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Microdosing – kleine Dosis, große Wirkung?

Winzige Mengen und große Behauptungen. Die Wissenschaft hinter Microdosing ist eher ernüchternd. Dennoch gibt es Hinweise auf ein therapeutisches Potenzial psychedelischer Substanzen.

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Ein getrockneter Psilocybin-Pilz wird über einer Schale mit einer Schere zerkleinert

© iStock

Es ist schon seltsam. Früher nahm man psychedelische Drogen, um der Gesellschaft zu entfliehen. Heute nimmt man sie in kleinen Dosen, um besser und effektiver an ihr teilhaben zu können. Microdosing bezeichnet den Konsum kleinster Mengen psychoaktiver Substanzen wie Psilocybin oder LSD – weit unter der Menge, die einen Trip auslösen würde – um Stimmung, Kreativität, Konzentration, Produktivität und Empathie zu steigern. Doch was ist dran?

Wie unerforscht das Gebiet ist, zeigt sich schon daran, dass niemand genau sagen kann, was Microdosing eigentlich ist. Denn eine einheitliche, allgemein akzeptierte Definition oder Grenzwerte gibt es bislang nicht – was wiederum eine konsistente, also vergleichbare Forschung erschwert. Ebenso variiert die Potenz der beim Microdosing häufig zum Einsatz kommenden in Pilzen enthaltenen Substanzen (Psilocybin) stark, was eine exakte Dosierung eigentlich unmöglich macht. Auch LSD (Lysergsäurediethylamid) ist schwer zu dosieren, da es in flüssiger Form oder auf Papier konsumiert wird.

Hinzu kommt, dass es aufgrund der derzeitigen Illegalität und fehlenden Regulierung keine sichere Möglichkeit gibt, die genaue Dosis zu bestimmen. Schließlich erschwert die physiologische Toleranz (weniger Wirkung bei gleicher Dosis) gegenüber Substanzen wie Psilocybin und LSD die Forschung, also Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf die Drogen. Mit anderen Worten: Die Forschung zu Microdosing steckt noch in den Kinderschuhen.

Microdosing wirkt ... vielleicht

Und die bisherigen Forschungsergebnisse sind uneinheitlich. Einige Studien weisen auf einen tatsächlichen Nutzen hin, während andere Studien weniger überzeugend sind und wenig oder gar keinen Nutzen zeigen. Eine im Juli 2022 im Fachblatt Scientific Reports veröffentlichte Arbeit untersuchte über einen Zeitraum von 30 Tagen 953 Personen, die Psilocybin einnahmen – im Vergleich zu 180 Teilnehmern, die es nicht taten. Und fand kleine bis mittlere Verbesserungen der Stimmung und der psychischen Gesundheit – unabhängig von Geschlecht, Alter und dem Vorhandensein psychischer Probleme.

„Unsere Ergebnisse, dass sich die Stimmung verbessert und die Symptome von Depression, Angst und Stress abnehmen, tragen zur wachsenden Diskussion über das therapeutische Potenzial von Microdosing bei", ist sich Studienautor Prof. Zach Walsh von der University of British Columbia (Kanada) sicher. Diese und ähnliche Arbeiten scheinen viele anekdotische Berichte auf sozialen Medien wie Reddit, Instagram oder Tiktok zu bestätigen, die auf die Vorteile von Microdosing schwören.

Microdosing wirkt ... vielleicht doch nicht

Andere Studien zu diesem Thema sind jedoch weit weniger beeindruckend. So führten Forschende der Universidad de Buenos Aires (Argentinien) eine randomisierte kontrollierte Studie durch, die im August 2022 in der Fachzeitschrift Translational Psychiatry veröffentlicht wurde und den stärksten Beweis liefert – weil sie den Placeboeffekt ausschließt. Dennoch ist sie mit lediglich 34 Probanden sehr klein. Von denen erhielt die Hälfte nach dem Zufallsprinzip Psilocybin und die andere Hälfte ein Placebo. Obwohl es einige subjektive Effekte gab (die Menschen fühlten sich glücklicher und kreativer), kamen sie zu dem Schluss, dass niedrig dosierte Psilocybin-Pilze keinen objektiven Beweis für eine Verbesserung der Kreativität, des Wohlbefindens oder der kognitiven Funktion liefern.

Laut dem Autor der Studie, Enzo Tagliazucchi, müssten noch viel mehr Studien durchgeführt werden – vor allem im Hinblick auf den Langzeitkonsum: „Solange diese Forschung nicht abgeschlossen ist, können wir nicht sagen, ob langfristiges Microdosing ein sicheres Verfahren mit erwünschten Effekten ist, oder ob diese Effekte lediglich auf Erwartungs- oder Bestätigungsfehlern beruhen“. Also man glaubt, etwas zu beobachten, weil man es erwartet.

Vorsicht – auch bei kleinsten Dosen

Unterm Strich ist die Wissenschaft hinter Microdosing eher ernüchternd. Trotz wachsender Popularität ist es immer noch ein relativ neues und wenig erforschtes Gebiet. Daher sollten Interessierte mit Vorsicht vorgehen und sich bei ihrem Arzt über mögliche Risiken und Nebenwirkungen informieren sowie die Legalität, Qualität und Sicherheit des Produkts bedenken, um weitere Risiken zu minimieren.

Quellen

Kuypers K, Walsh Z et al.: Psilocybin microdosers demonstrate greater observed improvements in mood and mental health at one month relative to non-microdosing controls; Scientific Reports; DOI:10.1038/s41598-022-14512-3

Cavanna F et al.: Microdosing with psilocybin mushrooms: a double-blind placebo-controlled study; Translational Psychiatry; DOI:10.1038/s41398-022-02039-0

 

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