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Hämophilie (Bluterkrankheit)

Hämophilie heißt auch Bluterkrankheit, weil die Blutgerinnung gestört ist. Lesen Sie, was Hämophilie genau ist und welche Symptome sie hervorruft.

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Inhaltsverzeichnis
Illustration von roten Blutkörperchen, die durch Arterien fließen

© Science Photo Library

Zusammenfassung

  • Definition: Bei der Hämophilie oder Bluterkrankheit ist die Blutgerinnung gestört
  • Symptome: Blutungsneigung, z.B. langwierige Blutungen, große und viele blaue Flecken, langsame Wundheilung
  • Ursache: meist ein vererbter Gendefekt oder eine Spontanmutation
  • Behandlung: häufig Substitution, d.h. Ersetzen des fehlenden Gerinnungsfaktors
  • Diagnose: Blutanalyse, Genanalyse
  • Welcher Arzt?: Erster Ansprechpartner ist der Hausarzt, der Sie an einen Spezialisten in einem Hämophilie-Zentrum überweisen kann

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Was ist Hämophilie?

Die Hämophilie ist auch als Bluterkrankheit bekannt. Betroffene haben eine gestörte Blutgerinnung. Das heißt, dass ihr Blut langsamer oder kaum gerinnt. Das hat beispielweise zur Folge, dass Wunden lange bluten, blaue Flecken besonders groß werden oder Wunden langsamer heilen.

Erkrankte Menschen werden als Hämophile oder Bluter bezeichnet. Die Hämophilie ist per Definition in den meisten Fällen eine Erbkrankheit, die hauptsächlich Männer betrifft. Sie wird auf dem X-Chromosom vererbt. Der genaue Erbgang heißt „X-chromosomal-rezessiv“. Männer haben nur ein X-Chromosom (XY), während Frauen zwei davon besitzen (XX). Ist eines fehlerhaft, haben sie eine Art „Rücklage“ und können den Fehler kompensieren. Denn das zweite X-Chromosom enthält in aller Regel die korrekten genetischen Baupläne und springt ein. Da Männer ein X- und ein Y-Chromosom (XY) besitzen, erkranken sie, wenn ihr einziges X-Chromosom fehlerhaft ist.

Auf dem X-Chromosom liegen wichtige Erbinformationen für die Bildung der sogenannten Gerinnungsfaktoren. Dies sind vor allem Eiweiße (Proteine) im Blut, die beispielweise bei einer Verletzung verklumpen, sodass eine Blutung stoppt. Bei Menschen mit der Bluterkrankheit bildet der Körper einzelne Gerinnungsfaktoren in zu geringer Konzentration oder überhaupt nicht. In der Folge ist die Blutgerinnung gestört.

Die Hämophilie ist angeboren und erblich. Die Bluterkrankheit kann also von den Eltern an die Kinder weitergegeben werden. Doch sie kann auch neu und ohne familiäre Krankheitsgeschichte entstehen. In diesen Fällen ist nicht die Vererbung, sondern eine sogenannte Spontanmutation der Auslöser. Das Erbgut verändert sich spontan und ohne externe Einwirkung.

Die Hämophilie ist eine seltene Erkrankung. In Deutschland leben etwa 6.000 Menschen mit der Bluterkrankheit. Die weltweite Hämophilie-Häufigkeit lag laut der Organisation „World Federation of Hemophilia“ im Jahr 2020 bei rund 210.000 Menschen.

Es gibt nicht die eine, sondern unterschiedliche Formen der Hämophilie. Fast immer mangelt es an einem der verschiedenen Gerinnungsfaktoren. Benannt werden diese mit römischen Ziffern: Faktor I bis Faktor XIII.

Am häufigsten sind zwei Hämophilie-Arten: Ein Mangel an Faktor VIII (Hämophilie A) und an Faktor IX (Hämophilie B). Die beiden Krankheiten verlaufen sehr ähnlich. Dennoch ist es für Betroffene wichtig zu wissen, ob sie Hämophilie A oder B haben. Denn der fehlende Gerinnungsfaktor lässt sich mit Medikamenten ersetzen. Diese Therapie wird Substitution genannt.

Neben der Hämophilie A und Hämophilie B gibt noch eine Vielzahl anderer Gendefekte, die die Blutgerinnung beeinflussen können. Doch solche Defekte sind extrem selten. Die einzige Ausnahme ist das Von-Willebrand-Syndrom, das etwa ein Prozent der Bevölkerung betrifft. Weil die Erkrankung in den meisten Fällen nur eine leichte Blutungsneigung verursacht, bleibt sie häufig unbemerkt. Wichtigstes Anzeichen der meist milden Blutgerinnungsstörung ist ein verlängertes Bluten der Schleimhäute, etwa langwieriges Nasen- oder Zahnfleischbluten.

Es gibt nicht nur verschiedene Arten der Hämophilie, sondern auch der Schweregrad der Bluterkrankheit kann variieren. Dieser ist genetisch festgelegt, also angeboren. Ausgehend von einer normalen Aktivität der Gerinnungsfaktoren bei gesunden Personen (100 %), unterscheiden Ärzte:

  • milde Hämophilie: 5-50 % der normalen Aktivität
  • mittelschwere Hämophilie: 1-5 % der normalen Aktivität
  • schwere Hämophilie: kaum oder keine Aktivität

Hämophilie-Symptome: die Bluterkrankheit erkennen

Hämophile haben eine gestörte Blutgerinnung. Erkennen können Sie diese, indem Sie etwa auf diese typischen Symptome der Bluterkrankheit achten:

  • starke und langwierige Blutungen, z.B. nach einer Verletzung
  • große und viele blaue Flecken (Hämatome)
  • Spätblutungen (Wunde blutet immer wieder)
  • starkes Nasenbluten
  • starkes Bluten beim Zahnen
  • Blut im Urin
  • schmerzende Gelenke (aufgrund von Gelenkeinblutungen)

In welchem Alter Sie erste Anzeichen erkennen können, ist vom Schweregrad der Erkrankung abhängig. Eine milde Hämophilie fällt im Alltag oft wenig bis gar nicht auf. Erkannt wird sie gegebenenfalls erst, wenn sich ein Bluter großflächig verletzt oder operieren lassen muss.

Bei mittlerem Schweregrad kann selbst eine leichte Verletzung starke Blutungen auslösen. Das fällt in der Regel bereits in der Kindheit auf. Die ersten Anzeichen zeigen sich meist ab dem Krabbelalter, wenn die Kinder aktiver werden – und sich auch mal stoßen, stolpern oder fallen. Bei schwerer Hämophilie kommt hinzu, dass Blutungen sogar ohne vorangegangenes Trauma entstehen können, sogenannte Spontanblutungen. Diese treten vor allem in Gelenken auf, besonders häufig im Knie- Sprung-, und Ellenbogengelenk.

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Hämophilie-Ursachen: Vererbung als Hauptgrund

Die beiden häufigsten Formen der Bluterkrankheit, die Hämophilie A und B, sind angeborene Erberkrankungen, die X-chromosomal-rezessiv vererbt werden. Das bedeutet zum einen, dass sich der Gendefekt auf dem X-Chromosom befindet. Zum anderen heißt dies, dass die Krankheit nur dann ausbricht, wenn der defekten Erbinformation keine intakte gegenübersteht. Bei ungefähr zwei Dritteln der Bluter ist die Hämophilie angeboren.

Das X-Chromosom ist ein Geschlechtschromosom, von dem die Frau zwei (XX) und der Mann nur eines besitzt (XY). Dies ist der Grund, warum vor allem Männer erkranken: Wenn ein Mann die fehlerhafte Erbinformation erbt, hat er – anders als eine Frau – kein zweites X-Chromosom, das den Defekt ausgleichen kann. Heißt auch: Erbt ein Mann den Gendefekt, hat er Hämophilie. Erbt hingegen eine Frau ein fehlerhaftes X-Chromosom, bleibt sie in der Regel gesund, doch wird zur Überträgerin (Konduktorin). Sie kann den Gendefekt also an ihre Kinder weitergeben.

Neben der Vererbung kann auch eine Spontanmutation die Ursache der Bluterkrankheit sein. In bis zu 30 Prozent der Fälle entstehen die Genveränderungen spontan: Betroffene sind Bluter, ohne dass die Eltern oder andere Familienmitglieder vorerkrankt waren – die Hämophilie entsteht neu.

Hämophilie-Therapie: Gerinnungsfaktor ersetzen

Die wichtigste Hämophilie-Therapie ist die Substitution. Bluter halten den fehlenden Gerinnungsfaktor per Injektion. Auf diese Weise lässt sich der Mangel ausgleichen. Das verwendete Medikament heißt Faktorkonzentrat. Je nach Schweregrad der Hämophilie gibt es zwei unterschiedliche Strategien bei der Substitutionstherapie:

  • Behandlung der Bluterkrankheit nach Bedarf: situationsabhängige Medikamentengabe, etwa direkt nach einer Verletzung oder beispielsweise vor dem Zahnziehen
  • Vorbeugende Dauerbehandlung der Hämophilie: kontinuierliche und regelmäßige Medikamentengabe, meist mehrmals pro Woche

In der Regel begleiten Ärzte die Hämophilie-Therapie. Bluter können sie jedoch zuhause selbst durchführen. Im Vorfeld der Selbstbehandlung ist eine anleitende Schulung -  ein Spritzkurs - ratsam. Dieser richtet sich nicht nur an Betroffene, sondern zum Beispiel auch an Eltern hämophiler Kinder. Die Injektionen lassen sich auch von einem Arzt in einer Praxis oder im Krankenhaus verabreichen.

Neben der Substitutionstherapie kommen bei der Bluterkrankheit noch eine Reihe anderer Behandlungen zur Unterstützung in Frage. Beispiele sind:

  • Physiotherapie, etwa wenn die Gelenke durch häufige Einblutungen schmerzen.
  • Schmerztherapie mit Medikamenten - hierbei kommen nur Mittel zum Einsatz, die die Blutungsstillung nicht zusätzlich beeinträchtigen. So ist meist etwa der Wirkstoff Acetylsalicylsäure tabu, der blutverdünnend wirkt.
  • Psychologische Betreuung – wenn Bluter übermäßige Angst und Sorge vor Verletzung haben. Seelische Unterstützung kann den Alltag von Betroffenen oder Angehörigen verbessern.

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Hämophilie-Diagnose beim Arzt

Die Bluterkrankheit lässt sich per Blutuntersuchung feststellen. Klären lässt sich dadurch auch, an welchem Gerinnungsfaktor es dem Bluter mangelt. Wichtig bei einer Blutanalyse ist, dass eine ungeronnene Blutprobe untersucht wird. Dies gelingt, indem das Blut eines Patienten direkt aus der Vene in eine Spritze gesaugt wird, die eine gerinnungshemmende Flüssigkeit enthält (Natriumzitratlösung). Anschließend kommt die Probe zur Analyse in ein Labor.

Auch per Genanalyse lässt sich Hämophilie erkennen und bestimmen, welcher Gerinnungsfaktor fehlt. Außerdem können Ärzte feststellen, ob eine Frau den Gendefekt geerbt hat und deshalb Überträgerin ist.

Es gibt genaue Vorschriften, wann welche Erbgut-Untersuchung erlaubt ist. Die Einzelheiten regelt das Gendiagnostikgesetz, das seit 2010 in Kraft ist. Darin steht beispielsweise, dass nur speziell ausgebildete Ärzte über mögliche Folgen der Untersuchung aufklären dürfen. Enthalten ist auch, dass es eine ausreichende Bedenkzeit zwischen der Aufklärung und Analyse geben muss. Denn das Wissen um eine genetisch bedingte Krankheit kann das komplette künftige Leben beeinflussen.

Hämophilie: Welcher Arzt ist der richtige?

Wenn Sie eine Blutgerinnungsstörung vermuten, kann der Hausarzt Ihr erster Ansprechpartner sein. Erhärtet sich der Verdacht, wird er Sie an einen Spezialisten überweisen, denn Hämophilie ist eine seltene Krankheit. Entsprechend braucht es spezialisierte und erfahrende Mediziner für die Diagnose und Behandlung.

Diese finden Sie vor allem in einem Hämophilie-Zentrum, das häufig Universitätskliniken angeschlossen ist. Es gibt auch spezialisierte Ärzte mit eigener Praxis, die Hämophile behandeln.

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Hämophilie-Verlauf: Welche Folgen gibt es?

Menschen mit einer ausreichend behandelten Hämophilie haben heute eine ähnliche Lebenserwartung wie Gesunde. Das war nicht immer so: Bis Mitte des 20. Jahrhunderts lag sie noch bei weniger als 20 Jahren. Das änderte sich, als 1970 die Substitutionstherapie entwickelt wurde. Damit können Bluter heute ein weitgehend uneingeschränktes und aktives Leben führen.

Das Ersetzen des fehlenden Gerinnungsfaktors dämmt auch eine typische Folge der Hämophilie ein - die Hämophile Arthropathie. Dies ist ein Gelenkleiden bei Blutern, die häufig Einblutungen in den Gelenken haben. Das Blut schädigt die Gelenkknorpel, während das Eisen im Blut eine Entzündung auslöst. Beides hat zur Folge, dass mit der Zeit immer mehr Gelenkknorpel verloren geht – das schmerzt, schränkt die Beweglichkeit ein und kann Fehlstellungen auslösen.

Neben der Substitutionstherapie, die vorbeugend gegen die inneren Blutungen in den Gelenken wirkt, wird die Hämophile Arthropathie meist mit entzündungshemmenden Medikamenten behandelt. In einem Spätstadium kann eine Operation nötig werden, um etwa entzündlich veränderte Gelenkschleimhaut zu entfernen oder um ein Gelenk zu ersetzen oder zu versteifen.

Leben mit Hämophilie

Die Hämophilie hat dank der modernen Medizin ihren ursprünglichen Schrecken etwas verloren. Und dennoch bleibt sie eine unheilbare Krankheit, die einem verantwortungsvollen Umgang bedarf. Die Deutsche Hämophiliegesellschaft gibt Betroffenen daher wichtige Verhaltensregeln für ein Leben mit Hämophilie auf den Weg:

  • Haben Sie immer Ihren Notfallausweis mit genauer Diagnose, Schweregrad und Nummer des nächstgelegenen Hämophiliezentrums dabei.
  • Lassen Sie die empfohlenen Impfungen durchführen.
  • Lassen Sie sich Injektionen nur subkutan (unter die Haut) oder intravenös (in eine Vene) verabreichen.
  • Nehmen Sie Medikamente, die das Blut beeinflussen, nur nach ärztlicher Anweisung ein, z.B. Medikamente mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS).
  • Erwähnen Sie außerdem Ihre Hämophilie, wenn Sie ein neuer Mediziner behandelt.
Quellen
  • Miesbach, W et al.: Therapiemöglichkeiten der Hämophilie; Deutsches Ärzteblatt; 2019; DOI: 10.3238/arztebl.2019.0791
  • Online-Informationen Deutsche Hämophiliegesellschaft zur Bekämpfung von Blutungskrankheiten e.V.: www.dhg.de; Abruf: 24.05.2022
  • Online-Informationen Schweizerische Hämophilie-Gesellschaft: https://shg.ch; Abruf: 24.05.2022
  • Online-Informationen World Federation of Hemophilia: https://wfh.org; Abruf: 24.05.2022
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Dieser Artikel enthält allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Den passenden Arzt finden Sie über unser Ärzteverzeichnis.

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