Als der englische Krankenpfleger Kenneth Barlow Mitte der 1950er-Jahre in einem Sanatorium einen Vortrag über Insulin hielt, soll er lachend behauptet haben: „Mit Insulin lässt sich der perfekte Mord verüben.“ Ein Verbrechen also, das sich nicht nachweisen lässt. Der perfide Pfleger irrte: Drei Jahre später kam er wegen Mordes an seiner Frau Betty lebenslang ins Gefängnis – für den ersten bekannt gewordenen, eindeutig nachweisbaren Insulin-Mord der Kriminalgeschichte. Gelegentlich, wenn auch zum Glück äußerst selten, hört man von Menschen, die an einer Überdosis Insulin gestorben sind. Manchmal handelt es sich um einen Mord wie der an Betty Barlow, manchmal um Suizid oder ein Versehen. Das ist tragisch.
Der Missbrauch von Insulin darf aber nicht dazu führen, dass man Angst vor der Substanz bekommt und die Therapie scheut. Denn das Medikament rettet zuallererst Leben.
Wie in so vielen Fällen macht die Dosis das Gift. Hohe Blutzuckerwerte muss ein Diabetiker mit einer entsprechend hohen Dosis Insulin behandeln. Das passende Verhältnis von Blutzuckerwert und Insulineinheit legt der Diabetologe fest. Sollte man einmal versehentlich zu viel Insulin gespritzt haben, rettet einen in der Regel die eigene Leber.
Das Organ speichert Zucker und setzt seine Zuckerreserven sofort frei, sobald der Blutzuckerspiegel zu stark sinkt. Dieselben Hormone, die der Leber das Signal „Zucker marsch!“ geben, sind außerdem für die typischen Symptome einer Unterzuckerung verantwortlich. Starkes Schwitzen, Zittern oder Heißhunger machen normalerweise rechtzeitig darauf aufmerksam, dass zu viel Insulin im Blut zirkuliert. So bleibt wertvolle Zeit, um Traubenzucker zu
essen und Hilfe zu rufen.
Anfang des Jahres 2018 sorgte ein Kriminalfall für Entsetzen, als ein Pfleger offenbar Kenneth Barlow nacheiferte. Ein von ihm betreuter Patient nahe München starb, weil er ihm zu viel Insulin verabreicht hatte, um ihn ausrauben zu können. Aber auch diesem Kriminellen kamen Ermittler auf die Spur. Und: Mindestens vier weitere Patienten waren mit extrem niedrigem Blutzucker ins Krankenhaus gekommen. Sie haben überlebt.
Dies ist eine gekürzte Fassung. Den vollständigen Text finden Sie in FOCUS-Diabetes „Motiviert und fit" 02/2018 – als Print-Heft oder als digitale Ausgabe.