Parkinson beginnt meist schleichend. Was hat Ihnen das Gefühl gegeben, dass irgendwas nicht stimmt?
Siegfried Conrad: Vor allem Außenstehenden ist etwas aufgefallen – mein Gang war unsicherer und ich konnte den rechten Arm nicht mehr in die Bewegung mitnehmen, der hing beim Laufen schlaff an meinem Körper hinab. Aber ich habe mir nichts weiter dabei gedacht.
Wie ging es Ihnen als Sie vor zwölf Jahren die Diagnose Parkinson bekamen?
S. Conrad: Der Arzt hatte eine gute und eine schlechte Nachricht für mich. Die gute: Ich würde an meiner Erkrankung nicht sterben. Die schlechte: sie sei unheilbar. Ich muss ehrlichweise zugeben, dass ich mir unter Parkinson damals gar nichts vorstellen konnte und habe daher im ersten Moment also nicht groß etwas gefühlt und war ziemlich gefasst.
Frau Conrad, wie sind Sie als Partnerin mit der Diagnose umgegangen?
M. Conrad: Für mich war das erstmal wie ein Hammerschlag und mir war sofort klar, dass sich für unsere Familie alles ändern würde. Unsere Tochter war zu dem Zeitpunkt zwölf und unser Sohn 23 Jahre alt. Wir alle mussten mit der Erkrankung klarkommen und Rücksicht nehmen. Mein Mann schien um zehn Jahre gealtert, wirkte depressiv und zog sich immer mehr zurück – kein Sport, keine Besuche. Was uns geholfen hat, war der Austausch mit anderen Betroffenen. Zufälligerweise hatten Bekannte, etwa zum gleichen Zeitpunkt ebenfalls die Diagnose Parkinson erhalten. Wir hatten also direkt Ansprechpartner, mit denen wir die neue Lebenssituation besprechen und teilen konnten.
Wie veränderte sich der Umgang der Erkrankung im Laufe der Zeit?
S. Conrad: Wie bei jeder anderen chronischen Erkrankung ist es wichtig, dass man die Krankheit akzeptiert. Es ergibt keinen Sinn, sich zurückziehen und auf einen Moment zu hoffen, an dem es besser wird. Man kann lernen, mit der Erkrankung zu leben. Dazu ist die Unterstützung von Familie und Freunden wichtig – allein hätte ich das nicht geschafft. Aber das geht auch nur, wenn man offen und ehrlich über seine Erkrankung und seine Befindlichkeiten spricht. Das war für mich ein Lernprozess. Heute bin ich glücklich darüber, auch für andere Betroffene eine Hilfe zu sein.
M. Conrad: Das ist bis heute Tag für Tag eine Herausforderung. Aber wir haben unser Leben an die Parkinson-Erkrankung angepasst und versuchen, die besseren Episoden entsprechend zu nutzen und zu organisieren, so dass wir als Familie möglichst viel aus der gemeinsamen Zeit machen können. Unsere Tochter hat sich zudem so sehr mit der Erkrankung befasst, dass sie Gerontologie studiert hat und inzwischen auf einer Rehastation für neurologische Erkrankungen arbeitet.
Gibt es Freunde, die sich seit der Parkinson-Diagnose zurückgezogen haben?
S. Conrad: Oh ja, darüber kann man sich zwar nur wundern, aber wir müssen das nun mal akzeptieren. So zeigen sich eben die wahren Freunde, die damit umgehen können und mit denen man diese Dinge durchstehen kann. Freunde, die auch Verständnis haben, dass gemeinsame Abende nicht mehr so laufen wie vor der Erkrankung. Es haben sich aber auch viele neue Kontakte durch die Krankheit ergeben, mit denen wir uns konkret über Probleme austauschen können.
Wie reagieren Außenstehende auf Ihre Symptome?
S. Conrad: Im normalen Alltag fällt es vielen gar nicht auf, sie sind vielleicht nicht aufmerksam genug. Wenn ich irgendwo eingeladen bin, wo mich viele Leute nicht kennen, dann spreche ich offen über die Parkinson-Erkrankung und erkläre meine Situation und meine Symptome. Die Reaktionen sind unterschiedlich. Einige sind aufgeschlossen, nutzen die Chance, um Fragen zu stellen und andere ziehen sich eher zurück. Vielleicht auch aus Angst, etwas Falsches zu sagen.
Motorische Symptome: Tremor und Rigor im Vergleich
Tremor: Das Wort „Tremor“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „zittern“. Gemeint ist damit ein unwillkürliches Zittern der Muskulatur. Betroffen sind vor allem die Hände und Arme, manchmal auch der Rumpf oder der Kopf. Bei Parkinson-Patienten unterscheidet man zwischen einem Ruhetremor und einem Aktionstremor. Der Ruhetremor tritt auf, wenn die Muskulatur entspannt ist. Zum Beispiel, wenn die Hand einfach nur auf dem Tisch liegt. Der Aktionstremor kann auftreten, wenn der Betroffene versucht, die Hand in einer bestimmten Position zu halten, eine Bewegung durchführt oder wenn die Muskulatur gezielt für eine Aktion angespannt wird, um zum Beispiel mit dem Zeigefinger einen bestimmten Punkt zu berühren.
Rigor: Das Wort „Rigor“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „Starrheit“. Die Muskulatur besitzt generell eine Grundspannung, den sogenannten Muskeltonus oder Ruhetonus. Auch im vermeintlichen Ruhezustand ist die Muskulatur nie ganz entspannt. Bei einem sogenannten Rigor ist die Grundspannung der Skelettmuskulatur jedoch erhöht. Die Folge ist eine Muskelstarre.
Sie haben einen Parkinson-Stammtisch gegründet. Wie kam es zu der Idee?
S. Conrad: Das war 2014, wir waren damals eine Gruppe von drei Pärchen, die sich regelmäßig getroffen haben. Irgendwann kam der Gedanke auf, daraus einen Stammtisch –und keine Selbsthilfegruppe – zu gründen. Das gemütliche Miteinander, der Austausch soll im Fokus stehen. Dabei reden wir nicht nur über die Erkrankung. Manchmal treffen wir uns nur auf einen Kaffee oder spielen Minigolf.
M. Conrad: Um den Stammtisch bekannter zu machen, haben wir in Kliniken in der Umgebung und in neurologischen Praxen Flyer ausgelegt. So wuchs die Zahl der Teilnehmenden. Mit der Zeit war der Stammzisch so groß, dass wir sogar Experten einladen konnten, die einmal im Monat zu bestimmten Themen wie Ernährung, Pflege oder Hilfsmittel Vorträge halten.
Mehr Informationen zum Parkinson-Stammtisch finden Sie hier: www.pastabo.eu
Der Stammtisch richtet sich aber nicht nur an die Betroffenen, sondern auch an Angehörige?
S. Conrad: Ja, das ist ganz entscheidend. Erstens weil einige der Teilnehmer alleine nicht mehr kommen können und zweitens, weil Familien und Freunde als mentale Unterstützung wichtig sind. Die Angehörigen haben aus dem Stammtisch heraus eine zusätzliche Gruppe gegründet, in der sie sich untereinander austauschen und auch darüber sprechen, was sie persönlich belastet.
Frau Conrad, haben Sie einen Tipp für Angehörige?
M. Conrad: Den Austausch mit anderen suchen, positiv denken, zuhören, motivieren, helfen – und sich auch selbst Hilfe suchen. Und den Austausch mit Ärzten, um das maximale an Lebensqualität herauszuholen.