Hartnäckiger Husten, der über Wochen nicht verschwindet, Schnupfen, das Gefühl völlig energielos zu sein, Halsweh, Fieber. Viele hat es in dieser Erkältungssaison schon erwischt, manche mehrmals und richtig lange. Ständig ist jemand im Büro oder im Freundeskreis krank. Und im Flurfunk kursieren immer wieder die gleichen Fragen: Ist es dieses Jahr besonders schlimm mit den Erkältungen? Haben die sich immer schon so lange gezogen? Sind mehr Leute krank als sonst? Und falls ja, womit hängt das zusammen? Sind es vielleicht immer noch Nachwirkungen von Corona? Die Antworten gibt Prof. Oliver Witzke, Direktor der Klinik für Infektiologie am Universitätsklinikum in Essen im Interview.
Herr Witzke, was ist eine Infektionskrankheit und mit welchen Symptomen geht sie um diese Jahreszeit typischerweise einher?
Infektionen können durch Bakterien, Viren oder Parasiten verursacht werden. In dieser Jahreszeit sind das meist Infektionserkrankungen, die den Atemwegstrakt betreffen, von der Nase bis zur Lunge, von der harmlosen Erkältung bis zu gefährlicheren Erkrankungen wie Grippe oder bakteriellen Atemwegserkrankungen.
Warum nehmen Atemweginfekte gerade im Winter zu?
Dafür gibt es verschiedene Thesen. Eine ist, dass sich Menschen mehr in geschlossenen Räumen anstatt im Freien aufhalten und sich Erreger innen leichter verbreiten. Eine weitere besagt, dass sich die Schleimhäute bei niedrigen Temperaturen abkühlen und es Erreger dadurch leichter haben, einzudringen. Trockene Heizungsluft trägt auch dazu bei, dass die Abwehrbarriere durch die Schleimhäute schlechter funktioniert. Und eine dritte Theorie geht davon aus, dass die Abwehrmechanismen, also wenn Erreger bereits im Körper angekommen sind, durch die Kälte und die veränderte Temperatur der Schleimhäute reduziert sind. Ich denke, es ist eine Mischung aus allen dreien. Fakt ist, dass bestimmte Viruserkrankungen im Herbst und Winter eigentlich immer zunehmen.
Das scheint gerade wieder der Fall zu sein. Haben dieses Jahr mehr Menschen Atemwegsinfektionen als sonst?
Das Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlicht Wochenberichte, in denen man die Infektionszahlen nachvollziehen kann. Ich würde sagen, dass sich in puncto Atemwegsinfektionen in den vergangenen Jahren nicht viel verändert hat, wenn man mal von den Corona-Jahren absieht, wo die Zahlen durch den Lock-Down niedriger waren. Dass es einigen vorkommt, als seien mehr Menschen krank, liegt vielleicht daran, dass es seit Corona ein anderes Bewusstsein fürs Kranksein gibt und man auch bei einfachen Erkältungskrankheiten eher zu Hause bleibt.
Viele werden ihren Husten aktuell auch über Wochen nicht los. Haben wir es mit besonders aggressiven Viren oder Bakterien zu tun?
Mittlerweile gibt es gute Erkenntnisse darüber, welche Viren unterwegs sind. Jetzt, im Dezember, sind die gefährlicheren Grippe- und RSV-Viren noch gar nicht da. Allerdings gibt es in diesem Jahr die Besonderheit, dass gewisse Bakterien wieder auftreten, die wir seit Langem nicht gesehen haben: die Mykoplasmen, die teils sehr schwere Erkrankungen wie Lungenentzündungen hervorrufen, auch bei jungen Menschen. Warum die Mykoplasmen wieder da sind, wissen wir allerdings nicht. Außerdem gibt es derzeit viele Fälle von Keuchhusten – und der hält einige Wochen lang an. Viren und Bakterien sind grundsätzlich aber nicht aggressiver in diesem Winter.
Manche beschreiben eine tiefe Erschöpfung. Dafür sind wir durch Corona sensibilisiert. Gibt es das auch bei Erkältungen?
Natürlich ist eine gewisse Erschöpfung da, wenn man erkältet ist. Ich glaube, die Menschen haben durch Corona eher das Bewusstsein, sich einzugestehen, dass Erschöpfung ein Signal des Körpers ist, sich auszuruhen, und dass man seine Gesundheit gefährdet, wenn man arbeiten geht. Vor Corona haben sich viele vielleicht doch zur Arbeit geschleppt, auch wenn es ihnen nicht ganz so gut ging.
Wie viel hat Corona mit der aktuellen Erkältungswelle zu tun? Sind unsere Immunsysteme eventuell immer noch weniger fit?
Corona ist mittlerweile lange genug vorbei. Unser Immunsystem hatte ausreichend Zeit, um sich nach der Isolation und dem Maskentragen wieder zu stärken. Covid-19 selbst ist im Augenblick wieder relativ viel unterwegs – vor fünf oder sechs Wochen hatten wir die bisher höchste Anzahl an Fällen. Aber die Zahlen und auch die Ausprägung der Erkrankung sind nicht vergleichbar mit den Corona-Jahren, sondern liegen im Bereich der Grippe.
Auch die Antibiotika-Verordnungen scheinen hoch. Ist das so, gibt es mehr Superinfektionen?
Das glaube ich nicht. In der Corona-Zeit haben die Praxen Abstriche gemacht und gesehen, ob es Bakterien oder Viren waren. Bei Viren wirken Antibiotika nicht, also hat man sie auch nicht gegeben. Jetzt gibt es die Abstriche nicht mehr und ich könnte mir vorstellen, dass einige sicherheitshalber Antibiotika verordnen, obwohl es wahrscheinlich nicht wirkt. Meiner Meinung nach sind die Menschen nicht kränker geworden, sondern die Diagnostik ist in ihrer Korrektheit zurückgefallen. Da bin ich natürlich nicht glücklich drüber.
Händewaschen – so geht es richtig
Welche Tipps haben Sie, um gut durch den Winter zu kommen in Bezug auf Infektionskrankheiten?
Gerade Menschen, die Risiken für schwere Verläufe haben oder Personen, die im Gesundheitswesen oder in Altenheimen arbeiten, empfehle ich eine Grippe-Impfung und eine Corona-Impfung. Auch gegen Pneumokokken, dem häufigsten Erreger der Lungenentzündung, kann man sich impfen lassen. Damit hilft man nicht nur sich selbst, sondern steckt andere weniger wahrscheinlich an.
Ich selbst trage zudem in Zügen oder Räumen mit sehr vielen Menschen eine Maske, wenn ich weiß, dass ich zum Beispiel demnächst einen Vortrag habe und nicht krank werden sollte. So hat man das Timing der Infektion zumindest ein klein bisschen in der eigenen Hand.
Ist man erst einmal krank, gibt es keine wirklich wissenschaftlich belegten Hausmittel. Ich denke, auf das zu hören, was der Körper will, sei es etwas Warmes wie eine Suppe oder sich ausruhen, ist immer eine wichtige Botschaft, auf die man hören sollte.
Zum Arzt sollte man gehen, wenn der Husten nach zehn Tagen noch unvermindert da ist oder der Allgemeinzustand zwei bis drei Tage so deutlich eingeschränkt ist, dass man nicht richtig aus dem Bett kommt. Auch bei Fieber und Schüttelfrost ist ein Termin beim Arzt angeraten, da er die richtige Diagnose stellen und Maßnahmen ergreifen kann, damit man die Krankheit nicht verschleppt.