Unsere Expertin für Lymphdrainage
Lisa Mestars, Physiotherapeutin und Expertin für Lymphdrainage. Ihr Buch „Lymphdrainage zum Entschlacken. Ödeme und Schwellungen selbst behandeln und das Immunsystem stärken“ ist im Riva Verlag erschienen.
Frau Mestars, für was brauchen wir das Lymphsystem?
Das Lymphsystem ist neben dem Blutkreislauf das zweite wichtige Zirkulationsorgan des Körpers. Man kann es sich wie eine Art Abwassersystem vorstellen. All das, was die Zellen nicht mehr brauchen und ausscheiden, nehmen die Lymphgefäße auf und transportieren es ab. Dazu fließt die Lymphe – eine milchrig, wässrige Flüssigkeit – in einem Einbahnsystem aus kleinen und großen Kanälen durch den ganzen Körper. Unzählige Lymphgefäße von den Füßen bis zu den Haaren bringen die Lymphe in die Lymphknoten, wo sie gefiltert und gereinigt wird.
Aufbau und Funktion des Lymphsystems
Genau so wichtig für das Überleben des Körpers ist die Immunfunktion. Im Lymphsystem sind wichtige Abwehrzellen unterwegs, die den Körper vor Krankheitserregern und damit vor Infektionen schützen. Im Krankheitsfall werden in den Lymphknoten zum Beispiel Antikörper gebildet, um Eindringlinge schnellstmöglich wieder loszuwerden. Angeschwollene Lymphknoten bedeuten dann, dass das Immunsystem auf Hochtouren arbeitet.
Die dritte wichtige Funktion ist die Entgiftungsfunktion. Sie sorgt dafür, dass etwa Rückstände von Reinigungsmitteln oder Kosmetikprodukten erst unschädlich gemacht und anschließend aus dem Körper transportiert oder eingelagert werden.
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Woran merkt man, dass das Lymphsystem nicht optimal arbeitet?
Ein typisches Symptom sind dicke, geschwollene Hände oder Füße. Oder Sockenbündchen, BH, Slip, eine enge Hose hinterlassen Einschnürungen auf der Haut, die sich auch nicht schnell zurückbilden, wenn man die Sachen auszieht. Ein anderer Hinweis kann sein, dass man häufiger erkältet ist, die Lymphknoten am Hals immer wieder anschwellen.
Was schadet besonders?
Zu viel Sitzen, Stehen und ein bewegungsarmer Alltag machen das Lymphsystem träger und sabotieren seine Transportarbeit. Gleiches gilt für Kleidung, die eng sitzt und teilweise auch abschnürt. Ernährung ist ein anderer wichtiger Punkt: Alles, was im Körper Entzündungen fördert, sorgt dafür, dass der Körper mehr Wasser einlagert. Zusätzlich belasten auch Substanzen etwa aus Kosmetikprodukten oder Nahrungsmitteln das System. An allen diesen Punkten kann man ansetzen.
Ihr Buch zeigt, wie man sich mit einfachen Griffen selbst behandeln kann. Wie läuft so eine Selbstdrainage ab?
Nehmen Sie sich etwas Zeit, um die Selbstdrainage in Ruhe durchzuführen. Ein guter Zeitrahmen ist eine Stunde. Bei eineinhalb Stunden kann man noch eine entspannende Nachruhe miteinplanen. Ein kurzes Warm-up regt den Lymphfluss an.
Vor der Lymphdrainage: Warm up
Mit diesen neun Übungen regen Sie den Lymphfluss an
Der richtige Ablauf ist entscheidend, um den Abfluss der Lymphe zu garantieren: Startpunkt der Massage sind daher immer der Hals und die sogenannten Venenwinkel unter den Schlüsselbeinen. Hier befinden sich viele Lymphknoten und das Lymphgefäßsystem mündet hier in das venöse Blutsystem.
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Startpunkt der Massage: So machen Sie die Venenwinkel frei
Anschließend folgt eine tiefergehende Bauchbehandlung, die man im Liegen durchführt. Wer wenig Zeit hat, kann hier mit einigen Atemübungen abschließen – und hat doch effektiv sein Lymphsystem angeregt. Alternativ geht es weiter mit von Schwellungen (Ödemen) betroffenen Bereichen wie Arme, Beine oder Leisten. Optimalerweise endet die Behandlung mit einer Endentspannung.
Bauchdrainage: Vier Schritte einfach erklärt
Welcher Griff ist leicht anzuwenden?
Ich empfehle für den Einstieg den „Stehenden Kreis“, bei dem mit beiden Händen flächig massiert wird. Andere Griffe sind etwa Quer- und Schöpfgriff.
So funktioniert der Massagegriff "Stehender Kreis"
Der stehende Kreis: Die Grifftechnik wird gern in Lymphknotengebieten verwendet.
1. Führen Sie den stehenden Kreis je nach Körperteil einhändig oder beidhändig aus. Legen Sie die Hände möglichst großflächig auf der Haut auf.
2. Beschreiben Sie mit den Händen einen Kreis, der in den Hautschichten statt findet. Die Hand rutscht nicht über die Haut. Erhöhen Sie während des Kreises den Druck in die Transportrichtung – also in Richtung des großen Lymphstammes in der Mitte des Bauchs oder der Venenwinkel hinter den Schlüsselbeinen. Reduzieren Sie ihn auf der zweiten Kreishälfte.
Wie fest sollte der Druck sein?
Was den Druck an geht, muss man etwas ausprobieren. Es gibt Menschen, die haben ein sehr festes Gewebe, wo die Massage schonmal unangenehm sein kann oder es leicht zieht. Richtig schmerzhaft sollte es keinesfalls sein, denn dann spannen die Faszien an und damit auch die Lymphgefäße – und der Lymphtransport wird so richtig schwierig.
Wann spürt man einen Effekt?
Nicht wenige Patientinnen müssen schon während der Lymphdrainage (besonders der ersten) zur Toilette gehen – das System kommt eben in Schwung. So gut wie alle beschreiben ein Sog-Gefühl während der Behandlung, als ob etwas durch den Körper gesogen würde. Direkt danach spüren viele eine deutliche Erleichterung, die oft einige Tage anhält. Die Patienten stehen auf und merken, dass die Beine sich weniger schwer anfühlen, die Hose besser passt.
Wie oft sollte man sich behandeln?
Idealerweise führt man alle zwei bis drei Tage die Lymphdrainage durch. Dazu jeden Tag eine kleine Aktivierung von 5 bis 10 Minuten mit Gymnastik und Atemübungen.
Braucht man Öl für die Massage?
Nein. Lymphdrainage erfolgt auf komplett trockener Haut, da sie mit Hilfe der Griffe mitbewegt werden soll.
Was kann man dabei falsch machen? Worauf sollte man besonders achten?
Die meisten vernachlässigen den Bauchbereich. Manche denken, der Bauch sei zu weich, zu füllig, anderen ist der Druck dort unangenehm. Es ist aber ganz wichtig, den Bereich nicht auszulassen, damit die Abflüsse freigemacht werden können. Ansonsten sackt die Lymphe schnell wieder zurück, gerade wenn bei chronisch Erkrankten die Klappen nicht mehr gut schließen. Man sollte an den positiven Effekt denken und sich wirklich darauf einlassen. Was ich auch häufig beobachte: Die Griffe werden zu schnell ausgeführt. Doch das Lymphsystem ist ein langsames, sanftes System. Es sollte eher ruhig und meditativ zugehen. Ansonsten verschenkt man den Effekt.
Viele Physiotherapeuten bieten Lymphdrainage an. Bei welchen Problemen ist der Profi gefragt?
Wenn es sich um messbare und sichtbare Erkrankungen handelt, verschreibt der Arzt ein Rezept für Lymphdrainagen. Dazu zählen u.a. Lymphödeme und Lipödeme, die meist an den Oberschenkeln auftreten. Insbesondere auch nach Krebsbehandlungen, bei denen im Rahmen einer Operation Lymphknoten in der Achsel oder im Genitalbereich entfernt wurden.
Macht Kompression dann nicht auch für Büroarbeiter Sinn, die stundenlang sitzen?
Nicht generell. Je stärker wir unseren Körper unterstützen, desto „fauler“ wird er. Stehen Sie daher lieber häufiger auf, nehmen die Treppe oder gehen zum Kollegen statt zu telefonieren. Gut ist, die Füße zwischendrin immer wieder zu strecken und kreisen zu lassen, auch mal hochzulagern. Aber vor allem: die schweren Beine nach dem Bürotag nicht gleich wieder auf dem Sofa parken, sondern lieber noch eine große Runde spazierengehen. Mehr Bewegung zahlt sich wirklich aus!
Zum Schluss: Womit kann man – neben der Bewegung – dem Lymphsystem Gutes tun?
Man kann es auf vielerlei Art unterstützen: durch Barfußlaufen, Wechselduschen, Reflexzonenmassage, Heilkräutern wie Birkenblätter und Ackerschachtelhalm. Ich persönlich halte eine basenüberschüssige Ernährung für entscheidend – der Körper kann seinen Funktionen so besser nachkommen, als wenn man viele säurebildenden Lebensmittel isst.
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Gut für das Lymphsystem: Basenreiche Lebensmittel
- Artischocken
- Äpfel
- Heidelbeeren
- Mandarinen
- Kiwis
- Bananen
- Brokkoli
- Paprika
- Pastinaken
- Kartoffeln
Buchtipp
Lymphdrainage zum Entschlacken.
Ödeme und Schwellungen selbst behandeln und das Immunsystem stärken
von Lisa Mestars
Riva Verlag
12,99 Euro