Der Winter ist die Jahreszeit der Grippeinfektionen und auch die Erkältung ist bekanntermaßen dann auf dem Vormarsch. Influenzaviren sind bei niedrigen Temperaturen stabiler und das Immunsystem der Menschen ist schwächer. Wer schon einmal eine Grippe hatte, weiß: Die ansteckende Atemwegserkrankung ist alles andere als angenehm. Einen kleinen Lichtblick bietet eine neue Studie einer Forschergruppe der University of Glasgow. Die Wissenschaftler stellten fest, dass eine Grippeerkrankung vor einer Erkältung schützen kann – und umgekehrt.
Viren beeinflussen sich gegenseitig
Die Forscher um Epidemiologin Sema Nickbakhsh untersuchten über neun Jahre hinweg 44.230 Fälle akuter Atemwegserkrankungen mit dem Ziel, mögliche Wechselwirkungen zwischen den Erregern festzustellen. Dafür suchten die Forscher in Patientenproben nach Krankheitskeimen aus elf verschiedenen Gruppen von Atemwegsviren. Neben den Grippeerregern, den Influenza-Viren, scannten sie das Probandenmaterial unter anderem auch nach Rhinoviren. Diese Erregergruppe ist häufig für Erkältungen verantwortlich. Die Wissenschaftler stellen fest, dass sich einige Viren gegenseitig positiv beeinflussen. Das heißt, tauchte der eine Krankheitskeim in der Probe auf, kam ein bestimmter zweiter mit erhöhter Wahrscheinlichkeit vor. Offensichtlich ebnete die Infektion mit dem einen Virus den Weg für den zweiten. Ein Beispiel: Bei Kindern kamen die Husten und Schnupfen auslösenden Rhinoviren gerne zusammen mit Metapneumoviren vor – einem Auslöser der Bronchitis bei jungen Patienten.
Ist der Körper bereits durch eine Infektion geschwächt, haben andere Erreger leichteres Spiel. Das ist auch für Bakterien bekannt. Solange die Immunzellen damit beschäftig sind, Viren abzuwehren, können Bakterien leichter in das betroffene Gewebe eindringen. Dann sprechen Experten von einer Superinfektion – zum Beispiel, wenn bei einer Erkältung noch eine Mittelohrentzündung dazukommt.
Bei Grippeviren stellten die Forscher überraschenderweise einen gegenteiligen Effekt fest. Statt die Anfälligkeit für eine Erkältung zu erhöhen, scheint die Influenza vor Rhinoviren zu schützen. 35 Prozent der Patienten in der Studie hatten eine Viruserkrankung – und nur acht Prozent von ihnen waren mit einem weiteren Virus infiziert.
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Konkurrenzkampf um Ressourcen
Die Forscher stellten insgesamt eine 70 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit für Influenzapatienten fest, zusätzlich an einer Erkältung zu erkranken, verglichen mit Patienten, die von einem anderen Virus-Typ befallen waren. Warum das so ist, können die Experten nicht mit Sicherheit sagen. Sie haben aber Vermutungen. „Die verschiedenen Erreger konkurrieren im Körper um Ressourcen“, erklärt Virusexpertin Nickbakhsh. Sie vergleicht diesen Konkurrenzkampf mit dem Verhalten von Löwen und Hyänen bei der Nahrungsbeschaffung in der Savanne. Es könnte sein, dass die Viren-Arten einander die Wirtszellen streitig machen. Eine weitere Hypothese ist, dass die auf den Plan gerufene körpereigene Immunabwehr in bestimmten Fällen eine zweite Infektion durch Viren erschwert.
Weitere Forschung zu Wechselwirkungen
Die Forscher betonen, dass die Langzeitstudie keinen kausalen Zusammenhang beweist. Auch andere Faktoren könnten eine Rolle spielen, etwa dass Grippepatienten meist zu Hause bleiben und sich daher seltener weitere Infektionen zuziehen. Es gäbe noch großen Forschungsbedarf auf dem Gebiet der Virus-Virus-Interaktion, so die Wissenschaftler. „Viren werden traditionell meist isoliert voneinander untersucht. In Zukunft wollen wir sie vermehrt in Gruppen analysieren“, so Virologe Pablo Murcia von der University of Glasgow. Dadurch könne man zum Beispiel besser verstehen, warum Viren bevorzugt bestimmte Altersgruppen oder Körperregionen befallen. Je mehr die Wissenschaftler über die krankmachenden Winzlinge herausfinden, umso bessere neue Therapien können sie entwickeln.