Die Bandscheiben sind als Stoßdämpfer echte Verschleißteile. Schon ab Mitte 20 beginnen die Puffer zu altern. Nach und nach trocknet ihr Kern aus und verliert an Elastizität. Damit schwindet auch die Fähigkeit der Bandscheiben, sich zu ernähren. Sie brauchen Flüssigkeit, um Nährstoffe mit dem angrenzenden Gewebe auszutauschen. Wie ein Schwamm geben sie bei Be- und Entlastung verbrauchte Nährflüssigkeit ab und nehmen frische auf.
Ist ein Puffer mürbe, kann er sich verformen und in den Wirbelkanal vorwölben. Von einem Vorfall sprechen Ärzte, wenn Risse im Faserring entstehen und sich ein Teil des gallertartigen Kerns nach außen schiebt. Manchmal bleibt das Ereignis unbemerkt und wird erst im Nachhinein auf dem Röntgenbild diagnostiziert. Drückt das Gewebe auf den Nerv, spürt der Patient heftige Rückenschmerzen, die in Beine oder Arme ausstrahlen – je nachdem, ob sich der Vorfall in der Lenden- oder Halswirbelsäule ereignet. Kribbeln, Taubheitsgefühle und Empfindungsstörungen signalisieren, dass die Nervenfunktion beeinträchtigt ist. Im schlimmsten Fall treten Lähmungen oder Inkontinenz auf.
Möglichst viel erhalten
„Früher hat man die betroffene Bandscheibe komplett herausgenommen, um ein erneutes Auftreten zu vermeiden“, erklärt Bernhard Meyer, Direktor der Neurochirurgischen Klinik an der Technischen Universität München. „Inzwischen entfernen wir in der Regel nur den Teil, der herausgequollen ist.“ Die Stoßdämpferunktion soll erhalten bleiben, damit die Wirbelsäule nicht noch schneller verschleißt. „Der Bandscheibenvorfall ist meist ein akutes Ereignis im Verlauf eines Abnutzungsprozesses“, erklärt Meyer. „Die Schmerzen können wir den Patienten nehmen, die degenerativen Prozesse lassen sich durch die Operation nicht aufhalten.“
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Oder doch nicht operieren?
Ein Großteil der Patienten kann auch mit Spritzen, Medikamenten und Physiotherapie wieder schmerzfrei werden. Nach 24 Monaten unterscheidet sich das Befinden operierter und konservativ behandelter Patienten meist nicht mehr. „In der Vergleichsstudie ‚Sport‘ konnten jedoch auch acht Jahre nach der Operation Vorteile zugunsten der OP gefunden werden“, sagt Christian Knop, Ärztlicher Direktor der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Klinikum Stuttgart und Präsident der Deutschen Wirbelsäulengesellschaft (DWG).
Wer soll’s nun richten – der Chirurg oder der Körper? Bei Inkontinenz und schweren Lähmungen muss operiert werden. Dasselbe gilt, wenn sich die Symptome während der konservativen Therapie deutlich verschlechtern. Oft entscheidet aber auch der Leidensdruck, sprich die Stärke der Schmerzen beziehungsweise die Fähigkeit oder Bereitschaft des Patienten, diese auszuhalten.
Sport, Schlaf und eine gesunde Ernährung
„Die Auswirkungen eines Bandscheibenvorfalls lassen sich durch die Lebensumstände deutlich verbessern“, sagt Meyer. Trainierte Patienten seien weniger schmerzempfindlich, hätten weniger operative Komplikationen und seien schneller wieder auf den Beinen, versichert der Experte. Seine Empfehlung: „vernünftig ernähren, genug schlafen und mäßig, aber regelmäßig bewegen.“
Fotocredit: Michela Morosini
Dies ist eine gekürzte Fassung. Den vollständigen Text finden Sie in FOCUS-GESUNDHEIT „Rücken & Gelenke – als Print-Heft oder als Digital-Ausgabe.