Einen guten Steuermann lernt man im Sturm kennen, predigte schon Seneca. Für Lebenspartner und -partnerinnen gilt das ebenso. Bei einer Krebserkrankung kann der mentale Sturm für die Gefährten ebenso gewaltig sein wie für die Erkrankten selbst: Auch sie durchleben Belastungen wie Ängste, Hilflosigkeit oder eine eingeschränkte Lebensqualität. Halten sie dennoch zu ihrem Partner, bringt das für die Erkrankten einen deutlichen Überlebensvorteil.
Forscher der Indiana-Universität in Illinois verglichen die Überlebensraten von rund vier Millionen Krebspatienten mit unterschiedlichem Beziehungsstatus. Von den Verheirateten lebten nach fünf Jahren noch 63,3 Prozent, nie Verheiratete kamen auf 57,3 Prozent und Witwer auf 47,2 Prozent. Am schlechtesten schnitten die in Trennung vom Partner Lebenden ab: Nur 45,4 Prozent überlebten fünf Jahre. Der Trennungsstress schwäche das Immunsystem, mutmaßten die Wissenschaftler. Mehrere Studien belegen zudem, dass an Krebs Erkrankte mit der sozialen Unterstützung ihrer Partner oder Partnerinnen besser in der Lage sind, die Herausforderungen nach der Diagnose zu meistern und eine positive Lebenseinstellung zu behalten – sofern die Beziehung intakt ist.
„Ohne ihn wäre ich längst tot“
Der Dank dafür kommt allerdings oft zu kurz. Um das aufzufangen, gründete die Bristol Myers Squibb-Stiftung Immunonkologie vergangenes Jahr den Preis „An Deiner Seite“. Der mit 3000 Euro dotierte Award ehrt Menschen, die Krebspatienten in herausragender Weise begleiten, ohne ihr Engagement selbst zu betonen – wie der diesjährige Preisträger Mats „Matti“ Ebbing, Geschichtsstudent aus Bochum. „Alle sprachen nur über meine Krebserkrankung, wie Matti damit klarkam, ging völlig unter“, sagt seine Frau Saskia. Dabei ist sich die 29-Jährige sicher: „Ohne ihn wäre ich längst tot.“
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Heiratsantrag im Krankenhaus
Es war im Frühjahr 2020, die Pandemie hatte gerade begonnen, da bekam Saskia Ebbing einen Rückfall: akute myeloische Leukämie (AML), eine Blutkrebsform, die unbehandelt in kurzer Zeit zum Tod führt. Nur wenige Wochen später hätte die damals 26-Jährige ihr 5-Jahres-Ziel erreicht und damit Hoffnung gehabt, als geheilt zu gelten. „Wenn du gehen willst, dann geh, du musst das nicht mit mir durchstehen“, sagte die junge Studentin. Doch für Mats war das keine Option.
Noch am Tag der Rückfall-Diagnose machte er seiner kranken Freundin einen Heiratsantrag. Er erkämpfte sich eine Sondergenehmigung, um sie trotz der Isolationsvorgaben während der Stammzelltransplantation und Pandemie so oft wie möglich im Krankenhaus besuchen zu dürfen, und las ihr – so berichtet Saskia Ebbing – „jeden Wunsch von den Augen ab“. Dabei hatte die damals 26-Jährige während der harten Nebenwirkungen der Chemotherapie fast aufgegeben. „Ich bin ein Sturkopf“, gibt Ebbing zu. „Ich dachte: Wenn ich schon sterben soll, dann bitte schnell.“ Mats aber habe an ihre Vernunft appelliert und sie dazu gebracht, weiter zu kämpfen.
Wissen, für wen man überlebt
„Saskia Ebbing hat einen Menschen gefunden, für den es sich lohnt zu überleben“, resümierte Laudatorin Claudia Liane Neumann bei der Preisübergabe. Die Krebsaktivistin war 2015 an Darmkrebs erkrankt, ihre Ehe daraufhin zerbrochen. „Jeder Krebspatient“ brauche „einen Matti.“ Mit dem Preisgeld wollen die Ebbings einige Tage in den Freizeitpark Disneyland Paris fahren, „ein lang gehegter Traum, für den nie genug Geld da war“, erklärt Studentin Saskia. Der 27-jährige Preisträger selbst brachte bei der Verleihung auf dem 1. Hamburger Patient:innenkongress Krebsmedizin im Universitären Cancer Center Hamburg (UCCH) kein Wort heraus, zu groß war die Rührung. Stille Helden reden eben nicht viel – sie helfen lieber.