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Spielsucht

Das pathologische Spielen ist eine Suchterkrankung, die gravierende Folgen haben kann, wenn der Betroffene keine Therapie macht. So klappt der Entzug von der Spielsucht.

Geprüft von Sophie Sonnenberger, Medizinredakteurin

Veröffentlicht:
Aktualisiert: 2023-09-20T00:00:00+02:00 2023-09-20T00:00:00+02:00

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Inhaltsverzeichnis
Spielsüchtige verbringen oft viele Stunden täglich vor dem Spielautomaten, in Kasinos oder beim Onlinepoker

© Shutterstock

Definition: Was ist Spielsucht?

Unter Spielsucht versteht man den zwanghaften Drang, zum Beispiel Glücksspiele zu spielen. Psychologen bezeichnen die Glücksspielsucht auch als pathologisches Spielen oder als Glücksspielstörung (engl. „Gambling Disorder“).

Betroffene verbringen viel Zeit im Spielkasino, in Spielhallen oder am Computer, besuchen Spiel- oder Wettportale im Internet. Auch wenn sie gewonnen haben, hören sie nicht auf, sondern setzen das Geld erneut beim Spiel ein. Die Folgen können gravierend sein, oft verlieren Spielsüchtige ihr gesamtes Vermögen, haben hohe Schulden, gefährden ihren Arbeitsplatz und die Beziehung zu Partner, Kindern und Freunden. Bei spielsüchtigen Kindern und Jugendlichen wird oft die Schule vernachlässigt, sodass der Schulabschluss gefährdet ist. Außerdem geraten Betroffene häufig in die soziale Isolation. Wird eine Spielsucht oder Wettsucht nicht behandelt, kann sie bis zum Suizid führen.

Laut des 2020 erschienenen Forschungsberichts der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sind in Deutschland derzeit rund 430.000 Menschen spielsüchtig oder haben ein problematisches Spielverhalten. Unter den Betroffenen befinden sich, laut Statistik, zwei Drittel Männer und ein Drittel Frauen. Spielsucht tritt bei Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und älteren Menschen auf.

Verhaltenssucht und Abhängigkeitserkrankung

Spielsucht ist eine Verhaltenssucht, das bedeutet: der Betroffene ist nach einem bestimmten Handeln und dabei erlebten Emotionen süchtig (z.B. dem Nervenkitzel beim Spielen oder dem Glücksrausch beim Gewinnen).

Da die Spielsucht ähnliche Diagnosekriterien hat wie sogenannte stoffgebundene Süchte (Alkoholismus, Drogen), wird sie zudem den Abhängigkeitserkrankungen zugeordnet, erklärt die fünfte Auflage des Diagnostischen und Statistischen Leitfadens psychischer Störungen (DSM-5 abgekürzt), das Standardwerk der psychiatrischen Diagnostik.

Seit 2001 wird Pathologische Spielsucht von Krankenkassen und Rentenversicherungsträgern als rehabilitationsbedürftige Krankheit anerkannt und sie übernehmen die Kosten für die Behandlung der Spielsucht. Ohne professionelle Hilfe nimmt Glücksspielsucht in der Regel keinen guten Verlauf und kann nicht bewältigt werden.

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Spielsucht: Arten

Bei Spielsucht denken die meisten Menschen an die Sucht nach Glücksspielen. Automaten sind hierbei die häufigste Einstiegsdroge. Aber auch andere Spiele wie Roulette, Würfelspiele, Internet-Glücksspiele und Sportwetten haben ein hohes Suchtpotenzial. Wenn sich das Spielen vor allem auf das Wetten fokussiert, ist von einer Wettsucht die Rede.

Eine weitere Form der Spielsucht ist die Videospielsucht oder Computerspielsucht. Medizinisch wird sie als „Gaming Disorder“ bezeichnet. Im Unterschied zum Glücksspiel, das sowohl in Spielhallen als auch Online möglich ist, werden Video- oder Computerspiele vor allem am heimischen Computer, an der Videospiele-Konsole oder auch am Handy bzw. Tablet gespielt. Denn mit den meisten mobilen Geräten wie Smartphones ist es möglich, Spiele-Apps auszuführen. Und die können ebenso süchtig machen, wie das Spielen eines Computerspiels. Schließlich sind sie jederzeit und überall verfügbar. Wenn die Benachrichtigungsfunktion für die jeweilige App eingeschaltet ist, werden Nutzer sogar daran erinnert, weiterzuspielen. In-App-Käufe, die dem Spielenden ein noch größeres Spielvergnügen versprechen, verleiten viele Betroffenen zudem, viel Geld auszugeben. Wer also glaubt, dass mit Spiele-Apps keine Gefahr besteht, Schulden zu machen, der irrt.

Immer mehr Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene sind von der Videospiel- bzw. Computerspielsucht betroffen, weshalb sie inzwischen auch als Suchterkrankung eingestuft wurde. Diese Form der Spielsucht besteht, wenn innerhalb von 12 Monaten folgende Kriterien bei betreffenden Personen zu beobachten sind:

  • Vollständiger Kontrollverlust: Betroffene können nicht mehr kontrollieren, wann, wie oft, wie lange und warum sie spielen.
  • Rückgang anderer Aktivitäten: Für Betroffene rückt das Spielen so sehr in den Vordergrund, dass sie kaum noch oder keinen anderen Aktivitäten wie Hobbies mehr nachgehen.
  • Akzeptanz negativer Konsequenzen: Betroffene spielen trotz negativer Effekte weiter.

Spielsucht: Therapie und wo Spielsüchtige Hilfe finden

Beratung

Wer die Vermutung hat, dass er spielsüchtig ist, kann sich an eine Sucht-Beratungsstelle wenden. Achtung: Diese sollte auf jeden Fall Spielsucht als einen ihrer Beratungs-Schwerpunkte haben, denn Sucht ist nicht gleich Sucht. Bei Spielsucht sind andere Aspekte wichtig als etwa bei Alkoholismus oder Medikamentenabhängigkeit.
Adressen von bundesweiten Sucht-Beratungsstellen gibt es unter: www.check-dein-spiel.de oder unter: www.spielsucht-therapie.de

Viele Beratungsstellen haben offene Sprechstunden (das heißt, es ist keine Anmeldung notwendig) und eine telefonische Beratung. Sie helfen Betroffenen beim Ausstieg aus der Spielsucht, manche bieten auch eine Paarberatung sowie eine Schuldenberatung an.

Psychotherapeut oder Psychologische Ambulanz einer Klinik

Spielsüchtige können sich auch an einen Psychotherapeuten (er sollte Suchterkrankungen als Behandlungsschwerpunkt haben) wenden oder an die psychologische Ambulanz einer Klinik. Im Notfall, wenn ein Betroffener konkrete Suizidgedanken hat, kann er die Notaufnahme oder psychiatrische Notfallambulanz eines Krankenhauses aufsuchen oder den Rettungsdienst unter 112 rufen.

Hotline und Online-Beratung

Die BZgA bietet eine Telefon-Hotline zum Thema Spielsucht: 0800 – 137 27 00 (kostenlos und anonym), die Landeskoordinierungsstelle Glücksspielsucht NRW eine Online-Beratung für Spielsüchtige: www.gluecksspielsucht-nrw.de

Ambulante und stationäre Therapie

Die Therapie eines Spielsüchtigen kann ambulant (in einer therapeutischen Praxis) oder stationär (in einer Klinik) durchgeführt werden.

Eine Ambulante Behandlung bedeutet, dass der Betroffene die Einzeltherapie- oder Gruppentherapiesitzungen zum Beispiel in der psychotherapeutischen Einrichtung wahrnehmen kann und sonst weiterhin zuhause wohnt. Auch einige Sucht-Beratungsstellen bieten eine ambulante Entwöhnungsbehandlung an.

Bei der Stationären Therapie lebt der Spielsüchtige fünf bis zwölf Wochen in einer Klinik oder Reha-Einrichtung. Er ist dadurch außerhalb seines gewohnten Glückspielumfelds, das hilft oft, sich von der Sucht besser zu distanzieren.

Da Spielsüchtige oft an einer psychischen Erkrankung leiden wie z.B. an einer Depression, einer bipolaren Erkrankung oder einer Angststörung und sie zudem häufig noch andere Süchte aufweisen wie etwa Alkoholismus, kann der Entzug von der Spielsucht nur gelingen, wenn die kompletten Probleme behandelt werden. Eine Angststörung etwa besteht bei Betroffenen häufig schon vor dem Beginn der Spielsucht und kann diese begünstigen.
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Die Behandlung der Spielsucht

Das Erstgespräch vor der Behandlung

Vor dem Beginn einer Therapie erfolgt ein sogenanntes Erstgespräch, in dem der Betroffene den Verlauf der Suchterkrankung schildert und die Folgen beschreibt, die die Spielsucht bereits für ihn hat (z.B. Schulden, Verlust des Arbeitsplatzes, Trennung vom Partner). Außerdem geht es in dem Gespräch darum, wie groß der Leidensdruck ist, den der Betroffene verspürt, sprich: belastet ihn die Situation so stark, dass er sein Leben jetzt wirklich ändern will? Es braucht oft Jahre und schwere Krisen, bis Spielsüchtige zu der Erkenntnis kommen, dass sie abhängig sind und dringend Hilfe benötigen.

Es geht in dem Gespräch außerdem um die Frage: Was ist für den Betroffenen der wichtigste Grund, um von der Sucht loszukommen? Möchte er vor allem sein Leben wieder unter Kontrolle haben? Seine Ehe und seine Freundschaften retten? Seinen Schuldenberg abbauen und eine Armut verhindern? Dieser Grund kann entscheidend sein, die notwendige Motivation für die Therapie aufzubringen und diese durchzuhalten. Psychologen sprechen hierbei von Abklärung der Therapiemotivation.

Der Entzug ist ein langwieriger Prozess. Während die Motivation am Anfang meist noch groß ist, von der Spielsucht loszukommen, kann es im Laufe der Zeit schwieriger und der Patient rückfällig werden. Das kann auch nach einer erfolgreichen Therapie noch passieren. Die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe ist daher dringend anzuraten.

Die richtige Therapiemethode finden

Die Behandlung besteht in der Regel aus Einzel- und Gruppentherapiesitzungen. Ein wichtiger Bestandteil der Behandlung ist, zu erkennen, warum man süchtig nach dem Spielen wurde, welche Gefühle dabei entstehen, warum diese als so enorm positiv empfunden werden (etwa der Nervenkitzel) und welche gesunden Alternativen es gibt, diese Gefühle auszulösen (z.B. durch Sport, ein künstlerisches Hobby, Reisen).

Wenn ein Betroffener das Spielen hauptsächlich nutzt, um vor der Realität zu fliehen und Alltagssorgen zu verdrängen, kann eine Kognitive Verhaltenstherapie hilfreich sein, in der er u.a. lernt, seine Emotionen besser zu steuern, unangenehme Gefühle zuzulassen und diese anders zu betrachten.

Eine tiefenpsychologische Therapie kann helfen, herauszufinden, warum ihn manche Alltagssituationen so stark belasten oder so viel Druck ausüben, dass er zum Beispiel in die Spielhöllenwelt geflüchtet ist. Mit ihr lässt sich den Ursachen auf den Grund gehen und die Sucht effektiv behandeln.

Unterstützung in der Gruppe finden

Die Gruppengespräche sind zum einen wichtig, weil andere Betroffene über ihren Suchtverlauf berichten und das helfen kann, Parallelen zu erkennen und über die eigene Abhängigkeit nachzudenken. Zum anderen war die Glücksspiel- oder Computerspielwelt der Lebensmittelpunkt für einen Süchtigen und der Abschied davon ist für ihn anfangs oft unvorstellbar, beängstigend und kann eine Traurigkeit auslösen (diese Gefühle sind auch bei Alkoholikern zu beobachten, die sich vom Trinken verabschieden).

Es ist wichtig, dass Süchtige diese Emotionen in der Therapie offen zeigen und darüber sprechen können. In der Gruppensitzung geschieht dies vor Menschen, die diese Gefühle gut kennen und sie daher verstehen. Auch das hilft, mit dem Abschied von der Suchtwelt besser umgehen zu können.  

Sich von magischem Denken und Ritualen verabschieden

Viele Spielsüchtige sind überzeugt, dass sie ein Spiel durch magische Gedanken, bestimmte Rituale oder Glücksbringer beeinflussen und kontrollieren können. Der Therapeut muss behutsam klarstellen, dass diese Überzeugung ein Irrtum war, der die Sucht gefördert hat. Eine heikle Sache, einige Betroffene weigern sich vehement, diese Tatsache anzuerkennen.

Wie bei Zwangsstörungen, bei denen ein Patient nur jeden zweiten Pflasterstein betritt oder immer dreimal mit den Fingern schnippt, bevor er die Wohnung verlässt, dienen solche Verhaltensweisen einem (vermeintlichen) Sicherheitsgefühl. Davon Abstand zu nehmen, bedeutet erstmal einen Kontrollverlust und das macht Angst. Es kann Wochen dauern, bis ein Spielsüchtiger bereit ist, das zu akzeptieren. Aber nur wenn er das schafft, gelingt ein dauerhafter Abschied von der Spielwelt.

Den Umgang mit Geld neu lernen

Glücksspielsüchtige zum Beispiel haben den realistischen Bezug zum Geld verloren und müssen in der Therapie den Umgang mit finanziellen Mitteln neu lernen. Für den Betroffenen ist die Konfrontation mit seinen Geldproblemen unangenehm. Er hat Scham- und Schuldgefühle und es erfordert eine Überwindung, sich mit diesen Tatsachen zu beschäftigen. Doch die reflektierte Auseinandersetzung mit dem Geldproblem ist enorm wichtig, um die Sucht erfolgreich zu bekämpfen.

Denn zum einen sind Geldsorgen mit ein Grund, warum ein Spielsüchtiger immer wieder in die Spielhalle, ins Casino oder ins Wettbüro zurückkehrt. Er hofft durch einen großen Gewinn seine Schulden loszuwerden. Zum anderen spielt es eine entscheidende Rolle, dass der Süchtige wieder in der Realität lebt und nicht mehr in der Illusionswelt der Casinos.

Nur wenn er sich ab jetzt klar macht, dass es reales Geld ist, dass er beim Glücksspiel einsetzt, dass es reale Schulden sind, die er macht, und dass es reale Konsequenzen hat, wenn er spielt, nur dann verliert die Glücksspielwelt ihre fatale Aura als Fluchtort aus der Realität.

Dieser Prozess ist nicht einfach. In der Therapie bekommt der Spielsüchtige pro Woche einen kleinen Geldbetrag als Taschengeld, etwa 30 oder 40 Euro, und muss damit gut zurechtkommen. Der Betrag ist bewusst niedrig kalkuliert, damit der Betroffene wieder lernt, den Wert des Geldes richtig einzuschätzen. Der Therapeut kann den Patienten zusätzlich unterstützen, indem er mit ihm über unrealistische Geldphantasien und über die realen Lebenshaltungskosten spricht.

Rückfall

Leider ist die Rückfallquote bei pathologischen Spielern hoch, etwa 60 Prozent aller Betroffen verfallen nach der Therapie erneut der Spielsucht. Hierbei spielt auch das sogenannte Suchtgedächtnis des Gehirns eine entscheidende Rolle, das bedeutet, dass bestimmte Reize wie das Klimpern von Münzen, das Vorbeifahren an einer Spielhalle oder der Gang durch die Computerspieleabteilung sofort wieder die Lust aufs Spielen wecken kann.

Ist der Betroffene dann noch in einer emotionalen Situation, in der er früher immer gespielt hat, etwa bei starkem beruflichem Stress oder bei einem Beziehungsstreit, kann er den Drang verspüren, beispielsweise eine Spielhalle oder ein Casino aufzusuchen.

Nur wenn es ihm gelingt, diesem Drang nicht nachzugeben, vermeidet er einen Rückfall. Um auf solch eine schwierige Situation vorbereitet zu sein, lernen Spielsüchtige in der Therapie ein Notfallprogramm. Hierzu gehört, frühe Anzeichen eines drohenden Rückfalls zu erkennen und gut gegenzusteuern. Jeder Betroffene bekommt in der Therapie dafür eine Notfallkarte mit der Telefonnummer eines Ansprechpartners, den er in solch einer Notfallsituation anrufen kann.

Untersuchungen zeigen, dass in so einem brenzligen Moment ein persönliches Gespräch mit einer vertrauten Person sehr helfen kann, nicht wieder der Sucht zu verfallen. Auch ein privater Satz auf der Notfallkarte, wie „Denk an Deine Tochter, die Spielsucht macht Deine Familie kaputt!“ kann das Clean bleiben unterstützen.

Und auch wenn es zu einem Rückfall kommt, ist der Spielsüchtige dann kein hoffnungsloser Fall. Es gibt zum Beispiel Glückspieler, die es erst nach mehreren Rückfällen geschafft haben, von der Sucht loszukommen.

Sehr hilfreich ist auch die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe. Hier treffen sich regelmäßig ehemalige Spielsüchtige, tauschen sich über ihre Erfahrungen aus, unterstützen sich gegenseitig und motivieren sich, nicht rückfällig zu werden.

Adressen von Selbsthilfegruppe gibt es unter: www.spielsucht-therapie.de/selbsthilfegruppen

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Spielsucht: Symptome

Die typischen Anzeichen, an denen sich eine Spielsucht erkennen lässt, sind:

  • Die Gedanken kreisen ständig um das Spielen: Eine Person ist gedanklich sehr oft mit Glücksspielen beschäftigt, sie überlegt sich etwa erfolgversprechende Taktiken für die Spiele oder Möglichkeiten, sich zum Beispiel Geld fürs Casino zu beschaffen.
  • Der Betroffene nutzt jede Gelegenheit, um zu spielen: Er geht zum Beispiel abends direkt nach der Arbeit ins Spielkasino oder verbringt am Wochenende viele Stunden am Automaten oder vor dem Computer, der Konsole beziehungsweise dem Handy.
  • Der Betroffene kommt nicht vom Spielen los: Versuche, mit dem Spielen aufzuhören, scheitern nach kurzer Zeit oder gelingen gar nicht.
  • Das Spielen wird vor dem Partner, der Familie und Freunden verheimlicht oder verharmlost: Aus Scham verschweigt der Betroffene sein Spielverhalten komplett oder zumindest die Ausmaße. Wenn er ins Spielcasino geht, erzählt er dem Partner zum Beispiel, dass er einen Geschäftstermin hat oder sich mit einem Freund trifft. Kommt es doch raus, verharmlost er das Spielen und rechtfertigt es als banale Entspannungsmethode.

Die drei Stadien einer Spielerlaufbahn

Eine Spielsucht entwickelt sich oft schleichend. Experten unterteilen den Verlauf einer pathologischen Spielsucht in drei Phasen: Anfangsstadium, Gewöhnungsstadium und Suchtstadium.

Anfangsstadium

Zunächst spielen Betroffene nur gelegentlich. Dabei bemerken sie, dass sie einen Nervenkitzel beim Spielen verspüren, vor allem in den Momenten, die entscheiden, ob es einen Sieg oder Verlust gibt. Gewinnt der Betroffene, schüttet sein Gehirn eine hohe Menge an Neurotransmittern wie Dopamin oder Noradrenalin aus und er erlebt einen Glücksrausch. Spielen verursacht im Gehirn eine ähnliche Wirkung wie die Einnahme von Amphetaminen oder Kokain, zeigen MRT-Aufnahmen.

Noch hat der Betroffene das Spielen unter Kontrolle, er geht weiterhin seinen Verpflichtungen im Berufs- und Privatleben sowie anderen Freizeitaktivitäten nach. In diesem Stadium spricht man von Gelegenheitsspielern.

Gewöhnungsstadium

Je öfter die Person beim Spielen einen wohligen Nervenkitzel und einen Glücksrausch erlebt, desto mehr verbindet das sein Gehirn die Reize des Spielens mit positiven, aufregenden Gefühlen. Es wird zunehmend auf das Spielen konditioniert, verlangt nach einiger Zeit automatisch danach und der Betroffene verspürt nun regelmäßig den Wunsch, zu spielen. Die Welt außerhalb der Spielhalle wird zunehmend langweilig.

Er verbringt nun regelmäßig Zeit am Computer, Handy, an Geldspielautomaten, am Roulettetisch oder beim Online-Pokern, seine Einsätze werden höher, die Risikobereitschaft nimmt zu. Er ist vom Gelegenheitsspieler zum Problemspieler geworden.

Mit der Zeit reicht die bisherige „Spiel-Dosis“ nicht mehr aus, um das gewünschte Hochgefühl im Gehirn auszulösen. Psychologen sprechen von einer Toleranzentwicklung. Der Betroffene muss öfters spielen, höhere Geldsummen einsetzen, um den Kick und das Glücksgefühl zu erleben.

Suchtstadium

Im Suchtstadium nennt man Betroffene auch Verzweiflungsspieler. Denn der Spieler empfindet kein Vergnügen mehr am Spielen, sondern verspürt einen großen zwanghaften Drang, dem Spielen nachzugehen. Seine Gedanken kreisen nur noch darum, wie er seiner Sucht nachgehen kann (und wie sich das Geld für Glücks- oder Videospiele besorgen lässt). Seinen Beruf, die Schule, seine Beziehung und seinen Freundeskreis vernachlässigt er immer mehr, sein einziges Interesse ist die Sucht.

Um überhaupt noch den gewünschten Nervenkitzel spüren zu können, muss er immer höhere finanzielle Risiken bei seinen Spieleinsätzen eingehen. Manche Betroffene spielen deshalb etwa an mehreren Automaten gleichzeitig.

Der Spielsüchtige hat keine Kontrolle mehr über sein Verhalten, wenn er mit einem Spiel angefangen hat, setzt er zum Beispiel beim Glücksspiel sein gesamtes verfügbares Geld ein. Macht er einen Gewinn, verspielt er diesen sofort wieder, auch wenn er schon längst Zehntausende oder Hundertausende Euro Schulden hat. Er kann sein Handeln nicht mehr steuern. Menschen, die süchtig nach Computer- oder Videospielen sind, verlieren dann völlig das Zeitgefühl und spielen zum Teil bis zur Erschöpfung.

Betroffene können die gravierenden Folgen ihrer Spielsucht nun nicht mehr ignorieren oder verharmlosen. Sie sehen, dass sie sich schweren Schaden zufügen und sind trotzdem nicht fähig, mit dem Spielen aufzuhören (nicht mal für eine kurze Zeit). Weil beispielsweise Glücksspielsüchtige fatalerweise der Meinung sind, sich nur durch einen hohen Gewinn von den Schulden befreien zu können, wird ihr Schuldenberg größer und größer.

Spielsucht: Diagnose

Eine Spielsucht kann nur durch Gespräche und detaillierte wissenschaftliche Fragebögen festgestellt werden. Beim ersten Gespräch kann ein Arzt, Psychologe oder Mitarbeiter einer Suchtberatungsstelle zum Beispiel folgende Fragen stellen:

  • Spielen Sie mehrmals pro Woche und haben Sie einen starken inneren Drang, zu spielen?
  • Haben Sie schon mal das komplette Geld, das Sie auf Ihrem Bankkonto besaßen, verspielt?
  • Haben Sie das Spielen schon mal vor Ihrem Partner oder vor Freunden (auch mit Hilfe von Notlügen) verharmlost oder verschwiegen?
  • Haben Sie schon mal versucht, mit dem Spielen aufzuhören und fiel Ihnen das schwer?

Werden die Fragen teilweise oder komplett mit „Ja“ beantwortet, handelt es sich wahrscheinlich um eine Spielsucht. Um eine Diagnose zu stellen, werden noch weitere Aspekte abgeklärt (siehe nächster Abschnitt).

Feststellen der Diagnose „Spielsucht“

Nach dem „Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen“ (kurz DSM) liegt bei einer Person eine Glücksspielsucht vor, wenn von den folgenden Kriterien mindestens vier zutreffen (bei weniger Kriterien besteht, je nach Schweregrad, zumindest ein problematisches Spielverhalten):

  • Der Geldeinsatz beim Spielen wird zunehmend gesteigert, um den gewünschten Kick zu erreichen.
  • Der Betroffene spürt eine Unruhe/Gereiztheit, wenn er das Spielen einschränkt oder versucht, damit aufzuhören.
  • Die Versuche, das Spielen zu reduzieren oder zu beenden, scheitern jedes Mal.
  • Der Betroffene beschäftigt sich gedanklich sehr häufig mit Glücksspielen.
  • Das Glückspiel dient auch dazu, negative Gefühle wie z.B. Ängste, Niedergeschlagenheit oder persönliche Probleme zu verdrängen.
  • Wenn der Betroffene einen Verlust macht, versucht er diesen durch erneutes Glücksspiel. auszugleichen und jagt vermeintlichen neuen Gewinnen hinterher (Experten sprechen von Chasing).
  • Der Betroffene vertuscht das Ausmaß seines Spielverhaltens und die Höhe seiner Schulden durch Lügen und/oder Verharmlosungen.
  • Der Betroffene hat durch das Spielen seinen Arbeitsplatz und/oder wichtige Beziehungen (Familie, Freunde) gefährdet bzw. verloren.
  • Der Betroffene versucht durch Kredite, Leihgaben von Familie oder Freunden oder auch durch kriminelle Aktionen (z.B. Diebstahl) Geld für das Glücksspiel zu bekommen.
  • Der Betroffene bittet andere, seine Glücksspielschulden zu bezahlen und sich somit aus der Klemme helfen zu lassen.

Test zur Spielsucht

Im Internet werden Tests angeboten, die helfen sollen, eine Spielsucht zu erkennen. Ein seriöser Online-Selbsttest ist etwa auf der Webseite der BZgA-Initiative „Verspiel nicht dein Leben“ zu finden: www.verspiel-nicht-dein-leben.de

Achtung: Ein Online-Test kann keinesfalls die Diagnose eines Psychologen oder Arztes ersetzen. Betroffene sollten daher auf jeden Fall auch ein persönliches Gespräch bei einer Sucht-Beratungsstelle, in einer psychotherapeutischen Praxis oder in einer Klinik führen.

Hinzu kommt, dass Süchtige oft nicht ehrlich (zu sich selbst) sind, wenn sie einen Online-Test durchführen und eventuell manche Antworten verharmlosen. Schließlich ist es nicht einfach, eine Abhängigkeit zuzugeben, Betroffene haben Scham- und Schuldgefühle. Manche wollen zudem das Spielen noch nicht komplett aufgeben.

Auch beim Gespräch mit einem Psychologen oder Arzt versuchen manche Betroffene die Ausmaße ihrer Sucht herunterzuspielen, aber im Gegensatz zum Online-Test, kann der Experte dies beim Gespräch erkennen und den Betroffenen einfühlsam auf eventuelle Widersprüche ansprechen. Denn nur wenn der Süchtige sich seine Sucht ehrlich eingesteht und wirklich den Willen hat, diese zu beenden, kann er von der Spielsucht loskommen.

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Spielsucht: Ursachen

Die Entstehung einer Spielsucht lässt sich meist nicht auf eine Ursache zurückführen. Es kommen in der Regel mehrere Faktoren zusammen, die eine Abhängigkeit fördern. Es sind nicht immer negative Faktoren, die zur Spielsucht führen. Manche Menschen haben im Vergleich zu anderen einen gesteigerten Spaß am Spiel, aus dem mit der Zeit und zunehmender Spielintensität eine Sucht wird. Versagensängste, ob im Job oder der in Schule, stehen häufig hinter einer Spielsucht. Bei Verheirateten oder Partnerschaften können es Eheprobleme bzw. Unstimmigkeiten und Konflikte zwischen den Partnern sein.

Warum Menschen spielsüchtig werden

Ein gibt zwar keine „Suchtpersönlichkeit“, aber einige Eigenschaften kommen häufig bei Spielsüchtigen vor: Viele Betroffene haben ein geringes Selbstwertgefühl und Probleme mit ihren Gefühlen umzugehen. Sie können Emotionen schlechter kontrollieren, manche neigen zu impulsivem Verhalten. Auch bestimmte Denkweisen, die zu Realitätsmangel und/oder Selbstüberschätzung tendieren können, begünstigen eine Spielsucht.

So glauben viele Spieler insbesondere beim Glücksspiel, dass sie das Spiel durch ihr Zutun beeinflussen können, zum Beispiel durch eine vermeintlich clevere Taktik („Ich setze beim Roulette nur auf gerade Zahlen“) oder bestimmte Rituale („Wenn ich den Würfel kurz anhauche oder küsse, fällt er garantiert auf die richtige Seite“). Experten sprechen hier von „magischem Denken“.

Wenn der Spieler gewinnt, führt er das oft auf sein eigenes Geschick zurück und nicht auf Zufall oder Glück. Das stärkt das Selbstwertgefühl des Spielers, er erlebt einen kurzen Glücksrausch und bekommt das Gefühl, dass das Hobby ihm guttut. Das Spielcasino oder die Spielhalle wird als angenehmer Ort wahrgenommen, manche erleben schon eine Dopaminausschüttung (Glücksgefühle) im Körper, sobald sie nur den Eingang der Spielhalle betreten.

Bei pathologischen Spielern hängt dann das Selbstbewusstsein und die Freude am Leben komplett davon ab, ob sie beim Spiel gewinnen oder verlieren. Ein Verlust löst Minderwertigkeitsgefühle, Selbstzweifel, Niedergeschlagenheit oder Wut aus. 

Manche Spielsüchtige berichten, dass sie beim Spielen eine enorme Ruhe empfinden (trotz der lauten Geräuschkulisse), sie sind total auf das Spiel konzentriert und können dabei Alltagsprobleme ausblenden. Sie spüren in der Zeit keine negativen Gefühle wie Angst, Kummer oder Traurigkeit mehr, es ist wie eine Art Betäubung. Manche verlieren sich regelrecht im Glücksspiel und wissen zeitweise nicht mehr, wo sie gerade sind.

Da viele Spieler zusätzlich noch an anderen Süchten wie etwa an einer Alkoholabhängigkeit leiden, verstärkt das Trinken noch die betäubende Wirkung.

Die Spielsucht entsteht in zahlreichen Fällen jedoch nicht erst im Erwachsenenalter. Oft liegen die Ursachen bereits in der Kindheit. Das können zum Beispiel negative, traumatische Erfahrungen sein, die die betreffende Person in der Kindheit gemacht hat. Ein erhöhtes Risiko besteht zudem für Kinder aus sozial schwachen Familien, Kinder mit Migrationshintergrund und für solche, die aufgrund örtlicher oder gesellschaftlicher Gegebenheiten oder auch persönlicher Eigenschaften stark isoliert sind. Ein Mangel an sozialen Kontakten und Interaktionen mit Gleichaltrigen kann Spielsucht fördern. Manchmal hat auch ein Elternteil bereits exzessiv gespielt und dem Kind die Sucht vorgelebt. Manche Kinder übernehmen später solch ein Verhalten. Eine Therapie kann helfen, sich vom Handeln des Elternteils zu distanzieren und einen anderen Lebensweg einzuschlagen. Dafür ist es jedoch wichtig, diese möglichst frühzeitig zu beginnen.

Warum Glücksspiele ein Suchtpotential haben

Das Suchtpotential, das Spiele entfalten können, wird bereits durch ihren Aufbau begünstigt: Der Verlauf der Glücksspiele (auch Hazardspiele genannt) ist schnell und ermöglicht einen raschen Kick. Am Spielautomaten etwa reicht es, einen Hebel runterzudrücken und dabei zuzusehen, wie in den nächsten Sekunden die einzelnen Symbole in einer Reihe auftauchen, der schnelle Wechsel von Anspannung und Entspannung wird als Nervenkitzel erlebt. Zudem ist der finanzielle Einsatz bei manchen Spielen relativ gering.

Meist wird zudem nicht mit echtem Geld bezahlt, sondern mit Ersatzwerten wie Plastik-Chips, Jetons oder Punkten. Auch dies trägt dazu bei, dass der Geldeinsatz und -verlust weniger real wirkt. Die Tatsache, dass Glücksspiele leicht zugänglich sind, unterstützt das Suchtpotential ebenfalls. So stehen Spielautomaten oft auch in Gaststätten, Spielhallen gibt es in fast jeder Stadt und im Internet kann man rund um die Uhr „zocken“. 

Spielsucht: Folgen

Finanzielle und soziale Folgen

Die Schulden der Betroffenen sind oft so hoch, dass sie diese nicht mehr zurückzahlen können. Während manche Spielsüchtige 50.000 Euro Schulden haben, sind es bei anderen 500.000 Euro. Manche Betroffenen begehen Diebstähle oder andere Betrugsdelikte, um an Geld zu kommen und riskieren damit Anzeigen und eine Haftstrafe.

Da Süchtige außerdem oft bereits ihre Arbeit, ihren Partner und Freunde verloren haben (bzw. die Beziehung zu ihnen sehr strapaziert ist) und einsam sind, ist die Spielwelt nun der einzige Ort, an dem sie sich „zuhause“ fühlen. Eine fatale Entwicklung.

Körperliche und psychische Folgen

Im Suchtstadium haben Betroffene deutliche körperliche und psychische Symptome. Stress und Angstgefühle nehmen zu, auch Panikattacken und Depressionen können entstehen. Pathologische Spieler haben Konzentrationsprobleme, zittrige Hände, Schweißausbrüche, eine innere Unruhe, erhöhte Reizbarkeit, Schlafstörungen.

Suizidversuche

Nehmen Schulden und Einsamkeit gravierende Ausmaße an, kann es auch zu Suizidgedanken und Suizidversuchen kommen. Zwanzig Prozent aller Spielsüchtigen haben bereits einmal darüber nachgedacht, sich das Leben zu nehmen, fünf Prozent haben einen Suizidversuch unternommen, zeigt eine Studie der britischen Glücksspielbehörde. Das pathologische Glücksspiel ist die Suchterkrankung mit der höchsten Suizidrate.

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Spielsucht: Gefahren und Hilfe für Angehörige

Die Angehörigen von Spielsüchtigen sind von der Sucht ebenfalls gravierend betroffen. Zum einen, weil der pathologische Glücksspieler oft nicht nur sein gesamtes Vermögen, sondern auch das Geld, das für die Familie verwendet wird (z.B. für Miete, Einkäufe, Kleidung, Versicherungen etc.), verspielt. Dadurch fehlt das Geld für wichtige Zahlungen und Anschaffungen, außerdem haftet der Ehepartner auch mit für den finanziellen Schaden. 

Keine andere Sucht ist so stark mit vehementen Schulden verbunden wie die Glücksspielsucht. Daher sollten auch die Angehörigen eines Spielsüchtigen eine Schuldnerberatung aufsuchen. Diese kann einen Rückzahlungsplan mit den Betroffenen anfertigen und mit den Gläubigern sprechen, um etwa eine mehrjährige Ratenzahlung für die Rückzahlung des geschuldeten Geldes zu vereinbaren.

Eine wichtige Regel: Leihen Sie dem Spielsüchtigen kein Geld! Niemals! Auch wenn er noch so sehr verspricht, das Geld nur zum Zurückzahlen der Schulden zu verwenden, er wird das nicht tun, sondern es wieder verspielen. Spielsucht ist eine Krankheit, die ein zwanghaftes Handeln verursacht, der Süchtige hat sein Verhalten nicht mehr unter Kontrolle. Egal, wie sehr er das Gegenteil versichert. Es gab schon Fälle, da haben Spielsüchtige einen Schuldenberg von 400.000 Euro angehäuft und die Eltern mussten ihr Haus verkaufen, um die Rückstände bezahlen zu können. 

Wenn Sie ein gemeinsames Konto haben, sperren Sie dieses und eröffnen Sie ein neues Konto (auf das nur Sie Zugriff haben und auf keinen Fall der Spielsüchtige), auf dem Ihr Lohn und alle wichtigen Eingänge (z.B. Kindergeld) und Überweisungen stattfinden.

Die Familie leidet zum anderen aber auch deshalb unter der Sucht, weil der Betroffene sich fast nur noch für die Spielwelt interessiert und alles andere vernachlässigt. Er ist seltener zuhause oder isoliert sich in seinem „Spielzimmer“, seine Gedanken kreisen ständig ums Spielen und die Geldbeschaffung dafür, andere Dinge nimmt er kaum noch wahr. Hinzu kommt, dass Spielsüchtige ihre Angehörigen und Freunde häufig anlügen, um das Ausmaß des Spielens und der Schulden zu verheimlichen. Streit, Spannungen und ein zerstörtes Vertrauen sind die Folge.

Oftmals versuchen die Angehörigen von Glücksspielsüchtigen dann die entstandene Lücke zu füllen, indem sie zum Beispiel Erspartes abbuchen, um die Löcher in der Haushaltskasse zu stopfen, Entschuldigungen erfinden, wenn der Spielsüchtige in die Spielhalle geht, anstatt zu einem Elternabend oder zu einem Geschäftsessen, sich Ausreden für Kinder einfallen lassen, warum der spielsüchtige Elternteil am Wochenende kaum zuhause ist.

Es ist verständlich, den betroffenen Partner auf die Weise beschützen zu wollen, doch leider unterstützt das nur eines: die Sucht. Denn ein pathologischer Spieler kann nur von der Abhängigkeit loskommen, wenn er einsieht, dass sein Leben durch das Spielen den Bach runtergeht. Mit Entschuldigungen und Ausreden hilft man ihm aber, der Realität nicht ins Auge blicken zu müssen, sondern weiterzumachen. Man wird dadurch sozusagen zum Komplizen der Sucht und kann Co-abhängig werden.

Spielsucht-Prävention

Der Spielsucht lässt sich in vielen Fällen vorbeugen. Oft entwickelt sie sich schleichend. Handeln Sie also, bevor das Spielen krankhaft wird. Viele Behandlungsstrategien können auch präventiv wirken. Wenn Sie feststellen, dass Sie, einer Ihrer Angehörigen oder Freunde dazu neigen, zu viel oder aus den falschen Gründen zu spielen, hilft es oft aber schon, das Spiel bewusst und direkt wieder zu beenden. Suchen Sie sich eine alternative Beschäftigung oder schlagen Sie eine vor. Psychologen und Psychotherapeuten empfehlen zumeist körperliche Aktivitäten, da diese sowohl den Geist als auch den Körper stimulieren und fordern. So lässt das Verlangen, zu spielen, schneller nach und baut sich zudem langsamer wieder auf. Im Idealfall verschwindet es auch ganz. Seien Sie mutig und sprechen Sie Probleme an. Ziehen Sie sich nicht zurück und versuchen Sie nicht, Konflikten zu entfliehen. In den meisten Fällen lösen diese sich dadurch nicht auf, sondern verschlimmern sich eher noch.

Um eine übermäßige, suchtgefährdende Mediennutzung bei Kindern zu vermeiden, gibt es ebenfalls Empfehlungen, die sich vor allem an die Eltern richten. Denn sie sind es, die wesentlich darauf Einfluss nehmen können, wann und wie ihre Kinder Medien oder auch Computer- und Videospiele nutzen. Die Empfehlungen sind teilweise allgemein, aber auch altersspezifisch. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin spricht sich insbesondere bei Bildschirmmedien wie Smartphones, Computer oder TV-Geräte für festgelegte Nutzungszeiten und eine begrenzte Nutzungsdauer aus.

  • unter 3 Jahre: weder aktiv noch passiv
  • 3 bis 6 Jahre: maximal 30 Minuten
  • 6 bis 9 Jahre: maximal 45 Minuten
  • 9 bis 12 Jahre: bis 60 Minuten
  • 12 bis 16 Jahre: 1 bis 2 Stunden
  • ab 16 Jahre: unbeschränkt

Weitere Empfehlungen für Präventionsmaßnahmen sind unter anderem:

  • medienfreie Zeiten festlegen (z. B. beim Essen oder gesellschaftlichen Aktivitäten, beim Lernen, morgens vor der Schule sowie mindestens eine Stunde vorm Schlafengehen)
  • Bildschirmmedien beim Schlafen ausschalten (idealerweise nicht in Schlafräumen aufstellen)
  • Internetzugang altersgerecht gestalten (bei Kindern unter 16 Jahren einschränken)
  • an Altersempfehlungen von Medien orientieren und halten (z. B. über Kindersicherung und Schutzprogramme)

Zeigen Sie immer Interesse für die Medien, die Ihr Kind nutzt. Lassen Sie sich von Ihrem Kind erklären, warum es zum Beispiel bestimmte Spiele spielt oder Netzwerke nutzt. Damit überlassen Sie Ihr Kind nicht sich selbst und können frühzeitig einschreiten. Es entwickelt zudem ein besseres Verständnis für die positiven und möglichen negativen Effekte dieser Medien.

Bei all der Vorschläge schauen Sie immer, ob und welche Maßnahmen wirklich hilfreich für Ihr Kind sein können. Am wichtigsten ist es, dass Sie mit Ihrem Kind offen und behutsam über mögliche Probleme sprechen. Erklären Sie ihm, welche Folgen eine Spielsucht haben kann und wie Sie Ihrem Kind helfen wollen. Lassen Sie es möglichst mitentscheiden, denn auf diese Weise haben Präventionsmaßnahmen den größten Erfolg.

Quellen
  • S2k-Leitlinie: Prävention dysregulierten Bildschirmmediengebrauchs in Kindheit und Jugend (Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ)); Stand: 15.07.2023
  • Hygen, B W et al.: The co-occurrence between symptoms of internet gaming disorder and psychiatric disorders in childhood and adolescence: prospective relations or common causes?; J Child Psychol Psychiatry; 2020; DOI: 10.1111/jcpp.13289
  • Myers D G: Lehrbuch Psychologie; Springer Science Verlag; 3. Auflage 2014
  • Röhr H: Sucht - Hintergründe und Heilung: Abhängigkeit verstehen und überwinden; Patmos Verlag; 6. Auflage 2014
  • Online-Informationen Medical Tribune: www.medical-tribune.de; Abruf: 29.08.2023
  • Online-Informationen Berufsverbände für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie: www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org; Abruf: 29.08.2023
  • Online-Informationen Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern: www.verspiel-nicht-dein-leben.de; Abruf: 29.08.2023 
  • Online-Informationen Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration und Sucht.Hamburg gGmbH: www.automatisch-verloren.de; Abruf: 29.08.2023
  • Online-Informationen Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland. Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends. BZgA-Forschungsbericht / Januar 2020: www.bzga.de; Abruf: 29.08.2023
  • Online-Informationen Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Vom Glücksspiel zur Spielsucht: www.spielen-mit-verantwortung.de; Abruf: 29.08.2023
  • Online-Informationen Uniklinik Freiburg: www.uniklinik-freiburg.de; Abruf: 29.08.2023
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