Werbung

Werbung

Kinderwunsch: Künstliche Befruchtung

Ungewollt kinderlose Paare suchen Hilfe in der modernen Reproduktionsmedizin. Dank besserer Methoden kann vielen der Kinderwunsch erfüllt werden. Und doch gibt es Grenzen.

Werbung

Inhaltsverzeichnis
Neugeborenes im Arm einer Frau

© Mauritius Images

Zur Mittagszeit wird es ruhig im Haushalt von Alexandra und Lutz Kaiser*. Die dreijährigen Zwillinge Henri und Elise machen Mittagsschlaf, Baby Alea liegt glucksend auf der Krabbeldecke. Einfach war es nicht bis zu diesem Familienglück. Das Paar ist bereits seit Schulzeiten zusammen. Für beide war klar: Sobald Ausbildung und Studium beendet sind, gründen wir eine Familie. Als Alexandra die Pille absetzte, warteten sie jeden Monat auf eine Schwangerschaft. Es passierte – nichts. Die gelernte Krankenschwester ging das Projekt strategisch an, kaufte Ovulationstests und ermittelte ihren Eisprung. Auch das half nicht. Also rief das Paar eines Tages in einer Kinderwunschklinik an.

Werbung

Faktoren, die die Fruchtbarkeit beeinträchtigen

Wer ungewollt kinderlos ist, dem kann die moderne Medizin helfen. Immer mehr Menschen nehmen dies in Anspruch. 21 295 Kinder kamen 2017 in Deutschland nach einer künstlichen Befruchtung auf die Welt. Durchschnittlich ein Kind pro Schulklasse verdankt sein Leben der assistierten Reproduktion. Seit vor mehr als 40 Jahren das erste Reagenzglas-Baby geboren wurde, sind die Techniken in den Laboren immer ausgereifter geworden. Aber noch immer lässt sich die biologische Uhr nicht abschalten.

„Das Alter ist das entscheidende Kriterium, ob es mit einer Schwangerschaft klappt oder nicht“, sagt Jan-Steffen Krüssel, Leiter des Kinderwunschzentrums der Uniklinik Düsseldorf. Frauen werden am einfachsten zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr schwanger. Dann verfügen sie im Normalfall über ausreichende, gesunde Eizellen. Mit jedem weiteren Jahr sinkt deren Anzahl und, viel wichtiger, die Qualität. Bei älteren Eizellen häufen sich Defekte am Erbmaterial, es kommt zu frühen Fehlgeburten. Männer bilden ab einem Alter von etwa 40 Jahren schlechtere Spermien.

Unfruchtbarkeit kann auch andere Ursachen haben. Sind die Eileiter verschlossen, beispielsweise nach einer Infektion oder Eileiterschwangerschaft, können die reifen Eizellen nicht mehr in die Gebärmutter wandern. Auch Wucherungen der Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutterhöhle, genannt Endometriose, beeinträchtigen die Fruchtbarkeit. Ebenso hormonelle Probleme. „Selbst wenn beide Partner kerngesund sind und Eizelle und Spermien optimale Funktion zeigen, kann Unfruchtbarkeit auftreten“, sagt Christian Thaler, Leiter des Kinderwunschzentrums an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Bei dem Ehepaar Kaiser war von optimalen Funktionen nicht die Rede. Lutz Kaiser musste zur Kenntnis nehmen, dass seine Spermien wie betrunken im Kreis schwimmen, statt zielgerichtet zur Eizelle zu streben. Bei seiner Ehefrau Alexandra waren die Eizellvorräte bereits mit Anfang 30 stark geschrumpft. Die Diagnosen durchkreuzten den Lebensentwurf des Paares: Sie planten damals gerade den Bau eines Hauses und überlegten, ob es Platz für ein oder zwei Kinderzimmer geben sollte.

Die Hausbaupläne legten sie auf Eis. „Ich dachte mir, wenn die Kinderzimmer für immer leer bleiben, das halte ich nicht aus“, sagt sie. Anfangs sträubte sich die Krankenschwester gegen eine künstliche Befruchtung. „Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass meine Kinder in einer Petrischale entstehen.“ Ihr Mann hingegen hatte „einfach nur Angst, kinderlos zu bleiben“. Schließlich entschieden die beiden, es mithilfe von assistierter Reproduktion zu versuchen.

Werbung

Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung

Die Spermien des Mannes lassen sich vergleichsweise einfach durch Masturbation gewinnen. Kniffliger wird es bei den Eizellen der Frau.

Deren Eierstöcke sollen mittels Hormongaben angeregt werden, möglichst viele Eibläschen gleichzeitig reifen zu lassen. Bei manchen Frauen genügt eine einzige Spritze. Andere müssen täglich Hormone bekommen. Über Ultraschallkontrollen und Blutuntersuchungen verfolgt der Arzt, wie sich die Eibläschen entwickeln. Sobald sie reif sind, leitet eine weitere Gabe von Hormonen den Eisprung ein.

Ist die Spermienqualität des Mannes ausreichend, kann der im Labor aufbereitete Samen mit einem kleinen Schlauch in die Gebärmutter eingeführt werden. Dieser Vorgang heißt Insemination. Für die meisten Paare ist dies jedoch keine Option. Stattdessen entnimmt der Arzt nach Ablauf von 36 Stunden die reifen Eizellen aus den Eierstöcken. Bei dieser sogenannten Follikelpunktion führt er eine feine Nadel durch die Scheide ein. Direkt im Anschluss werden die Eizellen mit den aufbereiteten Samenzellen des Mannes zusammengebracht.

Die herkömmliche In-vitro-Fertilisation (IVF) lässt Spermien und Ei in der Petrischale aufeinan­dertreffen. Die Spermien finden dabei allein den Weg ins Ei. Inzwischen ist die intrazytoplasmatische Spermieninjektion, kurz ICSI (sprich: Ixi), häufiger. Dabei injiziert ein Embryologe unter dem Mikroskop eine einzelne Samenzelle direkt in die  Eizelle. „ICSI wenden wir an, wenn die Spermien zu wenige, zu langsam oder fehlgeformt sind“, erklärt Reproduktionsmediziner Thaler.

ICSI-Befruchtung

© Science Photo Library

Eine ICSI-Befruchtung, in 240-facher Vergrößerung unter dem Mikroskop betrachtet. Die Nadel injiziert ein einzelnes Spermium direkt in eine Eizelle. Im Labor reift die Verbindung dann zu Embryonen heran

Nach etwa 24 Stunden ist absehbar, ob die Befruchtung erfolgreich war. Zwischen dem zweiten und sechsten Tag nach der Eizellentnahme werden dann ein bis maximal drei der Embryonen über einen dünnen Schlauch durch die Scheide in die Gebärmutter übertragen.

Ganz wichtig dabei: entspannt bleiben. Einer israelischen Studie zufolge sind die Schwangerschaftsraten höher, wenn die Frauen während der Embryotransplantation unter Hypnose stehen. Mediziner Thaler kennt den Effekt. Er arbeitete eine Zeit lang während der Eingriffe mit einer Hypnotherapeutin zusammen. Inzwischen hat er gemeinsam mit Sabine Rienhoff, Expertin für Hypnosetherapie, Audiodateien entwickelt, mit deren Hilfe Frauen während der Behandlung entspannen sollen.

Von der Hormonspritze zum Embryo: In diesen fünf Schritten läuft eine künstliche Befruchtung ab

Fünf Schritte der Künstlichen Befruchtung

© FOCUS-GESUNDHEIT

1. Hormonbehandlung: Durch die Stimulation reifen mehrere Eier heran
2. Entnahme der Eizellen
3. Zeugung im Reagenzglas
4. Heranreifen: Die befruchtete Zelle teilt sich mehrfach
5. Embryonentransfer: Ein oder zwei Embryonen werden in die Gebärmutter eingepflanzt

Schwangerschaftsrate nach künstlicher Befruchtung

Die Schwangerschaftsrate bei der künstlichen Befruchtung liegt bei etwas über 30 Prozent. „Wie bei einer natürlichen Befruchtung spielt auch hier das Alter der Frau eine große Rolle“, erklärt Experte Krüssel. Von zehn 25-jährigen Frauen werden nach einer IVF- oder ICSI-Behandlung vier bis fünf schwanger. Von zehn 45-jährigen ist es nur noch eine. Eine Woche nach dem Einsetzen der Embryonen klärt das Kinderwunschzentrum mit einem Bluttest ab, ob eine Schwangerschaft vorliegt.

Darauf wollte Alexandra Kaiser nicht warten. Sie machte einen herkömmlichen Schwangerschaftstest und sah beim Zähneputzen dabei zu, wie zaghaft ein zweiter Strich erschien. Sie hatten gleich beim ersten Versuch Erfolg gehabt – und zwar doppelt. Beide übertragenen Embryonen hatten sich eingenistet. Henri und Elise kamen wenige Wochen zu früh, aber kerngesund auf die Welt.

Werbung

Mehrlingsschwangerschaften: Wahrscheinlichkeit und Risiken

Dabei sind Mehrlingsschwangerschaften für Mutter und Kinder grundsätzlich mit einem erhöhten Risiko verbunden. Es kommt öfter zu Schwangerschaftsvergiftung (Präeklampsie), Bluthochdruck oder vorzeitigen Wehen. „Wir erkaufen uns in Deutschland die hohe Schwangerschaftsrate nach künstlicher Befruchtung dadurch, dass wir mehr Embryonen transferieren, als sich einnisten sollen“, kritisiert Krüssel. Teilen sich die Eizellen in der Gebärmutter dann nochmals, können Drillings- oder Vierlingsschwangerschaften entstehen.

Nachträglich lässt sich dieses Ergebnis nicht mehr ändern. Die Frauen müssen alle eingenisteten Embryonen austragen. „Im Jahr 2017 gab es in Deutschland drei Vierlingsschwangerschaften, allesamt infolge einer künstlichen Befruchtung. Das ist kein medizinischer Erfolg, sondern eine Katastrophe“, sagt Krüssel. Er setzt möglichst nur einen Embryo in die Gebärmutter ein. Einige Kinderwunschzentren bieten ausschließlich Single-Embryo-Transfers an.

Künstliche Befruchtung: Kosten

Üblich ist aber noch immer die Übertragung von zwei Embryonen. Das hat zur Folge, dass jede fünfte Frau nach einer künstlichen Befruchtung Zwillinge bekommt. „Für die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft macht es keinen relevanten Unterschied, ob man in einem Zyklus zwei oder in zwei Zyklen je einen Embryo transferiert“, sagt Reproduktionsmediziner Thaler.

Trotzdem wünschen viele Paare den Transfer von zwei Embryonen. Der Grund: Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen meist nur drei Zyklen einer IVF- oder ICSI-Behandlung. Werden jedes Mal zwei Embryonen eingesetzt, dann steigt in dem jeweiligen Zyklus die Erfolgschance. Ein ähnliches Ergebnis würde auch mit sechs Einzeltransfers erreicht, aber die Krankenversicherungen übernehmen die Kosten ab dem vierten Behandlungszyklus nicht mehr. Diese betragen für Zyklusüberwachungen und die Embryonentransfers etwa 200 bis 600 Euro. „Geld sollte kein Grund sein, das Risiko einer Zwillingsschwangerschaft einzugehen“, meint Thaler.

Werbung

Künstliche Befruchtung: Einfriermethoden für spätere Behandlungen

Entstehen bei der Behandlung mehr befruchtete Eizellen oder Embryonen als benötigt, können diese eingefroren und für eine spätere Behandlung verwendet werden. Auftauzyklus oder Kryotransfer nennen Mediziner dies. Dank einer sehr schnellen Einfriermethode, genannt Vitrifikation, überstehen so gut wie alle Eizellen und Embryonen diese Prozedur unbeschadet. Für die Frauen entfällt damit beim nächsten Versuch die strapaziöse Hormonbehandlung für die Eizellgewinnung. Die Kosten für Kryotransfer übernehmen gesetzliche Krankenkassen allerdings ebenfalls nicht.

Alexandra und Lutz Kaiser haben knapp 5000 Euro für die Zeugung ihrer drei Kinder ausgegeben. Die private Krankenversicherung des Mannes übernahm keine und die gesetzliche nur die Hälfte der Kosten. Momentan zahlt das Paar monatlich 100 Euro Einlagerungsgebühr für Embryonen, die auf Eis liegen. Die Eltern liebäugeln mit Kind Nummer vier. „Zum Glück haben wir damals unser Wunschhaus nicht gebaut“, sagt Lutz Kaiser. „Das wäre schon jetzt zu klein!“

Möglichkeiten, um die Fruchbarkeit zu steigern

Nicht rauchen: Rauchen mindert die Fruchtbarkeit von Männern und Frauen. Starkes Über- oder Untergewicht sind ein weiteres Hindernis, sie bringen den Hormonhaushalt aus der Balance. Normalgewicht und ein gesunder Lebensstil verbessern die Aussichten auf Nachwuchs.

Schilddrüse: Fehlfunktionen der Schilddrüse können die Fruchtbarkeit negativ beeinflussen. Bei einer Unterfunktion (Hypothyreose) werden Frauen seltener schwanger. Der Hausarzt erkennt die Fehlfunktion im Blutbild. Sie lässt sich durch die Gabe von Hormonen ausgleichen.

Temperatur messen: Sex nach Plan. Frauen ermitteln ihre fruchtbaren Tage mit der symptothermalen Methode. Vor dem Eisprung steigt die morgendliche Körpertemperatur leicht an. Beobachten sie zudem den Zervixschleim, verdoppelt dies laut Studie die Chance auf eine Schwangerschaft.

Apps für den Zyklus: Apps, die Daten des aktuellen Zyklus verarbeiten, zeigen das fertile Fenster recht aussagekräftig an. Dazu gehören die Apps Lady Cycle und myNFP. Frauen müssen gelernt haben, ihren Körper zu beobachten. Apps, die mit alten Daten den nächsten Zyklus berechnen, sind ungenau.

*Namen von der Redaktion geändert

Dies ist eine gekürzte Fassung. Den vollständigen Text finden Sie in FOCUS-GESUNDHEIT „Frau/Hormone" – als Print-Heft oder als digitale Ausgabe.

FOCUS-Gesundheit 01/24 – Einfach besser leben 2024

© FOCUS-Gesundheit

FOCUS-Gesundheit 01/2024

Einfach besser leben 2024
Viele Alterungsprozesse lassen sich nachweislich bremsen. Was uns jung hält. Wie wir Lust an Bewegung (wieder) finden. Plus: Übungen fürs Home-Workout. U.v.m.

Wichtiger Hinweis

Dieser Artikel enthält allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Den passenden Arzt finden Sie über unser Ärzteverzeichnis.

Höchster Qualitätsanspruch: So arbeiten wir.

Fragen? Schreiben Sie uns!

Dr. Andrea Bannert

Redaktionsleitung DIGITAL FOCUS-Gesundheit

Facebook Logo Instagram Logo Email Logo
Fragen Bild
Redaktor Bild

Hinweis der Redaktion

Im Sinne einer besseren Lesbarkeit unserer Artikel verwenden wir kontextbezogen jeweils die männliche oder die weibliche Form. Sprache ist nicht neutral, nicht universal und nicht objektiv. Das ist uns bewusst. Die verkürzte Sprachform hat also ausschließlich redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung. Jede Person – unabhängig vom Geschlecht – darf und soll sich gleichermaßen angesprochen fühlen.

Weitere Online-Angebote:

Services der © BurdaVerlag Data Publishing GmbH, Deutsches Institut für Qualität und Finanzen