Nach der Geburt
Eine Hüftentwicklungsstörung (Hüftdysplasie) oder eine angeborene Ausrenkung des Hüftgelenks (Hüftluxation) entdecken Orthopäden und Kinderärzte bei der U3, also der dritten Vorsorgeuntersuchung in der vierten oder fünften Lebenswoche. Die Fehlstellung der Hüfte wird durch eine Hüftbeugeabspreizschiene korrigiert, die der Säugling mehrere Wochen oder Monate tragen muss. Selten legt der Arzt einen Gips in Narkose an oder operiert die Hüfte.„Werden die Erkrankungen oder Fehlstellungen frühzeitig entdeckt, kommt das Baby häufig ohne eine Operation aus“, sagt Hartmut Gaulrapp, Facharzt für Orthopädie, Kinderorthopädie und Sportmedizin. Er kritisiert, dass die Untersuchung mit der U3 zu spät erfolgt. Bereits in den ersten sechs Wochen entstünden bei einer unentdeckten Hüftdysplasie größere Schäden. Die Therapie dauert dann länger, im schlimmsten Fall droht eine OP. Der Orthopäde rät Eltern, eine erste Hüftuntersuchung, wenn möglich, schon im Krankenhaus durchführen zu lassen.
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Die ersten Schritte
Jedes Kind hat als Säugling O-Beine. Im Alter von drei bis vier Jahren haben die Beine eher eine X-Form. Erst mit acht bis zehn Jahren strecken sich die Beine zu einer Geraden. Eine bis zu sieben Zentimeter unterschiedliche Beinlänge ist nicht unüblich. Ab zwei Zentimetern stehen Becken und Wirbelsäule jedoch zu schief. Arzt Gaulrapp rät Eltern, sich die Beine des Kindes im Liegen anzusehen: „Haben sie auch dann noch eine O- oder X-Form, sollte ein Arzt zu Rate gezogen werden.“
Das Wachstum
Zwischen drei und zwölf Jahren kann es vor allem bei Jungs zu einer Aufbaustörung des Hüftkopfs (Morbus Perthes) kommen. Dabei ist der Hüftkopf schlecht durchblutet. Den Kindern tut die Hüfte weh, oder sie hinken. „Häufig klagen sie auch über Knieschmerzen, weshalb sich eine korrekte Diagnosestellung länger hinzieht“, sagt der Münchner Arzt Gaulrapp. Bei leichten Beschwerden versucht der Kinderorthopäde, das Bein durch Einlagen zu entlasten. Ein Physiotherapeut verbessert die Beweglichkeit zusätzlich. Werden die Schmerzen schlimmer, rät der Arzt zu einer Extensionshose und -fußgamasche, die das Bein in die Länge zieht.Werbung
Die Vorpubertät
Wenn Kinder schnell wachsen, kommen ihre Muskeln oft nicht mit. Vor allem Mädchen entwickeln eine Skoliose, eine Verkrümmung der Wirbelsäule – meist im Wachstumsschub zwischen zehn und zwölf Jahren. „Die Erkrankung hat in der Regel eine genetische Ursache“, sagt Ralf Stücker, Leitender Arzt der Kinderorthopädie am Altonaer Kinderkrankenhaus in Hamburg. Er rät Eltern, ihre Kinder genau zu beobachten: „Am besten erkennen sie die Krümmung, wenn sich das Kind vorbeugt.“ Im Anfangsstadium lässt sich die Verkrümmung durch Krankengymnastik und kräftigende Sportarten wie Schwimmen oder Radfahren stoppen. Ein Korsett stabilisiert die Wirbelsäule und hält das Fortschreiten der Skoliose teilweise auf.Helfen diese Verfahren nicht, muss man operieren: Früher versteifte der Chirurg mehrere Wirbel mittels Schrauben und Stäben. Heute gibt es schonendere Verfahren. Ralf Stücker ist Spezialist auf diesem Gebiet. „Moderne Implantate wachsen mit, man kann sie bereits kleinen Kindern einsetzen.“ Unter Vollnarkose kann der Orthopäde die Stäbe von außen mit einem Elektromagneten auseinanderziehen. So kann auf Wachstumsschübe reagiert werden, ohne zu operieren.
Dies ist eine gekürzte Fassung. Weitere Informationen zur Kinderorthopädie und alles gegen Rücken- und Gelenkbeschwerden finden Sie in FOCUS-GESUNDHEIT Nr. 48 „Rücken & Gelenke“ – als Print-Heft oder Digital-Ausgabe.
Foto: Petra Ender/Gräfe & Unzer Verlag/seasons.agency