Nicht immer braucht es den fachkundigen Blick eines Arztes oder aufwändige Untersuchungen, um Krankheiten zu diagnostizieren. Klar, bei einem Schnupfen ist das nichts Besonderes – so etwas erkennen auch medizinische Laien. Doch wie sieht es aus mit Tuberkulose oder Unterzuckerung bei Diabetes? Oder gar Erkrankungen, deren Symptome noch nicht ausgebrochen sind?
Hunde erschnüffeln Unterzucker
Hundenasen sind sehr empfindlich und nehmen weitaus mehr Duftnuancen wahr als menschliche Nasen. Kein Wunder: Während der Mensch mit etwa fünf Millionen Riechzellen auskommen muss, besitzen Hunde durchschnittlich 125 bis 220 Millionen davon. Damit können sie für Polizeibeamte nach Drogen, Sprengstoff und vermissten Personen suchen – aber auch Diabetiker vor gefährlichem Unterzucker warnen. Sogenannte Diabetikerhunde beginnen bereits als Welpen mit der Ausbildung. Sie erschnüffeln minimale Veränderungen im Körpergeruch eines Menschen, wenn dessen Zuckerwerte sinken, und schlagen Alarm.
Oft bemerken Diabetiker die typischen Warnzeichen einer sogenannten Hypoglykämie selbst: Nervosität, Schweißausbruch, Zittern, Blässe, Hungergefühl und Herzrasen. Fallen die Blutzuckerwerte weiter ab, macht sich der Glukosemangel im Gehirn bemerkbar; Betroffene bekommen dann Seh- oder Sprachstörungen und leiden unter Schwindel oder Kopfschmerzen. Wird solch einer schweren Unterzuckerung nicht schnell durch die Gabe von Glukose entgegen gesteuert, drohen langfristige Hirnschäden.
Die Diabetikerhunde reagieren früher – noch bevor eines der Warnzeichen auftritt. Dem Deutschen Assistenzhunde-Zentrum zufolge zeigen die Spürnasen dabei nur Blutzuckerwerte an, die bald in eine Unterzuckerung sinken könnten, und keine, die zwar niedrig, aber stabil sind. So bleibt dem Diabetes-Patienten ausreichend Zeit, Kohlenhydrate zu sich zu nehmen und den unangenehmen Folgen der Hypoglykämie zu entgehen
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Ratten riechen Tuberkulose
Die Nasen von Ratten sind sogar noch feiner als die von Hunden. Besonders eine Gattung tut sich mit ihrem Geruchssinn hervor: Vertreter der Riesenhamsterratten können Tuberkulose-Erreger in Stuhl- und Speichelproben erschnüffeln. Wissenschaftler in Mosambik und Tansania arbeiten mit den quirligen Pelztieren, die fast so groß werden wie Waschbären. Innerhalb weniger Minuten können die Nager Dutzende Diagnosen stellen. Dazu riechen sie an Proben, welche die Versuchslabore zuvor von Krankenhäusern bekommen haben. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass im vergangenen Jahr bis zu 4,1 Millionen Tuberkulose-Fälle unentdeckt geblieben sind. Das ist eine gefährlich hohe Zahl, denn die Krankheit breitet sich mittels Tröpfchen-Infektion aus. Wer also krank ist und dies nicht weiß, kann weitere Menschen anstecken.
In Deutschland ist Tuberkulose mit circa fünf Erkrankungen pro 100.000 Einwohner relativ selten. Weltweit gibt es allerdings jährlich mehr als neun Millionen Fälle, mehr als 1,4 Millionen davon enden tödlich. Problematisch ist die Situation vor allem in armen Regionen, wie im südlichen Afrika, in Osteuropa und Zentralasien. Die Ratten könnten sich in solchen Gebieten nützlich machen, in denen die medizinische Infrastruktur schlechter ist und Kliniken nicht präzise genug Tuberkulose-Erreger nachweisen können. Die Ratten von Apopo, einer belgischen Organisation, entdecken in tansanischen Laboratorien neben denen bereits in lokalen Krankenhäusern nachgewiesenen bis zu 40 Prozent zusätzliche Tuberkulose-Fälle.
Menschen reicht der Blick auf ein Foto
Neue Versuche zeigen, dass auch Menschen Krankheiten entdecken können, deren Symptome noch gar nicht aufgetreten sind. Im Gegensatz zu den Tieren spielen dabei keine olfaktorischen Sinneseindrücke eine Rolle, sondern optische. Forscher vom Karolinska-Institut in Stockholm injizierten im Rahmen einer Studie einer Gruppe Probanden ein Bakterium, das eine Entzündungsreaktion verursacht. Einer zweiten Gruppe wurde ein wirkungsloses Placebo gespritzt. Zwei Stunden nach der Injektion machten die Wissenschaftler Fotos von den Testpersonen. Diese legten sie einer dritten Probandengruppe vor – sie sollten innerhalb weniger Sekunden entscheiden, ob die Menschen auf den Fotos krank oder gesund sind. Das schafften sie mit verblüffender Genauigkeit: 81 Prozent der Infizierten wurden zielsicher erkannt.
Blasse Lippen, eine bleiche Gesichtsfarbe, hängende Mundwinkel, Schwellungen oder rote Augen – anhand dieser Eindrücke konnten die Testpersonen ablesen, ob ein Mensch krank oder gesund war. Diese Fähigkeit wäre hilfreich, um Infektionen erkennen und so eine eigene Ansteckung vermeiden zu können, schreiben die Forscher um Neurowissenschaftler John Axelsson. Der Mechanismus bedarf allerdings noch weiterer Untersuchungen.