Warum hat jeder Mensch einen individuellen Körpergeruch?
Dem Rätsel des Riechens ist der Mediziner und Biologe Hanns Hatt, Professor an der Ruhr-Universität Bochum, seit Jahrzehnten auf der Spur. Er hat den ersten menschlichen Riechrezeptor entschlüsselt und später nachgewiesen, dass solche Rezeptoren nicht nur in der Nase vorkommen, sondern auch in anderen Geweben, etwa im Herz, im Darm oder in Tumorzellen. Selbst in Hautzellen fand Hatt Riechrezeptoren, deren Aktivierung beispielsweise die Wundheilung beschleunigt. „Doch bis heute“, sagt Hatt, „ist es der Wissenschaft nicht gelungen, den Eigengeruch eines Menschen zu bestimmen.“
Klar ist aber: Jeder Mensch besitzt einen individuellen Duft, der von einer besonderen Spezies der Schweißdrüsen – den apokrinen Drüsen – gebildet und als Sekret abgesondert wird. Diese Drüsen finden sich vorwiegend an behaarten Körperstellen: auf der Kopfhaut, im Genitalbereich und unter den Achseln. Die Haare funktionieren dabei wie Dochte, sie transportieren das Sekret weg von der Haut und in die Luft. Damit spielen sie eine wichtige Rolle in der geheimnisvollen Kommunikation zwischen Haut und Nase.
Was die Haut mitzuteilen hat, ist weit mehr als das, was wir bewusst als Geruch wahrnehmen. Ob das Sekret der Duftdrüsen bereits den Eigengeruch ausmacht oder dieser erst durch die bakterielle Zersetzung des Sekrets an der Hautoberfläche entsteht, „darüber streitet die Wissenschaft noch“, sagt Hanns Hatt. Letztere These zumindest würde erklären, warum jeder Mensch eine nur für ihn charakteristische Geruchsmischung besitzt. Die Hautoberfläche ist besiedelt mit einer Bakterienpopulation, deren Zusammensetzung auch durch das individuelle Immunsystem bestimmt wird. Dieses Mikrobiom verwandelt das Drüsensekret in eine Art olfaktorische Signatur.
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Warum Vegetarier angenehmer riechen als Fleischesser
Zu diesem stabilen Teil des Eigengeruchs gesellen sich eher variable Anteile wie Schweiß und andere, vom Stoffwechsel beeinflusste Ausdünstungen. Der Verzehr von Knoblauch oder Zwiebeln beispielsweise teilt sich schnell über die Haut mit. Auch die Ernährungsweise selbst hat Einfluss auf das Duft-Signet eines Menschen. So wird der Geruch von Vegetariern eher als angenehm bezeichnet als der von Fleischessern.
Hinzu kommen die Pheromone, olfaktorisch wahrnehmbare Geruchsbotenstoffe der Haut, die bei sämtlichen Angehörigen einer Spezies identisch sind und zumindest im Tierreich bei allen die gleiche Reaktion auslösen. Während Hunde eine Vielzahl von Pheromonrezeptoren in einer bestimmten Region der Nase haben – Jacobson- oder auch Vomeronasales Organ genannt –, ist dieses Organ beim Menschen nicht mehr funktional. Lediglich in der Riechschleimhaut wurden heute noch fünf Pheromonrezeptorentypen entdeckt. „Viel kommunizieren wir offenbar nicht mehr über diese Botenduftstoffe“, konstatiert Hatt.
Wie Geruch und Emotionen zusammenhängen
Neuropsychologin Ilona Croy, die an der Universität Jena zur olfaktorischen Kommunikation forscht, spricht deshalb lieber von „sozial relevanten Gerüchen“, da diese bei Menschen eben nicht eine standardisierte Reaktion auslösen: „Dafür haben wir zu viel kognitiven Überbau.“ Allerdings reagieren Menschen auf solche sozial relevanten Gerüche zumindest „verschieden“, so Croy. An der Universität Düsseldorf forscht die Psychologin Bettina M. Pause am Thema „Geruch und Emotion“. In einem Versuch ließ sie Studierende vor einer Prüfung Wattepads unter den Achseln tragen.
Das Riechen an der „Angstwatte“ löste bei anderen Personen ein Reaktionsmuster von Angst, Aufmerksamkeit, Konzentration und Empathie aus. „Chemische Angstsignale sind in der Lage, Gefühle von einem auf einen anderen Menschen zu übertragen“, konstatiert Pause im Sachbuch „Alles Geruchssache“. Anders ausgedrückt: Angst ist ansteckend. Und die Infektion erfolgt – auch – über die Nase. Wie das genau abläuft, ist noch unklar.
„Menschen können Geruchsproben nicht eindeutig einer bestimmten Emotion oder Charaktereigenschaft zuordnen“, schränkt Croy ein. Der Eigengeruch würde eher einen „holistischen Gesamteindruck“ hinterlassen: Riechen wir einen anderen Menschen, können wir zwar nicht sagen, dass dieser zum Beispiel dominant, etwas gestresst und Vegetarier ist. Aber wir können Gerüche in sympathisch und weniger sympathisch einteilen. Als „sympathisch“ werden überproportional häufig jene Duftproben bezeichnet, bei denen der Spender gesund und nicht gestresst oder ängstlich ist.
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Wie Geruchssignale das Paarungsverhalten steuern
Auch Duftproben von Frauen in der fruchtbaren Phase werden von Männern positiv wahr genommen. Umgekehrt können Frauen Männer gut riechen: Für eine Studie an der Birmingham University wurde ein Stuhl in einem Wartezimmer mit dem männlichen Hormon Androstenon besprüht – mit dem Ergebnis, dass signifikant mehr Frauen dort Platz nahmen als Männer. Auch die sexuelle Neigung spielt eine Rolle. Aus ersten Studien schließt Psychologin Pause, dass Homosexuelle anders auf Frauen- und Männergeruch reagieren als Heterosexuelle.
Mit dem Körpergeruch werden auch Informationen über das Immunsystem des Gegenübers transportiert. Genauer gesagt über dessen Ausstattung mit MHCMolekülen (Major Histocom patibility Complex), mit deren Hilfe der Körper fremde Zellen erkennt und vernichtet. Jede Person besitzt ein spezifisches MHCSystem, lediglich eineiige Zwillinge haben identische Abwehrsysteme. Mehrere Studien weisen darauf hin, dass Frauen (hier ist die Untersuchungslage besser als bei Männern) den Duft von Männern anziehender finden, deren MHCGenmuster sich von ihrem eher unterscheidet.
Aus Sicht der Evolution ergibt das Sinn: Die Kombination aus zwei unterschiedlichen Immunsystemen ist besser gegen Viren und Bakterien gewappnet. Auf die moderne Paarbildung habe das aber wohl einen eher untergeordneten Effekt, so Neuropsychologin Croy. Im komplizierten Leben bindungswilliger Menschen gebe es heute stärkere Einflussfaktoren als den Geruch – auch weil Tinder & Co. potenzielle Partner nur visuell und nicht olfaktorisch präsentierten.
FOCUS-GESUNDHEIT 02/22
Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung. Den vollständigen Text finden Sie in der Ausgabe Haut & Allergie. Weitere Themen: Innovative Therapien bei Pollen-, Tierhaar- oder Hausstaubmilben-Allergie. Forscher testen Ernährung gegen Schuppenflechte. U.v.m.Zum E-Paper Shop
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Körpergeruch in der Familie
Die olfaktorische Wahrnehmung bietet aber zumindest einen gewissen Schutz vor Inzest. Denn der „Stallgeruch“ verbindet Familien: Menschen können ziemlich gut am Geruch erkennen, ob ein Shirt von einem Verwandten oder Fremden getragen wurde.
Am stärksten scheint dieser Zusammenhang bei Müttern und ihren Kindern. Schon wenige Stunden nach der Geburt bevorzugen Säuglinge den Geruch der Mutter gegenüber dem einer fremden Frau. Umgekehrt aktiviert bei Müttern der Duft ihres Babys das Belohnungszentrum im Gehirn und kann so die Mutter-Kind-Bindung verstärken. Croy spricht beim Babygeruch von einer Art „olfaktorischem Kindchenschema“: Auch wenn bislang unklar ist, was ihn chemisch definiert – jeder mag Babyduft. Ein geschickter Mechanismus der Evolution. Denn so kümmern sich auch der Vater sowie andere Erwachsene gerne um den Säugling.Werbung
Kann der Körpergeruch auf Krankheiten hinweisen?
Künstliche Nase erkennt Krankheiten am Körpergeruch
Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben nun eine „elektronische Nase“ entwickelt, die Gasgemische analysieren kann. Bislang kommt die eNase vorwiegend bei der Lebensmittelkontrolle und der Raumluftüberwachung zum Einsatz. Doch Hatt prognostiziert, dass eines Tages Arztpraxen mit einer smarten „Nase“ ausgerüstet sein könnten, die den Körpergeruch des Patienten analysiert – und dem Arzt einen ersten diagnostischen Tipp gibt.
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Labradorhündin Hanni begleitet ihren Besitzer, Anaphylaxie-Patient Thorsten Habel, durch den Alltag und rettet ihm regelmäßig das Leben. Über die Kunst der Assistenzhunde und was es braucht, um einer zu werden.
Was tun bei schlechtem Körpergeruch?
- Bei Deodorants Produkte mit Aluminiumsalzen wählen.
- Bei Kleidung statt Kunstfasern lieber Baumwolle tragen.
- Tägliches Waschen mit Apfelessig bewirkt, dass sich die Schweißdrüsen leicht zusammenziehen.
- Injektionen mit Botox hemmen die Tätigkeit der Schweißdrüsen.