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Wie Darmbakterien das Herz schützen

Nahrung wirkt wie Medizin. Wie Darmbakterien das Herz schützen können und wie richtige Ernährung das beeinflusst

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Inhaltsverzeichnis
Frisches Gemüse liegt auf einem Holztisch

© Shutterstock

Zusammenspiel von Herz und Darm

Die Herzgesundheit der Zukunft kommt aus dem Verdauungstrakt. Das ist noch eine Vision, die aber schon bald Wirklichkeit wird. Lange Zeit galten die Mikroben als allein für die Verdauung verantwortlich. Mittlerweile wissen die Mikrobiomforscher es besser: Ein Ungleichgewicht zwischen gesunden und krank machenden Keimen scheint den Startschuss für zahlreiche Krankheiten zu geben. Altersdiabetes, Übergewicht, seelische Erkrankungen wie Depression und Angststörungen und eben auch Herzerkrankungen könnten die Folge einer Fehlbesiedlung in unseren Eingeweiden sein. Noch lesen sich die Forschungsergebnisse wie Einzelbefunde, langsam setzt sich das Puzzle zusammen. Fakt ist: Die Darmflora von Erkrankten unterscheidet sich von der Gesunder. Und im Blut kranker Menschen schwimmen vermehrt bakterielle Abbauprodukte, die im Körper krankhafte Prozesse anstoßen. Auch Risikofaktoren wie Rauchen, Fettleibigkeit oder Stress könnten ihre fatale Wirkung auf das Herz entfalten, indem sie das Mikrobiom verändern.

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Wie Darmbakterien schaden

Ganz offensichtlich gibt es eine direkte Verbindung zwischen Menge und Vielfalt der Keime und einem geschwächten Herz. Aktuell vermuten die Wissenschaftler einen simplen Mechanismus: Die Darmmikroben produzieren Stoffwechselprodukte, sogenannte Metabolite, die sich je nach Bakterienart positiv oder negativ auf die Herzgesundheit auswirken. Jeder Mensch hat eine andere mikrobielle Darmflora die verschiedene Mengen von Metaboliten herstellt. Diese gehen in den Blutstrom über, wirken am Herz und beeinflussen dort die Gesundheit.

Der US-Amerikaner Stanley Hazen vom Lerner Research Institute der Cleveland Clinic entdeckte beispielsweise Trimethyl-aminoxid, kurz TMAO. Dieses Eiweiß zeigt im Blut ein erhöhtes Herzinfarktrisiko an. Seine fatale Wirkung entfaltet es auf Umwegen: Es treibt Fresszellen im Blut dazu an, Cholesterin zu vertilgen. Sie plustern sich zu Schaumzellen auf und lagern sich an Gefäßwänden ab. Und das Eiweiß führt dazu, dass Blutplättchen stärker verkleben. Beide Effekte verstopfen Gefäße in Gehirn und Herz.Der Stoff TMAO zeigt nicht nur an, ob Gesunde ein erhöhtes Risiko haben zu erkranken. Mit seiner Hilfe können Ärzte auch voraussagen, wie gut Patienten nach einem Herzinfarkt wieder auf die Beine kommen.

Aus Untersuchungen weiß man: Darmbakterien produzieren das Vorläufereiweiß TMA aus Nahrungsbausteinen wie Cholin und Carnitin, die Leber baut daraus das herzkritische TMAO. Cholin kommt in Eiern und Milch vor, Carnitin in Rind-, Schweine- und Lammfleisch. Die Vermutung der Wissenschaftler: Wer viel rotes Fleisch isst, erhöht seinen TMAO-Spiegel und damit sein Risiko, herzkrank zu werden und an den Folgen einer Herzerkrankung zu sterben. Wie leicht sich der TMAO-Spiegel beeinflussen lässt, zeigt folgende Untersuchung: Bei Menschen, die sich zunächst vegetarisch ernährten oder vornehmlich Huhn oder Pute verspeisten, dann aber auf Rind-, Lamm- oder Schweinefleisch umstiegen, schnellte der TMAO-Spiegel nach oben.

Der Einfluss von Fleisch in der Ernährung auf die Bakterien im Darm und auf das Herz ist in einem Prozess dargestellt.

© Illustration: Oleksy Aksonov für FOCUS-Gesundheit

Eine Kost mit viel Fleisch führt dazu, dass Bakterien im Darm des Menschen TMA produzieren. Die Leber wandelt TMA zu TMAO um. Erhöhte Spiegel von TMAO sind mit Arterienverkalkung, Schlaganfall und Herzversagen verbunden

(Quelle: Tang, W. H. W. et al., Nat. Rev. Cardiol., 2019)

Wie Darmbakterien schützen

Doch längst nicht alles ist schlecht, was die Darmbakterien in unseren Körper absondern. Sie können auch schützende Abbauprodukte ausscheiden. Ein Beispiel dafür sind die kurzkettigen Fettsäuren Butyrat und Propionat. Im Dickdarm heimische Bakterien bauen unverdauliche Ballaststoffe aus unserer Nahrung zu den kurzkettigen Fettsäuren ab. Als besonders reich an den günstigen Faserstoffen gelten Hülsenfrüchte, Möhren oder Rote Beten. Im Schnitt bevölkern an die 20 butyratbildende Arten unseren Darm. Ihre Menge können wir über die Ernährung steuern: Bei pflanzenhaltiger Kost nehmen sie zu, essen wir mehr Fleisch, verschwinden sie. Hinter dem Butyrat vermuten Wissenschaftler gleich mehrere Mechanismen am Werk, die unser Herz schützen: Sie stärken die Darmschleimhaut, indem sie die immunologischen Abwehrkräfte des Darms steuern. Und sie regeln die Blutfette, indem sie den Körper anregen, Gallensäuren auszuscheiden. Der Körper benötigt sie, um Fette zu verdauen. Um Nachschub zu bilden, benötigt er schädliches Cholesterin.

Die Darmbakterien mit ihren Ausscheidungen scheinen der fehlende Puzzlestein zu sein, der erklärt, warum Nahrungsmittel unsere Gesundheit tief greifend beeinflussen. Nimm Ballaststoffe zu dir! Iss mehr Gemüse! Verzichte auf Salz! Hinter diesen Tipps eröffnet sich mit Blick auf das Mikrobiom ein weites Feld: Nicht Salz erhöht den Blutdruck, sondern ein löchrig werdender Schutzschild guter Keime im Darm. Denn Salz tötet Bakterien ab, die schützende, den Blutdruck senkende Stoffe freisetzen.

All diese Erkenntnisse deuten in eine Richtung: Herzschwäche, verkalkte Herzkranzgefäße und andere Herzerkrankungen sind kein Schicksal. Wir können ihnen mit einer gesunden Ernährung vorbeugen. Solange es keine geeigneten Therapien gibt, wird es uns nur durch gezielte Ernährung gelingen, die schützenden Mikroben zu vermehren.

Die guten und schlechten Produkte der Darmbakterien

✚ Protocatechusäure: entsteht, wenn die Bakterien der Darmflora Früchte verstoffwechseln. Soll vor Arterienverkalkung schützen.

 
✚ Kurzkettige Fettsäuren: Butyrat und Propionat entstehen, wenn Darmbakterien unverdauliche Pflanzenfasern verwerten. Die Stoffe reduzieren das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herzschwäche.

– Trimethylaminoxid (TMAO): soll an der Entstehung der Herzschwäche, Atherosklerose und chronischen Nierenerkrankungen beteiligt sein. TMAO lässt Blutplättchen schneller zusammenkleben und erhöht das Risiko für Gerinnsel. 

Lipopolysaccharid (LPS): als Bestandteil bakterieller Zellmembranen kein Stoffwechselprodukt. Patienten mit Herzschwäche haben erhöhte Werte. LPS sollen Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen.

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Entwicklung von Therapien und Medikamenten

Zukünftig stellt sich die Frage, ob sich die Darmbakterien und die Stoffe, die sie absondern, auch medikamentös beeinflussen ließen. Lassen sich verkalkte Herzkranzgefäße verhindern, indem man die Produktion von TMAO blockiert? Oder ließen sich Darmbakterien daran hindern, cholin- oder carnitinhaltige Nahrung abzubauen?

Zumindest bei Mäusen gelang das Forschern bereits: Mithilfe von Dimethyl-1-butanol (DMB) drosselten sie den Anteil von TMAO im Blut. Das Mittel blockierte im Darm der Tiere das Enzym TMA-Lyase, das normalerweise Cholin aufspaltet. Keine Lyase, kein TMA, kein schädliches TMAO. Die behandelten Nager litten danach seltener unter verstopften Gefäßen und waren insgesamt gesünder. DMB ähnelt Cholin. Man findet es in kalt gepresstem Oliven- und Traubenkernöl sowie in Rotwein und Balsamicoessig.

Parallel zur Entwicklung echter Medikamente versuchen Forscher herauszufinden, ob und wie sich mit einer Art Mikrobentherapie Herzerkrankungen beeinflussen lassen. Ein Möglickeit wäre, das Mikrobiom mit Probiotika zu verändern: einfach einen Joghurt mit ‚guten‘ Bakterien zu essen, der die schützende Darmflora stärkt und damit Herzerkrankungen vorbeugt.


Der Gedanke ist nicht neu; schon vor über 100 Jahren fiel dem russischen Mikrobiologen Ilja Metschnikow die blühende Gesundheit einiger Bewohner in Bulgarien auf, die sich mit speziellem Joghurt ernährten. Metschnikow nannte die gesunden Bakterien Probiotika. Im besten Fall müssen Herzpatienten auf die sanften Therapien nicht mehr lange warten. Mit neuen Therapiekonzepten ist in den nächsten fünf bis zehn Jaren zu rechnen.

 

Dies ist eine gekürzte Fassung. Den vollständigen Text finden Sie in FOCUS-GESUNDHEIT „Gesundes, starkes Herz" – als Print-Heft oder als digitale Ausgabe.

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Dieser Artikel enthält allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Den passenden Arzt finden Sie über unser Ärzteverzeichnis.

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