Frau Schmetjen, was ist der Unterschied zwischen einem Waldspaziergang und dem Waldbaden?
Zum Waldbaden gehören Atem- und Achtsamkeitsübungen oder Meditationen und sanfte Bewegungen. Wir gehen bewusster durch den Wald. Anders als beim Spazieren ist Schlendern ein wesentlicher Faktor. Es geht darum, langsam zu werden. Wir legen also keine weiten Strecken zurück. Das ist oftmals am schwierigsten für die Teilnehmer, denn im Alltag sind sie gewohnt, stets schnell unterwegs zu sein.
Unsere Expertin für Waldbaden
Birte Schmetjen, studierte Forstwissenschaften und ist Waldpädagogin. Sie gründete die Organisation „Waldwohl“, die sich in Niedersachsen für eine einheitliche Ausbildung von Waldbaden-Trainern in Kooperation mit den Landesforsten einsetzt.Für wen ist Waldbaden geeignet?
Jeder kann daran teilnehmen und davon profitieren: Kinder genauso wie Senioren, Eltern oder Führungskräfte. Allgemein Menschen, denen es aktuell nur bedingt gelingt, sich zu entspannen und die weniger gestresst durchs Leben gehen wollen. Gerade in Corona-Zeiten tut es auch Kindern gut, mal eine Entspannungsübung zu machen.
Das Waldbaden kann ebenso therapeutisch eingesetzt werden – dann mit spezifischen Übungen, etwa orthopädisch, auf Herz- beziehungsweise Lungengesundheit ausgerichtet oder bei mentalen Problemen.
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Was macht das Bad unter Buchen und Tannen so gesund?
In Waldluft schweben bis zu 90 Prozent weniger Staubteilchen als in der Stadt. Der Aufenthalt zwischen alten Baumriesen kann blutdrucksenkend und immunsystemstärkend wirken, die ätherischen Öle gelten als entzündungshemmend. Unser Muskel- und Skelettsystem ist eher darauf ausgerichtet auf weichem Waldboden zu laufen als auf Asphalt.
Die Natur unterstützt die Entspannung, die wir zusätzlich mit verschiedenen Methoden fördern. Auf die meisten wirkt es zum Beispiel beruhigend, wenn Vögel zwitschern. Das könnte mit unserer Entwicklungsgeschichte zu tun haben: In diesen Momenten herrscht keine Gefahr, dass ein Säbelzahntiger um die Ecke kommt.
Japanische Wissenschaftler um Bum-Yin Park von der Chiba-University haben in mehreren Studien gezeigt: Der bloße Anblick eines Waldes bewirkt, dass der Spiegel des Stresshormons Kortisol sinkt und der Puls sich verlangsamt.
Wie läuft eine Waldbadeeinheit genau ab?
Das hängt von der Zielgruppe ab: Ist das Waldbaden präventiv oder therapeutisch ausgerichtet? In jedem Fall sind unterschiedliche Übungen aus den Bereichen Achtsamkeit und Meditation enthalten, bei Kindern kann es eher pädagogisch angelegt sein.
Zu jedem Waldbad gehört auch eine Solozeit, bei der die Teilnehmer eine Aufgabe für sich selbst absolvieren. Um einen guten Effekt zu erzielen, sollte ein Waldbaden-Kurs mindestens eineinhalb Stunden dauern.
Gibt es Wälder, die zum Baden besser geeignet sind als andere?
Studien zeigen, große, lichte Waldbestände empfinden viele als besonders schön. Wassernähe ist ein weiterer Pluspunkt. Das Plätschern wirkt beruhigend und es scheint, in den Urinstinkten verhaftet – wir brauchen Wasser, um nicht zu verdursten.
Es gibt aber auch Hinweise, dass der Begriff „schöner Wald“ sehr individuell ist. Wahrscheinlich ist er davon geprägt, wo jemand aufgewachsen ist. Für den einen sind es die Fichten, die eng an eng stehen, für den nächsten der alte Buchenbestand oder der Mischwald mit vielen Farben. Grundsätzlich bietet sich jeder Wald zum Waldbaden an.