Doch mit der Zeit fand die Münchnerin ihren ganz eignen Weg mit dem Diabetes. Sie begann, sich mehr und mehr mit ihrer Erkrankung auseinanderzusetzen.
„Mir wurde bewusst, dass ich – auch wenn ich manche Dinge nicht verändern kann – immer noch viel mehr selbst in der Hand habe, als ich zuvor dachte“, berichtet sie. Sie kann ihr Risiko für Gefäßerkrankungen durch Sport und Ernährung senken, durch Meditation ihre Stresshormone verringern und einen ausgeglicheneren Blutzucker erreichen.Aber sie kann auch: den Motorradführerschein machen, Surfen lernen, als Backpackerin auf Interrail-Tour gehen.
Das Gefühl von Selbstwirksamkeit löste das der Fremdbestimmtheit ab. „Ich lernte zu schauen, was ich im Hier und Jetzt tun kann, um nicht in lähmenden Zukunftsängsten hängen zu bleiben.“
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Allen Emotionen Raum geben
Dennoch ist bei Karima Stockmann nicht immer alles super. Und das muss es für sie auch nicht sein. „Ich brauchte lange dafür, einen ehrlichen Umgang mit negativen Emotionen zu lernen und diese auch zuzulassen. Denn langfristig ist es unglaublich kräftezehrend, sie zu verleugnen“, so die Mutter einer vierjährigen Tochter.
Diese Erkenntnis half ihr nicht nur im Umgang mit dem Diabetes, sondern auch, als ihre Schwester vor gut vier Jahren plötzlich verunglückte. „Dass ich aufgrund des Diabetes schon eine Herausforderung bewältigt und so eine gewisse Resilienz aufgebaut hatte, hat mir sehr geholfen, nicht in einem Loch zu versinken. Ich konnte mir bewusst Zeit für meine Trauer nehmen und trotzdem für meineTochter da sein und auch mit ihr lachen. Trauer und Glücksmomente konnten Hand in Hand gehen.“
Ihre Erfahrungen gab Karima Stockmann schon früh an andere weiter. Vom Diabetes „angestupst“, entschied sie sich nach dem Abitur bewusst gegen ein Studium und für eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Diätassistentin. „Ich wollte Menschen mit verschiedensten Krankheiten, u. a. auch Diabetes, dabei unterstützen, gesund zu werden oder zu bleiben“, erzählt sie.
Mit der Zeit wurde der Wunsch nach einer umfassenderen, nicht nur körperlichen, sondern auch seelischen Begleitung größer. „Ein achtsamer Umgang mit seinem Körper, den Emotionen, den eignen Werten und Rollen ist das Fundament, auf dem etwa gesunde Ernährung erst richtig aufbauen kann. Viele nutzen z.B. ihr Essen, um unerfüllte Bedürfnisse oder Probleme zu kompensieren. Solche Zusammenhänge zu erkennen ist sehr heilsam“, findet Karima Stockmann.
Ins Handeln zu kommen, Selbstwirksamkeit zu spüren – dazu möchte sie andere Menschen ermutigen. 2011 rief sie den „Lebensfreude-Blog“ (www.lebensfreude-heute.de) ins Leben, der schnell eine Fangemeinde fand. „Für mich ist es berührend zu spüren, wie ich bei anderen etwas bewirken kann.
Eine Leserin kam bei einem Vortrag auf mich zu und meinte, sie müsse mich jetzt mal umarmen, denn meinetwegen habe sie es geschafft, 40 Kilo abzunehmen“, freut sich die „Mutmacherin“.
2014 entstand aus dem Blog ihr erstes Buch Ich bin ganz bei mir selbst, kürzlich erschien das zweite Du bist stärker als du glaubst!.
Das neue Buch von Karima Stockmann:
Du bist stärker als du glaubst! Dein Mutmachbuch für die großen und kleinen Herausforderungen im Leben, Groh Verlag, 15 Euro
Auch mit ihren Vorträgen und Liedern (z. B. Trau Dich) bestärkt Karima Stockmann andere darin, an sich zu glauben und ihr Leben in allen Facetten und Emotionen zu leben.
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Berufung dank Diabetes
Wichtig ist Karima Stockmann, dass das achtsame Kümmern um sich selbst nichts mit Selbstoptimierung zu tun hat. „Die Balance muss stimmen. Sich um sich kümmern heißt, auf sich zu achten, auch auf die Blutzuckerwerte. Trotzdem dürfen die auch mal schlecht sein. Ich habe das Ziel aufgegeben, immer alles unter Kontrolle haben zu wollen. So ist das Leben nicht weniger turbulent, dafür aber unbeschwerter.“ Seit ihrer Schwangerschaft nutzt sie ein CGM-System, was die Typ-1-Diabetikerin als große Lebensqualität-Verbesserung empfindet.
Vom Leben betrogen fühlt sich Karima Stockmann durch die Zuckerkrankheit schon lange nicht mehr – sondern ermutigt. „Dank Diabetes habe ich meine Berufung gefunden“, sagt die Autorin, die auch als Rednerin arbeitet. „Der Diabetes hat mir geholfen, alle Facetten des Menschseins zu erleben, auch Wut, Traurigkeit und Verluste, und mir dadurch eine Zufriedenheit mit meinem Leben geschenkt. Ich wünsche mir, dass auch andere das wieder in sich entdecken.“
Selbstfürsorge statt Selbstoptimierung – so gelingt es
„Selbstfürsorge hinterfragt und respektiert die persönlichen Bedürfnisse“, so Karima Stockmann. Ihre wichtigsten Tipps für wohltuende Veränderung:
- Nein sagen
„Sie müssen nicht immer funktionieren. Machen Sie sich bewusst, dass Ihnen Selbstfürsorge die Kraft gibt, auch für andere Menschen und Aufgaben da zu sein. Getreu dem Motto: Nur ein voller Krug kann die Gläser füllen. Es ist völlig in Ordnung, auch einmal Nein zu sagen, wenn Sie die Zeit für sich selbst brauchen.“
- Gefühle klären
„Fragen Sie sich regelmäßig nach Ihrem Befinden: Wie fühle ich mich? Was würde mir jetzt guttun? Wie kann ich es mir leichter machen?“
- Hilfe holen
„Scheuen Sie sich nicht davor, Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Ob Therapeut, Coach oder die Nachbarin – um Hilfe zu bitten ist wahre Stärke.“
Dies ist eine gekürzte Fassung aus Gut leben mit Diabetes Nr. 7/21. Das Magazin aus dem "Zukunftspakt Apotheke" von Noweda und Burda erhalten Sie jeden Monat neu kostenlos in teilnehmenden Apotheken.