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Nebennierenerkrankungen: Ursachen und Folgen

Die Nebennieren lassen den Körper fordernde Situationen meistern. Was die Hormondrüsen aus der Balance bringt und warum Krankheiten häufig lange nicht erkannt werden.

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Die Nebennieren lassen den Körper fordernde Situationen meistern

© Science Photo Library

Jugendlich, braun gebrannt, schlank, sportlich – sieht man alte Fotos von John F. Kennedy, wirkt er kerngesund, der Inbegriff des dynamischen Staatsmannes. Doch trotz seiner vitalen Erscheinung war Kennedy schwer krank, als er 1961 als 35. US-Präsident ins Weiße Haus einzog. Zeitweise nahm er acht Medikamente täglich. Heute ist belegt, dass er unter der Addison-Erkrankung litt. Eines der Symptome: die Braunfärbung der Haut. Die nach ihrem Entdecker, dem englischen Arzt Thomas Addison, benannte Krankheit beruht auf einem Versagen der Nebennieren, zwei kleinen Drüsen, die eine Vielzahl wichtiger Hormone produzieren. Mediziner sprechen heute von Nebennierenunterfunktion oder -insuffizienz.

„In den letzten zehn Jahre haben wir große Fortschritte im Verständnis von Nebennierenerkrankungen gemacht“, erklärt Martin Reincke, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV an der LMU München. Möglichst maßgeschneiderte Therapien für Patienten – diesem Ziel kommen Forschende und Ärzte näher. Dennoch gebe es Nachholbedarf, so Reincke. Erkrankungen der Nebennieren würden oft erst nach Jahren diagnostiziert. Die Folgen – zum Beispiel was Leistungsfähigkeit und psychische Gesundheit angeht – sind mitunter weitreichend. Neue Tests sollen helfen, den Hormonstörungen schneller auf die Spur zu kommen. Verstärkt in den Fokus nehmen Experten heute auch die Lebensqualität der Betroffenen. „Bislang ist sie häufig noch nicht optimal“, weiß Reincke.

Unser Experte für Endokrinologie und Diabetologie

Martin Reincke, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV an der LMU München

Nebennieren: Funktionen

Auf den ersten Blick wirken die Nebennieren wie Anhängsel der Nieren – kleinen Mützen gleich sitzen die dreizipfeligen Drüsen auf den Entgiftungsorganen. Sie verrichten ihren Job im Verborgenen, doch ihre Wirkung ist enorm. Die Nebennieren beeinflussen Elektrolythaushalt, Kreislauffunktion, Zucker-, Fett- und Eiweißstoffwechsel, Immunsystem und Knochenstoffwechsel. „Stressbewältigung bringen wir landläufig mit dem Gehirn in Verbindung“, sagt der Experte. „Doch das Gehirn könnte mit Stress nicht umgehen, wenn es nicht die Nebenniere gäbe, sie ist das Masterorgan, das modulierend eingreift.“ In belastenden Situationen – dazu zählen Erkrankungen oder Infektionen – kommt es auf die Hormondrüsen an: Sie produzieren bedarfsgerecht etwa die Botenstoffe Cortisol und Adrenalin und sorgen so dafür, dass der Körper genügend Energie in Form von Fett und Blutzucker mobilisiert, um die Krise zu meistern. Die Hormonausschüttung wird zum Teil durch die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) mithilfe hormoneller Botenstoffe gesteuert.

So reagiert der Körper auf erhöhte Belastung

Grafische Darstellung: Hypothalamus, Hypophyse und Nebennieren sind die Säulen einer bei Stress aktivierten hormonellen Achse. Der Regelkreis steuert über mehrere Botenstoffe die Ausschüttung des Hormons Cortisol, mit dem der Körper Krisen besser bewältigen kann

© Oleksiy Aksonov für FOCUS-Gesundheit

Hypothalamus, Hypophyse und Nebennieren sind die Säulen einer bei Stress aktivierten hormonellen Achse. Der Regelkreis steuert über mehrere Botenstoffe die Ausschüttung des Hormons Cortisol, mit dem der Körper Krisen besser bewältigen kann

Nur zwölf Gramm wiegt jede Nebenniere, doch in den beiden Leichtgewichten stecken im Grunde vier unterschiedliche Organe. „Jede der vier Schichten, aus denen eine Nebenniere besteht, ist hoch spezialisiert und hat ihre eigene Funktion“, sagt Experte Reincke.

„Gleichwohl interagieren die Schichten untereinander.“ In der äußersten wird das Salzhormon Aldosteron gebildet. Es reguliert den Salz Wasser-Haushalt und beeinflusst den Blutdruck. In der mittleren Schicht produziert die Drüse das Stresshormon Cortisol, in der inneren spezielle Androgene, männliche Hormone.

Das Nebennierenmark in der Mitte stellt das Alarmhormon Adrenalin her. Gerät die fein abgestimmte Hormonfabrik aus dem Gleichgewicht, kann es zu weitreichenden Stoffwechselstörungen kommen.

Hormonproduktion im Schichtsystem

Jede Nebenniere unterteilt sich in Mark und Rinde. In ihren vier Schichten werden unterschiedliche Hormone hergestellt, die verschiedene Organe beeinflussen.

Grafische Darstellung: Jede Nebenniere unterteilt sich in Mark und Rinde. In ihren vier Schichten werden unterschiedliche Hormone hergestellt, die verschiedene Organe beeinflussen

© Oleksiy Aksonov für FOCUS-Gesundheit

Die Nebennierenrinde umfasst drei Schichten und produziert über 40 Hormone. Die wichtigsten sind Aldosteron, Cortisol und Androgene. Im Nebennierenmark entsteht Adrenalin. Das adrenocorticotrope Hormon (ACTH) wird in der Hypophyse gebildet und ins Blut abgegeben. Es regt die Zellen in der Nebenniere an, Cortisol zu produzieren. Hormone aus Hypothalamus und Nebennieren regulieren die ACTH-Konzentration

Nebennierenunterfunktion

Nebennierenunterfunktion: Symptome

Müdigkeit, Schlappheit, niedriger Blutdruck, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Gewichtsabnahme – viele Symptome einer Nebennierenunterfunktion, wie sie Kennedy hatte, sind unspezifisch. „Schnell schiebt man es auf Stress und Überlastung“, sagt Stefanie Hahner, stellvertretende Leiterin der Endokrinologie am Universitätsklinikum Würzburg. Es komme häufiger vor, dass Patienten aus der Psychiatrie zu den Hormonspezialisten überwiesen würden, die zuvor wegen vermeintlicher Magersucht oder Depressionen behandelt worden waren. Eine Braunfärbung der Haut weist gezielter auf die Erkrankung hin. „Betroffene sehen mitunter aus, als ob sie aus dem Urlaub kommen, obwohles ihnen richtig schlecht geht“, sagt Hahner.

Nebennierenunterfunktion: Ursachen und Behandlung

Hauptursache für den Leistungs- und Funktionsmangel der Nebennieren sind zu 80 Prozent Autoimmunerkrankungen. Auch Tumoren oder Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und Aids können der Grund sein. Je nach Ursache wird in der Folge zu wenig Cortisol und/oder zu wenig Aldosteron gebildet. Da Cortisol überlebenswichtig ist, muss das Defizit zwingend durch eine entsprechende Hormonersatztherapie – in der Regel mit Hydrocortison – ausgeglichen werden.

Untersuchungen an der Universität Würzburg haben gezeigt, dass auf lange Sicht die Leistungsfähigkeit vieler Patienten trotz Hormonersatztherapie eingeschränkt ist. „Wir sind leider nicht so gut wie die Natur mit ihren perfekten tageszeitlichen Rhythmen, eine differenzierte und individuell angepasste Hormonsubstitution zu ermöglichen“, so die Expertin. „Das ist eins unserer großen Ziele.“

Nebenniereninsuffizienz: Verlauf und Folgen

In den allermeisten Fällen verläuft eine Nebenniereninsuffizienz schleichend. Sie kann aber auch akut auftreten und sich mit Blutdruckabfall, Schock oder Brechdurchfall bemerkbar machen. Sogenannte Nebennierenkrisen entstehen, wenn der aktuelle Cortisolbedarf des Körpers höher ist, als ihn die Ersatztherapie abdeckt. „Dies ist ein lebensbedrohlicher Zustand, ein Notfall“, betont Hormonexpertin Hahner. Als Akutversorgung hilft eine schlichte Therapie: Cortisol als Infusion oder Injektion. „Wir schulen Patienten und Angehörige ähnlich wie Diabetiker, damit sie Situationen auch selbst einschätzen können.“

FOCUS-GESUNDHEIT 05/22

Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung. Den vollständigen Text finden Sie in der Ausgabe Hormone & Diabetes. Weitere Themen: Neue Therapien bei Diabetes und Pankreatitis. U.v.m.

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Bluthochdruck durch Störung der Nebennieren

Häufiger als bislang angenommen ist die Volkskrankheit Bluthochdruck durch eine Störung der Nebennieren bedingt. „Etwa 13 Prozent aller Hypertonieerkrankungen liegt allein das sogenannte Conn-Syndrom zugrunde, da geht es um 2,6 Millionen Menschen in Deutschland“, sagt Stephan Petersenn, Spezialist für Nebennierenerkrankungen aus Hamburg und Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie.

Bluthochdruck: Ursachen

Bei dieser Erkrankung hat sich das Salzhormon Aldosteron der Kontrolle durch andere Hormone entzogen. Die Nebenniere schüttet unkontrolliert und andauernd zu viel Aldosteron aus – der Blutdruck steigt. In vielen Fällen verursacht ein meistens gutartiger Nebennierenrindentumor (Conn-Adenom) die Stoffwechselstörungen.

Conn-Syndrom als Mögliche Ursache für Bluthochdruck

Zehn Jahre vergehen laut Studien durchschnittlich zwischen der Erstdiagnose Bluthochdruck und der Diagnose Conn-Syndrom. Nur ein Prozent der Patienten mit unerklärlichem Bluthochdruck werden auf das Vorliegen des Syndroms hin untersucht – dabei empfehlen die Leitlinien eine Quote von 50 Prozent. „Das führt zu einer massiven Unterdiagnose“, weiß Experte Reincke. Fatal, da der Bluthochdruck beim Conn-Syndrom fünf- bis zehnmal häufiger zu Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herzversagen führt als bei anderen Hochdruckerkrankungen.

Ein Grund ist die mangelnde Wirkung der üblichen Medikamente. „Der Blutdruck ist schwer einstellbar, es gibt Patienten, die sechs, acht Blutdrucksenker nehmen“, weiß Forscher Reincke. „Wenn drei Mittel nicht ausreichend Wirkung zeigen, sollte man auf eine Hormonstörung testen.“ Denn die Erkrankung ist durch einen operativen Eingriff oft sogar heilbar. Sitzt ein kleiner Knoten, der die Hormonproduktion anstachelt, an einer der Nebennieren, kann er per Schlüssellochtechnik entfernt werden.

Häufiger jedoch arbeiten beide Drüsen unkontrolliert. Die Gründe sind unklar, wahrscheinlich spielen genetische Mutationen eine Rolle. Patienten bekommen dann lebenslang Medikamente (Aldosteron-Antagonisten), die die Wirkung des Salzhormons gezielt aufheben. „So lässt sich das Krankheitsbild gut kontrollieren“, weiß Endokrinologe Petersenn.

Bald sollen einfachere Labortests schneller Klarheit schaffen. „Bislang gleicht die Diagnostik viel zu häufig einem Labyrinth“, sagt Forscher Reincke. „Wir brauchen Urintests, die Allgemeinmediziner durchführen können und die gleichzeitig auf alle hormonellen Blutdruckstörungen abzielen.“

Adrenalinüberschuss als Ursache für Bluthochdruck

Eine weitere Ursache für Bluthochdruck kann zu viel Adrenalin sein, das Alarmhormon wird im Mark der Nebenniere gebildet. Ein in der Regel gutartiger Nebennierentumor – das Phäochromozytom – heizt dann die Adrenalinausschüttung dauerhaft an. In der Folge steigt der Blutdruck, das Herz rast, man schwitzt. „Bluthochdruck bei hohem Puls hat zwei Ursachen: eine Angsterkrankung – oder das Phäochromozytom“, weiß Experte Petersenn. Inzwischen ist die Diagnostik weniger aufwendig als früher. Endokrinologen messen bestimmte Abbauprodukte des Adrenalins im Blut. Die Therapie besteht aus der operativen, meist minimalinvasiven Entfernung der Geschwulst. Vorher erhalten Patienten spezielle Bluthochdruckmedikamente, die die Wirkung des Adrenalins an den Gefäßen aufheben. Sonst können die Tumoren während Narkose oder OP den Blutdruck massiv erhöhen.

Cushing-Syndrom als Ursache für Bluthochdruck

So häufig das Conn-Syndrom vorkommt, so selten ist eine andere Überfunktion: Beim Cushing-Syndrom überschwemmen die Nebennieren das Blut mit Cortisol. In der Mehrzahl der Fälle stimuliert ein gutartiger Tumor in der Hirnanhangsdrüse die Cortisolproduktion in der Nebenniere. Auch jahrelange Kortisoneinnahme kann Cushing auslösen.

Typische Symptome des Cortisolexzesses sind ein rundes Gesicht, dünne Arme und Beine, Fettansammlung an Bauch und Nacken sowie rote Streifen auf der Haut. „Patienten beschreiben häufig, dass sie die Treppe nicht mehr hochkommen, da die Muskeln schwinden“, berichtet Experte Petersenn. Cortisol verändert auch den Knochenstoffwechsel, da es die Wirkung von Vitamin D aufhebt – das Osteoporoserisiko steigt. „Ein klassischer Fall ist, dass ein 50 Jahre junger Patient mit einer Wirbelkörperfraktur kommt“, so der Endokrinologe. Um den Cortisolspiegel zu normalisieren, ist bei Tumoren eine minimalinvasive OP das Mittel der Wahl. Alternativ kann auch eine Bestrahlung oder eine medikamentöse Behandlung sinnvoll sein.

Laut Studien haben Menschen mit Nebennierenerkrankungen vermehrt psychische Probleme. Praktisch alle Cushing-Patienten leiden unter Gedächtnisstörungen, 50 bis 70 Prozent sind depressiv. „Das chronische Zuviel am Stresshormon Cortisol erhöht die Anfälligkeit für Angsterkrankungen und Depressionen“, sagt Experte Reincke.

Langzeitbeobachtungen zeigen, dass auch nach Behandlung des Cushing-Syndroms die Beschwerden weiter bestehen. Der Verbrauch an Schlaf- und Beruhigungsmitteln sowie Antidepressiva ist bei Betroffenen doppelt so hoch. „Offenbar ist die Widerstandskraft der Psyche durch zu hohe Cortisolwerte reduziert und bleibt dies auch lebenslang“, erklärt Reincke. Wichtiges Ziel sei daher, die Erkrankung möglichst früh zu erkennen, sodass auch eine psychotherapeutische Mitbehandlung, wie sie heute üblich ist, zeitnah erfolgen kann.

FOCUS-Gesundheit – Klinikliste 2025

© FOCUS-Gesundheit

Klinikliste 2025

FOCUS-Gesundheit 04/2024
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