Werbung

Werbung

„Früherkennung und neue Medikamente revolutionieren die Lungenkrebs-Therapie“

Wie zielgerichtete Therapien dafür sorgen, dass Lungenkrebspatienten heute jahrelang mit der Erkrankung leben können.

Werbung

Der Krebs-Code: Die Abfolge der Einzelbausteine der Tumor-DNA kann heute mittels Sequenzierung abgelesen werden. Dabei erhält man eine Abfolge der vier Basen: Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin. So lassen sich Veränderungen identifizieren, an denen zielgerichtete Medikamente wirken können

© Colourbox

Lungenkrebs ist die Krebsart mit der höchsten Sterblichkeit weltweit. In den USA wurde nun eine neue zielgerichtete Therapie zugelassen, die Patienten mit einer bestimmten, nur im Tumor vorhandenen, Erbgutveränderung Grund zur Hoffnung gibt. Was die Krebsmedizin beim Lungenkarzinom leisten kann, erklärt Onkologe Martin Schuler im Interview.

Unser Experte für Hämatologie und Onkologie

Prof. Dr. Martin Schuler, Onkologe und stellvertretender Direktor des Westdeutschen Tumorzentrums der Universitätsmedizin Essen

 

Herr Schuler, es gibt Krebsformen, die heute gut therapierbar sind, etwa Brust- oder Prostatakrebs. Warum ist die Prognose bei Lungenkrebs eher schlecht?
Martin Schuler: Jede Krebsart hat ihre eigene Biologie. Brust- und Prostatakrebs wachsen meist langsam und hormonabhängig. Sie lassen sich bei vielen Patienten gut mit einer Hormonentzugstherapie kontrollieren, selbst wenn der Tumor bereits Absiedlungen in anderen Organen gebildet hat (Metastasen). Lungenkrebs ist aggressiver, besonders die kleinzelligen Lungenkarzinome, die bei 15 Prozent der Patienten vorkommen.

Zum anderen werden 65 Prozent der Lungenkrebserkrankungen erst im fortgeschrittenen oder metastasierten Stadium erkannt, weil es bisher keine gesetzlich verankerte Früherkennung gibt. Die wäre aber bei Patienten mit erhöhtem Risiko sinnvoll.

Die sogenannte NELSON-Studie, die über 15.000 Probanden einschloss, zeigte: Ein Screening für Risikopatienten mit einer niedrig dosierten Computertomografie (CT) senkt die Lungenkrebssterblichkeit um 20 Prozent. Eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Erkrankung haben vor allem Raucher. Für diese wird die Lungenkrebsvorsorge in absehbarer Zeit in Deutschland eingeführt werden.

Werbung

Bei Lungenkrebs setzen Ärzte zunehmend zielgerichtete Therapien ein. Was hat es damit auf sich?
Krebs entsteht durch erworbene Veränderungen im Genom, sogenannte Mutationen, die bei jedem Patienten unterschiedlich sind. Diese führen zu unkontrolliertem Zellwachstum und helfen dem Krebs sich vor dem Immunsystem zu verbergen.

Die Krebsforschung versucht seit Jahrzehnten Moleküle zu finden, mit denen sich das Wachstum von Tumorzellen gezielt ausschalten lässt. Etwa zwölf Prozent der Patienten mit metastasiertem Lungenkrebs können heute schon von einer solchen spezifischen medikamentösen Behandlung profitieren.

Wie finden Sie heraus, für wen eine zielgerichtete Lungenkrebstherapie in Frage kommt?
Dazu analysieren wir die DNA, also das Erbgut des Tumors und suchen nach bekannten Mutationen. Auch weitere Biomarker, wie bestimmte Eiweiße auf der Oberfläche der Tumorzellen, werden geprüft.

Diese Untersuchung ist heute Standard und wird bei allen Patienten mit metastasiertem, nicht-kleinzelligem Lungenkrebs, die nicht mehr chirurgisch oder strahlentherapeutisch behandelt werden können, durchgeführt. Ausnahmen sind Menschen, die keine Behandlung wünschen oder in einem so schlechten Zustand sind, dass wir keine Therapie mehr durchführen können.

Neu zugelassen ist nun auch eine zielgerichtete Therapie, die einen Rückfall nach einer Tumoroperation verhindern soll. Sie kommt in einem früheren Stadium, in dem der Tumor noch keine Metastasen gebildet hat, zum Einsatz.

Die spezifische Mutation, bei der der Wirkstoff Osimertinib ein erneutes Tumorwachstum bremsen kann, haben mehr als zehn Prozent der Patienten mit einem sogenannten Adenokarzinom, einer Form des Lungenkrebs, die aus Drüsengewebe hervorgeht. Sie macht etwa die Hälfte aller Lungenkarzinome aus.

 

In den USA wurde kürzlich eine neue zielgerichtete Therapie gegen Tumoren mit der KRAS-Mutation zugelassen. Wie funktioniert sie?
KRAS ist eine der häufigsten Mutationen bei Krebs überhaupt – deshalb ist das neue Medikament ein großer Durchbruch. Aufgrund der Veränderung im Genom wird den Zellen permanent signalisiert, sich zu teilen, als würde ein Wachstumsschalter umgelegt. Der neue Wirkstoff Sotorasib friert diesen Schalter bei einer bestimmten Form der KRAS-Mutation ein, so dass er ausgeknipst bleibt.

Wie viele Lungenkrebspatienten haben die behandelbare KRAS-Mutation?
13 bis 14 Prozent der Betroffenen mit Adenokarzinom. Damit ist es die häufigste Mutation, die wir bei Lungenkrebs mit einer Tablette therapieren können. Die Genveränderung kommt bei Lungentumoren oft vor, weil sie durch Zigarettenrauchen verursacht wird.

Wie gut wirkt die Sotorasib-Therapie?
Bei mehr als einem Drittel der Patienten schrumpften die Tumoren deutlich. Bei weiteren 50 Prozent wuchs der Krebs nicht weiter. Nur wenige Patienten sprachen gar nicht auf die Behandlung an.

Leider wirkt das Medikament nur vorübergehend, wie alle zielgerichteten Therapien. Krebszellen verändern sich rasend schnell und entwickeln Resistenzen gegen den Wirkstoff. Nach sechs bis sieben Monaten waren bei der Hälfte der Patienten die Tumoren wieder gewachsen oder entstanden neu. Allerdings wurden in die Studie nur Teilnehmer mit einer ungünstigen Prognose eingeschlossen, bei denen mehrere Vorbehandlungen nicht angeschlagen hatten.

Die Wirkung könnte länger anhalten, wenn Betroffene das Medikament früher bekommen. Andere zielgerichtete Therapien wirken durchschnittlich ein Jahr, manche sogar drei bis vier Jahre lang.

Gibt es auch zielgerichtete Therapien, die langanhaltender gegen Lungenkrebs helfen?
Ja, die Immuntherapien, genauer die Immuncheckpoint-Hemmer. Sie brachten bisher für die größte Patientengruppe einen Fortschritt in der Lungenkrebsbehandlung. Krebszellen bremsen das Immunsystem aus. Die Checkpoint-Hemmer lösen diese Bremse wieder, so dass die körpereigene Abwehr gegen den Krebs vorgeht und diesen nachhaltig kontrollieren kann.

Immuncheckpoint-Inhibitoren

Neue Medikamente aktivieren das Immunsystem gegen Krebs

© FOCUS-Gesundheit

So funktioniert die Immuntherapie:

❶ Intakte Immunabwehr: Die T-Zellen des Immunsystems erkennen Krebszellen als Feind, attackieren und zerstören sie.

❷ Getarnte Krebszelle: Die Tumorzelle tarnt sich mit dem PD-Liganden 1. Dieser inaktiviert den Rezeptor der T-Zelle.

❸ Tarnkappe ade! Medikamente, die PD-1- und PDL-1-Hemmer, besetzen den Rezeptor und enttarnen die Krebszelle.

❹ Attacke frei: Die T-Zelle ist nunmehr aktiv. Sie greift die Krebszelle an und tötet sie.

 

Die Immuntherapie wird häufig zusammen mit einer Chemotherapie eingesetzt. Manche Patienten haben eine hohe Chance, dass die Immuntherapie alleine wirkt, weil ihr Tumor zahlreiche Immunbremsen besitzt, die gelöst werden können.

Wir kennen Patienten, die schon sieben Jahre krankheitsfrei sind. Diese Gruppe erkennen wir bei der Biomarkeranalyse.

Wieso verabreichen Ärzte die zielgerichteten Medikamente erst wenn der Tumor schon gestreut hat und nicht früher?
Solange der Tumor keine Absiedlungen gebildet hat, ist die Operation die beste Behandlung und die einzige, die erwiesener Maßen zu einer Heilung führen kann. Sie wird mit Medikamenten ergänzt, wenn ein erhöhtes Rückfallrisiko besteht.

Wie sieht die Lungenkrebstherapie in zehn bis 15 Jahren aus?
Das Thema Prävention wird noch wichtiger werden. Während die Lungentumordiagnosen bei Männern sinken, steigen sie bei Frauen weiter an. Lungenkrebs ist mittlerweile in Nordrhein-Westfalen der häufigste Krebstod der Frau, noch vor dem Brustkrebs. Rauchen gilt als größter Risikofaktor.

Außerdem wird die Früherkennung die Tätigkeit der Krebsmediziner sehr verändern. Der Anteil der Patienten, die wir in einem nicht-metastasierten Stadium diagnostizieren, steigt – entsprechend gewinnt die Chirurgie und Strahlentherapie an Bedeutung.

Welche Fragen sollten dringend geklärt werden, um die Lungenkrebstherapie weiter zu verbessern?
Wir müssen die Erkrankungen auf individueller Ebene besser verstehen: Warum wirkt eine Immuntherapie nicht mehr oder gar nicht? Wieso schlägt die zielgerichtete Behandlung nicht an? Wie funktionieren die Mechanismen der Resistenz?

Die Vision ist, dass wir die Therapie mit einer Biomarker-Diagnostik begleiten, um frühzeitig zu erkennen, wenn Medikamente nicht mehr wirken und die Behandlung anzupassen.

Aber wir haben schon viel geschafft: Vor 30 Jahren starben Patienten mit metastasiertem Lungenkrebs nach ein paar Monaten. Heute können Betroffene viele Jahre mit einer Folge guter Behandlungen leben. Diese Gruppe soll natürlich größer werden.

Quellen
  • Hekmat K und Bruns C J: NELSON-Studie 2020: Aufruf zum Lungenkrebs-CT-Screening von Risikopersonen; Springer; 2020; DOI: 10.1056/NEJMoa1911793
  • De Koning et al.: Reduced lung-cancer mortality with volume CT screening in a randomized trial; The New England Journal of Medicine; 2020; DOI: 10.1056/NEJMoa1911793
  • Wu et al.: Osimertinib in resected EGFR-mutated non-small-cell lung cancer; The New England Journal of Medicine; 2020; DOI: 10.1056/NEJMoa2027071
  • Skoulidis et al.: Sotorasib for lung cancer with KRAS p.G12C mutation; The New England Journal of Medicine; 2021; DOI: 10.1056/NEJMoa2103695
FOCUS-Gesundheit 01/24 – Einfach besser leben 2024

© FOCUS-Gesundheit

FOCUS-Gesundheit 01/2024

Einfach besser leben 2024
Viele Alterungsprozesse lassen sich nachweislich bremsen. Was uns jung hält. Wie wir Lust an Bewegung (wieder) finden. Plus: Übungen fürs Home-Workout. U.v.m.

Wichtiger Hinweis

Dieser Artikel enthält allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Den passenden Arzt finden Sie über unser Ärzteverzeichnis.

Höchster Qualitätsanspruch: So arbeiten wir.

Fragen? Schreiben Sie uns!

Dr. Andrea Bannert

Redaktionsleitung DIGITAL FOCUS-Gesundheit

Facebook Logo Instagram Logo Email Logo
Fragen Bild
Redaktor Bild

Hinweis der Redaktion

Im Sinne einer besseren Lesbarkeit unserer Artikel verwenden wir kontextbezogen jeweils die männliche oder die weibliche Form. Sprache ist nicht neutral, nicht universal und nicht objektiv. Das ist uns bewusst. Die verkürzte Sprachform hat also ausschließlich redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung. Jede Person – unabhängig vom Geschlecht – darf und soll sich gleichermaßen angesprochen fühlen.

Weitere Online-Angebote:

Services der © BurdaVerlag Data Publishing GmbH, Deutsches Institut für Qualität und Finanzen