Sich in sozialen Netzwerken über Krankheiten zu informieren, ist keine gute Idee. Eine aktuelle Analyse zeigt: Auf Social Media werden überdurchschnittlich oft Artikel geteilt, die Fake News enthalten. Und das nicht etwa zu Themen wie Schnupfen oder Halsschmerzen, sondern zu Krebs und entsprechenden Therapien. Besonders bei geteilten Artikeln über Prostatakrebs war der Wahrheitsgehalt oft gering.
Nebenwirkungen von „Dr. Google“
Wer ungewöhnliche Schmerzen verspürt, etwa in Brust oder Bauch, recherchiert seine Symptome oft erst einmal online. Eine kurze Stichwortsuche bringt schließlich deutlich schneller erste Erkenntnisse, als auf einen Termin in der Praxis zu warten. „Dr. Google“ wird immer häufiger vor dem ersten richtigen Arzt-Besuch konsultiert. 2018 haben rund 64 Prozent der Deutschen im Internet nach gesundheitsrelevanten Informationen gesucht.
Dabei kann die Online-Recherche bei Patienten zu Verunsicherung führen und Ängste verstärken: Schnell wird aus einem harmlosen Spannungskopfschmerz ein vermeintlicher Hirntumor. Für dieses Phänomen gibt es einen Fachbegriff: Cyberchondrie. Diese Cyber-Variante der Hypochondrie zeichnet sich dadurch aus, dass Menschen eigene Symptome googeln und sich unbegründet schwere Krankheiten einbilden.
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Social Media unter der Lupe
Aber auch wer nicht aktiv auf der Suche nach Informationen über verschiedene Erkrankungen ist, kann online mit solchen Themen in Kontakt kommen. Auf Social Media-Plattformen wie Facebook, Twitter, Pinterest oder Reddit werden Gesundheitsartikel tausendfach geteilt. Grund genug für eine Gruppe kalifornischer Wissenschaftler, einmal genauer hinzuschauen. Sie identifizierten die populärsten Beiträge zu urologischen Themen: Prostatakrebs, Blasenkrebs, Nierenkrebs, Hodenkrebs und dem sogenannten PSA-Test, der auch bei der Diagnose von Prostatakrebs eine Rolle spielt. In die Stichprobe fielen 50 englischsprachige Artikel. Sie wurden zwischen August 2017 und 2018 auf Social Media-Kanälen verbreitet und insgesamt 550.000-mal geteilt. Nicht alle Themen waren gleich interessant für die Nutzer der sozialen Netzwerke.
- Artikel zu Prostatakrebs wurden 400.000-mal geteilt,
- zu Nierenkrebs 115.000-mal,
- zu Blasenkrebs 18.000-mal,
- zum PSA-Test 9.000-mal
- und zu Hodentumoren 7.000-mal.
Kritische Faktenlage
Zwei Urologen prüften die Artikel auf Fakten: Beschreibung der Symptome und Krankheitsverläufe, Therapiemöglichkeiten, zitierte Studien – was stimmt, was entspricht nicht dem aktuellen wissenschaftlichen Stand? Die Ergebnisse sind teilweise besorgniserregend: Falsche Informationen waren häufig zu finden. Bei Prostatakrebs enthielten sieben der zehn untersuchten Artikel Fake News, also 70 Prozent. Bei den anderen Themen lag diese Rate deutlich geringer, im Schnitt bei etwa 20 Prozent. Insgesamt überwogen die Artikel mit fachlich richtigen Informationen. Allerdings wurden die Artikel mit falschen Fakten am häufigsten geteilt – im Schnitt 54.000-mal. Die korrekten Artikel dagegen nur 1.900-mal. In den fehlerhaften Beiträgen wurden meist alternativmedizinische Verfahren zur Krebstherapie empfohlen, obwohl es keinen Nachweis für deren Wirksamkeit gibt.
Wer auf sozialen Netzwerken Gesundheitsinformationen konsumiert, sollte sich die jeweilige Quelle kritisch anschauen – ist diese vertrauenswürdig? Sind Studien mit Patienten durchgeführt worden oder handelt es sich um Experimente mit Tieren? Solche Ergebnisse lassen sich nämlich nicht einfach so auf den Mensch übertragen. Um sicher zu gehen, sollten Sie überprüfen, ob andere Medien ebenfalls über das Thema berichten. Bei eigener Betroffenheit hilft außerdem vor allem eins: mit Ihrem behandelnden Arzt zu sprechen.