- Definition: Ein Therapieansatz, der Körper, Geist und Seele als Einheit betrachtet und an der Ursache der Beschwerden ansetzt
- Anwendungsgebiete: vielfältig, u. a. Kopfschmerzen, Tinnitus, Bewegungseinschränkungen, Magen-Darm-Beschwerden. Aber: Belege, dass Osteopathie hier tatsächlich hilft, gibt es praktisch nicht. Einzig bei Rückenschmerzen gibt es Hinweise darauf, dass die Behandlung möglicherweise den Schmerz reduziert und die Beweglichkeit fördert.
- Wirkung und Ablauf: Der Therapeut arbeitet nur mit den Händen. Nach einem Gespräch zur Krankengeschichte erfolgt eine Ganzkörperuntersuchung; danach richtet der Osteopath den Körper individuell aus, je nachdem, wo es Spannungen, Beschwerden etc. gibt
- Was beachten: Nach der Behandlung tritt oft ein Müdigkeitsgefühl ein. Schonen, keine anstrengenden körperlichen Tätigkeiten, ausreichend schlafen, viel trinken
- Nebenwirkungen: Es kann zu Verschlechterungen der Symptome kommen, d. h. die Beschwerden werden zunächst stärker und/oder neue kommen hinzu; Osteopathie ist nicht geeignet bei bestimmten Erkrankungen wie Brüchen, Wunden, Tumoren/Krebs, Depression
- Kosten: variieren je nach Zeitaufwand und Behandlungsmethode; keine Kassenleistung, gesetzliche Krankenkassen übernehmen manchmal einen Anteil.
- Unterschiede Osteopathie und Physiotherapie: Diverse, u. a. zielt Physiotherapie auf Erhalt oder Wiederherstellung der Beweglichkeit ab und arbeitet mitunter auch mit Geräten. Osteopathie fokussiert sich auf Finden der Beschwerdeursache und erfolgt nur manuell.
Was ist Osteopathie?
Die Osteopathie ist in Deutschland erst seit den 1980er-Jahren bekannter geworden. Dabei ist sie schon 150 Jahre alt. 1874 begründete sie der US-amerikanische Arzt Andrew Taylor Swift. Er suchte nach einem Weg, um Gesundheit und Krankheit besser zu verstehen und herauszufinden, wie sich der Körper heilen lässt. Herausgekommen ist ein Mix aus teilweise rationalen Ansätzen und Esoterik: die Osteopathie. In aktuellen Lehrbüchern zur Osteopathie ist beispielsweise von esoterischen Ansätzen wie „kristallines Bewusstsein“ oder „Quantenheilung“ die Rede.
Per Definition setzt sich dieser Begriff zusammen aus den beiden griechischen Wörtern „Osteon“, der Knochen, und „Pathos“, die Krankheit. Swift ging davon aus, dass alle Krankheiten mit dem muskuloskelettalen System zusammenhängen – das sind die Muskeln und Knochen, die zum Bewegungsapparat gehören – und dass sich diese Krankheiten therapeutisch behandeln lassen.
In den USA darf seit den 1960er-Jahren nur jemand osteopathisch behandeln, der ein vollgültiges Medizinstudium mit zusätzlichen osteopathischen Inhalten absolviert hat. In Deutschland dürfen lediglich Ärzte und Heilpraktiker mit entsprechender Fortbildung eigenverantwortlich als Osteopath tätig werden. Eine gesetzliche Ausbildungsregelung gibt es nicht.
Einfach erklärt, geht es bei der Osteopathie darum, angebliche Blockaden, Fehlstellungen oder Verspannungen im Bewegungsapparat, den Knochen, Muskeln und Organen, zu erspüren und sie mit bestimmten Techniken zu lösen. Ein Osteopath arbeitet ausschließlich mit den Händen.
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Osteopathie: Anwendungsgebiete
Wann Osteopathie helfen kann, ist nur schwer zu beantworten. Sie hat zwar ein breites Anwendungsspektrum. Aber eine Garantie für Linderung oder ein Heilversprechen in irgendeiner Form gibt es bei dieser Behandlungsmethode nicht.
Unter anderem bei Schmerzen und Bewegungseinschränkungen lässt sich die Osteopathie anwenden, zum Beispiel
- an der Wirbelsäule (Rückenschmerzen, Bandscheibenvorfall)
- an großen Gelenken wie Knie, Hüfte oder Schulter
- an den Beinen oder Armen
Darüber hinaus ist die Liste an Beschwerden, bei denen Osteopathie helfen soll, lang – wissenschaftliche Belege gibt es jedoch nicht:
- Migräne und (chronischen) Kopfschmerzen
- Sodbrennen (Reflux)
- Tinnitus
- (chronischen) Nackenschmerzen
- Kiefergelenksschmerzen
- Magen-Darm-Beschwerden
- Ober- oder Unterbauchschmerzen
- Reizdarm oder Reizblase
Osteopathie bei Säuglingen und Kindern
Auch für Babys und (Klein-)Kindern werden osteopathische Behandlung angeboten. Aber ein systematisches Review, das 2013 in der Fachzeitschrift Pediatrics veröffentlicht wurde, kam zu folgendem Schluss: „Die Evidenz für die Wirksamkeit der Osteopathie bei pädiatrischen Erkrankungen bleibt auf Grund der geringen Anzahl und der geringen methodischen Qualität der Primärstudien unbewiesen. […] die größten und methodisch korrekten Studien [konnten] keinen Effekt zeigen […].
Osteopathie bei Schwangeren und Stillenden
In der Stillzeit und Schwangerschaft ist eine Osteopathie-Behandlung grundsätzlich möglich. Rücken-, Nacken-, Kopf- oder Beckenschmerzen sollen sich damit behandeln lassen. Aber auch hier ist die Beweislage ungenügend.
Was macht der Osteopath?
Ein Osteopath untersucht grundsätzlich die ganze Person, nicht nur eine Körperregion. Denn bei der Osteopathie geht es nicht nur darum, aktuell bestehende Beschwerden zu lindern. Osteopathen interessieren sich auch für die zeitliche Entwicklung der Beschwerden: Wann haben sie angefangen, wie haben sie sich verändert? Manchmal liegen sie nämlich in einem Sturz, Unfall oder einer Verletzung begründet, die schon lange zurückliegt und die der Betroffene gar nicht damit in Verbindung bringt – oder die Ursache sitzt ganz woanders als dort, wo das Symptom auftritt. Aber wie genau funktioniert Osteopathie, wie läuft ein Termin beim Therapeuten ab?
Anamnese-Gespräch
Ein Termin beim Osteopathen beginnt immer mit einem Gespräch, der sogenannten Anamnese. Beim ersten Mal geht es um die Krankengeschichte: Der Osteopath wird Sie bitten, die Probleme zu beschreiben, die Sie in die Praxis geführt haben. Er wird nachfragen, ob chronische Erkrankungen vorliegen, ob Sie gestürzt sind oder einen Unfall hatten. Bei den Folgeterminen gibt es dann eine Zwischenanamnese, bei der sich der Osteopath erkundigt, wie es Ihnen geht, ob sich die Beschwerden verbessert oder verschlechtert haben.
Untersuchung
Für die Untersuchung müssen Sie sich bis auf die Unterwäsche ausziehen. Der Osteopath untersucht Sie zunächst im Stehen, um festzustellen, ob und wo große Spannungen im Körper vorliegen. Er schaut sich die Körperstatik an und ob es irgendwo Stellungsveränderungen gibt, zum Beispiel durch eine Verkrümmung der Wirbelsäule, eine Becken- oder Rippenfehlstellung.
Zudem prüft der Therapeut die Beweglichkeit der Gelenke und der Wirbelsäule und untersucht nach einem standardisierten Ablauf den gesamten Körper. Vor allem Arme, Beine, Lenden-, Brust- und Halswirbelsäule, Schädel, Brustkorb, Becken und Bauchregion.
Es folgen Untersuchungen im Sitzen und Liegen, wobei der Osteopath unter anderem verschiedene Bewegungstests durchführt, den Körper auf angebliche Blockaden, Verhärtungen oder Temperaturveränderungen sowie das Gewebe auf Spannung abtastet. All das macht er mit den Händen. Es gibt in der Osteopathie keine Hilfsmittel.
Behandlung
Auch die Behandlung erfolgt ausschließlich mit den Händen in der Osteopathie. Der Ablauf ist immer ähnlich: Nach der Grundbehandlung richtet der Therapeut Sie individuell aus, je nachdem, wo es Spannungen, Fehlstellungen oder Beschwerden gibt. Dabei arbeitet er mit verschiedenen Techniken, je nach Bereich, der behandelt werden soll.
Eine osteopathische Behandlung dauert normalerweise zwischen 20 und 30 Minuten. Wie oft Sie zur osteopathischen Behandlung gehen sollten, hängt von Ihren Beschwerden ab. Ob die Osteopathie recht schnell Wirkung zeigt, kann man nicht sagen, da grundsätzlich nicht beurteilt werden kann, ob diese Therapieform überhaupt eine nachweisbare Wirkung hat.
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Was nach einer osteopathischer Behandlung zu beachten ist
Verhalten Sie sich nach der Osteopathie ruhig, lassen Sie es langsam angehen und schonen Sie sich nach der Behandlung. Vermeiden Sie anstrengende körperliche Tätigkeiten und Sport am Tag der Osteopathie-Behandlung, achten Sie darauf, genug zu schlafen und sich auszuruhen und trinken Sie etwas mehr Wasser als sonst.
Nebenwirkungen der Osteopathie
Bei Behandlungen, die abrupte Impulse an der Wirbelsäule, insbesondere der Halswirbelsäule, beinhalten, ist Vorsicht geboten. Methoden, die ein Reißen, Drücken oder Zerren an der Wirbelsäule oder eine übermäßige Streckung der Gelenke umfassen, bergen Risiken. Solche Techniken können gravierende Folgen haben, darunter das Einreißen gehirnversorgender Blutgefäße, was in seltenen Fällen zu Schlaganfällen oder gar zum Tod führen kann. Obwohl diese Praktiken üblicherweise von anderen Fachrichtungen wie Chiropraktikern angewendet werden, besteht dennoch die Möglichkeit, dass Patienten bei einem Osteopathen auf solche Behandlungsmethoden stoßen.
Auch wenn das Schadenspotenzial insgesamt gering ist, kann eine osteopathische Behandlung auch ein großes Risiko mit sich bringen: Nämlich dann, wenn bei schweren Erkrankungen (z.B. Krebserkrankungen), Belastungen der Psyche (Depression, Angststörung) oder Knochenbrüchen und Wunden eine schulmedizinische und nachweislich wirksame Behandlungsform ausgeschlagen und eine osteopathische Anwendung vorgezogen wird.Werbung
Osteopathie: Kosten
Für eine osteopathische Behandlung fallen im Schnitt zwischen 75 und 120 Euro pro Sitzung an. Je nach Behandlungsmethode und Zeitaufwand variieren die Preise für Osteopathie. Komplett auf Rezept gibt es die ganzheitliche Therapie bisher nicht.
Zahlt die Krankenkasse für Osteopathie?
Die gesetzliche Krankenkasse zahlt in der Regel bislang in Deutschland nicht für die Osteopathie-Behandlung. Manchmal jedoch schon. Private Krankenkassen bezahlen normalerweise für osteopathische Therapien.
Unterschied: Osteopathie und Physiotherapie
Auch wenn die Begriffe mitunter synonym verwendet und von Laien als gleichartige Therapieform angesehen werden: Osteopathie und Physiotherapie unterscheiden sich von Grund auf.
Die Physiotherapie, früher auch als Krankengymnastik bekannt, ist medizinisch anerkannt. Sie befasst sich als natürliches Heilverfahren mit körperlichen Beschwerden, zum Beispiel mit Störungen des Bewegungsapparates. Ziel ist es, die Beweglichkeit zu erhalten, zu verbessern oder wiederherzustellen sowie nach Möglichkeit Schmerzen zu lindern. Dies geschieht mittels manueller Therapie (z. B. Massage), gerätgestützter Therapie (u. a. Seilzuggeräte) oder manueller Lymphdrainage (zur Beseitigung angestauter Gewebsflüssigkeiten).Bei der Osteopathie handelt es sich um eine alternative Heilmethode. Sie ist nicht medizinisch anerkannt, da die Wirksamkeit der Behandlungsansätze nach wie vor wissenschaftlich unbewiesen ist.
Quellen
- Franke, H et al.: Osteopathic manipulative treatment for chronic nonspecific neck pain: A systematic review and meta-analysis; International Journal of Osteopathic Medicine; 2015; DOI: https://doi.org/10.1016/j.ijosm.2015.05.003
- Ernst E et al.: Osteopathic manipulative treatment for pediatric conditions: a systematic review; Pediatrics; 2013; DOI: 10.1542/peds.2012-3959
- Standen C et al.: Lehrbuch osteopathische Medizin; 2017; Elsevier
- Online-Informationen Bundesministerium für Gesundheit: www.bundesgesundheitsministerium.de; Abruf: 30.10.2023
- Online-Informationen Bundesverband Osteopathie e.V.: https://bv-osteopathie.de; Abruf: 30.10.2023
- Online-Informationen Deutsche Gesellschaft für osteopathische Medizin e.V.: www.dgom.info; Abruf: 30.10.2023