutet, mithilfe einer Kur Einfluss auf die Bakterien im Darm zu nehmen. Das lateinische Wort „sanare“, das in „Darmsanierung“ steckt, bedeutet „heilen“ oder „wiederherstellen“. Fans der Alternativmedizin nennen die Behandlung, mit deren Hilfe sie die Zusammensetzung der Bakterien in ihrem Darm korrigieren wollen, außerdem „Symbioselenkung“, „mikrobielle Darmtherapie“ oder „mikrobiologische Therapie“. Ziel ist, den Körper zu entgiften und damit das Wohlbefinden zu verbessern, die Verdauung zu optimieren, das Immunsystem zu stärken, Krankheiten vorzubeugen und dabei auch noch abzunehmen.
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Anleitung zur Darmsanierung
Wissenschaftliche Belege dafür, dass eine Darmsanierung die Gesundheit verbessert, gibt es nicht. Das bedeutet: Es gibt keine Beweise dafür, dass eine Darmsanierung irgendeine positive Wirkung hat. Das Konzept des Entschlackens ist veraltet und geradezu antik. Denn weder sammeln sich im Laufe des Lebens „Schlacken“ und Giftstoffe im Darm an, noch müssen diese aufwendig entfernt werden. Bei einer normalen Verdauung wird der Körper alles, was er nicht verwerten kann, von ganz allein los. Entsprechend ist es fragwürdig, eine Kur zur Darmsanierung überhaupt durchzuführen – geschweige denn zu Hause und ohne Arzt.
Unsere Anleitung zum „Selbermachen“ soll daher vor allem der Information dienen. Wie funktioniert nun eine Darmsanierung? Üblicherweise erfolgt die Symbioselenkung nach Plan in drei Stufen:
- Darmreinigung
- Optimierung der Verdauung und Präbiotika-Kur (Gabe von bestimmten Ballaststoffen, die das Wachstum der „richtigen“ Bakterien fördern)
- Wiederaufbau mit den „richtigen“ Bakterien (Probiotika)
Die Dauer der Darmreinigung hängt ihren Befürwortern zufolge davon ab, wie stark die Darmflora bereits beeinträchtigt ist. Vier Wochen bis drei Monate sind üblich, dann soll das Mikrobiom korrigiert sein.
- Zu Beginn der Kur empfehlen Fans der Alternativmedizin Abführmittel wie Glaubersalz oder einen Einlauf. Glaubersalz, benannt nach Johann Rudolf Glauber, der es im 17. Jahrhundert entdeckte, hält osmotisch Wasser im Darm zurück und erhöht so den Flüssigkeitsanteil und das Volumen des Darminhalts, was den Stuhldrang fördert. Bei einem Einlauf leitet man warmes Wasser über den Anus in den Darm ein, um dessen Entleerung zu beschleunigen. Eine Toilette sollte bei beiden Methoden in Reichweite sein und Anwender müssen mit starkem Durchfall rechnen. Mit Flohsamen oder Leinsamen erfolgt danach die „Endreinigung“, die den gesamten Darm von verbliebenem Kot befreien soll.
- Im zweiten Schritt verabreichen sich Menschen, die ihren Darm sanieren möchten, Medikamente, die vermeintlich gesundheitsschädliche Keime und Pilze beseitigen sollen. Oft greifen sie dafür auf Schwefel zurück, für dessen Wirkung es aber keine wissenschaftlichen Belege gibt. Zum „Ausschwemmen“ von Giften empfehlen Darmsanierer Heilerde. Gleichzeitig achten sie streng auf die Ernährung: Zuckerhaltige Lebensmittel und andere Kohlenhydrate meiden sie in dieser Phase der Darmsanierung, um keine „falschen“ Bakterien damit zu „füttern“.
Auch Koffein, Alkohol, Fleisch und Wurst sind während dieser Zeit tabu. Zu trinken gibt es stilles Wasser und Kräutertees, erlaubt sind Nüsse, Samen, Gemüse, Früchte. Sie enthalten Ballaststoffe und sollen für die „neuen“ Bakterien später eine gute Umgebung schaffen. Die gleiche präbiotische Wirkung soll Inulin haben, ein Ballaststoff, den Pflanzen als Zuckerspeicher nutzen und der in Nahrungsergänzungsmitteln für Darmsanierer auf dem Markt ist. - Um im letzten Schritt die Darmflora wiederaufzubauen, gibt es ebenfalls Medikamente – sogenannte Probiotika mit den „richtigen“ Bakterien, die als Pulver oder Tablette im Handel sind. Studien zeigen jedoch, dass manche Probiotika gerade für Menschen, deren Abwehr geschwächt ist, sogar gefährlich sind: Bei ihnen können sie Pilzinfektionen auslösen, die den ganzen Körper betreffen und schlimmstenfalls zum Tod führen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) warnt besonders vor der „Arzneihefe“ Saccharomyces boulardii.
Als Lebensmittel, die eine gesunde Darmflora aufzubauen helfen, gelten Joghurt, Kefir, Buttermilch, Sauerkraut, Vollkornprodukte, Kleie, Äpfel, Artischocken, Chicorée. Ebenso gilt Apfelessig als geeignetes Hausmittel, das täglich zu trinken ist und die Darmsanierung „natürlich“ unterstützen soll. Die Homöopathie bietet weitere Stoffe an, die das Aufbauen der Darmflora unterstützen sollen. Doch Vorsicht: Es gibt keinerlei wissenschaftliche Beweise, dass Homöopathie wirkt.
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Darmsanierung beim Arzt
Zahlreiche Heilpraktiker und Ärzte bieten ihren Kunden und Patienten eine Darmsanierung an und bezeichnen sich als „Darmflora-Spezialist“. Welcher Arzt Reinigung und Wiederaufbau vornimmt, wenn ein Patient meint, dass eine Darmsanierung nötig sei, ist beinahe unerheblich: Hauptsache, es ist ein Arzt dabei. Es ist nicht zu empfehlen, eine Darmsanierung selbst zu Hause durchzuführen.
Erfolgt die Darmsanierung beim Arzt, dient als Reinigung im ersten Schritt meist eine Darmspülung, auch „Colon-Hydro-Therapie“ genannt. Dabei führt der Arzt ein mehrere Zentimeter langes Kunststoffrohr in den After des Patienten ein und leitet viel warmes Wasser in den Darm, um ihn auszuspülen. Die Prozedur dauert ungefähr 45 Minuten und muss manchmal mehrmals wiederholt werden.
Wann ist eine Darmsanierung sinnvoll – und wann nicht?
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Die Nebenwirkungen einer Darmsanierung
Die Nebenwirkungen einer Darmsanierung, vor allem der Reinigung vorher, sind nicht zu unterschätzen. Es kann zu zahlreichen unerwünschten Effekten kommen:
- Übelkeit
- Erbrechen
- Blähbauch
- Durchfall
- Bauchschmerzen
- Krämpfen
- Benommenheit
- Kreislaufprobleme
- Elektrolytstörungen
- Nierenversagen
Es ist wichtig, bei einer Darmsanierung viel zu trinken, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen – nur dann lassen sich Störungen des Elektrolythaushalts, die zu Kreislaufproblemen, Herzbeschwerden und Krämpfen führen können, in Grenzen halten. Eine unsachgemäße Darmspülung kann jedoch zu schweren Schäden führen:
- Verletzungen der Darmwand
- Infektionen des Bauchraums (dann besteht Lebensgefahr!)
- Leberschäden
Quellen
- Pressemeldung Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e.V.: Teuer und sinnlos: DGVS rät von Stuhltests zur Analyse des Darm-Mikrobioms ab; 05.09.2018
- Pressemeldung Deutsche Gesellschaft für Neurologie: Hirnforschung im Darm: Wie die Darmflora das Gehirn krank macht – und wie sie es schützt; 23.09.2015
- Online-Informationen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: www.bfarm.de; Abruf: 31.07.2020