Ein Placebo ist ein Scheinmedikament – trotzdem kann es wirken. Eine Schweizer Studie zeigte jetzt, dass Placebos sogar die Schmerzen von Testpersonen lindern können, obwohl diese wissen, dass es sich nicht um echte Arzneien handelt.
Der Effekt zeigte sich in einem Experiment von Psychologen der Universität Basel und der Harvard Medical School. 160 Probanden sollten ihren Unterarm auf eine Platte legen, die sich langsam erwärmte. Einer Gruppe der Teilnehmer wurde danach eine angeblich schmerzstillende Salbe aufgetragen – diese war jedoch ein Placebo. Eine andere Gruppe erhielt die gleiche Behandlung mit einer Creme, die als Placebo beschriftet war, ohne weitere Anmerkung. Die dritte Gruppe hingegen hatten die Wissenschaftler im Vorfeld über das Scheinmedikament und die Wirkweise des Placebo-Effekts aufgeklärt.
In diesem Studien-Aufbau konnten die Psychologen vergleichen, ob ein Placebo besser wirkt, wenn es heimlich (Gruppe mit angeblichem Schmerzmittel) oder offen verabreicht wird (Gruppe mit Aufklärungsgespräch). Das überraschende Ergebnis: Beide Mittel linderten die Schmerzen der Testpersonen in gleichem Maß. „Die bisherige Annahme, dass Placebos nur wirken, wenn sie mittels Täuschung verabreicht werden, sollte neu überdacht werden“, kommentiert Erstautorin Cosima Locher von der Fakultät für Psychologie der Universität Basel das Ergebnis. Entscheidend für den Erfolg der Scheinbehandlung sind demnach die begleitenden Informationen und die Kommunikation zwischen Patient und Arzt.
Rechtlich und ethisch umstritten
Der Einsatz von Placebos ist umstritten. Rechtlich, weil Ärzte verpflichtet sind, eine wirksame Therapie anzuwenden. Ist beispielsweise eine andere Methode als die Placebo-Gabe nachgewiesen erfolgreicher, so dürfen die Scheinmedikamente eigentlich nicht eingesetzt werden. Auch ethisch gibt es ein Problem, wenn Ärzte den Patienten bewusst anlügen und ihm vortäuschen, ein wirkstoffhaltiges Mittel zu verabreichen, obwohl es sich nur um ein Placebo handelt.
Die Bundesärztekammer (BÄK) empfiehlt die Gabe von Placebos in drei Fällen:
- Wenn keine geprüfte wirksame Therapie existiert
- Wenn der Patient relativ geringe Beschwerden hat, zum Beispiel leichten Schnupfen, aber trotzdem unbedingt medikamentös behandelt werden will
- Wenn es einen Aussicht auf Erfolg gibt bei der Placebo-Behandlung
Durch die Basler Studie könnten sich nun neue Möglichkeiten in der Praxis ergeben. „Durch das originelle Studiendesign wird deutlich, dass eine offene Gabe von Placebo den bekannten Placebo-Effekt ebenfalls hervorrufen kann. Man muss also nicht ‚täuschen‘“, sagt Robert Jütte, Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch-Stiftung. Er wirkte federführend an den Empfehlungen der BÄK zum Umgang mit Placebos. „Auf diese Weise ließen sich ethische und rechtliche Bedenken aus dem Weg räumen, wenn es um die Gabe von reinen Placebos geht.“
Nicht zu vernachlässigen ist seiner Meinung nach eine andere Erkenntnis, die sich aus der Studie ergibt: Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient könnte genauso entscheidend für den Therapie-Erfolg sein, wie die Medikation selbst. „Der Placebo-Effekt kann auch auf andere Weise als durch die Gabe einer Scheinmedikation erreicht werden – zum Beispiel durch ein optimales therapeutisches Setting“, betont Jütte. „So wird der bestmögliche Behandlungserfolg zum Vorteil des Patienten erzielt.“
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