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Zusammenfassung:
- Definition: Geräusche im Ohr, für die es keine äußere Schallquelle gibt; kann ein Rauschen, Summen, Pfeifen oder Zischen sein und in einem oder beiden Ohren auftreten; akuter Tinnitus verschwindet binnen kurzer Zeit, chronischer Tinnitus hält über mehr als drei Monate an.
- Behandlung: mehrere Therapiemöglichkeiten, je nach Ursache, z. B. Kognitive Verhaltenstherapie, Retraining (Masker, Noiser), Hörgerät bei Schwerhörigkeit, Medikamente (z. B: Cortison), Musiktherapie. Wirksamkeit nicht bei allen Behandlungen nachgewiesen, Selbsthilfegruppen sind gute Anlaufstellen
- Ursachen: vielfältige Gründe möglich, z. B. Stress, Hörsturz, Knalltrauma, Funktionsstörungen der Halswirbelsäule (HWS) und des Kiefers
- Wann zum Arzt? Wenn die Ohrgeräusche nach drei Tagen nicht vergangen sind
- Reha-Klinik: Besuch in der Reha-Klinik kann bei Tinnitus helfen, es gibt verschiedene Therapien wie Entspannung, Meditation, sanfte Bewegung, psychologische Gespräche, Physiotherapie
- Diagnose: Beim HNO-Arzt, stellt Fragen zur Krankengeschichte und den Symptomen, genaue Untersuchungen des Ohrs und der Strukturen, Hörtest
- Folgen: Chronischer Tinnitus kann die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen, manchmal sind Folgen wie Schlafstörungen, Ängste und Depressionen möglich
- Vorbeugen: z. B. Stress vermindern, Entspannungsmethode erlernen, Lärm meiden, Gehörschutz tragen
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Was ist ein Tinnitus?
Per Definition bedeutet Tinnitus ein Geräusch im Ohr, das nicht von einer äußeren akustischen Quelle stammt, sondern im Kopf selbst entsteht. Solche Tinnitus-Geräusche können ein Rauschen sein, ein Brummen, Klingeln, Pfeifen, Summen, Sausen oder Zischen. Am häufigsten nehmen Menschen mit Tinnitus höhere Töne oder ein tieferes Rauschen wahr. Der lateinische Fachbegriff für dieses Beschwerdebild ist Tinnitus aurium. Wörtlich übersetzt bedeutet dies „Klingeln der Ohren“.
Objektiv betrachtet entspricht die Lautstärke eines Tinnitus meist der von raschelnden, trockenen Blättern. Die Geräusche liegen nur knapp über der Hörschwelle. Das ist die Grenze, ab der ein Mensch Töne wahrnehmen kann. Dennoch ist ein Tinnitus für die viele Betroffene im Alltag sehr belastend.
Ein Tinnitus kann in einem Ohr oder in beiden auftreten, nur für eine kurze Phase vorhanden sein, gelegnetlich auftreten oder ständig bestehen. Manchmal ist das Ohrgeräusch kaum hörbar und stört den Alltag nur wenig, dann wiederum gibt es Zeiten, in denen es ziemlich laut sein und die Lebensqualität beeinträchtigen kann.
Die Tinnitus-Dauer und sein Verlauf variieren. Bei einem akuten Tinnitus verschwinden die Ohrgeräusche innerhalb weniger Minuten, Tage oder Wochen wieder. Halten sie jedoch länger als drei Monate an, sprechen Mediziner von einem chronischen Tinnitus.
Einige Zahlen und Fakten der Deutschen Tinnitus Liga e.V.:
- Tinnitus ist weit verbreitet und betrifft mehr als 740 Millionen Menschen weltweit. Mehr als 120 Millionen davon sind sehr stark durch die Ohrgeräusche beeinträchtigt.
- In Deutschland hat etwa ein Viertel der Menschen bereits einmal ein Ohrgeräusch wahrgenommen.
- Etwa 250.000 Menschen in Deutschland entwickeln pro Jahr einen chronischen Tinnitus.
Rund 1,5 Millionen Menschen leiden sehr unter ihren Ohrgeräuschen.
Meist treten die Ohrgeräusche ab dem 50. Lebensjahr auf. Selten kann Tinnitus auch beiKindern und Jugendlichen vorkommen, zum Beispiel, wenn sie ein lärmintensives Hobby haben oder öfter laut Musik über einen Kopfhörer hören.
Neben der Verlaufsdauer (akut, chronisch) unterscheiden Ärzte den Tinnitus auch Wahrnehmbarkeit (objektive/messbare Geräusche aus körpereigener Schallquelle; subjektive/nicht messbare Geräuschwahrnehmung) oder nach Schweregrad:
- Ein kompensierter Tinnitus bedeutet, dass sich der Betroffene mit seinen Ohrgeräuschen „arrangiert“ hat und sie die Lebensqualität nicht einschränken.
- Wenn der Tinnitus jedoch einen Leidensdruck verursacht, liegt ein dekompensierter Tinnitus vor.
Unter bestimmten Voraussetzungen, die in einer „Tinnitus-Tabelle“ in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (2015) definiert sind, wird Betroffenen ein Grad der Behinderung (GdB) bei einem Tinnitus zugesprochen. Der GdB liegt bei 20 bei erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen wie Unruhe oder Schlafstörungen. Sind Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit wesentlich eingeschränkt, zum Beispiel durch eine Depression, beträgt der GdB 30 bis 40.
Tinnitus: Behandlung
Viele fragen sich bei Tinnitus, was hilft und wie sie die nervigen Ohrgeräusche am besten wieder loswerden. Die Tinnitus-Behandlung richtet sich nach der Ursache, der Dauer und Schwere der Ohrgeräusche. Von diesen Faktoren hängt es auch ab, ob sich ein Tinnitus heilen lässt. Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Behandlung – ein Überblick.
Hörgeräte
Liegt eine Hörminderung oder Schwerhörigkeit vor, ist für Menschen mit Tinnitus ein Hörgerät ratsam. Sobald sie die Geräusche des Alltags wieder besser und genauer hören, ist der Tinnitus oft schwächer wahrnehmbar. Das Gehirn versucht dann nämlich nicht mehr, fehlende akustische Signale auszugleichen.
Hörgeräte haben allerdings noch immer das Stigma, etwas für „alte Leute“ zu sein. Deshalb tragen viele Menschen kein Hörgerät, die eigentlich eines bräuchten. In Deutschland leidet heute jede dritte Person über 50 Jahren an einer Hörminderung. Hörgeräte gibt es mittlerweile in kleinen Größen, die Sie im Ohr tragen können. Sie fallen kaum auf oder sind überhaupt nicht sichtbar.
Akuter Tinnitus: Therapie
Bei einem akuten Tinnitus gibt es verschiedene Behandlungen. Die Wahl der Behandlung hängt wiederum von der wahrscheinlichen Ursache ab. Ein spezielles „Tinnitus-Medikament“, welches die Erkrankung heilen kann und Ihnen hilft, den Tinnitus loszuwerden, gibt es nicht.
- Liegt der Grund vermutlich im Innenohr oder lässt sich keine Ursache finden (idiopathische Ursache), können HNO-Ärzte bei Tinnitus eine Infusion mit durchblutungsfördernden Medikamenten verabreichen, um den Ohrbereich wieder besser zu durchbluten.
- Wenn mit dem Tinnitus zugleich ein Hörverlust aufgetreten ist, kann Cortison helfen, ein entzündungshemmendes Medikament.
- Bei Tinnitus aufgrund von Problemen im Hals-Wirbel-Bereich lassen sich die Beschwerden mit einer Physiotherapie lindern.
- Bei einer Fehlstellung des Gebisses, sind eine Untersuchung und Behandlung beim Kieferorthopäden wichtig. Wenn Sie mit den Zähnen knirschen (Bruxismus), kann eine Zahnschiene Abhilfe schaffen.
Wissenschaftlich nicht belegt ist es, ob die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln bei Tinnitus, zum Beispiel als Tabletten (Magnesium-, Vitamin B12- oder Vitamin D-Präparat) oder die Gabe von Antioxidantien die Behandlung unterstützt.
Chronischer Tinnitus: Therapie
Manchmal bleibt ein Tinnitus über mehrere Monate bestehen und ist somit chronisch geworden (ab drei Monaten). Die Behandlung zielt dann darauf ab, das lästige Ohrgeräusch zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Es gibt verschiedene Therapiemöglichkeiten.
Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
Die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) hat sich bei einem chronischen Tinnitus sehr gut bewährt. Die Methode ist wissenschaftlich ausreichend untersucht und ihre Wirksamkeit ist belegt. Das oberste Therapieziel ist, dem Ohrgeräusch möglichst keine Aufmerksamkeit zu schenken. Sie verlernen somit schrittweise, es zu hören.
Im Rahmen einer Verhaltenstherapie erfahren Sie, wie Sie Ihre Einstellung gegenüber dem störenden Ohrgeräusch verändern können. Sie sehen den Tinnitus beispielsweise nicht mehr als Problem an, sondern als etwas, das zu Ihrem Körper gehört. Sie konzentrieren sich mehr auf die angenehmen Dinge.
Achtung: Wenn Sie krampfhaft versuchen, Ihren Tinnitus loszuwerden, nehmen Sie ihn wahrscheinlich noch penetranter wahr. Eine möglichst entspannte Einstellung hilft Ihnen, das Ohrgeräusch auszublenden.
Retraining
Die Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT) ist eine weitere Methode, um das Ohrgeräusch zu „verdrängen“. Die Methode nutzt Elemente der Verhaltenstherapie und basiert ebenfalls auf der Annahme, dass der Tinnitus ein Wahrnehmungsproblem ist. Beim Retraining sollen Sie lernen, sich das Hören des Ohrgeräuschs abzutrainieren (wörtlich übersetzt: „zurücktrainieren“).
Am Anfang steht ein sogenanntes „Counseling“. Hierbei erhalten Sie in einer Art Unterricht zahlreiche Informationen über den Tinnitus und seine neurophysiologische, also mit der Funktion des Nervensystems zusammenhängenden, Entstehung.
Danach kommen meist Rauschgeräte zum Einsatz. Diese sind so klein wie ein Hörgerät, haben aber kein Mikrofon. Sie dienen nur dazu, ein Rauschen herzustellen. Es gibt verschiedene Modelle von Geräten. So überdeckt (maskiert) ein sogenannter„Masker“ den Tinnitus, indem er ein lauteres Rauschen als das des Ohrgeräusches erzeugt. Der „Noiser“ stellt dagegen ein leises Rauschen her, das auf einem ähnlichen Geräuschpegel wie der Tinnitus ist. Der Tinnitus wird in andere Geräusche „einbettet“, damit er weniger präsent ist.
Beide Geräte haben den Zweck, dass Sie sich immer mehr an das andere Geräusch, das Rauschen durch den Masker oder Noiser, gewöhnen und das Tinnitus-Geräusch mit der Zeit kaum oder gar nicht mehr hören. Das Gehirn wird darauf trainiert, den Tinnitus nicht mehr wahrzunehmen.
Musiktherapie
Auch eine Therapie mit Musik kommt bei Tinnitus mitunter zum Einsatz. In einigen Studien hat sie sich zwar als effektiv erwiesen, aber ihre Wirksamkeit ist noch nicht ausreichend belegt. Zu manchen musiktherapeutischen Ansätzen wurden noch keine Studien durchgeführt. Die Leitlinie „Tinnitus“ (2021) spricht daher keine Empfehlung zur Musiktherapie bei chronischem Tinnitus aus. Es gibt verschiedene Formen der Musiktherapie – einige Beispiele:
- Bei der Tinnituszentrierten Musiktherapie (TIM) wird die angewandete Musik innerhalb der Tinnitusfrequenz therapeutisch verändert. Die TIM wird mit der Verhaltenstherapie und Entspannungsmethoden kombiniert.
- Die Tailor-Made-Notched-Musik-Therapie (TMNMT) funktioniert mit Musik, die in der Tinnitusfrequenz unterbrochen ist (engl. notch = Kerbe). Die Musik gibt es als Smatphone-App oder in Verbindung mit Hörgeräten. Bei chronischem Tinnitus wirkt sie nicht besser als normale, unveränderte Musik, so die Leitlinie.
- Bei der Sound-Therapie erfolgt die Stimulation durch Töne, Tonfolgen, Geräusche oder Hörsequenzen.
Was tun gegen Tinnitus?
Sie können auch selbst etwas tun gegen Ihren Tinnitus, um ihn zumindest ein Stück weit „in Schach zu halten“, zum Beispiel bei Schlafstörungen. Abends, wenn es ruhig ist, hören Sie Ihre Ohrgeräusch natürlich noch besser. Manche konzentrieren sich dann so stark auf ihren Tinnitus, dass an Einschlafen nicht zu denken ist. Häufig fangen sie an zu grübeln, mit der Zeit kann sich das zu Ängsten und Verzweiflung steigern. Hilfreich ist es, sich von dem Lärm im Ohr abzulenken, indem Sie anderen, entspannenden Geräuschen lauschen, etwa sanfter Musik, einer App mit Meeresrauschen oder einem Hörbuch.
Tipp: Manchen Jugendlichen und jungen Erwachsenen tut es abends gut, ein Hörspiel aus ihrer Kindheit wie „Die drei Fragezeichen“ zu hören, weil sie sich dann geborgen und entspannt fühlen. Wer abends lieber eine Folge seiner Lieblingsserie schaut, kann dies ebenfalls tun. Hauptsache, der Tinnitus tritt in den Hintergrund.
Vielleicht erlernen Sie eine Entspannungsmethode wie Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Yoga oder Meditationstechniken, weil Stress mitunter einen Tinnitus verstärkt. Die Übungen sollten Sie professionell erlernen (z. B. Sportverein, Fitnessstudio, Volkshochschule). Danach können Sie die Übungen selbst zuhause praktizieren. Auch ein Coaching und Stressmanagement-Seminar kann Ihnen helfen, mit Stress besser umzugehen und den Tinnitus so in den Hintergrund zu rücken.
Bei Tinnitus können auch Selbshilfegruppen Betroffene unterstützen. Dort treffen Sie auf Menschen, denen es ähnlich geht wie Ihnen. Sie können sich austauschen, einander Mut machen, Rat erhalten, den Umgang mit Ihrem Tinnitus verbessern und neue Perspektiven entwickeln.
Auf der Website der Deutschen Tinnitus Liga gibt es eine Suchfunktion für Selbsthilfegruppen in Ihrer Nähe unter: https://www.tinnitus-liga.de/selbsthilfegruppen/
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Tinnitus: Ursachen
Ein Tinnitus kann verschiedene Ursachen haben. Ärzte unterscheiden den objektiven und subjektiven Tinnitus. Im ersten Fall sind die Geräusch objektiv wahrnehmbar, im zweiten Fall hört sie nur der Betroffene selbst.
Objektiver Tinnitus: Ursachen
Objektiv ist der Tinnitus, wenn das Ohrgeräusch durch eine physikalische Schallquelle im Ohr oder in der Nähe des inneren Ohrbereichs entsteht, zum Beispiel durch eine hörbare Strömung des Blutes in den Arterien. Diese kann wiederum durch eine Gefäßverengung entstehen. Betroffene nehmen dann oft ein pulsierendes Geräusch wahr. Auch der Arzt kann es mit dem Stethoskop hören und mit einem Instrument messen.
Weitere Ursachen für einen objektiven Tinnitus können sein:
- Gefäßanomalien, zum Beispiel ein Aneurysma (ein krankhaft erweitertes Gefäß)
- Verspannung der Muskeln im Ohrbereich
- unwillkürliche Muskelzuckungen im Mittelohr – Betroffene hören diese meist als klickendes Geräusch
- zeitweise oder dauerhafte Öffnung der Tube (Ohrtrompete)
- Glomustumor – ein gutartiger Tumor im Bereich der Halsschlagader
- Herzklappenerkrankungen
- Anämie (Blutarmut)
Subjektiver Tinnitus: Ursachen
Deutlich häufiger kommt jedoch ein subjektiver Tinnitus vor, das heißt: Nur der Betroffene selbst nimmt das Ohrgeräusch wahr. Es entsteht durch eine fehlerhafte Informationsverarbeitung im Hörsystem. Die Ursachen für Ohrgeräusche dieser Art sind vielfältig,
Stress
Als einer der Hauptauslöser des subjektiven Tinnitus gilt Stress. Überbelastung löst im Körper zahlreiche Reaktionen aus. So schüttet er zum Beispiel erhöhte Mengen an Kortisol und Adrenalin aus. Dadurch verengen sich die Blutgefäße und der Blutdruck steigt. Dies kann besonders die kleinen Blutgefäße (Kapillaren) betreffen. Im Innenohr verlaufen zahlreiche feine Gefäße und es kann zu Gefäßverengungen und -verschlüssen kommen. In schweren Fällen können zusammen mit dem Tinnitus ein Hörsturz und eine Hörminderung auftreten. Bei einem Hörsturz haben Betroffene plötzlich das Gefühl, Watte im Ohr zu haben. Sie hören Geräusche nur noch dumpf.
Psychische Erkrankungen
Ein Tinnitus kann im Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung auftreten. So lässt sich bei vielen Menschen, die wegen eines belastenden chronischen Ohrgeräuschs in einer Tinnitus-Klinik behandelt werden, eine Depression feststellen. Die Depression kann als Folge des permanenten leidvollen Ohrgeräusches entstanden sein oder umgekehrt: Die depressive Erkrankung hat die Entstehung des Tinnitus begünstigt. Die Mechanismen dahinter sind aber noch unklar.
Außerdem bewerten Menschen, die zu negativen Gedanken neigen, die Ohrgeräusche häufiger noch negativer, als sie eigentlich sind. Überzeugungen wie „Ich höre durch den Tinnitus viel schlechter“ oder „Der Tinnitus macht mein Leben kaputt“ sind bei ihnen häufiger anzutreffen als bei Menschen, die das Leben gelassener und optimistischer betrachten. Ihnen gelingt es eher, das störende Ohrgeräusch gedanklich auszublenden und zu „überhören“.
Schwerhörigkeit
Eine Schwerhörigkeit ist oft mit einem Tinnitus verbunden. Wenn das Ohr Töne aus einem bestimmten Frequenzspektrum nicht mehr oder nur schwach an das Gehirn weiterleitet, bemerkt das dortige Hörzentrum, das nach Frequenzen geordnet ist, den Mangel sofort. Dies ist mit einem Klavier vergleichbar, bei dem plötzlich eine Taste fehlt. Das Gehirn versucht den fehlenden Ton – wie bei dem Verstärker einer Musikanalage – lauter zu drehen, um ihn weiterhin zu hören. Dadurch kann ein Tinnitus entstehen.
Hörsturz
Ein Hörsturz oder Ohrinfarkt entsteht vermutlich aufgrund von Durchblutungsstörungen der kleinsten Gefäße (Kapillare) im Innenohr. Nach einem Hörsturz ist das Hörvermögen meist vermindert und viele Betroffene erleben einen Tinnitus. Ein Grund ist vermutlich, dass das geschädigte Innenohr selbst Geräusche erzeugt, die Betroffene dann als Tinnitus wahrnehmen.
Lärm
Starker Lärm, etwa auf einem Konzert, kann die Sinneszellen der Hörschnecke im Innenohr schädigen. Ein Tinnitus, der nach einem Konzert als leichtes Ohrgeräusch (etwa ein Ohrenfiepen) auftritt, verschwindet in der Regel bald wieder. Wenn Sie allerdings häufiger „ohrenbetäubende“ Konzerte besuchen, haben Sie ein erhöhtes Risiko, dass Ihr Gehör dauerhaft Schaden nimmt und sich ein beständigerer Tinnitus entwickelt.
Auch wenn Sie sich öfter in einer lauten Umgebung aufhalten, zum Beispiel auf einer Baustelle, oder an einer Kreissäge arbeiten, können Sie einen Tinnitus entwickeln. Das Gleiche gilt nach einem akustischen Trauma (Knalltrauma). Auslöser kann ein kurzer, sehr lauter Knall mit einem hohen Schalldruckpegel (ab 125 Dezibel) sein, beispielsweise ein Schuss oder ein in direkter Nähe abgefeuerter Silvester-Böller.
Probleme mit der Halswirbelsäule (HWS) oder mit dem Zahn-Kiefer-Bereich
Fehlhaltungen und muskuläre Verspannung begünstigen eventuell einen Tinnitus. Denn die Halswirbelsäule (HWS, „Nacken“), der Kiefer, die Ohren und der Hörnerv stehen in einem engen anatomischen Zusammenhang. So sind die Hirnnervenkerne, die die Steuerzentrale des Hörnervs bilden, über Nervenbahnen mit den Gelenken der oberen Halswirbelsäule verbunden. Außerdem verlaufen die Arterien, welche die Hirnnervenkerne mit Blut versorgen, im Halswirbelsäulenbereich durch die Wirbelknochenfortsätze. Daher kann es bei Verschleißerscheinungen (Arthrose) der Wirbel zu einer schlechteren Durchblutung jener Hirnareale kommen, die für das Hören zuständig sind – ein Tinnitus kann sich entwickeln.
Andere Ursachen, die im Bereich der Halswirbelsäule und des Kiefers liegen, können sein:
- Fehlstellung der Halswirbelsäule, etwa eine Skoliose (die Wirbelsäule ist verdreht)
- Verletzung der Halswirbelsäule, zum Beispiel durch ein Schleudertrauma infolge eines Verkehrsunfalls
- Zähneknirschen (Bruxismus)
- Kieferfehlstellung
- falsche chiropraktische Behandlung, die zu einer Blockade der Halswirbel führt
Ohrgeräusche: weitere Ursachen
- Innen- und Mittelohrerkrankungen, etwa eine Mittelohrentzündung, Otosklerose (eine Verknöcherung im Übergangsbereich von Steigbügel und Innenohr), Morbus Menière (Anfälle von Drehschwindel, die mit Übelkeit und Erbrechen verbunden sein können)
- internistische Erkrankungen, zum Beispiel Arterienverkalkung (Arteriosklerose), Bluthochdruck, niedriger Blutdruck, Herzrhythmusstörungen
- eine starke Druckänderung, etwa beim Tauchen oder Fliegen
- ein Tumor des Hör- oder Gleichgewichtsnervs („Akustikusneurinom“), oft treten dabei auch Schwindel und eine Hörminderung auf
- Trommelfellperforation, wenn das Trommelfell zum Beispiel durch äußere Gewaltanwendung oder starken Lärm verletzt ist
- Funktionsstörung der Ohrtrompete – wird sie nicht mehr ausreichend belüftet, tritt ein Druckgefühl im Ohr auf, viele Betroffene nehmen ein Knackgeräusch beim Schlucken wahr
- manche Medikamente, zum Beispiel Chemotherapeutika (Zytostika bei Krebs), Antibiotika (gegen Bakterien), entwässernde Mittel (Diuretika) oder Mittel gegen Malaria
Manchmal können Ärzte keinen Grund für die Ohrgeräusche finden. Dann sprechen sie von einem idiopathischen Tinnitus.
Tinnitus bei Kindern
Wenn Kinder plötzlich unter Ohrengeräuschen leiden, kommen mehrere Ursachen infrage: Meist stecken eine Mittelohrentzündung, Gehörgangsentzündung oder ein Ohrenschmalzpfropfen dahinter. Wenn die Erkrankung beziehungeweise Verstopfung des Gehörgangs behandelt wird, verschwindet das Geräusch in den Ohren meist wieder.
Eine weitere Ursache für einen Tinnitus in jungem Alter sind häufige Besuche von Konzerten und Diskotheken sowie eine Dauerbeschallung der Ohren mit Kopfhörern. Funktioniert das Gehör der Kinder und Jugendlichen ansonsten normal, verläuft der Tinnitus seltener chronisch. Bei schwerhörigen Kindern kommt ein chronischer Verlauf dagegen häufiger vor.
Psychische Ursachen eines Tinnitus sind im Kinder- und Jugendalter zwar eher selten, prinzipiell aber möglich. Folgende Signale deuten darauf hin, dass die Ohrgeräusche psychische Ursachen haben könnten:
- Der Tinnitus ist bei dem Kind während oder direkt nach einer emotional belastenden Situation entstanden, etwa nach der Trennung der Eltern oder während einer schwierigen Phase in der Schule.
- Ihr Kind hat Einschlaf- und Durchschlafprobleme.
- Die schulischen Leistungen haben sich verschlechtert.
Ihr Kind fühlt sich häufig niedergeschlagen und wird schnell traurig.
Tinnitus: Wann zum Arzt?
Wenn das Ohrgeräusch länger als einen bis drei Tage anhält, sollten Sie zeitnah einen Arzt aufsuchen, um die Beschwerden abklären zu lassen. Der richtige Facharzt für eine Tinnitus-Behandlung ist der Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Der HNO-Arzt versucht, die Ursache des Ohrgeräuschs zu finden. Je früher der Tinnitus behandelt wird, desto besser ist oft der Behandlungserfolg.
Tinnitus: Reha-Klinik finden
Bei einem chronischen Tinnitus kann auch eine Rehabilitation, oder kurz Reha, in einer Klinik ratsam sein. Es gibt Kliniken, die sich darauf spezialisiert haben. Sie bieten verschiedene Maßnahmen an, um den Tinnitus zu bessern und anschließend einen möglichst normalen Alltag zu ermöglichen. Beispiele sind die Hörtherapie, Wahrnehmungstraining, Entspannungstechniken wie Autogenes Training, sanfte Bewegungsarten wie Tai Chi oder Qigong, psychologische Gesprächstherapien (in Gruppen oder einzeln) oder Physiotherapie.
Der Träger der Reha bei Tinnitus ist in aller Regel die Deutsche Rentenversicherung (DRV). Sie übernimmt die Kosten für den Aufenthalt in der Reha-Klinik. Bei der Auswahl der Klinik haben Sie ein Wunsch- und Wahlrecht.
Die DRV bietet auf ihrer Webseite eine Suche nach einer passenden Reha-Klinik an unter: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Home/home_node.html
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Tinnitus: Diagnose
Um einen Tinnitus festzustellen, befragt Sie der Arzt zunächst zu Ihrer Krankengeschichte (Anamnese). Er möchte zum Beispiel wissen, wann der Tinnitus erstmals aufgetreten ist, ob er sich plötzlich oder schleichend entwickelt hat, ob es erkennbare Auslöser wie eine Stressphase oder Lärm gab oder Sie Vor- und Grunderkrankungen haben, etwa einen Hörsturz, Bandscheibenvorfall oder Bluthochdruck.
Anschließend wird er Sie wahrscheinlich bitten, Ihren Tinnitus möglichst genau zu beschreiben: Ist das Geräusch gleichmäßig oder pulsierend? Ist es ein Klingeln, Rauschen, Fiepen? Ist es mal stärker, mal schwächer vorhanden und in welchen Situationen ist dies der Fall?
Damit Ärzte den Schweregrad des Tinnitus feststellen können, sollten Sie beschreiben, welches andere Geräusch Ihrer Meinung nach die gleiche Lautstärke hat:
- Grad I: der eigene Atem
- Grad II: eine leise Uhr
- Grad III: ein Kühlschrank
- Grad IV: die Lautstärke eines normalen Gesprächs
- Grad V: Hagelkörner am Fenster
- Grad VI: ein Staubsauger
Danach schließen sich meist weitere Untersuchungen an. Einige Beispiele:
- Ohrmikroskopie: Der Arzt begutachtet dabei das Außenohr und Trommelfell und kann zum Beispiel feststellen, ob ein Schmalzpfropf der Grund für das Ohrgeräusch ist.
- Tympanogramm: Hiermit lässt sich die Beweglichkeit des Trommelfells ermitteln.
- Spiegelung des Nasen-Rachen-Raums: Damit kann der Arzt herausfinden, ob eine krankhafte Veränderung der Ohr-Umgebung vorliegt.
- Hörtest: Tinnitus und Höreinschränkungen treten oft zusammen auf. Mittels Hörtest lässt sich die Hörleistung des Innenohrs kontrollieren.
- Hirnstammaudiometrie (kurz BERA): Bei diesem Verfahren misst der Arzt die Leitfähigkeit und -geschwindigkeit des Hörnervs über Hautelektroden und Tongeschmische per Kopfhörer. So lässt sich die Funktion des Hörnervs im Gehirn überprüfen.
Wenn die Diagnose „Tinnitus“ feststeht, beginnt in der Regel sofort eine Behandlung. Welche Therapie zum Einsatz kommen, hängt auch von der gefundenen Ursache ab und davon, ob der Tinnitus akut oder chronisch ist.
Tinnitus: Folgen
Nicht alle Menschen empfinden ihren Tinnitus im Alltag als gleichermaßen störend. Manche Menschen mit einem chronischen Tinnitus berichten, dass sie das Ohrgeräusch nur wenig oder gar nicht beeinträchtigt. Bei anderen vermindert das ständige Ohrgeräusch („Lärm der Seele“) die Lebensqualität dagegen deutlich. Zu den möglichen gesundheitlichen Folgen eines Tinnitus zählen Depression, Konzentrationsstörungen, Schlafprobleme oder Angstzustände.
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Tinnitus vorbeugen
Einem Tinnitus vorbeugen können Sie bis zu einem gewissen Maß, indem Sie an den Ursachen und Risikofaktoren ansetzen. Einige davon können Sie beeinflussen (u.a. Lärmbelastung, Stress), andere dagegen nicht (z. B. Krankheiten wie Schwerhörigkeit).
Einige Tipps, mit denen Sie einem Tinnitus vorbeugen können:
- Stress vermindern und Erholungspausen einlegen, z. B. an der frischen Luft spazieren gehen
- Ohrstöpsel tragen, etwa auf einem sehr lauten Konzert
- Entspannungstechnik erlernen, zum Beispiel Autogenes Training, Yoga, Meditation
- Lärm und laute Geräusche meiden
- Gehörschutz tragen, wenn Sie beruflich viel Lärm ausgesetzt sind
- nicht über viele Stunden Musik über den Kopfhörer hören
Quellen
- S3-Leitlinie Chronischer Tinnitus (Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde,
Kopf- und Hals-Chirurgie e. V.); Stand: September 2021) - Online-Informationen Deutsche Tinnitus Liga e.V.: www.tinnitus-liga.de; Abruf: 30.3.2025
- Online-Informationen Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG): www.gesundheitsinformation.de; Abruf: 31.03.2025
- Online-Informationen Deutscher Berufsverband der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte e.V.: www.hno-aerzte-im-netz.de; Abruf: 31.03.2025
- Online-Informationen Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU): https://orthinform.de; Abruf: 31.03.2025
- Online-Informationen Privatpraxis für HNO-Heilkunde & Allergologie Dr. Ines Weinzierl; www.hals-nase-ohren.com; Abruf: 02.04.2025
- Online-Informationen Deutsche Tinnitus-Liga e. V.: www.tinnitus-liga.de; Abruf: 02.04.2025
- Online-Informationen DocCheckFlexikon: www.flexikon.doccheck.com; Abruf: 02.04.2025