Zusammenfassung:
- Definition: lebenslange Unverträglichkeit des Klebereiweißes Gluten in Lebensmitteln
- Symptome: manchmal symptomlos; klassische Beschwerden umfassen Bauchschmerzen, Blähungen, Übelkeit, Durchfall, Fettstuhl; unspezifische Symptome umfassen Zyklusstörungen, Depressionen oder Mangelerscheinungen aufgrund einer gestörten Nährstoffaufnahme
- Diagnose: Bluttest, der Antigene ermittelt; Diagnosebestätigung durch Dünndarm-Gewebebiopsie
- Behandlung: eine streng glutenfreie Ernährung, die lebenslang eingehalten werden muss; eine medikamentöse Therapie, mit der sich Zöliakie ursächlich behandeln lässt, gibt es (noch) nicht
- Ursachen: nicht eindeutig geklärt, vermutlich spielen Umwelteinflüsse und erbliche Faktoren eine Rolle
- Folgeerkrankungen: Mangelerscheinungen durch unzureichende Nährstoffversorgung, da die Zotten im Dünndarm, die die Nährstoffe ins Blut transportieren, nach und nach verkümmern; z. B. Blutgerinnungsstörungen, Nervosität, Müdigkeit, aber auch erhöhtes Risiko für Osteoporose, bestimmte Krebsformen und psychische Erkrankungen
- Bei Kindern und Babys: ein Häufigkeitsgipfel der Zöliakie liegt zwischen dem ersten und achten Lebensjahr, sie kann bei Vorliegen bestimmter Gene durch Zufuhr von Gluten über erste „echte“ Lebensmittel wie Zwieback oder Grießbrei sichtbar werden
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Definition: Was ist Zöliakie?
Zöliakie ist per Definition eine lebenslange Unverträglichkeit gegenüber dem Klebereiweiß Gluten. Es besteht aus den Eiweißbestandteilen Gliadin und Glutenin und steckt in vielen Getreidekörnern wie Weizen, Roggen, Gerste und Hafer.
Die Aufnahme von Gluten löst bei Zöliakie-Betroffenen eine Entzündungsreaktion im Dünndarm aus. Früher wurde die Zöliakie auch als Einheimische Sprue bezeichnet, Ärzte sprechen von der glutensensitiven Enteropathie.
Bei gesunden Menschen wird die aufgenommene Nahrung im Dünndarm in ihre Bestandteile zerlegt und gelangt über dessen Schleimhaut in den Körper. Das funktioniert, weil die Dünndarmschleimhaut sogenannte Zotten ausbildet. Das sind Faltungen, welche die Oberfläche des Darms um mehr als das 600-fache vergrößern. Diese raffinierte Oberflächenvergrößerung ermöglicht eine schnelle Aufnahme von Nährstoffen, Mineralstoffen und Vitaminen in unser Blut.
Bei der Zöliakie führt die Zufuhr von Gluten zu einer chronischen Entzündung der Dünndarmschleimhaut. Die Zotten bilden sich zurück, was zur Folge hat, dass sich die Oberfläche des Dünndarms verringert und nicht mehr genügend Nährstoffe aufgenommen werden. Dieser Zustand wird von Ärzten Malabsorption genannt und kommt auch bei anderen Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn vor. Die Folge der Malabsorption sind (Mikro-)Nährstoffdefizite. Sowohl die fehlenden Nährstoffe als auch der Entzündungsprozess an sich lösen bei einer Zöliakie, die eine Sonderform der Getreideunverträglichkeit ist, eine Reihe an Beschwerden bei Betroffenen aus (siehe Abschnitt „Zöliakie: Symptome“).
Da sich die Zöliakie nicht nur auf den Darm beschränkt, sondern auch andere Organsysteme betreffen kann, gilt sie als Erkrankung des gesamten Körpers, also als eine Systemerkrankung.
Die Leitlinie unterscheidet zwischen fünf Formen der Zöliakie:
- Klassisch: Diese früher als „typische Zöliakie“ bekannte Form tritt meist im frühen Kleinkindalter (zwischen 1. und 3. Lebensjahr) auf, mit Symptomen wie chronischen Durchfällen, übelriechendem, teils fettglänzendem Stuhl, Wassereinlagerungen (Ödeme) und Gedeihstörung (verzögertes Wachstum).
- Symptomatisch: Diese Zöliakie-Form äußert sich durch unspezifische, also nicht klar zuzuordnende, Symptome wie Blähungen, Bauchschmerzen, Oberbauchbeschwerden (Dyspepsie), aber auch Schlaflosigkeit, Müdigkeit, Leistungsminderung, Verstopfung oder Depressionen. Ein Nährstoffmangel (Eisen, Vitamine, Proteine, Spurenelemente) ist ebenfalls möglich.
- Subklinisch: Bei dieser Variante zeigen sich keine Symptome, es lassen sich jedoch typische Veränderungen in Dünndarmbiopsien (Gewebeentnahme) oder auffällige Laborbefunde (z. B. Blutarmut durch Eisenmangel) feststellen. Bei manchen Betroffenen verbessern sich Konzentrations- und Leistungsfähigkeit, wenn sie sich glutenfrei ernähren, bei anderen hat dies keine positiven Effekte.
- Potenziell: Bei der früher „latente Zöliakie“ genannten Form sind für Glutenunverträglichkeit typische Antikörper im Blut feststellbar, Dünndarm-Gewebeproben sind aber (noch) unauffällig. Hier ist eine regelmäßige Kontrolle, z. B. auf Rückgang der Darmzotten, ratsam.
- Refraktär: Von einer refraktären Zöliakie sprechen Mediziner, wenn trotz strikter glutenfreier Ernährung über zwölf Monate Anzeichen einer Malabsorption, einer mangelhaften Aufnahme von Nahrungsbestandteilen, nachweisbar sind. Sie kommt bei Kindern praktisch nicht vor, sondern nur bei Erwachsenen.
Zöliakie: Gluten-Allergie oder Autoimmunerkrankung?
Der Körper eines von Zöliakie betroffenen Menschen hält Gluten für einen feindlichen Stoff, den es zu bekämpfen gilt. Er bildet Antikörper, welche die Dünndarmschleimhaut zerstören. Zöliakie ist also eine Autoimmunerkrankung, da das Immunsystem die körpereigenen Zellen schädigt. Betroffene können aber relativ beschwerdefrei leben, solange sie sich konsequent glutenfrei ernähren. Damit hat die Zöliakie eine gewisse Ähnlichkeit zu einer Nahrungsmittelallergie (einer übermäßigen Reaktion des Immunsystems) und wird fälschlicherweise oft als solche bezeichnet.
Zöliakie: Häufigkeit
Laut der Deutschen Zöliakie Gesellschaft e. V. liegt die Häufigkeit von Zöliakie bei etwa 1:100. Das bedeutet also, dass zirka ein Prozent der deutschen Bevölkerung betroffen ist. Allerdings ist die Dunkelziffer wohl sehr hoch, die Fachgesellschaft schätzt sie auf 80 bis 90 Prozent. Der Grund dafür ist, dass nur wenige Betroffene alle klassischen Symptome aufweisen und deshalb nicht wissen, dass sie eine Glutenintoleranz haben. Die Leitlinie weist zudem darauf hin, dass die Diagnose Zöliakie aufgrund der unterschiedlichen Erscheinungsbilder oft gar nicht oder erst spät gestellt wird. Auch wenn die Zöliakie grundsätzlich in jedem Lebensalter auftreten kann, besteht sie meist von Kindesbeinen an.
Zöliakie: Symptome
Die Beschwerden einer Glutenintoleranz sind vielfältig. Meist zeigen sich nicht alle Krankheitszeichen in voller Ausprägung. Stattdessen treten nur wenige oder einzelne Symptome auf. Bei manchen Menschen bleibt die Zöliakie ohne Symptome. Aufgrund der unterschiedlichen Erscheinungsbilder gilt die Zöliakie als „Chamäleon der Gastroenterologie“.
Zöliakie: Klassische Symptome
Die Haupt-Anzeichen einer Zöliakie äußern sich im Magen-Darm-Trakt. Folgende Symptome können auftreten:
- Bauchschmerzen sind bei Glutenunverträglichkeit ein häufiges Symptom.
- Auch Blähungen können Anzeichen einer Zöliakie sein.
- Übelkeit und Unwohlsein treten bei Glutenintoleranz mitunter auf.
- Chronischer Durchfall begleitet eine Glutenunverträglichkeit oft.
- Voluminöser, breiiger, übelriechender Stuhl („Fettstuhl“) ist bei Zöliakie keine Seltenheit.
Da der Körper durch die Entzündung der Darmschleimhaut viele Nährstoffe nicht mehr richtig aufnimmt, treten bei der Zöliakie – die fälschlicherweise mitunter als Allergie gegen Gluten bezeichnet wird – häufig Mangelerscheinungen auf. Zum Beispiel ein Mangel an Eiweißen im Blutplasma, Vitaminen und Spurenelementen (unter anderem Vitamin B6, B9/Folsäure, B12, Eisen, Kalzium, Kupfer, Zink). Der Arzt behandelt solche Defizite meist in Form von Nahrungsergänzungsmitteln (Supplementen).
So machen sich die Mängel bemerkbar:
- Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Konzentrationsstörungen (durch Eisenmangel bei Zöliakie)
- Osteoporose: Abbau der Knochenmasse mit erhöhter Knochenbrüchigkeit (durch Kalzium- und Vitamin-D-Mangel)
- Juckende, rötliche Hautveränderungen/Hautausschlag aufgrund der Glutenunverträglichkeit (durch Zink- und Kalziummangel)
- Muskel- oder Gelenkschmerzen (durch Kalzium- und Magnesiummangel)
- Zahnschmelzveränderungen (durch Kalziummangel)
Zöliakie: Unspezifische Symptome
Häufig begleiten eine Glutenunverträglichkeit unspezifische Symptome außerhalb des Darmkanals, die nicht gleich auf eine Darmerkrankung hinweisen und nicht direkt durch Nährstoffdefizite verursacht werden. Ihre Entstehung ist bisher noch nicht ausreichend untersucht. Dazu zählen:
- Zyklusstörungen der Frau, Fehlgeburten, Frühgeburten, Unfruchtbarkeit
- Neurologische Probleme: Depressionen, Migräne
- Leberentzündungen (Hepatitis)
- Gelenkentzündungen (Arthritis)
Während bei einer Glutenintoleranz Pickel oder Akne nicht wahrscheinlicher werden, kann die Zöliakie dennoch die Haut verändern. So lässt sich laut Deutscher Zöliakie Gesellschaft e.V. bei allen Betroffenen von Dermatitis herpetiformis Duhring (DHD), Zöliakie nachweisen. DHD ist eine chronische Hauterkrankung mit Blasenbildung und Juckreiz. Experten nehmen zudem an, dass Glutenunverträglichkeit einen Einfluss auf Hauterkrankungen wie Neurodermitis, Nesselsucht oder Schuppenflechte hat.
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Zöliakie: Diagnose
Wer nach dem Verzehr glutenhaltiger Lebensmittel regelmäßig Schmerzen und Unwohlsein verspürt, sollte einen Gastroenterologen, also einen Facharzt für Magen-Darm-Erkrankungen aufsuchen. Dieser kann durch einen Bluttest und eine Dünndarmbiopsie die Glutenunverträglichkeit feststellen, um andere Ursachen auszuschließen.
Bei einer Weizenallergie beispielsweise treten manchmal ähnliche Symptome wie bei einer Zöliakie auf. Die Allergie ist jedoch eine Unverträglichkeit gegenüber Eiweißen aus dem Weizen, nicht gegen Gluten. Ob beim Betroffenen eine Zöliakie oder eine Weizenallergie vorliegt, kann und sollte der Arzt mithilfe einer Anamnese, also einem ausführlichen Patientengespräch, und anhand von Antikörper-Tests bestimmen. Bei einer Weizenallergie liegen spezifische Immunglobulin-Antikörper vor. Ein sogenannter Pricktest, bei dem verschiedene Allergenlösungen auf die Haut aufgetragen und mit einem oberflächlichen Stich unter die erste Hautschicht eingebracht werden, kann die Diagnose festigen.
Zöliakie-Diagnose: Blutwerte
Beim Verdacht auf eine Zöliakie findet eine Blutuntersuchung zum Nachweis bestimmter Antikörper statt.Antikörper entstehen dann, wenn das Immunsystem sich gegen Eindringlinge zur Wehr setzt, im Falle der Zöliakie gegen das durch die Nahrung aufgenommene Gliadin. Es gibt aber noch andere typische Zöliakie-Antikörper. Das Immunsystem bildet bei der Glutenunverträglichkeit auch Antikörper gegen ein körpereigenes Enzym, die Gewebsglutaminase (Anti-Transglutaminase-Antikörper), welche bei Zöliakie aufgrund der Entzündung in großen Mengen freigesetzt wird und gegen das Endomysium (Anti-Endomysium-Antikörper).
Um bei einem Zöliakie-Bluttest aussagekräftige Ergebnisse zu bekommen, ist es notwendig, dass sich potenziell Betroffene vorher nicht glutenfrei ernähren. Im Gegenteil: Die Leitlinie rät, bei mindestens einer bis zwei, besser noch drei bis vier Tagesmahlzeiten Gluten zu verzehren, zum Beispiel in Form von Nudeln, Brot oder anderen Backwaren. Vor der Blutabnahme sollten Betroffene bestenfalls drei Monate lang täglich etwa zehn Gramm Gluten zu sich nehmen, das sind beispielsweise 100 Gramm ungekochte Nudeln oder ein helles Brötchen.
Da Nährstoffe bei einer Zöliakie durch die Entzündung der Dünndarmschleimhaut schlechter aufgenommen werden, bestehen bei der Diagnose häufig bereits Nährstoffmängel. Daher bestimmt der Arzt bei der Zöliakie auch bestimmte Blutwerte, wie den Spiegel von Vitamin B12, Folsäure, Eisen, Calcium, Glucose, Vitamin D oder Zink. Diese Mängel können die Diagnose einer Glutenunverträglichkeit unterstreichen und der behandelnde Arzt kann die Defizite teilweise in Form von Tabletten oder anderen Supplement-Varianten behandeln.
Zöliakie-Diagnose: Dünndarmbiopsie
Die Diagnose lässt sich endgültig gegebenenfalls durch eine Magenspiegelung (Endoskopie) mit einer Dünndarmbiopsie sichern. Die Dünndarmbiopsie dauert meist nicht länger als zehn bis 15 Minuten. Eine Kamerasonde wird an einem dünnen Schlauch über Mund, Speiseröhre und Magen in den Dünndarm geschoben. Aus verschiedenen Bereichen werden mehrere Gewebsproben entnommen und untersucht. Unter dem Mikroskop lässt sich erkennen, ob die Dünndarmschleimhaut typische Veränderungen der Zöliakie zeigt. Bei einer Zöliakie sind die Darmzotten, die zur Oberflächenvergrößerung und damit zur Nährstoffaufnahme essenziell sind, aufgrund der Entzündung abgeflacht. Auch bei diesem Diagnoseverfahren gilt: Der Patient muss sich unbedingt bis zur Zöliakie-Diagnose glutenhaltig ernähren. Eine vorsorglich glutenfreie Ernährung verfälscht das Ergebnis.
Stuhltests auf Antikörper sind keine zuverlässige Methode, eine Zöliakie zu testen. Schnelltests aus der Apotheke oder aus Onlineshops, die zu Hause beispielsweise mit einem Bluttropfen aus der Fingerspitze durchgeführt werden, bergen ebenfalls Unsicherheiten. Sie sind häufig nicht aussagekräftig genug: Manche Betroffene bilden die Antikörper nicht aus, andere haben ebendiese im Blut, ohne an Zöliakie erkrankt zu sein. Beim Facharzt werden weitere Parameter im Blut überprüft und zusätzlich oft auch eine Dünndarmbiopsie durchgeführt.
Glutenunverträglichkeit-Test: Welcher Arzt stellt die Diagnose?
Um eine Glutenunverträglichkeit festzustellen, bedarf es eines Tests beim Arzt. Diesen führt bei Verdacht auf Zöliakie ein Facharzt für Gastroenterologie durch. Finden Sie passende Ärzte in Ihrer Umgebung in der Arztsuche von FOCUS-Gesundheit.
Zöliakie: Behandlung
Zöliakie ist nicht heilbar. Stellt der Arzt eine Zöliakie fest, besteht die Therapie darin, dass Betroffene lebenslang auf glutenhaltige Nahrung verzichten. Der Leitlinie zufolge sollten es weniger als zehn Milligramm Gluten pro Tag sein, das entspricht etwa zehn Brotkrümeln oder einem Drittel Brotcrouton. Für Kinder und Jugendliche gibt es derzeit keine auf etablierten Studien basierenden Grenzwerte.
Zudem müssen Betroffene darauf achten, dass glutenfreie Lebensmittel nicht in Kontakt mit glutenhaltigen kommen, zum Beispiel über Küchengeräte wie Toaster, gemeinsam benutzte Aufbewahrungsschränke, Schneidbretter, Kochlöffel oder Lappen.
Und: Gluten kann auch in Pflegeprodukten und Kosmetika wie Zahnpasta oder Lippenstift sein. Achten Sie auf die durchgestrichene „Glutenfrei-Ähre“ auf der Verpackung.
Siegel: "Glutenfreie" Produkte
Die durchgestrichene Ähre ist das international anerkannte Zeichen für glutenfreie Lebensmittel. Das Siegel ist eine große Hilfe für Zöliakie-Betroffene beim Einkauf. Zwar sind auch als „glutenfrei“ gekennzeichnete Lebensmittel nicht immer komplett frei von Gluten. Dies wäre in der Praxis kaum möglich, da es zum Beispiel im Produktionsprozess zu minimalen Verunreinigungen kommen kann.
Die Hersteller, die das Siegel verwenden, müssen jedoch hohe Produktionsstandards einhalten und dürfen den Grenzwert von 20 mg/kg Gluten, bezogen auf das jeweilige Lebensmittelerzeugnis, nicht überschreiten. Die Überwachung erfolgt durch die jeweils zuständige Zöliakie-Gesellschaft des Landes.
Wenn ein von Zöliakie Betroffener aus Versehen doch (zu viel) Gluten zu sich nimmt, treten meist dieselben Symptome auf, wie vor der Diagnose, zum Beispiel Magenkrämpfe, Durchfall oder Übelkeit. Bei einem sogenannten „Glutenunfall“ reagiert jeder Betroffene individuell und die Beschwerden halten unterschiedlich lange an. Bei vielen sorgen schon einige Brotkrümel für heftige Schmerzen.
Hält sich nach der Diagnose der von Zöliakie Betroffene an eine Ernährung ohne Gluten, heilt die Entzündung ab, die abgeflachte Dünndarmschleimhaut regeneriert sich und die Beschwerden verschwinden innerhalb weniger Wochen. Kontrolluntersuchungen sollten zunächst alle sechs Monate, bei stabilem Verlauf alle ein bis zwei Jahre erfolgen. Durch Medikamente lässt sich eine Zöliakie nicht heilen, und auch eine andere Therapie dagegen gibt es nicht.
Die meisten Menschen wissen, dass Getreide wie Weizen, Dinkel und Hafer einen hohen Glutengehalt haben, was dazu führt, dass bei einer Zöliakie beispielsweise Brot oder Nudeln tabu sind. Aber was ist zum Beispiel mit dem Glutengehalt von Mais oder Bier? Es gibt viele Lebensmittel, in denen man das Klebereiweiß nicht vermuten würde, da es unter anderem oft als stabilisierende oder gelierende Zutat zugesetzt wird, so zum Beispiel in Wurstwaren, Schokolade oder Ketchup.
Liste glutenhaltiger und glutenfreier Lebensmittel
Die Tabelle zeigt, was Sie bei Glutenunverträglichkeit essen dürfen.
Lebensmittelgruppe | Glutenhaltig | Vorsicht: Produkte können Gluten enthalten | Glutenfrei |
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Getreide, Getreideerzeugnisse, Brot und Backwaren, Teigwaren |
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Hülsenfrüchte, Kartoffelerzeugnisse |
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Gemüse, Gemüseerzeugnisse |
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Obst, Obsterzeugnisse |
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Milch, Milcherzeugnisse, Milchersatzprodukte |
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Käse, Käseerzeugnisse, Speisequark, Käsealternativen |
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Fisch, Fischerzeugnisse |
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Fleisch, Fleischerzeugnisse, Wurstwaren |
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Fleischersatzprodukte, Sojaprodukte |
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Eier |
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Speiseöle, Speisefette, Essig |
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Zucker, Süßungsmittel |
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Süßwaren, Speiseeis |
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Nüsse, Kerne, Saaten, Kabbergebäck |
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Gewürze, Wurzsaucen |
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Back-/Gelier-/ Bindemittel |
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Getränke |
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Liste von Lebensmitteln, die immer glutenhaltig sind, Lebensmittel, die Gluten enthalten können aber nicht müssen, sowie Lebensmittel, die grundsätzlich für eine sichere glutenfreie Ernährung geeignet sind.
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Zöliakie: Ursachen
Welche Ursachen eine Glutenunverträglichkeit hat, ist noch nicht eindeutig geklärt. Während die im Körper ablaufenden Prozesse, die mit der Krankheit in Verbindung stehen, relativ gut erforscht sind, liegen die Ursachen für die Entstehung der Zöliakie nach wie vor weitgehend im Dunkeln. Experten nehmen an, dass das Immunsystem, Infektionen, Ernährung und Umweltfaktoren die Entwicklung der Krankheit beeinflussen. Wie genau ist aber noch unklar.
Zöliakie: Vererbung
Bei Zöliakie spielt Vererbung wohl eine erhebliche Rolle. Etwa fünf bis zehn Prozent der näheren Verwandten von Menschen mit Zöliakie sind ebenfalls betroffen. Der Grund dafür: Fast alle von Zöliakie Betroffenen haben das Gen HLA-DQ 2 oder das Gen HLA-DQ8 vererbt bekommen. Insgesamt sind zwar 30 bis 35 Prozent der hiesigen Gesamtbevölkerung positiv für diese Gene. Von diesen entwickeln aber nur etwa zwei Prozent im Laufe ihres Lebens tatsächlich eine Zöliakie. Ein Gentest kann also lediglich eine Glutenunverträglichkeit ausschließen (bei Nichtvorhandensein der HLA-Marker), sie aber nicht belegen.
Zöliakie: Folgeerkrankungen
Werden Betroffene nicht mittels einer glutenfreien Ernährung behandelt, kann die Zöliakie Folgen haben und sich die Entzündung im Dünndarm fortsetzen. Die Darmzotten verkümmern durch die Zöliakie nach und nach. Da diese kleinen Ausstülpungen an der Innenwand des Dünndarms dann nicht mehr genug Nahrungsbestandteile vom Darm ins Blut weitergeben können, wird der Körper dauerhaft mit bestimmten Nährstoffen, Vitaminen und Mineralstoffen unterversorgt. Daher können durch eine Zöliakie weitere Erkrankungen entstehen.
Die unzureichende Versorgung mit Eisen und Eiweiß führt beispielsweise zu Störungen bei der Bildung roter Blutkörperchen und damit zu einer Blutarmut (Anämie). Sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen kann eine Glutenunverträglichkeit zu folgenden Beschwerden oder Erkrankungen führen, wenn ein Nährstoffmangel entsteht:
- Blutgerinnungsstörungen
- Knochenschmerzen, Gelenkbeschwerden
- Schäden am Zahnschmelz
- Gewichtsverlust
- häufiger Stuhlgang, Blähbauch
- Müdigkeit
- Nervosität
- Bei Kindern: Rachitis, Kleinwuchs, verspätetes Einsetzen der Pubertät
Frauen mit einer unbehandelten Zöliakie können gegebenenfalls ungewollt kinderlos bleiben. Auch scheint Zöliakie das Krebsrisiko zu steigern. So ist zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit erhöht, an Dünndarm- oder Speiseröhrenkrebs sowie in höherem Alter an Lymphknotenkrebs zu erkranken.
Und auch auf die Psyche wirkt Zöliakie sich mitunter aus. Die vergleichsweise aufwendige glutenfreie Ernährung belastet manche Betroffene auf Dauer und gerade junge Menschen fühlen sich oft stigmatisiert und ausgegrenzt durch die Glutenunverträglichkeit. Das Risiko unter anderem für Angststörungen, Depressionen oder Essstörungen ist laut Leitlinie erhöht.
Unter Umständen können durch die Glutenintoleranz nicht mehr genügend Verdauungsenzyme hergestellt werden. Dadurch können weitere Unverträglichkeiten, zum Beispiel gegen Laktose (Milchzucker) oder Fette, auftreten.
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Zöliakie bei Kindern und Babys
Ein Ausbruch der Erkrankung ist grundsätzlich in jedem Lebensalter möglich. Es gibt allerdings zwei Häufigkeitsgipfel: Der erste liegt zwischen dem ersten und dem achten Lebensjahr, der zweite zwischen 20 und 50 Jahren. Bei Kleinkindern tritt die Zöliakie meist einige Monate nach der Einführung glutenhaltiger Nahrung, wie Grießbrei oder Zwieback, auf.
Zöliakie: Symptome bei Kindern
Klassische Symptome einer Glutenunverträglichkeit bei Babys und Kindern sind Gedeihstörungen, Appetitlosigkeit, Erbrechen und oft Durchfälle. Der Stuhlgang ist aber nicht immer auffällig. Eine Verstopfung kann ebenso vorliegen wie Durchfall oder normaler Stuhl. Viele Kinder haben einen aufgeblähten Bauch. Auch Wesensveränderungen wie Weinerlichkeit oder mangelndes Interesse am Spielen können bei einer Zöliakie auftreten. Kinder können sogar bereits gelernte motorische Fähigkeiten wie das Laufen wieder verlieren. Je älter die Kinder sind, wenn die Zöliakie ausbricht, desto häufiger sind Verläufe und Symptome untypisch. Daher wird die Diagnose oft spät gestellt: Bei einem Drittel der Kinder können sechs Monate oder mehr vergehen, bis die Zöliakie erkannt wird.
Zöliakie: Ernährung für Babys
Das Risiko, durch Glutenzufuhr eine Zöliakie sichtbar werden zu lassen, betrifft ausschließlich Personen mit bestimmten HLA-Genen (siehe Vererbung). Diese Gene spielen eine Rolle dabei, wie das Immunsystem körpereigene und -fremde Strukturen unterscheiden kann. Hier besteht also ein erbliches Risiko für Zöliakie. Das trifft auf etwa zwei Drittel der deutschen Säuglinge zu.
Glutenhaltige Beikost sollten die Eltern nicht vor dem Alter von 17 Wochen und nicht später als mit 26 Wochen einführen. Eine frühere Gluteneinführung reduziert nach aktuellem Kenntnisstand nicht das spätere Zöliakie-Risiko. Bei genetisch vorbelasteten Kindern scheint eine etwas spätere Gabe von glutenhaltiger Nahrung die Zöliakie-Erkrankung zwar nicht zu verhindern, aber zumindest etwas hinauszuzögern.
Zöliakie: Glutenfrei als Trend
Da der Markt an glutenfreien Produkten boomt und eine glutenfreie Ernährung fast schon als Lifestylefaktor bezeichnet wird, verzichten häufig selbst gesunde Menschen rein vorsorglich oder weil sie einen Verdacht haben auf glutenhaltige Produkte. Viele sind, auch aufgrund irreführender Diät-Ratgeber, inzwischen überzeugt, dass glutenhaltige Lebensmittel ungesund sind. Die vorsorglich glutenfreie Ernährung kann aber zu Mangelerscheinungen führen und sogar gefährlich werden, da das Risiko bestimmter Erkrankungen ansteigt. Das gilt vor allem für Kinder, die vorsorglich in eine glutenfreie Diät miteinbezogen werden. Eine Zöliakie sollte immer ärztlich festgestellt werden.
Die Deutsche Zöliakie Gesellschaft
Hilfe und Unterstützung erhalten Betroffene bei der Deutschen Zöliakie Gesellschaft e.V. (DZG). Die Selbsthilfeorganistion mit inzwischen mehr als 40.000 Mitgliedern gibt Tipps zur Ernährungsumstellung. Dort finden Zöliakie-Erkrankte unter anderem Listen glutenfreier Lebens- und Arzneimittel, Rezepte für glutenfreies Kochen und Backen, Veranstaltungstipps und telefonische Arztsprechstunden. Weitere Infos unter: www.dzg-online.de
Quellen
- S2k-Leitlinie: Zöliakie, Weizenallergie und Weizensensitivität (Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten); Stand: Dezember 2021
- Vogelsang, H. et al.: Psychosomatische Aspekte der Zöliakie; Psychosomatik in der Gastroenterologie und Hepatologie; 2007; DOI: 10.1007/978-3-211-69159-5_16
- Natura Schwerpunkt Biologie 5; Ernst Klett Verlag; 2017
- Krankheitslehre; Georg Thieme Verlag KG; 2015
- Fischer, P J et al.: Getreideallergien; Pädiatrische Allergologie 14 – 4/2011
- Online-Informationen Deutsche Zöliakie-Gesellschaft. Was ist Zöliakie?: www.dzg-online.de; Abruf: 24.10.2024
- Online-Informationen Deutsche Zöliakie-Gesellschaft. Zöliakie?: www.dzg-online.de; Abruf: 24.10.2024
- Online-Informationen Deutsche Haut- und Allergiehilfe: www.dha-allergien.de; Abruf: 24.10.2024
- Online-Informationen Deutscher Allergie- und Asthmabund: www.daab.de; Abruf: 24.10.2024
- Online-Informationen Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte: www.kinderaerzte-im-net.de; Abruf: 24.10.2024
- Online-Informationen Helmholtz Zentrum München: www.allergieinformationsdienst.de; Abruf: 24.10.2024
- Online-Informationen Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ): www.dgkj.de; Abruf: 24.10.2024
- Online-Informationen Deutsche Gesellschaft für Hautgesundheit e. V.: www.naehrstoffkosmetik.com; Abruf: 24.10.2024
- Online-Informationen Deutsches Ärzteblatt: www.aerzteblatt.de; Abruf: 28.10.2024
- Online-Informationen Universität Osnabrück: www.psychologie.uni-osnabrueck.de; Abruf: 28.10.2024
- Online-Informationen DocCheck: https://flexikon.doccheck.com; Abruf: 28.10.2024
- Online-Informationen Technische Universität München, Institut für Ernährungsmedizin: www.mri.tum.de; Abruf: 28.10.2024
- Online-Informationen Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten: www.internisten-im-netz.de; Abruf: 28.10.2024