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Das Immunsystem stärken

Regelmäßige Bewegung, gute Ernährung, sorgfältige Mundhygiene und eine stabile Psyche – worauf es ankommt, damit das Immunsystem seine Arbeit machen kann.

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Ein Pärchen geht Hand in Hand durch einen verschneiten Wald

© Shutterstock

Drei Erkältungen in Folge? Verständlich, dass man sich da irgendwann fragt, wie es um die eigenen Abwehrkräfte bestellt ist – und ob sich da nachhelfen lässt. Vor allem wenn der Kollege auf der anderen Schreibtischseite die Robustheit eines Stiers zu haben scheint. So weit die gängige Meinung. Leider stimmt sie nicht. „Die Gleichung ,nie krank gleich starke Abwehr und häufig krank gleich schwaches Immunsystem‘ geht so nicht auf“, sagt Thomas Kamradt, Leiter des Instituts für Immunologie am Universitätsklinikum Jena. Entscheidend sind genetische Faktoren und Umwelteinflüsse – auf wie viele krank machende Erreger man zum Beispiel trifft, etwa im Kollegenkreis, in der U-Bahn oder beim Umgang mit Kindern.

Die Gleichung ,nie krank gleich starke Abwehr und häufig krank gleich schwaches Immunsystem‘ geht so nicht auf

Thomas Kamradt

Leiter des Instituts für Immunologie am Universitätsklinikum Jena

„Ob und wie wir das Immunsystem unterstützen können, angemessen zu reagieren, wissen wir noch nicht“, sagt Immunologe Kamradt. „Allerdings kennen wir Faktoren wie Rauchen und Stress, die es nachweisbar beeinträchtigen.“ Von Mitteln wie Echinacea oder Vitamin C zur Prävention von Infekten hält er nicht viel. „Es gibt bislang keine Belege, dass die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln einen Effekt hat“, so der Experte. Das Immunsystem sei komplex, der Normalbereich sehr groß. „Bestimmte Werte können sich stark verändern, ohne dass dies eine funktionelle Auswirkung hat.“

Ausreichend schlafen, nicht rauchen

Im Alltag kommt es darauf an, das Immunsystem nicht zu schwächen. Zu viel Alkohol oder UV-Strahlung durch ausgedehnte Sonnenbäder beeinträchtigen die Abwehrkraft. „Auch in Bezug auf Schlafmangel gibt es verlässliche Daten“, sagt Immunologe Kamradt, „höchstwahrscheinlich schadet er dem Immunsystem.“ Schlafentzug verursache deutliche immunologische Veränderungen und fördere Entzündungsprozesse.

»Auch in Bezug auf Schlafmangel gibt es verlässliche Daten. Höchstwahrscheinlich schadet er dem Immunsystem.«
(Thomas Kamradt, Leiter des Instituts für Immunologie am Universitätsklinikum Jena)

Forscher aus Pittsburgh zeigten, dass wenig Schlaf zu Erkältungen führen kann. Für ihre Studie mussten 153 Probanden über 14 Tage ihr Schlafverhalten dokumentieren und bekamen dann ein Erkältungsvirus verabreicht. Die Personen, die auf weniger als sieben Stunden Nachtruhe kamen, erkälteten sich danach fast dreimal häufiger als jene, die mindestens acht Stunden schliefen. Die Forscher vermuten, dass ein gestörter Schlaf die Produktion wichtiger Substanzen beeinflusst, die das Immunsystem zum Kampf gegen die Infektion benötigt.

Dass Raucher ein mehr als doppelt so hohes Risiko haben, an der Autoimmunkrankheit Rheuma zu erkranken, wie Nichtraucher, konnten vor einigen Jahren Wissenschaftler des schwedischen Karolinska-Instituts belegen. Grund dafür sind Substanzen im Zigarettenrauch, die den Angriff des Immunsystems auf das eigene Gewebe fördern.

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Darmbakterien viel Gemüse vorsetzen

Ein Großteil der Immunzellen sitzt in der Darmschleimhaut. Das „darm-assoziierte Immunsystem“ namens GALT (gut-associated lymphoid tissue) ist die größte Einheit unserer Abwehr. „Dass das Mikrobiom massiven Einfluss hat, belegen inzwischen viele Studien“, sagt Experte Kamradt. „Die Stoffwechselprodukte der Bakterien im Darm bestimmen das Immunsystem nachhaltig.“

Warum Ballaststoffe bedeutsam für eine gute Darmflora sind
  • Darmbakterien fungieren als Vermittler zwischen dem Immunsystem und der Nahrung 
  • Bestimmte Bakterien stellen aus faser- und inulinreichem Gemüse und Obst kurzkettige Fettsäuren wie Propionsäure und Butyrat her, die das Immunsystem regulieren 
  • Langkettige Fettsäuren in Fast-Food, Fleisch, Süßem begünstigen Entzündungsprozesse.


»In Fettdepots von Übergewichtigen werden ständig langkettige Fettsäuren freigesetzt, die im Prinzip wie Kerosin für das Immunsystem sind und es übermäßig anfeuern. Ein Body-Mass-Index unter 25 ist förderlich.«
(Ralf Gold, Direktor der Neurologischen Klinik der Ruhr-Universität Bochum)

Die Art, wie man sich ernährt, zieht unterschiedliche Bakterienstämme an. Besonders wertvoll sind jene, die aus der Nahrung kurzkettige Fettsäuren wie Propionsäure herstellen. Sie wirken regulierend auf Immunprozesse. „Wer viele Faser- und Ballaststoffe aus Gemüse und Obst zu sich nimmt, produziert dann auch reichlich Propionsäure, weil der Darm mit den entsprechenden Bakterien besetzt ist“, sagt Neurologe Gold.

Langkettige Fettsäuren stehen dagegen im Verdacht, Entzündungsprozesse zu befeuern. Sie stecken zum Beispiel in Fast Food, rotem Fleisch, Fett und Süßigkeiten. Um Entzündungsprozesse zu reduzieren, sollte man auch auf sein Gewicht achten. „In Fettdepots von Übergewichtigen werden ständig langkettige Fettsäuren freigesetzt, die im Prinzip wie Kerosin für das Immunsystem sind und es übermäßig anfeuern“, sagt der Neurologe. „Ein Body-Mass-Index unter 25 ist förderlich“. (Berechnungsformel etwa unter bmi-rechner.net).

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Die Heilkraft der Bewegung nutzen

„Viele Studien deuten darauf hin, dass regelmäßiges Training die allgemeine Erkrankungsrate senkt, genau wie die Todesrate bei Herz-Kreislauf- und manchen Krebserkrankungen“, sagt Immunologe Kamradt.

Sport macht die Abwehr effektiver.

Hans Georg Predel

Leiter des Instituts für Kreislaufforschung und Sportmedizin der Sporthochschule Köln

Inzwischen vermuten die Forscher, dass leichte Stressreize durch Sport das Immunsystem trainieren, es stimulieren und auf die Anforderungen hin optimieren, die der Körper stellt. „Sport macht die Abwehr effektiver“, bestätigt auch Hans-Georg Predel, Leiter des Instituts für Kreislaufforschung und Sportmedizin der Sporthochschule Köln. „Der Körper schüttet vermehrt Botenstoffe wie Interleukin-6 aus. Zusammen mit Adrenalin werden so Abwehrzellen mobilisiert, die Entzündungen bekämpfen und etwa verstärkt Tumorgewebe erreichen“, erklärt der Sportmediziner.  

Stress abbauen, Tempo rausnehmen   

Das Phänomen ist bekannt: Nach Stress in der Arbeit liegt man am Wochenende oder im Urlaub erst mal flach. Aber wie stark ist der Zusammenhang zwischen psychischer Verfassung und der Häufigkeit von Infekten wirklich? „Forschungsergebnisse belegen eindeutig, dass es ihn gibt“, sagt Manfred Schedlowski, Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie und Verhaltensimmunbiologie am Uniklinikum Essen. Der Grund: „Die Verbindung zwischen Gehirn und Immunsystem wird durch Stresshormone reguliert.“ Geraten wir unter Druck, werden die Immunzellen in ihrer Aktivität eingeschränkt.

Als Wegmarke der Stressforschung gilt eine Studie der amerikanischen Carnegie Mellon University: 420 Probanden wurden fünf Tage lang in Einzelzimmern eines Hotels einquartiert. Vorher führten sie über mehrere Wochen Tagebuch, in dem sie anhand einer Skala ihre Belastungslage einschätzten. Danach träufelten die Forscher den Testpersonen Schnupfenviren in die Nase. Ergebnis: Je stabiler die Probanden psychisch waren, desto höher musste die Virusdosis sein, um sie krank zu machen. Und je gestresster und depressiver sie sich einschätzten, desto leichter waren sie zu infizieren. 

Wem die Häufigkeit seiner Infekte nicht geheuer ist, der kann überlegen, inwieweit Stress oder seine Lebenssituation Auslöser sein kann. „Und dann wird es anstrengend“, sagt Verhaltensimmunologe Schedlowski, „denn etwas an seinem Alltag oder den Arbeitsbedingungen zu ändern und für mehr Entspannung zu sorgen ist nicht einfach. Wo es möglich ist, sollte man Geschwindigkeit rausnehmen und sich weniger verplanen.“  
 

Zahnfleischbluten ernst nehmen

Chronische Entzündungen, die unbemerkt im Körper schwelen, kosten das Immunsystem Kraft. „Der Laborwert CRP (C-reaktives Protein) misst das Entzündungsgeschehen“, erklärt Immunologe Kamradt. „Sogar Menschen, die an der oberen Grenze des Normalbereichs dieses Wertes liegen, haben langfristig ein erhöhtes Risiko für diverse Krankheiten.“ Weitverbreitet unter den „low grade inflammations“ ist Parodontitis: Jeder zweite deutsche Erwachsene leidet unter der entzündlichen Erkrankung des Zahnhalteapparats, die durch Bakterien in den Zahnbelägen entsteht. Bei jedem zehnten ist sie schwer ausgeprägt.

Eine schwer ausgeprägte Parodontitis hat die Entzündungsfläche einer Handfläche. Man kann sich vorstellen, wie sich das Immunsystem hier abarbeitet.

Lisa Hezel

Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie

„Die Krankheit entsteht durch ein Wechselspiel zwischen Bakterien und Immunsystem“, erklärt Lisa Hezel, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie. Durch die Entzündung ist in den Zahnfleischtaschen das Gewebe aufgelockert. Bakterien und Zellen des Immunsystems, die bestimmte Botenstoffe abgeben, können so in den Blutkreislauf gelangen und sich im Körper festsetzen. „Die Bakterien wurden schon an den verrücktesten Orten gefunden: in der Gelenkflüssigkeit, im Gehirn, in Gefäßwänden“, sagt Hezel.

In letzter Zeit konnten Forscher Zusammenhänge zwischen Parodontitis und Arthritits, Atherosklerose und Schwangerschaftskomplikationen feststellen. Beim Diabetes ist die Wirkung sogar wechselseitig. „Parodontitis verstärkt die Insulinresistenz, wodurch der Blutzuckerspiegel ansteigt“, erklärt die Expertin. Umgekehrt verstärke ein unkontrollierter Diabetes den Abbau des Zahnhalteapparats.  „Eine schwer ausgeprägte Parodontitis hat die Entzündungsfläche einer Handfläche“, verdeutlicht Zahnärztin Hezel, „man kann sich vorstellen, wie sich das Immunsystem hier abarbeitet.“ Zahnfleischbluten und schlechten Atem nähmen viele allerdings nicht ernst. Halbjährliche Kontrollen beim Zahnarzt helfen, die Entzündung rechtzeitig zu entdecken. Alle zwei Jahre führt dieser einen Parodontalen Screening-Index durch, bei dem er Zähne und Zahnfleisch beurteilt. Die Profi-Reinigung der Zahn- und Wurzel-oberflächen ist Voraussetzung, dass Zahnfleischtaschen ausheilen können. „Eine sorgfältige Mundhygiene des Patienten ist der Schlüsselfaktor“, sagt Zahnärztin Hezel. „Alle Zahnflächen sollten täglich gründlich mit Zahnbürste, Interdentalbürstchen und – wo nötig – Zahnseide gereinigt werden.“ Bei Patienten mit reduziertem Immunsystem sei es essenziell, dass alle Entzündungsherde der Mundhöhle beseitigt werden, um die Abwehr nicht zusätzlich zu belasten.

Wer dann noch genügend schläft, sich viel bewegt und gesund ernährt, hat gute Chancen, die nächste Erkältungsattacke schadlos zu überstehen – genau wie sein robuster Kollege.
 

Dies ist eine gekürzte Fassung. Den vollständigen Text finden Sie in FOCUS-GESUNDHEIT „Starke Abwehr" – als Print-Heft oder als digitale Ausgabe.

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