Zusammenfassung:
- Definition: Epilepsie ist eine vorübergehende Funktionsstörung des Gehirns, die durch neurologische Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle sind die Folge einer krankhaften und extremen neuronalen Aktivität im Gehirn. Eine Epilepsieerkrankung liegt vor, wenn mindestens zwei epileptische Anfälle ohne konkreten Auslöser aufgetreten sind oder ein erhöhtes Risiko für weitere Anfälle besteht.
- Formen und Ursachen: Es gibt verschiedene Arten von Epilepsien, darunter fokale und generalisierte Anfälle sowie Epilepsiesyndrome. Ursachen können genetische Veranlagung, Hirnschäden, Infektionen oder Stoffwechselstörungen sein. Oft ist die genaue Ursache jedoch unbekannt.
- Symptome: Die Symptome sind je nach Anfallsform unterschiedlich und reichen von kurzen Abwesenheitszuständen bis zu generalisierten Anfällen mit Bewusstseinsverlust. Manche Betroffene nehmen vor dem Anfall Vorzeichen wahr, die einer Aura ähneln.
- Verlauf und Lebenserwartung: Epilepsien verkürzen die Lebenserwartung nicht grundsätzlich. Die meisten Patienten können ein normales Leben führen, auch wenn die Anfälle eine Herausforderung darstellen können. Die Notfallversorgung hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert.
- Diagnose: Die Diagnose basiert auf der Anamnese, körperlichen und neurologischen Untersuchungen, EEG und MRT. Diese Untersuchungen helfen, die Ursache der Anfälle festzustellen und die richtige Therapie einzuleiten.
- Therapie: Die Behandlung zielt darauf ab, Anfälle zu verhindern. Häufig kommen Antiepileptika zum Einsatz. Bei etwa einem Drittel der Patienten kommt eine Operation in Frage, um Anfallsfreiheit zu erreichen.
- Leben mit Epilepsie: Viele Patienten können trotz ihrer Erkrankung am normalen Alltag teilnehmen. Wichtig sind bestimmte Vorsichtsmaßnahmen beim Autofahren, Sport und bei der Ernährung. Impfungen sollten nach den allgemeinen Empfehlungen durchgeführt werden.
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Was ist Epilepsie?
Bei Epilepsie handelt es sich um eine zeitlich begrenzte Funktionsstörung des Gehirns. Sie zeigt sich durch neurologische Anfälle. Das passt zur lateinischen Bedeutung: „epilepsia“ ist ein „Anfall“ oder ein „Krampfanfall“. Mediziner definieren einen epileptischen Anfall als ein vorrübergehendes Auftreten von Symptomen aufgrund einer krankhaften und extremen neuronalen Aktivität im Gehirn.
Per Definition liegt eine Epilepsie-Erkrankung vor, wenn eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:
- Mindestens zwei epileptische Anfälle im Abstand von mehr als 24 Stunden auftreten, ohne einen konkreten Auslöser.
- Das Risiko für weitere Anfälle in den nächsten zehn Jahren ist deutlich erhöht, obwohl bislang nur ein Anfall aufgetreten ist. Das ist zum Beispiel bei Gehirnerkrankungen und -schäden, die Anfälle auslösen können, der Fall oder wenn die Hirnstrommessung (EEG) auffällig ist und eine erhöhte Anfallsbereitschaft aufzeigt.
- Bestimmte Befunde wie EEG, bildgebende Verfahren, Anfallsart und Alter des Patienten ein sogenanntes Epilepsiesyndrom belegen.
Neben der echten Epilepsie können sogenannte Gelegenheitsanfälle auftreten. Es handelt sich dabei um einzelne epileptische Anfälle, die im Verlauf einer anderen Grunderkrankung auftreten. Ein Beispiel dafür sind Fieberkrämpfe. Klingt die Erkrankung ab oder wird behandelt, verschwinden auch die Krampfanfälle.
Epileptische Anfälle und Epilepsien können in jedem Lebensalter auftreten. Kleinkinder und Personen über 50 Jahren sind am häufigsten von Krampfanfällen betroffen. Der erste Anfall kann bereits in der Kindheit auftreten, aber auch erst im Erwachsenenalter. Zwischen den Anfällen haben die Patienten meist keine Beschwerden.
Etwa fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung erleiden im Verlauf ihres Lebens einen epileptischen Anfall. Knapp ein Prozent der Bevölkerung erkrankt an der Krankheit Epilepsie. Das Risiko eine Epilepsie zu entwickeln liegt bei etwa drei bis vier Prozent, Tendenz steigend. Der Grund für diesen Trend ist das erhöhte Risiko für epileptische Erkrankungen bei Personen über 65 Jahren. Durch den höheren Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung steigt auch die Zahl der diagnostizierten Epilepsien.
Epilepsie: Formen
Früher wurden Epilepsien in symptomatische (strukturelle oder metabolische), idiopathische (genetische) und kryptogene (unbekannte) Epilepsien eingeteilt. Diese Einteilung der Epilepsie-Arten ist inzwischen veraltet.
Mediziner unterteilen epileptische Anfälle und Epilepsien in verschiedene Epilepsie-Arten. Dabei schauen sie insbesondere darauf, welche Bereiche der Anfall im Gehirn umfasst.
Bei den epileptischen Anfällen unterscheiden Ärzte zwischen den nachfolgenden Formen:
- fokale Anfälle: Hier sind die Anfälle auf ein Hirnareal begrenzt. Die Symptome hängen davon ab, welche Funktion das entsprechende Areal hat. Möglich sind motorische Ausfälle, Sehstörungen, Empfindungsstörungen oder Sprachstörungen oder Ängste.
- generalisierte Anfälle: Der epileptische Anfall betrifft das ganze Gehirn. Ärzte differenzieren bei generalisierten Anfällen weiter, etwa in tonischen Anfall (Gliedmaßen verkrampfen und versteifen), klonischen Anfall (langsame Zuckungen großer Muskelgruppen) oder tonisch-klonischen Anfall (Grand mal).
- nicht klassifizierbare Anfälle: Die Anfälle haben keinen klaren Beginn und keine klare Ursache.
Ein epileptischer Anfall kann fokal beginnen und sich im Verlauf auf das ganze Gehirn ausbreiten. Es entwickelt sich ein generalisierter Anfall.
Wie auch die Anfälle unterteilen Mediziner Epilepsien anhand der Regionen, in denen die sie begleitenden Anfälle auftreten:
- fokale Epilepsie: Auf eine Hirnhälfte beschränkt.
- generalisierte Epilepsie: Betrifft beide Hirnhälften.
- kombiniert generalisierte und fokale Epilepsie: Beide Formen von Anfällen treten auf.
- unklassifizierte Epilepsie: Die Anfälle lassen sich nicht klar zuordnen.
Schließlich kann ein Epilepsiesyndrom auftreten. Dabei handelt es sich um eine Unterformen der Epilepsie. Ärzte betrachten typische Befundkonstellationen wie Anfallsart, Ergebnisse des EEGs, bildgebende Verfahren und das Erkrankungsalter des Patienten. Besteht eine bestimmte Kombination an Symptomen und Befunden, sprechen Mediziner von einem Epilepsiesyndrom.
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Epilepsie: Symptome
Da eine Epilepsie durch die epileptischen Anfälle gekennzeichnet ist, hängen die Symptome von der Art des Anfalls ab. Die Anzeichen können vielfältig sein. Sie können von kurzen Abwesenheitszuständen, bei denen die Betroffenen für einige Sekunden wie "abwesend" wirken und nicht auf Ansprache reagieren, über unkontrollierte Zuckungen und Bewegungen eines Körperteils (fokale Anfälle) bis hin zu generalisierten Anfällen, die den gesamten Körper betreffen und zu einem Verlust des Bewusstseins führen, reichen.
Manche Epilepsie-Patienten berichten von Vorboten vor einem epileptischen Anfall. Ähnliche wie bei Migräne-Kopfschmerzen kann eine Aura auftreten. Das bedeutet, die Patienten spüren anhand von Übelkeit, einem aufsteigenden Wärmegefühl im Körper oder dem Gefühl der Unwirklichkeit, dass ein Anfall bevorsteht.
Epileptischer Anfall
Eine Epilepsie äußert sich meist erstmals beim Auftreten des ersten epileptischen Anfalls. Ein epileptischer Anfall zeigt sich auf verschiedene Arten. Der Patient leidet für einige Sekunden bis zu zwei Minuten an motorischen Ausfällen, Empfindungsstörungen und/oder psychischen Beschwerden.
An diesen Anzeichen können Sie einen epileptischen Anfall bzw. eine Epilepsie erkennen:
- Muskelzuckungen und verkrampfte Gliedmaßen
- Muskelschwäche in einer Körperhälfte (z.B. Herunterhängen eines Mundwinkels, Bewegungsunfähigkeit eines Armes)
- Patient stürzt
- offene, starre, leere oder verdrehte Augen
- Kontrollverlust über Blase und Darm
- Desorientiertheit
- Bewusstlosigkeit oder Bewusstseinsstörungen
- Schaum vor dem Mund
- Kopfschmerzen (insbesondere nach dem Anfall)
Epileptische Anfälle weisen einige typische Merkmale auf:
- unvorhersehbar
- unterschiedliche Häufigkeit (mehrere Anfälle pro Tag/einige wenige Anfälle im Jahr)
- ähnlicher Ablauf
- ähnliche Dauer
- Bewusstlosigkeit bzw. Bewusstseinsstörungen während des Anfalls und danach
In seltenen Fällen hält ein epileptischer Anfall länger als fünf Minuten bis hin zu mehreren Stunden an oder besteht dauerhaft. Dann sprechen Mediziner vom sogenannten “Status epilepticus”. In diesem Fall ist eine klinische Versorgung immer notwendig – es handelt sich um einen neurologischen Notfall.
In der Regel verursacht ein epileptischer Anfall keinen bleibenden Schaden. Kommt es zu einem Anfall, sollten Betroffene dennoch immer einen Arzt aufsuchen. Ein Anfall kann viele verschiedene Auslöser haben, Epilepsie ist nur eine davon. Der Arzt ermittelt die Ursache des Anfalls und kann eine entsprechende Behandlung einleiten.
Epilepsie: Erste Hilfe
Wenn ein Epilepsie-Anfall auftritt, gilt es, Ruhe zu bewahren. In der Regel klingt der Anfall von alleine nach etwa zwei Minuten wieder ab. Beobachter des epileptischen Anfalls können Erste Hilfe leisten:
- Gegenstände, die eine Verletzungsgefahr darstellen, außer Reichweite bringen
- ein Kleidungsstück oder Kissen unter den Kopf legen
- Brille abnehmen
- beengende Kleidungsstücke lösen
- nach dem Anfall: Patienten in die stabile Seitenlage bringen
Ein Beißkeil zwischen den Zähnen ist bei einem akuten Anfall nicht hilfreich. Während des Anfalls schädigt der Keil die Zähne. Der Patient beißt sich in den meisten Fällen direkt zu Beginn des Anfalls auf die Zunge. Danach ist der Beißkeil ohnehin nutzlos.
Sie sollten den Betroffenen während des Anfalls auch nicht festhalten oder festschnallen. Beim groben Festhalten könnten vor allem bei Kindern leicht Knochen brechen. Lassen Sie den Patienten krampfen, bis der Anfall vorüber ist.
Eine Beatmung ist nicht notwendig. Auch eine Stimulation mit kaltem Wasser oder das Bewegen der steifen Muskulatur ist eher schädlich als hilfreich.
Liegt ein tonisch-klonischer Anfall vor (Grand mal-Anfall) kann in extremen Fällen das Notfallmedikament Diazepam verabreicht werden. Von einem Grand mal-Anfall sprechen Mediziner, wenn der Anfall einem bestimmten Ablauf folgt:
Er setzt meist ohne Vorwarnung ein und der Betroffene stürzt bewusstlos zu Boden. In der ersten Phase (tonische Phase) kommt es etwa 20 bis 30 Sekunden lang zu einer extremen Anspannung und Versteifung der Muskulatur. In schweren Fällen droht ein Atemstillstand und Sauerstoffmangel mit Blaufärbung der Haut und/oder der Schleimhäute.
In der zweiten Phase (klonische Phase) folgen unwillkürliche, rhythmische Muskelzuckungen, vor allem der Arme und Beine. Betroffene beißen sich dabei oft auf die Zunge und die Blase entleert sich. Der Zustand hält etwa drei bis fünf Minuten an. Es folgt die dritte Phase, in der der Betroffene verwirrt und schläfrig ist oder aus Erschöpfung in einen Nachschlaf fällt. Das Epilepsie-Notfallmedikament Diazepam ist erst dann nötig, wenn der Anfall länger als drei Minuten andauert. Es wird wie ein Zäpfchen eingeführt.
Medizinischer Notfall: Status epilepticus
Liegt ein Status epilepticus vor, sollten Umstehende sofort den Notarzt verständigen. Der Zustand ist lebensgefährlich! Beim Status epilepticus handelt es sich entweder um einen epileptischen Anfall, der nicht von selbst endet, oder um mehrere, kurz hintereinander auftretende Anfälle. Dieser neurologische Notfall bedarf umgehend einer Therapie.
Der Patient erhält zunächst ein Beruhigungsmittel der Benzodiazepine. Hat der Epileptiker das Mittel dabei, können auch Laien das Medikament verabreichen. Oft liegt es in Tropfenform vor und kann über den Mund verabreicht werden. In Tablettenform legen Sie dem Patienten das Mittel in die Wange. Auch Rektaltuben oder Analzäpfchen (Arzneimittellösung zur rektalen Anwendung, d. h. zum Einführen in den After) können zur Anfallsunterbrechung eingesetzt werden. Allerdings ist die Anwendung umständlich und wird in der Regel nur im heimischen Bereich vorgenommen. Der Notarzt kann das Beruhigungsmittel auch als Spritze in eine Vene geben. Die Behandlung wird dann im Krankenhaus fortgesetzt.
Epilepsie: Behandlung
Bislang ist Epilepsie nicht heilbar. Das Ziel der Behandlung ist es, die epileptischen Anfälle zu unterbinden – und das mit möglichst wenigen Nebenwirkungen. Einige Verhaltensweisen können das Risiko für einen erneuten Anfall reduzieren, man spricht dann von „Triggern“. So vermeiden Sie bekannte Epilepsie-Trigger:
- Schlafen Sie regelmäßig und ausreichend
- Trinken Sie nicht übermäßig viel Alkohol
- Konsumieren Sie keine Drogen
- Meiden Sie flackerndes Licht
- Nehmen Sie Medikamente nur nach ärztlicher Absprache ein
Nach dem ersten epileptischen Anfall können – und nach mehreren Anfällen sollten – Betroffene die Behandlung der Epilepsie beginnen. Ohne Therapie steigt das Risiko für wiederholte Anfälle.
Tritt nur ein einziger epileptischer Anfall auf, ohne dass der Arzt eine zugrundeliegende Erkrankung feststellen kann, kann der Patient auf eigenen Wunsch dennoch eine Epilepsie-Therapie starten. Die Entscheidung treffen Arzt und Patient gemeinsam. Ob eine Behandlung sinnvoll ist, hängt von verschiedenen individuellen Fragen ab. Zum Beispiel:
- Wie wahrscheinlich ist ein erneuter Anfall?
- Wie wirkt sich der Anfall auf das alltägliche Leben aus?
- Welche Epilepsie-Form liegt vor?
- Wie stehen die Chancen, dass die medikamentöse Behandlung wirkt?
- Überwiegt der Nutzen der Medikamente die möglichen Nebenwirkungen?
Ist eine Grunderkrankung wie zum Beispiel eine Stoffwechselstörung oder eine Hirnhautentzündung der Grund für die Anfälle, sollte der Patient oder die Patientin diese umgehend behandeln lassen.
Epilepsie: Medikamente
Um epileptische Anfälle zu verhindern, kann der behandelnde Arzt sogenannte Antiepileptika verschreiben. Mithilfe der Mittel können viele Patienten ohne Anfälle leben. Die Epilepsie-Tabletten wirken wie eine Art “Anfallsblocker”. Sie erhöhen die „Schwelle“ des Gehirns für das Auftreten von Anfällen. Das heißt, sie verhindern zwar Anfälle, wirken aber nicht gegen die eigentliche Ursache der Epilepsie.
Den meisten Patienten hilft ein Monopräparat. Das bedeutet, der Betroffene muss nur ein einziges Mittel einnehmen, um die Anfälle in den Griff zu bekommen. Bei anderen zeigt das erste Mittel keine oder keine ausreichende Wirkung. Dann stellt der Arzt die Therapie auf ein anderes Medikament um oder verschreibt zusätzlich ein weiteres Antiepileptikum. Manchmal müssen Arzt und Patient mehrere Mittel ausprobieren, bis sie die ideale Therapie finden.
Es gibt mehr als 20 Medikamente gegen epileptische Anfälle in verschiedenen Darreichungsformen. Die am häufigsten eingesetzten Mittel sind:
- Lamotrigin (LTG)
- Lacosamid (LCM)
- Levetiracetam (LEV)
Andere Antiepileptika sind zum Beispiel:
- Carbamazepin (CBZ)
- Gabapentin (GBP)
- Kaliumbromid (KBR)
- Mesuximid (MSM)
Es gibt Mittel, die bei einem akuten epileptischen Anfall helfen. Andere Medikamente sorgen dauerhaft eingenommen dafür, dass weniger Anfälle auftreten. Wann, welches Medikament in Frage kommt, hängt immer vom individuellen Krankheitsfall ab. Sind Sie betroffen, besprechen Sie die Medikation mit Ihrem Arzt und halten Sie sich auf jeden Fall an die Vorgaben.
Die Epilepsie-Medikamente gibt es als Tabletten, Kapseln oder als Saft. Manche Mittel werden als Spritze, Infusion oder Zäpfchen angewendet.
Wichtig: Antiepileptika sollten Patienten nie ohne ärztliche Rücksprache absetzen oder die Dosis verändern. Das kann lebensgefährlich werden!
Epilepsie Medikamente können unter anderem folgende Nebenwirkungen verursachen:
- Müdigkeit
- Schwindel
- Sehen von Doppelbildern
- Leberversagen
- allergische Hautreaktionen
- Nervenschäden (Polyneuropathie)
- Gesichtsfeldausfälle
- Gewichtsveränderungen
- Magen-Darm-Beschwerden
Wenn Sie als Patient oder Patientin nach der Einnahme oder Anwendung der Antiepileptika diese oder andere Beschwerden bemerken, besprechen Sie das mit Ihrem Arzt. Gegebenenfalls kann er ein besser verträgliches Präparat verschreiben oder die Dosierung anpassen.
Etwa die Hälfte der erwachsenen Patienten sind mit der Einnahme des ersten Medikaments anfallsfrei. Bei weiteren 20 Prozent wirkt die Medikation nach der ersten Anpassung. Das bedeutet allerding auch, dass bei drei von zehn Betroffenen die Medikamente nicht wirken. Warum das so ist, ist bislang unklar.
Antiepileptika werden meist über mehrere Jahre eingenommen. Wenn mindestens zwei Jahre lang keine epileptischen Anfälle mehr aufgetreten sind und das EEG unauffällig ist, können Patienten in Absprache mit dem Arzt das Medikament langsam absetzen. Die Dosierung wird vom Arzt Schritt für Schritt reduziert.
Etwa zwei Drittel aller anfallsfreien Patienten bleiben auch nach dem geplanten Absetzen der Medikamente anfallsfrei. Allerdings muss etwa jeder Zweite erwachsene Patient (55 Prozent) lebenslang ein Antiepileptikum einnehmen.
Epilepsie: Operation
Ungefähr ein Drittel der Epilepsie-Patienten wird auch mit medikamentöser Behandlung nicht dauerhaft anfallsfrei. Für sie kommt zur Behandlung unter Umständen eine Operation in Betracht. Die Operation hat das Ziel, Betroffene dauerhaft anfallsfrei zu machen. Es handelt sich dabei um ein etabliertes und standardisiertes Verfahren mit dem Patienten seit etwa 100 Jahren erfolgreich behandelt werden.
Zur operativen Behandlung der Epilepsie stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Welches Verfahren für Patienten infrage kommt, bestimmen Ärzte mit umfangreichen Voruntersuchungen, die etwa verschiedene bildgebende Verfahren beinhaltet. Grundsätzlich unterscheiden sich die Operationsmöglichkeiten in zwei Kategorien: Resektive Verfahren, bei denen der Anfälle auslösende Teil des Gehirns entfernt wird, um so komplette Anfallsfreiheit zu erlangen und palliative Verfahren, die darauf abzielen, die Schwere und Häufigkeit der Anfälle zu reduzieren.
Resektive Verfahren:
- Resektive Operation: Bei resektiven Operationsverfahren wird der Teil des Gehirns, von dem die epileptischen Anfälle ausgehen, chirurgisch entfernt. Diese Methode wird oft angewendet, wenn die Anfälle von einer klar definierten Region im Gehirn ausgehen, die ohne signifikante Beeinträchtigung der Gehirnfunktion entfernt werden kann.
- Laser- und Radiofrequenz-Thermoablation: Diese minimal-invasive Methode verwendet Laserlicht oder Radiofrequenzwellen, um gezielt kleine Bereiche des Gehirngewebes zu erhitzen und zu zerstören, von denen epileptische Anfälle ausgehen. Die Präzision dieser Techniken minimiert das Risiko für umliegendes gesundes Gehirngewebe und bietet eine Alternative für Patienten, die für traditionelle chirurgische Eingriffe nicht geeignet sind.
- Stereotaktische Radiochirurgie: Bei dieser nicht-invasiven Methode werden hochpräzise Strahlenbündel auf den Bereich des Gehirns gerichtet, der für die Anfälle verantwortlich ist, um diesen zu beschädigen oder zu zerstören. Ein bekanntes Gerät für diese Technik ist das Gamma Knife. Die stereotaktische Radiochirurgie eignet sich besonders für tief liegende Gehirnregionen, die chirurgisch schwer zugänglich sind.
Palliative Verfahren:
- Diskonnektive Operationsverfahren: Diskonnektive Verfahren zielen darauf ab, die Ausbreitung epileptischer Aktivität im Gehirn zu unterbinden, indem die Verbindungen zwischen den betroffenen Gehirnteilen durchtrennt werden, ohne diese vollständig zu entfernen. Ein bekanntes Beispiel ist die Kallosotomie, bei der die Verbindung zwischen den beiden Gehirnhälften durchtrennt wird, um die Ausbreitung von Anfällen zu verhindern.
- Extra- und intrakranielle Stimulationsverfahren: Diese Verfahren umfassen Techniken wie die Vagusnervstimulation (extrakraniell) und die tiefe Hirnstimulation (intrakraniell), bei denen Geräte implantiert werden, um elektrische Impulse an das Gehirn oder den Vagusnerv zu liefern.
Die Voruntersuchungen und die Operation selbst sollten in Deutschland nur von zertifizierten Epilepsie-Zentren durchgeführt werden. Die entsprechende Zertifizierung wird von der Deutsche Gesellschaft für Epileptologie vergeben und ist an zahlreiche Auflagen und Mindestvorgaben hinsichtlich personeller und technischer Ausstattung sowie institutionellen Mindeststandards geknüpft.
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Epilepsie: Welcher Arzt ist der richtige?
Tritt erstmals ein Anfall auf, sollten Betroffene umgehend einen Arzt aufsuchen. Er kann feststellen, ob es sich um eine Epilepsie handelt. Der erste Ansprechpartner ist dabei der behandelnde Hausarzt. Bei Bedarf stellt er eine Überweisung an einen Neurologen aus.
Der Neurologe hat die Mittel alle notwendigen Tests durchzuführen, um eine Epilepsie zu diagnostizieren. Außerdem kann er die entsprechende Behandlung einleiten.
Epilepsie: Ursachen
Die Ursache eines epileptischen Anfalls liegt im Gehirn: Bei einem epileptischen Anfall ist die Zusammenarbeit der Nervenzellen im Gehirn gestört. Sie entladen ihre Spannung unkoordiniert und senden übermäßig Signale an die Muskulatur. Der Grund dafür kann ein Ungleichgewicht an anregenden und hemmenden Botenstoffen (Transmitter) sein. Das führt zu einer starken Schwankung des elektrischen Potentials, die die Muskeln unkontrolliert zucken lassen.
Sind die Strukturen im Gehirn verändert, zum Beispiel durch Narben, Tumoren, Blutungen nach einem Schlaganfall, Hypoglykämie oder Alkoholmissbrauch, begünstigt das die Entstehung eines epileptischen Anfalls. Gleichzeitig mit der neuronalen Entladung steigert sich die Durchblutung im betroffenen Hirnareal – die unkoordinierte Entladung breitet sich leichter aus.
Epilepsie hat viele verschiedene Ursachen. Dazu gehören zum Beispiel:
- genetische Veranlagung
- Stoffwechselerkrankungen
- angeboren Fehlbildungen des Gehirns
- Hirnschäden (z.B. nach einem Schlaganfall, nach Alkoholmissbrauch, durch Demenz-Erkrankungen)
- Entzündungen des Gehirns
- Traumata
- Tumoren
Gelegentlich können Ärzte oder die Patienten selbst einen konkreten Auslöser für den neurologischen Anfall ausmachen. Mögliche Epilepsie-Trigger sind:
- Schlafentzug
- psychischer Stress
- körperliche Verausgabung
- Alkoholentzug
- Medikamente (z.B. Antidepressiva, Antibiotika, Antipsychotika)
- Drogen
- flackerndes Licht (z.B. in der Disko, Videospiel oder Fernsehen)
- Lesen
- Hyperventilation
- hohes Fieber
Hinweis: Obwohl es zahlreiche Wirkstoffe gibt, die epileptische Anfälle auslösen können, handelt es sich um eine seltene Komplikation. Weniger als zwei Prozent der Anfälle gehen auf Medikamente und Drogen zurück.
Insgesamt unterteilen Ärzte eine Epilepsie in sechs verschiedene Kategorien, je nachdem, welche Ursache oder welcher Auslöser ihr zugrunde liegt:
- Strukturelle Epilepsie: Diese Form der Epilepsie ist auf eine sichtbare Veränderung oder Schädigung im Gehirn zurückzuführen, wie zum Beispiel durch einen Schlaganfall, Tumore, Gehirnverletzungen oder Entwicklungsstörungen des Gehirns.
- Genetische Epilepsie: Bei dieser Variante sind die Ursachen der Epilepsie in den Genen verankert. Sie kann auf spezifische genetische Veränderungen zurückgeführt werden, die zu einer Neigung zu epileptischen Anfällen führen. Wichtig: „Genetisch bedingt“ ist nicht gleichzusetzen mit „vererbbar“. In den meisten Fällen tritt die genetische Veränderung neu auf. Von einer erblich bedingten (vererbten) Epilepsie spricht man nur bei einer familiären Häufung der Krankheitsfälle. Das betrifft lediglich eine kleine Patientengruppe.
- Infektiöse Epilepsie: Diese Form entsteht als Folge von Infektionen des Gehirns, wie Meningitis, Enzephalitis oder Hirnabszessen, bei denen die Entzündung oder die direkten Auswirkungen der Infektion zu Anfällen führen.
- Metabolische Epilepsie: Eine metabolische Epilepsie wird durch Stoffwechselstörungen verursacht, die das Gehirn beeinflussen. Diese können aus Ungleichgewichten von Elektrolyten, Zucker oder anderen Stoffwechselprodukten resultieren, die für die Gehirnfunktion essentiell sind.
- Immun-vermittelte Epilepsie: Diese Kategorie umfasst Epilepsieformen, die durch Autoimmunprozesse ausgelöst werden, bei denen das Immunsystem fälschlicherweise Gehirnzellen angreift und zu Anfällen führt.
- Unbekannte Epilepsie: Bei dieser Form der Epilepsie kann die genaue Ursache der Anfälle nicht bestimmt werden. Trotz umfangreicher Untersuchungen bleibt die Ursache für die epileptischen Anfälle unklar.
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Epilepsie: Diagnose
Tritt erstmals ein Anfall auf, sollten Sie umgehend einen Arzt aufsuchen. Er kann feststellen, ob es sich um eine Epilepsie handelt. Am Anfang der Diagnose steht ein ausführliches Arzt-Patienten-Gespräch (Anamnese).
Die Erinnerung an den Anfall kann beim Betroffenen verblassen, oder er hat einen kompletten Filmriss. Deshalb ist es ratsam einen Zeugen des Anfalls, zum Beispiel den Ehepartner, die Eltern oder die Mitbewohner zum Gespräch mitzubringen.
Der Arzt wird einige Fragen stellen, zum Beispiel:
- Hatten Sie schon einmal einen Anfall?
- In welcher Situation ist der Anfall aufgetreten?
- Welche Symptome traten während des Anfalls auf?
- Leiden Sie an chronischen Erkrankungen, zum Beispiel Stoffwechselerkrankungen?
- Leiden Sie an einer neurologischen Erkrankung?
- Gibt es Epilepsie-Patienten in Ihrer Familie?
Nach der Anamnese und einer körperlichen und neurologischen Untersuchung können verschiedene weitere Tests und Diagnosemethoden zum Einsatz kommen:
- Im besten Fall sollte nach einem ersten Anfall binnen 24 Stunden eine Elektroenzephalografie (EEG) durchgeführt werden. Dabei werden die Hirnströme des Betroffenen gemessen. In manchen Fällen zeigt sich eine Epilepsie durch spezielle Kurvenveränderungen im EEG. Doch nicht jede Epilepsie geht mit Veränderungen im EEG einher. Die Untersuchung kann unauffällig sein, obwohl eine Epilepsie vorliegt.
- Ein wichtiger Bestandteil der Epilepsie-Diagnose sind Aufnahmen des Gehirns. Die Magnetresonanztomografie (MRT) liefert detaillierte Schnittbilder und sollte ebenfalls binnen weniger Tage nach einem ersten Anfall durchgeführt werden. Auf diese Weise kann der Mediziner Schäden, Fehlbildungen und Tumore erkennen. Diese Veränderungen kommen als Ursache für eine Epilepsie in Frage.
- Eine Computertomographie des Schädels (Schädel-CT) offenbart mögliche Hirnblutungen.
- Eine Blutuntersuchung kann Entzündungsprozesse oder Stoffwechselveränderungen aufdecken.
- Eine Untersuchung der Hirn-Rückenmarksflüssigkeit kann dabei helfen eine Hirn- oder Hirnhautentzündung oder einen Hirntumor als Ursache für die Epilepsie nachzuweisen. Der Arzt entnimmt bei einer Lumbalpunktion mithilfe einer Kanüle Flüssigkeit aus Gehirn und Rückenmark und überprüft zum Beispiel die Anzahl der roten und weißen Blutkörperchen, der Antikörper und den Zuckergehalt. Veränderte Werte können ein Hinweis auf verschiedene zugrundeliegende Erkrankungen sein.
Heilende Einsichten ins Gehirn
Wie Patienten mit neurologischen Erkrankungen von therapeutischen und diagnostischen Innovationen profitieren.
Prof. Dr. Susanne Knake, Fachärztin für Neurologie und Leiterin des Epilepsiezentrums Hessen am Uniklinikum in MarburgEntscheidend ist die moderne Bildgebung, insbesondere das Hochfeld-MRT. Es liefert Aufnahmen mit mehr Signal und weniger Rauschen. Die Bildqualität hat sich deutlich verbessert, und wir bekommen eine hohe räumliche Detailauflösung. Durch automatisierte Auswertungen entdecken wir Veränderungen des Gehirns (Läsionen), die dem bloßen Auge entgehen würden.
Indem wir die Ergebnisse verschiedener Bildgebungsverfahren kombinieren, erhalten wir ein deutlicheres Bild der Erkrankung eines Patienten. Das verbessert die Diagnose wie auch die nachfolgende Therapie erheblich.
Das Hochfeld-MRT erlaubt uns, eine tiefe Hirnstimulation hochpräzise durchzuführen. Bei dem Verfahren wird das Hirn von Patienten mit Parkinson oder Epilepsie elektrisch angeregt, um krankhafte Signalveränderungen zu beseitigen. Während der OP können wir heute alle diagnostischen Informationen millimetergenau in das MRT integrieren, das der Chirurg während des Eingriffs sieht. Die Technik ermöglicht, Elektroden viel genauer zu platzieren. Dadurch können Menschen mit Epilepsie, die früher als inoperabel galten, anfallsfrei werden.
Wir nutzen minimalinvasive Methoden, um Nervenzellen, die für die Entstehung der Epilepsie verantwortlich sind, zu entfernen. Dazu setzen wir eine Elektrode ein, an die wir eine Radiofrequenz anlegen, eine Art Ultraschall, der zur Erhitzung des betroffenen Gewebes führt, das dann zerfällt. Alternativ arbeiten wir mit Lasern.
Interview: Andrea Bannert
Epilepsie: Lebenserwartung
Die Epilepsie verringert nicht grundsätzlich die Lebenserwartung des Betroffenen. Durch einen epileptischen Anfall stirbt heutzutage kaum noch ein Patient. Die Anfälle hinterlassen zum einen meist keinen bleibenden Schaden. Zum anderen können schwere Anfälle schnell und präzise behandelt werden. Die Notfallversorgung von Epilepsie-Patienten hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verbessert.
Ist allerdings eine andere Krankheit die Ursache für epileptische Anfälle, kann diese die Lebenserwartung verringern. Insgesamt ist die Prognose bei Epilepsie vergleichsweise gut.
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Leben mit Epilepsie
Im Vergleich zu anderen neurologischen Erkrankungen hindert eine medikamentös behandelte Epilepsie den Alltag des Betroffenen nur wenig. Doch es gibt verschiedene Bereiche, in denen die Erkrankung Auswirkungen/Folgen hat.
- Autofahren / Führerschein: Die meisten Patienten dürfen trotz Epilepsie nach einer gewissen Zeit wieder Autofahren - zumindest ein privates Fahrzeug bis zu einem maximalen Gewicht von 3,5 Tonnen. Prinzipiell gilt: Ein Epileptiker muss mindestens ein Jahr anfallsfrei sein, bevor er wieder Autofahren darf (beim ersten Anfall nach sechs Monaten; in schwierig zu behandelnden Fällen sind es zwei Jahre). Personen mit einer neurologischen Erkrankung müssen einmal im Jahr eine Untersuchung zur Fahrtauglichkeit durchführen lassen. Das macht in der Regel der behandelnde Arzt. Ist der letzte epileptische Anfall mehrere Jahre her, muss die Untersuchung nicht mehr jährlich stattfinden.
- Ernährung: Die richtige Ernährung kann bei Epilepsie dabei helfen, anfallsfrei zu bleiben. Insbesondere eine ketogene Ernährung hat sich hierbei als hilfreich erwiesen, vor allem im Kindesalter. Dabei verzichtet man nahezu komplett auf Kohlenhydrate und nimmt die benötigte Energie durch Fette und Eiweiße auf. Wenn Sie Epileptiker sind und die ketogene Diät ausprobieren wollen, besprechen Sie das mit Ihrem Arzt. Er kann Ihnen wertvolle Tipps geben und die Auswirkungen der Ernährungsumstellung überwachen. (Interner Link: Keto-Diät)
- Alkohol: Normaler Konsum von Alkohol ist auch für Menschen mit Epilepsie problemlos möglich. Zwei große Biere oder vergleichbare Mengen sind in der Regel unbedenklich. Bei Menschen mit idiopathischer / genetischer Epilepsie kann der Konsum größerer Mengen Alkohol jedoch zu Anfällen führen.
- Sport: Die Teilnahme am Sport ist auch mit Epilepsie möglich. Allerdings müssen Betroffene gewisse Vorsichtsmaßnahmen treffen – vor allem Kinder mit Epilepsie. Ballsportarten wie Handball, Tennis oder Volleyball sind in den meisten Fällen ohne Einschränkung möglich. Beim Fußball sollten Epileptiker vorsichtshalber auf das Kopfballtraining verzichten. Auch Bodenturnen, Leichtathletik, Tanzen, Yoga und Ausdauersportarten sind bei Epilepsie geeignet. Schwimmen ist nur unter Aufsicht möglich. Sportarten mit Absturzgefahr, zum Beispiel Bouldern oder Klettern, und Tauchen sind für Epileptiker nicht geeignet.
- Impfung: Menschen mit Epilepsie sollten entsprechend der allgemeinen Impfempfehlungen geimpft werden. Eine Epilepsie ist in der Regel kein Grund, der gegen eine Impfung spricht. Das Robert Koch Institut empfiehlt zwar, Nutzen (Verhinderung einer künftigen Erkrankung, die unter Umständen auch einen Anfall auslösen könnte) gegen Risiken (z.B. Fieber) abzuwägen. In aller Regel falle die Entscheidung zu Gunsten der Impfung aus.
Epilepsie bei Kindern / bei Babys
Epilepsie bei Kindern ist keine Seltenheit: Bei ihnen zählen Krampfanfälle zu den häufigsten Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Vier bis zehn Prozent aller Kinder erleben mindestens einen Krampfanfall.
Doch ein Krampfanfall bedeutet nicht zwingend, dass eine Epilepsie vorliegt. Das Risiko liegt wie bei den Erwachsenen lediglich bei einem Prozent. Doch viele Epilepsien äußern sich mit dem ersten epileptischen Anfall im Kleinkind- oder Kindesalter - vor dem zehnten Lebensjahr.
Eine Epilepsie verursacht bei Babys folgenden Symptome:
- auffällige Augenbewegungen
- Schmatzgeräusche
- Rudern mit Armen und Beinen
Allerdings bedeutet nicht jedes Rudern mit den Armen, dass das Baby einen Krampfanfall hat. Sprechen Sie in jedem Fall mit Ihrem Kinderarzt!
Ab dem dritten Lebensmonats tritt häufig die gutartige infantile Partialepilepsie auf. Die Kinder halten in ihren Bewegungen inne und zucken auffällig mit einzelnen Körperteilen oder dem gesamten Körper. Diese Art der Epilepsie beeinträchtigt die Entwicklung in der Regel nicht.
Bei Kindern im Schulalter zeigt sich Epilepsie häufig mit diesen Symptomen:
- kurzzeitige Bewusstseinspausen (Absence-Epilepsie)
- plötzliches Innehalten
- Wiederaufnahme der Tätigkeit als wäre nichts gewesen
Betroffene Kinder leiden an bis zu 100 Absencen am Tag. Die Prognose ist jedoch gut, die Mehrheit der betroffenen Kinder wird im Laufe der Zeit anfallsfrei.
Zwischen dem 12. und 25. Lebensjahr beginnt oft nach Schlafmangel und Alkoholkonsum erstmals die Aufwach-Epilepsie mit generalisiert tonisch-klonischen Anfällen (Grand mal). Dabei stürzt der Betroffene häufig und der Anfall setzt plötzlich ein. Die Muskeln versteifen sich für bis zu 30 Sekunden. In schweren Fällen droht ein Atemstillstand. Dann setzt die zweite Phase ein, in der die Muskeln unkontrolliert zucken. Vor allem Arme und Beine, aber auch die Blase sind oft betroffen. Danach fällt der Betroffene in einen Zustand der Verwirrung oder einen Nachschlaf. Diese Formen kann der Arzt medikamentös gut behandeln.
Bei der sogenannten Lese-Epilepsie werden epileptische Anfälle durch leises oder lautes Lesen ausgelöst. Sie beginnt meist im Alter von 17 bis 18 Jahren, kann aber auch schon vor der Vorpubertät einsetzen. Zunge, Kiefer, Lippen, aber auch die Gesichts- und Halsmuskulatur zucken dabei auffällig.
Die Behandlung einer Epilepsie bei Kindern und Jugendlichen unterscheidet sich kaum von der Therapie Erwachsener. Allerdings ist es häufig hilfreich, das Kind nach dem ersten epileptischen Anfall stationär in eine Klinik aufzunehmen. So können Ärzte das Kind genau beurteilen und geeignete Medikamente auswählen.
Es gibt unterschiedliche Medikamente, die Kindern mit Epilepsie helfen. Die Wahl des Präparats richtet sich nach der Epilepsie-Form und der Einschätzung der möglichen Wirkung und Nebenwirkung.
Betroffenen Familien stehen Selbsthilfegruppen offen. Dort können sie sich mit anderen Betroffenen über ihre Erfahrungen, Ängste und Wünsche austauschen. Das kann dabei helfen, die Auswirkungen der Erkrankung zu verarbeiten.
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Epilepsie und Schwangerschaft
Hat eine Epileptikerin einen Kinderwunsch, sollte sie das mit Ihrem behandelnden Neurologen besprechen. Am besten noch vor der Schwangerschaft. Denn einige Antiepileptika können in einer zu hohen Dosierung die Kindesentwicklung stören und Missbildungen verursachen. Bei richtiger Dosierung sind Antiepileptika ungefährlich für das Kind. Epileptikerinnen bringen trotz Medikamenteneinnahme meist gesunde Kinder zur Welt.
Während der Frühschwangerschaft (bis zur 12. Schwangerschaftswoche) sollte die Medikation nicht geändert werden. In dieser Phase entwickeln sich die Organe des Kindes und sind besonders anfällig für schädliche Einflüsse.
Im Laufe der Schwangerschaft sollte die werdende Mutter Folsäure einnehmen. Das gilt für Epilepsie-Patientinnen ebenso wie für alle anderen Schwangeren.
Viele Betroffene haben Sorge vor einem epileptischen Anfall während der Schwangerschaft. Der Großteil der schwangeren Epilepsie-Patientinnen, nämlich zwei Drittel, sind während der Schwangerschaft allerdings anfallsfrei.
Kommt es dennoch zu einem Anfall, besteht meist kein Grund zur Sorge. Dem ungeborenen Kind schadet der Anfall in der Regel nicht. Lediglich langanhaltende und generalisierte Anfälle sind ein Risiko. Doch diese Anfälle sind sehr selten.
Wenn Sie als Betroffene nach einem Anfall verunsichert sind, sprechen Sie mit Ihrem Neurologen und Ihrem Gynäkologen. Die Ärzte können mit verschiedenen Untersuchungen prüfen, ob es Ihnen und Ihrem Nachwuchs gut geht.
Viele schwangere Epileptikerinnen befürchten, dass die Geburt einen Anfall auslösen könnte. Doch aus Angst einen Kaiserschnitt durchzuführen ist aus medizinischer Sicht nicht notwendig. Wenn keine gynäkologischen Beschwerden vorliegen, die einen Kaiserschnitt erzwingen, kann eine Epilepsie-Patientin eine natürliche Geburt wählen.
Nehmen Sie die Antiepileptika auch während der Geburt weiterhin ein und besprechen Sie das mit der Hebamme und dem behandelnden Frauenarzt. Das Neugeborene wird nach der Geburt vorsorglich mit einem Vitamin-K-Präparat versorgt. Das verringert das Blutungsrisiko.
Nach der Geburt sollten Mütter mit Epilepsie ihr Kind stillen, sofern es möglich ist. Das Kind nimmt zwar über die Muttermilch geringste Mengen der Epilepsie-Medikamente ausgesetzt. Doch die Mengen sind so gering, dass sie die Entwicklung des Kindes nicht beeinträchtigen. Hingegen bringt das Stillen dem Kind zahlreiche gesundheitliche Vorteile.
Quellen
- S2k-Leitlinie: Erster Epileptischer Anfall und Epilepsien im Erwachsenenalter (Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Deutsche Gesellschaft für Epileptologie); Stand: September 2023
- Klotz, K A et al.: Kallosotomien bei Sturzanfällen und epileptischen Spasmen; Zeitschrift für Epileptologie; 2021; DOI: 10.1007/s10309-021-00398-0
- Mattle, H & Mumenthaler, M: Kurzlehrbuch Neurologie; Georg Thieme Verlag; 2015
- Bald, M et al: Kurzlehrbuch Pädiatrie; Georg Thieme Verlag; 2012
- Online-Informationen Georg Thieme Verlag KG: viamedici.thieme.de; Abruf: 29.03.2024
- Online-Informationen Schweizerische Epilepsie-Liga: www.epi.ch; Abruf: Abruf: 29.03.2024
- Online-Informationen Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte: www.kinderaerzte-im-netz.de; Abruf: 29.03.2024
- Online-Informationen Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): www.gesundheitsinformation.de; Abruf: 29.03.2024
- Online-Informationen Uniklinik Freiburg: Depressionen bei Epilepsiepatienten: www.uniklinik-freiburg.de; Abruf: 29.03.2024
- Online-Informationen Robert Koch Institut (RKI): www.rki.de; Abruf: 29.03.2024
- Online-Informationen Deutsche Epilepsievereinigung, Landesverband Hessen: https://epilepsie-sh-hessen.de; Abruf: 29.03.2024
- Online-Informationen Amboss GmbH: www.amboss.com; Abruf: 08.08.2024