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Reha nach Covid-19-Erkrankung

Vielen Covid-19-Patienten geht es nach der Infektion dauerhaft schlecht. Auch wenn sie nur leicht erkrankt waren. Reha-Kliniken bieten individuell zugeschnittene Konzepte für die körperlichen und psychischen Beschwerden.

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Patient und Physiotherapeutin tragen bei Reha Mund-Nasen-Schutz

© Frank Lübke für FOCUS-GESUNDHEIT

Den Moment nach der Atemtherapie genießt Lennard Zwart. „Ich habe das Gefühl, zwischen den Rippen ist mehr Raum. Die Luft strömt besser ein und aus. Das macht mich auch innerlich ruhiger“, beschreibt er den Effekt. Zu Beginn der Sitzung fragt Physiotherapeutin Claudia Petzi, ob er noch Druck auf der Lunge spüre. Der Patient deutet auf seine vier „schmerzhaftesten Stellen“ rund um den Brustkorb. Die Therapeutin massiert vorsichtig den Oberkörper, dehnt die Seiten und leitet verschiedene Atemtechniken an.

„Das Gewebe ist durch die Schmerzen verspannt“, erläutert sie. „Ich lockere es, damit das Zwerchfell wieder frei arbeiten kann und das Atmen leichter fällt.“

Anfang April litt Lennard Zwart zunächst an einer heftigen Erkältung: Schnupfen, Husten, erhöhte Temperatur. Eine Woche später spürte er einen enormen Druck auf der Lunge. Da zudem sein Herz heftig schlug, ging er ins Krankenhaus. Der Test auf Sars-CoV-2 fiel positiv aus.

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Nach einem Check von Lunge und Herz entließen ihn die Ärzte wieder, er solle sich zu Hause auskurieren. Der Schnupfen klang ab, die Schmerzen in der Brust und das Herzrasen blieben. Nach weiteren sechs Wochen, in denen er sich matt und krank fühlte und an Arbeiten nicht zu denken war, kümmerte Zwart sich um einen Reha-Platz. In der Schön Klinik Berchtesgadener Land am Königssee sucht der selbstständige Finanzinvestor Hilfe, um zurück in sein gewohntes Leben zu finden. Der individuell auf ihn zugeschnittene Trainingsplan ist dicht getaktet.

Nach dem Abklingen der Infektion verbesserte sich mein Zustand überhaupt nicht.

Lennard Zwart, 43

genesener Covid-19-Patient

Nach der Atemtherapie geht es im Kraftraum weiter. Vor der Sitzung beim Psychologen am frühen Nachmittag ist noch eine Untersuchung auf dem Spiroergometer zu absolvieren. Die kommende Nacht wird er im Schlaflabor verbringen.

Nachdem die erste Welle der Pandemie abgeebbt ist, zeigt sich, dass selbst Patienten, die akut nicht schwer erkrankt waren, mit Spätfolgen kämpfen. „Das Coronavirus Sars-2 attackiert nicht nur die Lunge“, sagt Rembert Koczulla, Chefarzt und Lungenexperte in der Klinik Berchtesgadener Land. „Nach einer durchgestandenen Infektion haben viele Patienten eine Reihe zusätzlicher Probleme. Viele Organsysteme können betroffen sein.“ Neurologische Auswirkungen, Probleme in den Blutgefäßen und Schädigungen des Herzes gelten inzwischen als unstrittige mögliche Folgen. Im Wochentakt erscheinen derzeit wissenschaftliche Publikationen mit neuen Hinweisen auf die Auswirkungen von Covid-19.

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Individuell zugeschnittene Reha-Konzepte für Covid-19-Patienten

Ein konfektioniertes Reha-Programm für die Patienten existiert bislang nicht, die Betreuung ist Maßarbeit. „Es ist eine neue Erkrankung, also müssen wir innovativ sein und sehen, was am besten wirkt“, sagt Koczulla. „Wir untersuchen sehr gründlich, welche Einschränkungen der Einzelne hat und stimmen die Therapie darauf ab.“

Groß sind die Unterschiede bei den Bedürfnissen der Patienten. Diejenigen, die mehrere Wochen beatmet waren, können oft nicht einmal mehr stehen oder benötigen noch Sauerstoff. Andere wirken äußerlich gesund, sind aber total erschöpft und nicht leistungsfähig.

Alle Betroffenen haben zwar das Schlimmste überstanden, doch das Atmen fällt häufig noch schwer. Der Gasaustausch an den Lungenbläschen ist oft beeinträchtigt. Zudem können kleine Blutgerinnsel die feinen Gefäße verstopfen. „Geschädigte Lungen erholen sich in der Regel gut“, weiß Koczulla.

„Bei der chronischen Bronchitis im Rahmen der COPD oder bei der Fibrose ist durch Studien belegt, dass Patienten von einer Reha sehr profitieren. Wir haben erste Hinweise, dass dies auch bei Post-Covid-Patienten der Fall ist.“

Mehr als 200 000 Menschen wurden in Deutschland nach Angaben des Robert Koch-Instituts bisher positiv auf Sars-CoV-2 getestet. Beinahe jeder Fünfte kam zur Behandlung ins Krankenhaus, davon mussten rund acht Prozent auf die Intensivstation. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin empfiehlt für Patienten mit einem schweren Krankheitsverlauf dringend eine Anschlussheilbehandlung, wie sie etwa nach dem Einsetzen einer künstlichen Hüfte üblich ist. Zunehmend stellen sich Reha-Kliniken auf genesene Covid-Patienten ein.

Die Espan-Klinik in Bad Dürrheim hat seit April mehr als 40 Betroffene betreut. Nach Wochen an der Beatmungsmaschine können die meisten nicht mehr selbstständig gehen, viele sind bettlägerig. „Sie haben bis zu 40 Prozent ihrer Muskelmasse verloren“, sagt Chefarzt Horst Wittstruck. Die Therapeuten beginnen in diesen Fällen zunächst mit Elektrostimulation und Vibrationstraining, um die Muskeln zu stärken und die Kranken wieder auf die Beine zu bringen. Die Atemtherapie startet noch im Zimmer. Am Ende der Reha, die dann in der Regel länger als die üblichen drei Wochen dauerte, konnten so gut wie alle Patienten wieder spazieren gehen, wenn auch langsam.

Bausteine der Covid-19-Reha

Atemtherapie: Massagen und Übungen lockern und stärken die Muskulatur. Spezielle Atemtechniken verbessern Rhythmus und Qualität von Ein- und Ausatmen.

Kraft- und Ausdauertraining: Gezielte Übungen kräftigen die Muskulatur. Ausdauertraining stärkt Herz und Kreislauf, führt zu einer besseren Sauerstoffversorgung.

Psychotherapie: Im Einzelgespräch mit einem Psychologen geht es um Ängste und Strategien zur Alltagsbewältigung.

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Ursachen für Einschränkungen

Bei Lennard Zwart verlief die Covid-Erkrankung vergleichsweise milde. Doch Wochen später leidet er an Atemproblemen, Herzrasen, Schlaflosigkeit, Albträumen und diffusen Ängsten. „Ich empfinde eine bleierne Müdigkeit, kann mich kaum konzentrieren. Das verunsichert mich total, und ich möchte wissen, was die Ursache ist“, sagt er.

Die Therapeuten in der Klink Berchtesgadener Land überwachen Covid-Rehabilitanden wie Spitzensportler. Komplett verkabelt, tritt Zwart auf einem Ergometer in die Pedale. Aus den Daten des EKG, der Messung der Atemtätigkeit sowie der Konzentration von Sauerstoff und Kohlendioxid in der Atemluft kann Chefarzt Koczulla ablesen, wie belastbar Lunge sowie Herz und Kreislauf sind.

Bei Zwart sind am Ende seines Reha-Aufenthalts keine Einschränkungen mehr festzustellen. Die Lunge hat sich erholt, das Herz schlägt, wie es soll. Als der 43-Jährige vor mehr als drei Wochen ankam, musste er beim Treppensteigen auf jedem Absatz eine Pause machen. Inzwischen schafft er mehrere Stockwerke ohne Stopp. Die Sauerstoffsättigung im Blut hat sich von dem Wert 75 auf 86 verbessert. Das bedeutet, die roten Blutkörperchen transportieren mehr Sauerstoff.

Es sind Erfolge eines akribisch eingehaltenen Trainingsprogramms. „Mir hat der Stundenplan mit den Vorgaben, was ich wann zu tun habe, sehr geholfen. Ich fand zurück in einen Tagesrhythmus, und es tat unglaublich gut, den Körper wieder zu benutzen“, sagt Zwart.

Physisch geht es spürbar besser, doch die Schlaflosigkeit setzt dem Geschäftsmann zu. „Den Tag über habe ich überhaupt keine Energie, und abends komme ich nicht zur Ruhe“, klagt er. In zwei bis drei Nächten in der Woche ist an Schlaf gar nicht zu denken, in den übrigen lassen ihn Albträume oder sein schneller Herzschlag viel zu früh aufwachen. Angst schleicht sich dann in seine Gedanken, auch die Sorge, dass das Virus noch irgendwo lauern und ihn töten könnte. Zwart erkennt sich selbst kaum wieder in diesen Momenten. „Ich war immer ein stabiler Typ, ein Problemlöser und Optimist“, sagt er – und schüttelt ungläubig den Kopf.
FOCUS-GESUNDHEIT 07/20 - Reha-Liste

© FOCUS-GESUNDHEIT

FOCUS-GESUNDHEIT 07/20

Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung. Den vollständigen Text finden Sie in der Ausgabe Reha & Kur von FOCUS-GESUNDHEIT. Weitere Themen: Hygienekonzepte von Kliniken in Zeiten von Corona, kardiologische Reha, multimodale Schmerztherapie u.v.m.

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Mit den Ängsten nach der Covid-19-Erkrankung umgehen

Robert Doerr, Chefarzt der Psychosomatischen Abteilung in der Schön Klinik Berchtesgadener Land, erkennt in diesen Symptomen ein posttraumatisches Belastungssyndrom. Viele Menschen leiden nach einschneidenden negativen Ereignissen darunter.

„Die Pandemie erlebten wir in den vergangenen Monaten alle als Ausnahmezustand. Die Erkrankten aber sahen sich zudem konfrontiert mit einer nie dagewesenen Hilf- und Ratlosigkeit bei der ärztlichen Versorgung. Gleichzeitig waren sie komplett isoliert, ohne Zuspruch von vertrauten Angehörigen.“

Die Bilder aus der Lombardei von Kranken an Beatmungsmaschinen in rasch aufgestellten Behelfsbetten und von Leichensäcken, die das Militär nachts abtransportierte, nährten Ängste zusätzlich. Der Psychiater rechnet damit, dass in den kommenden Monaten noch viele Menschen Hilfe benötigen werden, die infolge der Covid-19-Pandemie psychische Störungen entwickelt haben.

Lennard Zwart wird die Reha-Klinik in der kommenden Woche verlassen. Er fühlt sich gewappnet, die nächsten Schritte ohne Unterstützung zu gehen. Die Untersuchungen zeigten, dass seine Organe nicht gravierend geschädigt sind. „Die Befunde beruhigen meine schlimmsten Gedanken“, sagt er.

Im Umgang mit seinen Schlafproblemen hat er gelernt, den Raum komplett zu verdunkeln, regelmäßig um 22 Uhr zu Bett zu gehen und so ohne Medikamente in die Tiefschlafphase zu kommen, bevor das Herzrasen beginnt.

Mit einem Psychologen hat er über seine Ängste gesprochen. Nun wird er sich zunächst aufs Land zurückziehen, viel mit dem Rad unterwegs sein und sein Trainingsprogramm weiterverfolgen. „Ich brauche sicher noch ein paar Monate, bis ich wieder ganz fit bin“, meint er. Auf dem Weg zurück in die Normalität aber ist eine wichtige Etappe geschafft.

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