Diabetes selbst tut nicht weh. Die radikale Veränderung der Lebensgewohnheiten schmerzt umso mehr. Wer gern nach Herzenslust schlemmt, empfindet eine Ernährungsumstellung als großes Opfer. Wer Freude an spontanen Unternehmungen hat, leidet darunter, dass er mit dem Diabetes vieles im Vorfeld planen muss. Und wer noch nie Spaß an Bewegung oder Sport hatte, empfindet selbst einen Spaziergang als große Last. Die Psychologin Susann Clever, die in ihrer Praxis viele Menschen mit Diabetes behandelt, kann den Widerstand einiger Patienten gut verstehen. „Je weiter die Erfordernisse der Erkrankung von den bisherigen Gewohnheiten entfernt sind, umso schwerer lässt sie sich in den Alltag integrieren“, sagt sie.
Vor allem Menschen mit Typ-2-Diabetes fällt es deshalb oft schwer, die Situation anzunehmen und die nötigen Konsequenzen zu ziehen. „Sie spüren die Symptome nicht so stark und schnell und kommen anfangs womöglich noch ganz ohne Medikamente aus“, erklärt Clever. „Kein sprichwörtlicher Sprung ins kalte Wasser also. Am Anfang wird allenfalls der kleine Zeh ein wenig nass.“ Motivation lässt sich nicht von außen erzwingen. Der Wunsch nach Veränderung muss bei den Patienten selbst wachsen. „Betroffene fühlen sich oft massiv unter Druck gesetzt. Etwa weil Ziele mit ihnen vereinbart werden, die ihnen gar nicht realistisch und erstrebenswert erscheinen“, sagt die Expertin. „All das verleitet zu Ausflüchten und Selbstvorwürfen.“Kleine Schritte statt unrealistische Ziele
Besser klappt es aus Sicht der Psychologin mit Information, Aufklärung und freiwilligen kleinen Schritten. Schulungen, die unmittelbar nach der Diagnose angeboten werden, unterstützen diesen Prozess. Manche Patienten bevorzugen die ambulante Variante in der Diabetes- Praxis. Sie möchten nicht aus ihrem Alltag herausgerissen werden. Andere sind in einer stationären Schulung besser aufgehoben: „Ein Rückzug und eine kleine Auszeit helfen ihnen, ihre Krankheit zu realisieren und zu akzeptieren“, erklärt Psychologin Clever.
Der Diabetes verlangt viel. Der Körper fordert mehr Aufmerksamkeit als zuvor; man muss jeden Tag über viele Kleinigkeiten nachdenken, die vor der Diagnose keine Rolle spielten – und all dies für immer. „Das ist erschöpfend und kann Menschen leicht überfordern“, erklärt Susann Clever.
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Sieben Tipps, die helfen den Diabetes zu akzeptieren
1. Den richtigen Arzt finden
Suchen Sie sich einen Arzt, der Ihnen zuhört, Ihre Lebenssituation berücksichtigt und Ihnen keine Vorhaltungen macht – auch wenn es mal nicht optimal läuft.
2. Schulungsangebote nutzen
Information und Aufklärung sind die beste Basis für einen eigenverantwortlichen Umgang mit Diabetes und für die Motivation.
3. Lebensstil langsam umstellen
Nehmen Sie sich vor, etwa zwei Wochen lang gesund zu kochen, Diabetes-Tagebuch zu führen oder Sport zu treiben. Vielleicht fällt es ja leichter als gedacht?
4. Passenden Zeitpunkt wählen
Wählen Sie einen entspannten Wochentag, um mit der Ernährungsumstellung oder dem Sportkurs zu beginnen.
5. Ausnahmen zulassen
Machen Sie sich keine Vorwürfe, wenn Sie in stressigen Zeiten einmal eine Messung verpassen, einen Keks mehr naschen oder einen unerklärlichen Zuckerwert messen. Sie sind ein Mensch und keine Maschine.
6. Das „Zucker-Konto“ pflegen
Betrachten Sie eine Woche voller guter Zuckerwerte wie ein Guthaben auf der Bank. An „schlechten“ Tagen verbrauchen Sie etwas davon und zahlen danach neu ein.
7. Gut für sich selbst sorgen
Wenn Sie beispielsweise wegen hoher Zuckerwerte müde sind, brauchen Sie eine Auszeit. Dafür müssen Sie sich nicht schämen.
Dieser Artikel ist eine gekürzte Variante. Mehr zum Thema "Innere Stärke" finden Sie im gleichnamigen Spezial in FOCUS DIABETES Nr. 03/ 2018 "Glücklich leben". Das Heft ist für Sie in unserem Online-Shop zum Download oder als Printausgabe verfügbar.