Heute klingt es unvorstellbar, aber erst mit der Markteinführung der Pille in den 1960er Jahren kam ein zuverlässiges Verhütungsmittel auf den Markt: Die Pille.
Vorher konnten Paare nur mit Kondom, Diaphragma, Scheidenspülungen oder der sogenannten Kalendermethode mehr oder weniger effektiv eine Schwangerschaft verhindern. Doch die anfängliche Pilleneuphorie scheint über ein halbes Jahrhundert später verflogen zu sein. Viele Frauen wollen sich mit den Nebenwirkungen wie Blutgerinnseln, Gewichtszunahme oder Stimmungsveränderungen nicht abfinden. Eine aktuelle Studie der AOK bestätigt die Pillenmüdigkeit: Die Anzahl, gerade junger Frauen, die mit der Pille verhüten, ist um 30 Prozent zurückgegangen, heißt es. Die Ärztin Helga Schwarz berät in der pro familia Beratungsstelle München Frauen und Paare zum Thema Verhütung. Wir haben sie gefragt, ob die Pille tatsächlich so schlecht ist wie ihr Ruf und welche hormonfreien Optionen wirklich sicher und empfehlenswert sind.Werbung
Lange Zeit war die Pille ein beliebtes Mittel zur Verhütung, wie erklären Sie sich, dass immer mehr Frauen der Pille skeptisch gegenüberstehen?
Helga Schwarz: Das Internet trägt dazu bei, aus den sozialen Medien und anderen Foren wissen die Frauen heute, dass sie mit den angeblich subjektiven Nebenwirkungen wie beispielsweise Gewichtszunahme und depressiven Verstimmungen, gar nicht so allein dastehen, wie behauptet. Außerdem, aber da kann ich nur spekulieren, geht die junge Generation selbstbewusster mit der Thematik Sexualität und Verhütung um als noch vor einigen Jahren.
Wie wirkt die Pille?
Grundsätzlich wirkt die Kombinationspille aus Östrogen und Gestagen, indem sie von vornherein das Hormon der zweiten Zyklusphase, das Gestagen, schon am Anfang der Einnahme freisetzt. Dem Körper wird suggeriert, der Eisprung sei schon vorbei und in der Folge werden die entsprechenden Hormone, die den Eisprung einleiten, nicht mehr ausgeschüttet. Wenn die Frauen die Pille regelmäßig einnehmen, findet zuverlässig kein Eisprung statt.
Welche Vorteile hat die Pille?
Der Hauptvorteil ist natürlich, dass die Pille mit hoher Sicherheit eine Schwangerschaft verhindert. Schmerzen und Blutungen werden unter Einnahme der Pille reduziert. Es gibt aber auch immer wieder ungewöhnliche Reaktionen darauf, zum Beispiel, dass die Blutung stärker ausfällt. Aber die Pille ist ein Medikament und Medikamente haben Nebenwirkungen.
Sind mögliche Nebenwirkungen wie Depressionen im Zusammenhang mit hormoneller Verhütung schon länger bekannt?
Vor einigen Jahren gab es eine Onlineumfrage des Frauengesundheitszentrum in Graz zur Hormonspirale. Da benannten die Frauen sehr viele Nebenwirkungen, vor allem aus dem psychischen Bereich. Sie waren damals noch gar nicht anerkannt, mittlerweile sind sie das. Anfangs galten viele Nebenwirkungen als individuelle Beschwerden, aber mittlerweile wird immer deutlicher, dass das keineswegs Einzelfälle sind, sondern dass viele Frauen darüber klagen.
Welche Vorteile hat die Hormonspirale gegenüber der Pille?
Es kommt darauf an, ob es um jüngere oder ältere Patientinnen geht. Jungen Frauen empfehle ich zu Beginn gerne die Pille. Sie können sie jeden Tag absetzen, eine Hormonspirale ist eine Langzeitverhütung. Bevor die Frau sich dafür entscheidet, sollte sie wissen, wie sie auf Hormone reagiert. Für eine über 40-jährige Patientin, die unter starken Blutungen leidet, kann die Hormonspirale ein Segen sein. Unter der Hormonspirale lassen die Blutungen nach, da die Schleimhaut nicht mehr so hoch aufgebaut wird.
Der Pearl-Index ist ein Maß zur Beurteilung der Wirksamkeit und Zuverlässigkeit von Empfängnisverhütung. Entwickelt wurde dieser Maßstab zur Berechnung vom amerikanischen Biologen Raymond Pearl. Als Grundlage der Berechnung des Pearl-Index wird von 100 Frauen ausgegangen, die ein Jahr lang die gleiche Verhütungsmethode anwenden.
Ein Pearl-Index von 1 bedeutet also, dass von 100 Frauen, eine Frau trotz Verhütung schwanger wurde. Ein Pearl-Index von 0,1 sagt dementsprechend aus, dass eine von 1000 Frauen innerhalb eines Jahres schwanger wurde.
Je niedriger der Pearl-Index ist, desto sicherer ist die Methode der Empfängnisverhütung.
Gerade bei jungen Frauen gibt es Vorbehalte gegen die Kupferspirale, halten Sie diese für gerechtfertigt?
Es kursiert noch immer das Gerücht, die Kupferspirale sei für Frauen, die noch nicht geboren haben, ungeeignet. Weil es zu Infektionen und Eileiterverklebungen kommen kann und in der Folge zu Unfruchtbarkeit. Die heutigen Studien belegen das nicht. Nach dem Legen der Spirale sollte die Frau im ersten Zyklus zusätzlich mit Kondom verhüten, um sich vor Infektionen zu schützen. Danach ist das Risiko einer Infektion 1/1000.
Kupferspirale und Sterilisation: Die Kupferspirale ist ein T-förmiges Kunststoffstäbchen, welches mit einem Kupferfaden umwickelt ist und Kupferionen absondert. Die Spirale kann bis zu fünf Jahre in der Gebärmutterhöhle bleiben. Der große Vorteil dieser Verhütungsmethode ist, dass keine Anwendungsfehler möglich sind. Bei starken Regelblutungen oder Kupferallergie ist die Kupferspirale allerdings keine Option. Bei Frauen mit Myomen kann das Einsetzen schwierig sein, auch für Patientinnen, die Entzündungshemmer oder Cortison einnehmen, ist diese Art der Verhütung ungeeignet. Bei der Sterilisation werden beim Mann die Samenleiter und bei der Frau die Eileiter durchtrennt. Die Methode kommt ohne Kupfer und Hormone aus, ist aber gerade bei Frauen schwierig wieder rückgängig zu machen
Welche nicht-hormonelle Verhütung empfehlen Sie, wenn eine Schwangerschaft zwar nicht gewünscht, aber kein Weltuntergang wäre?
Dann empfehle ich immer mechanische Verhütungsmethoden, wie Diaphragma oder Kondom. Der Pearl-Index bei der Verhütung mit Kondom liegt bei 2-20. Vorausgesetzt, der Mann beherrscht die Anwendung und weiß, welche Kondomgröße er braucht. Es gibt Möglichkeiten im Internet, sich bezüglich der Kondomgröße schlau zu machen. Mit dem Diaphragma ist die Verhütungssicherheit etwas schlechter, der Pearl-Index liegt im Idealfall bei fünf.
Wie sicher ist die Natürliche Verhütung?
Wenn die Frauen die Ergebnisse sorgfältig notieren und sich mit dem Regelwerk beschäftigen, haben sie eine hohe Verhütungssicherheit. Der Pearl-Index liegt bei 2,3.
Natürliche Familienplanung (NFP): Dabei handelt es sich um eine gesundheitlich unbedenkliche Methode der Schwangerschaftsverhütung oder der gezielten Schwangerschaftsplanung. Die Natürliche Familienplanung ist eine sogenannte 2-Zeichen-Methode, das heißt Körpertemperatur und Beschaffenheit des Zervixschleims werden kontinuierlich notiert. Voraussetzung der Sicherheit der Verhütungsmethode ist die Bereitschaft der Frau, sich mit ihrem Körper auseinanderzusetzen und die Methode zu erlernen. Allerdings fühlen sich viele Frauen gerade deswegen mit dieser Methode besonders wohl, sie lernen ihren Körper besser kennen. Besonderheiten fallen sofort auf und es ist leichter, die Signale des eigenen Körpers zu deuten
Eignet sich die Natürliche Verhütung für jede Frau?
Die Methode ist nicht so streng, wie sie oft nach außen dargestellt wird. Anwenderinnen müssen aber bereit sein, sich damit auseinanderzusetzen. Es kursiert das Gerücht, Frauen müssen immer zu einer bestimmten Zeit ihre Temperatur messen oder eine bestimmte Anzahl an Stunden geschlafen haben. Das stimmt so nicht. Wichtig ist, dass die Nutzerin alles notiert und beobachtet wie ihr Körper auf verschiedene Messzeiten reagiert. Aber wenn Frauen ein unruhiges Leben führen, mehr nachtaktiv als tagaktiv sind, gibt es geeignetere Arten zu verhüten.
Was sind die Vorteile der Natürlichen Verhütung?
Der Gewinn der Methode ist auch, dass Anwenderinnen ihren Körper kennenlernen, dass Auffälligkeiten oder Besonderheiten auffallen. Dies kann dann mit dem Arzt oder der Ärztin sofort besprochen werden. Diese Frauen fühlen sich mit ihrem Körper häufig sehr viel sicherer und wohler.
Die Forschung zur „Pille für den Mann“ wurde eingestellt, da die Probanden sich zunehmend über Nebenwirkungen beklagten. Letztlich waren das die gleichen, die Frauen in Kauf nehmen müssen, wenn sie sich für die Pille entscheiden. Warum sind Nebenwirkungen in einem Fall akzeptabel und im anderen nicht?
Die Forschung zur hormonellen Verhütung für den Mann fand zwischen 2010 und 2011 statt. Die Pille gibt es schon seit den 60er Jahren. Als sie auf den Markt kam, gab es keine andere sichere Verhütung für Frauen. Für Männer war es heute einfacher über die Nebenwirkungen zu sprechen. Für die Frau gibt es ja bereits wirksame Methoden zur Verhütung und Männer waren es gewohnt, dass die Frau verhütet. Ich will den Männern nicht unterstellen, dass sie nicht bereit wären, eine Pille zu schlucken. Es ist absolut legitim die Nebenwirkungen zu benennen. Der Gewinn der Unabhängigkeit und der sexuellen Freiheit für die Frauen wog damals aber mehr als die Nebenwirkungen. Auch die Auflagen für die Pharmaindustrie waren zu dieser Zeit noch ganz andere. Wenn sie heutzutage Studien auswerten, ist der Fokus klar auf die Nebenwirkungen gerichtet. Unter den heutigen Voraussetzungen wäre die Pille bei diesen Ergebnissen wohl nicht mehr zugelassen worden.