Ein Unfall oder eine schwere Krankheit kann plötzlich dazu führen, dass man über wichtige medizinische Behandlungen nicht mehr selbst entscheiden kann. Es ist daher sinnvoll, möglichst früh an die Zukunft zu denken und vorzusorgen. Mit einer Patientenverfügung lässt sich bestimmen, welche lebenserhaltenden Maßnahmen bei konkreten Situationen gewünscht oder zu unterlassen sind. Kristjan Diehl von der Deutschen Stiftung Patientenschutz erklärt, was zu beachten ist.
Bedürfnisse definieren
„Bevor Sie Ihre Wünsche formulieren, sollten Sie sich informieren“, empfiehlt Experte Diehl. Eine umfassende Beratung erfolgt am besten interdisziplinär unter Berücksichtigung rechtlicher, medizinischer, aber auch pflegerischer Aspekte. Diehl: „Ein gutes Beratungsgespräch setzt bei den Beweggründen an, die die Person dazu veranlasst haben, eine Patientenverfügung erstellen zu wollen. Eventuell gab es einen Unfall oder einen Todesfall im Bekanntenkreis.“ Im Fall des Falles verhindert eine Patientenverfügung ein scheinbar willkürliches Handeln seitens der Ärzte und des Pflegepersonals.
Wer eine Patientenverfügung aufsetzen will, sollte sich vorab Gedanken darüber machen, wo seine Toleranzgrenze liegt: Spielt es eine Rolle, dialysepflichtig zu sein? Möchte ich weiterleben, wenn ich im Rollstuhl sitze? Will ich dauerhaft künstlich ernährt werden? „Jeder Mensch hat seine ganz persönlichen Vorstellungen davon, was Lebensqualität für ihn ausmacht“, erklärt Diehl. „Jede Verfügung sollte so persönlich sein wie ein Liebesbrief. Es können auch individuelle Ansichten zu Moral, Ethik und Religion mit einfließen.“
Personen mit Organspenderausweis müssen ihre Bereitschaft, Organe zu spenden, bei ihren Formulierungen berücksichtigen, um Widersprüche zu vermeiden. Das trifft vor allem den Punkt „lebenserhaltende Maßnahmen“. Die eigenen Bedürfnisse sollten so konkret wie möglich formuliert sein, damit der Arzt weiß, in welchen Situationen lebenserhaltende Maßnahmen gewünscht sind und in welchen nicht.
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Konkret formulieren
„Alles, was das Dokument nicht regelt, kann zu Streit zwischen Angehörigen und Ärzten führen und dann zu einem betreuungsgerichtlichen Verfahren“, verdeutlicht Diehl. Es ist daher wichtig, jedes mögliche Szenario genauestens zu beschreiben und detaillierte Handlungsanweisungen zu geben. Beispiel: „In dieser Situation lehne ich eine Dialyse ab und möchte auch keine fremden Gewebe oder Organe empfangen.“ Der bevollmächtigte Angehörige muss jede Anweisung prüfen und sicherstellen, dass diese auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutrifft. Wenn ja, müssen Ärzte die Patientenverfügung unmittelbar umsetzen. Das Dokument ist rechtskräftig, wenn der Verfasser volljährig ist und die Patientenverfügung selbst unterzeichnet hat. Ob das Dokument handschriftlich, am Computer oder mit der Schreibmaschine erstellt wurde, spielt keine Rolle.
Vorsorgevollmacht erteilen
„Eine Patientenverfügung kann noch so gut formuliert sein – sie nutzt nichts, wenn Angehörige oder Ärzte raten müssen, was gemeint ist“, erklärt Kristjan Diehl. Eine sogenannte Vorsorgevollmacht klärt ab, wer stellvertretend für den Patienten bei Unklarheiten das letzte Wort hat. Die Vorsorgevollmacht sollte zusätzlich zu jeder Patientenverfügung erstellt werden. „Es lohnt sich, mehrere Personen als Bevollmächtigte zu benennen, die die Patientenverfügung gemäß den Wünschen des Verfassers ausführen, quasi sein Sprachrohr gegenüber Ärzten sind“, rät der Experte. Sollte eine Person nicht anzutreffen oder verhindert sein, ist es gut, einen Ersatz zu haben. Diehl: „Es ist auch möglich, die Verantwortung zu gleichen Teilen auf zwei oder mehr Personen zu übertragen. Letztlich muss nur klar sein, wen der Verfasser wozu bevollmächtigt hat.“ Wer eine Vorsorgevollmacht ausstellt, verringert die Gefahr, dass das Gericht im Fall einer fehlenden Patientenverfügung einen externen Betreuer stellt. „Mit einer Betreuungsverfügung lassen sich wiederum bestimmte Personen als Betreuer vorschlagen“, erklärt Diehl. Allerdings ersetzt eine Betreuungsverfügung keine Vorsorgevollmacht.
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Sonderregelungen beachten
Ehepartner, Eltern und Kinder sind nicht automatisch dazu befugt, in medizinischen Belangen stellvertretend zu entscheiden: Nur eine Vollmacht berechtigt sie dazu. Ist keine vorhanden, bestellt das Betreuungsgericht eine – unter Umständen sogar außenstehende – Person, die sich um alle Angelegenheiten kümmert. „Wer eine Betreuungsverfügung hat, kann zumindest noch die Wahl des Betreuers beeinflussen“, sagt der Experte. 2009, 2016 und 2017 gab es einige rechtliche Änderungen für Patientenverfügungen, u. a. ungenaue Formulierungen betreffend. Experte Kristjan Diehl: „Dokumente, die vor dieser Zeit entstanden sind, sollten sicherheitshalber gegengeprüft werden.“
Richtig aufbewahren
Eine Patientenverfügung befindet sich am besten bei dem Verfasser zu Hause an einem leicht auffindbaren Ort. Personen, die eine Vorsorgevollmacht haben, sollten davon wissen. Von einem Safe oder einem ähnlich schwer zugänglichen Platz ist abzuraten. „Tritt der Ernstfall ein, sollten die Bevollmächtigten das Originaldokument der Patientenverfügung nie aus der Hand geben, immer nur eine Kopie davon“, rät Kristjan Diehl.
Weitere Informationen zur Patientenverfügung und wertvolle Tipps zum Vermeiden chronischer Alterserkrankungen finden Sie in FOCUS-GESUNDHEIT Nr. 52, „Gesund älter werden“. Sie erhalten das Heft am Kiosk oder können es hier als Digital-Version direkt herunterladen.
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