Definition: Was ist Chorea Huntington?
Chorea Huntington ist eine unheilbare Erbkrankheit. In ihrem Verlauf sterben immer mehr Gehirnzellen ab, was Bewegungsstörungen, psychische Veränderungen und Persönlichkeitswandel zur Folge hat.
Ein typisches Symptom sind unkoordinierte, plötzliche Bewegungen, sogenannte Hyperkinesen. Diese können einer Art Tanz ähneln. Daher rührt auch der Name: Das griechische Wort „Chorea“ bedeutet Tanz. Früher wurde die Krankheit auch Veitstanz genannt. Weitere Bezeichnungen sind Huntington-Krankheit, Morbus Huntington, Chorea major oder Huntingtonsche Chorea.
Die Ursache der Krankheit ist ein Gendefekt. Wer diesen in sich trägt, erkrankt – ein Ausbruch ist unvermeidbar. Außerdem kann der Gendefekt vererbt werden: Wenn ein Elternteil betroffen ist, haben die Kinder ein Erkrankungsrisiko von 50 Prozent.
Chorea Huntington hat eine Häufigkeit von zwei bis zehn Fällen pro 100.000 Einwohner, ist also selten. In Deutschland leben etwa 8.000 bis 10.000 Menschen mit der Krankheit. Weitere 50.000 Personen haben keine Symptome, tragen jedoch das Risiko, den Gendefekt geerbt zu haben, weil ein Elternteil betroffen ist oder war.
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Genetik: Welche Ursache hat Chorea Huntington?
Die Ursache der Huntington-Krankheit ist ein Gendefekt. Genauer: Eine Veränderung im Erbgut, eine sogenannte Mutation. Diese ist auf dem Chromosom 4 zu finden.
Bei gesunden Personen wiederholen sich in einem bestimmten Abschnitt des Chromosoms das „Basentriplett CAG“ etwa zehn bis 26 Mal. Basentripletts sind die kleinste Einheit des genetischen Codes. Bei Menschen mit Chorea Huntington wiederholt sich das Basentriplett jedoch öfter.
Dies hat zur Folge, dass der Körper beim Auslesen des genetischen Codes andere Informationen erhält und deshalb Eiweiße herstellt, die den Nervenzellen schaden. Mit der Zeit sterben sie ab – inklusive der Nervenzellen im Gehirn.In etwa zwei bis fünf Prozent aller Chorea Huntington-Fälle, tritt die Mutation spontan auf, ohne dass davor ein Familienmitglied erkrankt war. Dies sind sogenannte Neumutationen.
Doch in der Regel geschieht die Weitergabe des Gendefekts durch Vererbung: Chorea Huntington wird autosomal dominant vererbt. Autosomal bedeutet, dass das mutierte Gen nicht auf dem Geschlechterchromosom liegt. Dies ist auch der Grund, warum Männer wie Frauen gleich häufig erkranken.
Dominant bedeutet, dass bereits die Veränderung einer Erbanlage – die der Mutter oder die des Vaters – genügt, um sie weiterzugeben. Die Erbanlagen des Menschen bestehen aus 46 Chromosomen, beziehungsweise aus 23 Paaren. Je ein Chromosomensatz stammt von der Mutter, einer vom Vater. Wenn sich die veränderte Erbanlage gegenüber der unveränderten durchsetzt, ist sie dominant. Und dies ist bei Chorea Huntington der Fall.
Symptome: Welche Anzeichen hat Chorea Huntington
Chorea Huntington hat unterschiedliche, ganz vielfältige Symptome. Sie lassen sich in drei Gruppen einteilen:
- Körperliche Symptome
- Psychische Symptome
- Rückgang der intellektuellen Fähigkeiten
Die Symptome können von Patient zu Patient unterschiedlich gewichtet sein: Während manche mehr körperliche Einschränkungen haben, überwiegen bei anderen etwa die psychischen Symptome.
Körperliche Symptome bei Chorea Huntington
Ein auffälliges Symptom der Erkrankung sind die sogenannten Hyperkinesen. Dies sind unkoordinierte Bewegungen, die die Betroffenen ohne ihren Willen ausführen. Sie werden oft zuerst gar nicht vom Erkrankten selbst, sondern von anderen Personen wahrgenommen.
Am Anfang sind es kleine Regungen, etwa Augenzwinkern, ruckartiges Kopfdrehen, Grimassen oder plötzliches Bewegen der Finger, Zehen oder Füße. Die Regungen können erste Anzeichen der Huntington-Krankheit sein, doch Tics wie diese kennt man auch von zahlreichen anderen Erkrankungen. Auch starkes Schwitzen und Inkontinenz können erste Symptome sein.Mit Fortschreiten der Krankheit treten die unwillkürlichen Bewegungen am ganzen Körper auf. Nun fallen den Betroffenen zum Beispiel häufig Gegenstände aus der Hand, sie bekommen einen schwankenden Gang und können leicht stürzen.
Im weiteren Verlauf sterben immer mehr Hirnzellen ab. Dadurch wird die Bewegung zunehmend eingeschränkt und das Schmerzempfinden kann sich verändern. Da die Betroffenen auch die Kontrolle über ihre Zungen- und Schlundmuskulatur verlieren, entstehen Sprech- und Schluckstörungen. Mit der Zeit wird ihre Sprache immer unverständlicher und beim Essen verschlucken sie sich leicht, daher ist die Erstickungsgefahr erhöht. Im Endstadium werden die Erkrankten bettlägerig, sind auf Pflege angewiesen und müssen unter Umständen über eine Sonde ernährt werden.
Psychische Symptome bei Chorea Huntington
Durch das Absterben der Gehirnzellen kann es auch zu Persönlichkeits- und Verhaltensveränderungen kommen. Wesensänderungen treten meist als Erstes, noch vor den körperlichen Symptomen auf. Mit der Zeit sind Erkrankte dann teilweise nicht mehr wiederzuerkennen.
Menschen mit der Huntington-Krankheit können plötzlich zu Wutausbrüchen neigen, obwohl das vorher nicht ihre Art war. Sie können ängstlich, launisch, verschlossen oder depressiv werden, Ängste, Schlafstörungen, Wein- oder Schreikrämpfe bekommen oder Zwangsstörungen entwickeln. Chorea Huntington geht auch mit einem erhöhten Suizidrisiko einher. Ebenso kann eine krankheitsbedingte Apathie auftreten. Dies ist ein Zustand, in dem Betroffene teilnahmslos und gefühlskalt wirken. Alles scheint ihnen gleichgültig zu sein. Zudem ist es möglich, dass die Betroffenen den Bezug zur Wirklichkeit verlieren und Wahnvorstellungen haben.Rückgang der intellektuellen Fähigkeiten bei Chorea Huntington
Chorea Huntington geht mit einem Rückgang der geistigen Fähigkeiten einher, denn die Erkrankung lässt Nervenzellen und somit auch Hirnzellen absterben. Betroffenen fällt es mit Fortschreiten der Krankheit immer schwerer, bei der Sache zu bleiben und Gedankengänge durchzuhalten. Sie werden vergesslich, ihr Urteilsvermögen nimmt ab und eine Demenz kann entstehen.Werbung
Lebenserwartung: Wie ist der Verlauf von Chorea Huntington?
Chorea Huntington hat einen chronischen Verlauf. Es sterben mit der Zeit immer mehr Gehirnzellen ab, ohne, dass das verhindert werden kann. Dies ist immer tödlich. Die häufigsten Todesursachen bei Chorea Huntington sind:
- Ateminsuffizienz, also das Versagen der Atmung, und
- Aspirationspneumonie. Dies ist eine Sonderform der Lungenentzündung, die vor allem bei Bettlägerigen vorkommt.
Eine Prognose der Lebenserwartung ist abhängig vom Zeitpunkt des Ausbruchs: Im Schnitt dauert die Krankheit ab Ausbruch zwölf bis 15 Jahre. Meistens bricht sie zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr aus. Daher erreichen Patienten selten das 60. Lebensjahr.
Diagnose: Welche Tests weisen Chorea Huntington nach?
Die Symptome der Huntington-Krankheit sind divers, ähneln denen von anderen Erkrankungen und sind im Anfangsstadium oft nur gering ausgeprägt. Das macht eine Diagnose schwierig. Doch es gibt Untersuchungen und Tests, mit deren Hilfe Spezialisten die Huntington-Krankheit diagnostizieren können.
Diagnose von Chorea Huntington: Anamnese
Eine Untersuchung beginnt mit einer Anamnese, dem Patientengespräch. Der Arzt fragt etwa nach den Beschwerden und der aktuellen Medikation.
Da Chorea Huntington eine Erbkrankheit ist, kommt bei einem Verdacht meist eine Familienanamnese hinzu. Dabei informiert sich der Arzt über Erkrankungen in der Verwandtschaft. Denn oft waren bereits andere Familienmitglieder von der Huntington-Krankheit betroffen.
Ergänzend kann eine Fremdanamnese Sinn machen. Gerade Bewegungsstörungen nehmen Betroffene anfangs oft nicht selbst wahr. Deshalb können nahestehende Personen in manchen Fällen besser Auskunft geben.
Diagnose Chorea Huntington: Untersuchungen
Chorea Huntington ist eine sehr seltene Krankheit, die nicht jeder Arzt behandeln kann. Deshalb werden potenziell Betroffene unter Umständen an ein spezialisiertes Huntington Zentrum überwiesen, um der Verdachtsdiagnose nachzugehen. Dort oder bei verschiedenen Fachärzten folgen dann zahlreiche neurologische, neuropsychologische, psychiatrische und internistische Untersuchungen. Dabei werden zum Beispiel die motorischen Fähigkeiten, Persönlichkeits- oder Verhaltensänderungen oder die Gedächtnisleistung überprüft.
Bei einer neuropsychologischen Untersuchung wird beispielsweise die Gehirnfunktion untersucht. Der Arzt achtet auf Veränderungen der Sprache oder prüft mit speziellen Testverfahren, die einem Intelligenz-Test ähneln können, ob Gedächtnisstörungen vorliegen. Bei einer psychiatrischen Untersuchung wird der Arzt eher auf erste Anzeichen von Persönlichkeitsveränderungen, auf aggressives Verhalten oder auf Symptome einer Depression achten. Bedeutend bei Chorea Huntington sind auch die Untersuchungsverfahren Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT). Denn damit erhalten Ärzte Einblicke ins Gehirn und können eine mögliche Hirnatrophie, den Schwund von Hirnmasse, feststellen. Dazu muss die Krankheit jedoch fortgeschritten sein. Ist dies noch nicht der Fall, kommt die Positronen-Emissions-Tomographie infrage. Mit dieser Untersuchung können Ärzte Stoffwechselvorgänge im Körper bildlich darstellen. Wichtig für Risikopatienten, denn bei Chorea Huntington lässt sich oft schon vor den ersten Symptomen ein reduzierter Stoffwechsel im Gehirn feststellen.Diagnose: Gentest
Eine Diagnose kann auch per Gentest erfolgen. Dafür entnimmt der betreuende Arzt eine Blutprobe. Anschließend wird im Labor untersucht, ob die Genmutation vorliegt.
Dieses Verfahren kommt auch bei symptomfreien Menschen mit familiären Huntington-Risiko infrage. In diesem Fall ist von einer prädiktiven Diagnostik die Rede, also einer vorhersagenden Diagnose.
Die Details der prädiktiven Diagnostik regelt in Deutschland das Gendiagnostikgesetz. Darin ist zum Beispiel festgehalten, dass vor einem Gentest ein Aufklärungsgespräch erfolgen muss. Dies ist unter anderem wichtig, da das Ergebnis des Tests eine große psychische und soziale Tragweite hat – egal wie es lautet.
Das Ergebnis kann zum Beispiel Einfluss auf die Familienplanung haben. Denn wenn der Gentest negativ ist und eine Person die genetische Veränderung nicht in sich trägt, wird die Krankheit nicht ausbrechen und auch nicht an Nachkommen weitervererbt. Ist die Untersuchung hingegen positiv und wird eine Genmutation festgestellt, ist ein Ausbruch unvermeidbar. Außerdem besteht in diesem Fall eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit die Mutation weiterzuvererben.
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Therapie: Wie lässt sich Chorea Huntington behandeln?
Eine ursächliche Therapie für Chorea Huntington gibt es noch nicht – und somit auch keine Heilung. Die Behandlung hat zum Ziel, Symptome zu lindern und das Voranschreiten der Krankheit zu verlangsamen.
Die Behandlungsmöglichkeiten richten sich individuell nach den Beschwerden und Bedürfnissen des Huntington-Patienten:
- Krankengymnastik, Ergo- und Physiotherapie helfen dabei, die Beweglichkeit möglichst lange zu erhalten.
- Medikamente können etwa Bewegungsstörungen eindämmen oder kommen bei einer Depression zum Einsatz.
- Im Rahmen der Logopädie werden Sprachstörungen behandelt und Schlucktherapie angeboten.
Huntington Zentren: Welche Spezialisten behandeln Chorea Huntington?
Chorea Huntington ist eine sehr seltene Krankheit. Deshalb fragen sich Betroffene und Angehörige oft, an welchen Arzt sie sich wenden sollen. Die Deutsche Huntington-Hilfe empfiehlt Betroffenen spezialisierte Huntington Zentren. Diese listet etwa das European Huntington Desease Network (EHDN) auf seiner Website auf.
In den Spezialkliniken können sich Betroffene untersuchen und behandeln lassen. Außerdem erhalten sie dort Kontakt zu Ärzten in der Nähe des eigenen Wohnorts, die die Therapie im Anschluss weiterbetreuen können.
Quellen
- S2k-Leitlinie: Chorea/Morbus Huntington (Deutsche Gesellschaft für Neurologie); Stand: 01.06.2017
- Online-Informationen Deutsche Huntington-Hilfe e.V. Ursachen-der-Huntington-Krankheit: www.huntington-hilfe.de; Abruf: 11.03.2021
- Online-Informationen Deutsche Huntington-Hilfe e.V. Symptome und Krankheitsverlauf: www.huntington-hilfe.de; Abruf: 11.03.2021
- Online-Informationen Deutsche Huntington-Hilfe e.V. Huntington-Krankheit Infoblatt Kinderwunsch: www.huntington-hilfe.de; Abruf: 11.03.2021