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Gezielte Ernährungstherapien in der Reha

Gezielte Ernährungstherapien machen Patienten in der Reha schneller gesund. Um Menschen mit Herzleiden oder Diabetes für gesunde Kost zu begeistern, gehen die Kliniken neue Wege.

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Vier Personen an einem Esstisch, vor ihnen angerichtete Teller und Wasser in Gläsern

© Frank Lübke

Montags: Zander in Zitronensoße. Dienstags: vegetarische Thai-Bolognese. Freitags: Paella mit Meeresfrüchten. Sonntags: Lammragout mit Petersilienkartoffeln... Kaum zu glauben, aber hinter diesen Gerichten steckt Klinikkost. Genauer gesagt: Kost, die im Sommer 2023 in Rehabilitationskliniken serviert wurde. Die Zeiten, in denen Patienten in der Reha bevorzugt Schnitzel, Bratwurst oder Wiener im Erbseneintopf aufgetischt wurde, nähern sich offensichtlich dem Ende.

Der steigende Qualitätswettbewerb unter den Einrichtungen, aber auch die Erkenntnis, dass die richtige Ernährung zur Genesung beiträgt, haben vielerorts für ein Umdenken gesorgt. Ein wichtiges Ziel der Rehabilitation besteht darin, die Patienten dafür zu begeistern, sich in Zukunft gesünder und kalorienbewusster zu verpflegen. Mit vollwertigen Mahlzeiten, der Verwendung von regionalen und saisonalen Lebensmitteln oder dem Einsatz von Bioprodukten heben Rehaeinrichtungen ihr kulinarisches Niveau an.

So hat sich beispielsweise die Zahl der Rehaeinrichtungen und Krankenhäuser, die ihr Kostangebot nach den „DGE-Qualitätsstandards für die Verpflegung in Kliniken“ der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zertifizieren lassen, in den vergangenen sieben Jahren von 62 auf 127 verdoppelt. „Unsere umfangreiche Checkliste umfasst etwa hundert Kriterien. Sie enthält nicht nur detaillierte Empfehlungen, wie oft zum Beispiel Gemüse oder Fisch angeboten werden sollten, sondern empfiehlt auch einen Menüzyklus von mindestens vier Wochen und ein freundliches Ambiente beim Essen“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Eva Hoffmann, die als Fachreferentin bei der DGE den Projektbereich „Station Ernährung“ betreut.

Die Reha soll Patienten auf den Geschmack bringen

Manche Einrichtungen werben mittlerweile aktiv mit ihren kulinarischen Künsten. Die Rehaklinik Raupennest im sächsischen Altenberg betont, dass ihre Köche Brühen, Jus und Grundsoßen selbst zubereiten – ein Aufwand, den selbst gute Restaurants nicht immer betreiben. In der Rehaklinik Bad Sebastiansweiler in Mössingen in Baden-Württemberg legt man – wie in vielen anderen Häusern – Wert darauf, den Speiseplan nach dem regionalen Saisonkalender auszurichten.

Die Paracelsus-Klinik Bad Suderode im Harz bekundet sogar, ihre Menüs würden derart geschätzt, dass manche Patienten als zahlende Urlaubsgäste an die Heilstätte zurückkehrten. „Manche Rehabilitanden erwarten geradezu, dass ihre Unterkunft Hotelcharakter hat“, stellt auch Ökotrophologin Christine Reudelsterz fest, die bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Ansprechpartnerin der Kliniken in Ernährungsfragen ist. „Die Ansprüche sind merklich gestiegen.“

Dabei ist Genuss in der Reha kein reiner Selbstzweck. Eine wohlschmeckende, gesunde und möglichst indikationsspezifische Kost soll die Genesung der Patienten unterstützen und ihnen helfen, die Leistungsfähigkeit zurückzugewinnen. „Bei vielen Erkrankungen ist die Ernährung sowohl Teil der Therapie als auch der Prävention“, sagt Internist Robert Nechwatal. Als Chefarzt der Rehaklinik Heidelberg-Königstuhl, die sich auf Innere Medizin spezialisiert hat, behandeln Nechwatal und sein Team Menschen etwa nach Herzinfarkt oder Bypass-OP. Bei den meisten seiner Patienten erkennt der Kardiologe ein metabolisches Syndrom. So nennt sich die tückische Kombination aus zu viel Bauchfett, hohen Blutzucker- und Blutfettwerten sowie Bluthochdruck. „Die Hauptursachen sind Fehlernährung und zu wenig körperliche Bewegung“, so der Kardiologe.

FOCUS-GESUNDHEIT 06/23

Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung. Den vollständigen Text finden Sie in der Ausgabe Rehakliniken 2024. Weitere Themen: Breites Behandlungsspektrum in der Post-Covid-Reha. Reha-Modelle für junge Krebs-Patienten. U.v.m.

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Und was kommt in der Reha auf den Speiseplan?

Mit Gemüse, Olivenöl und Fisch machen mediterrane Menüs die Herzen der Patienten fit.

Entsprechend wird den Herzpatienten in Heidelberg neben der klassischen vollwertigen Speisenauswahl eine mediterrane Kost mit frischem Gemüse, Obst, Salaten, Fisch, Olivenöl, Hülsenfrüchten sowie Brot- und Teigwaren angeboten. Diese Ernährungsform verbessert die Zusammensetzung der Blutfette, indem sie erhöhte Werte an LDL-Cholesterin und Triglyzeriden senkt, die mit Herz-Kreislauf-Risiken in Verbindung stehen. Gleichzeitig erhöht sie das HDL-Cholesterin, das Cholesterin aus den Wänden der Blutgefäße abtransportiert. In der 2022 veröffentlichten „Cordioprev“-Studie mit 1000 Teilnehmern lag das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall in der mediterranen Gruppe um 26 Prozent niedriger als bei Probanden, die fettarm aßen.

Speziell für Rehabilitanden mit starkem Übergewicht bieten die Heidelberger Therapeuten, aber auch acht weitere Häuser aus dem gemeinsamen Verbund der Rehazentren Baden-Württemberg eine zusätzliche Menülinie namens „Logi-Methode“ an (engl. Low glycemic index; niedriger glykämischer Index). Bei dieser Kost wird mit Brot, Nudeln, Kartoffeln und Süßem geknausert. Den Vorzug erhalten stärkearmes Gemüse, zuckerarmes Obst sowie gesunde Fette beziehungsweise Eiweiße aus Ölen, Nüssen, Milchprodukten, Fisch, Fleisch oder Geflügel.

Auf diese Weise sinkt der Kohlenhydratanteil der Ernährung von den üblichen 50 bis 60 Prozent auf maximal 30 Prozent. „Das hält Blutzucker und Insulinspiegel niedrig und wirkt so der verbreiteten Insulinresistenz unserer Patienten entgegen. Zugleich sorgen Ballaststoffe und Eiweiß für lang anhaltende Sättigung“, so Nechwatal. Vier bis fünf Kilogramm nehmen die Patienten laut dem Mediziner mit der Logi-Diät im Schnitt während des dreiwöchigen Klinikaufenthalts ab: ein schöner Erfolg, wenngleich nicht ausreichend bei adipösen Rehabilitanden, die 20 Kilo oder mehr Übergewicht auf die Waage bringen.

Nechwatal: „Um metabolisches Syndrom und Adipositas in den Griff zu bekommen, braucht es eine dauerhafte Ernährungsumstellung. Nur so lassen sich die Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduzieren und Medikamente etwa gegen Bluthochdruck oder hohen Blutzucker einsparen.“

Ein zentraler Teil der Rehabilitation besteht deshalb darin, die Patienten dafür zu begeistern, sich in Zukunft gesünder und kalorienbewusster zu verköstigen. Leider fehlen den Betroffenen oft die nötigen Kenntnisse. „Das Ernährungswissen in der Bevölkerung nimmt ab“, bedauert Ökotrophologin Reudelsterz. „Viele Menschen haben verlernt, zu Hause mit frischen, unverarbeiteten Lebensmittel selbst zu kochen. Oder sie finden keine Zeit mehr dafür. Stattdessen greift man zu Fertigpizza, Mikrowellenmenüs oder Konserven.“ In Industrieländern wie Deutschland liefern derlei hoch verarbeitete Lebensmittel (engl. Ultra-processed foods, UPF) bereits die Hälfte der täglichen Kalorien – mit Folgen für Gewicht und Gesundheit.

Gezielte Ernährungsformen für unterschiedliche Erkrankungen

Je nach Erkrankung und Vorlieben der Patienten können Rehakliniken bestimmte Schwerpunkte bei der Verpflegung setzen.


ADIPOSITAS
Behandlungsziel:
Als realistisch gilt, in 6 bis 12 Monaten etwa 10 Prozent Gewicht zu verlieren.
Ernährung: Kliniken legen Betroffenen meist eine kalorienarme Mischkost nahe, die zu einem Energiedefizit von 500 Kilokalorien pro Tag führt, im Einzelfall auch mehr. Möglich ist, Fette, Kohlenhydrate oder beides zu reduzieren. Manche Einrichtungen bieten auch Formuladiäten (800 bis 1200 Kalorien pro Tag) an.


DIABETES TYP 2
Behandlungsziel:
Der Blutzuckerwert soll normalisiert und stabilisiert werden.
Ernährung: Eine gesunde Speisenauswahl für Typ-2-Diabetiker kann grundsätzlich verschiedene Formen annehmen – von fettarm über vollwertig oder mediterran bis vegetarisch. Manche Kliniken setzen zudem auf eine kohlenhydratreduzierte Kost („Logi-Methode“).


KARDIOLOGISCHE REHA
Das Behandlungsziel:
Koronare Risikofaktoren (z. B. Bluthochdruck, hohe Cholesterinwerte, Übergewicht) sollen gesenkt werden.
Ernährung: Je nach Zielsetzung empfehlen Experten eine kalorienreduzierte Diät oder Einschränkungen bei der Zufuhr von Salz, Nahrungscholesterin u. Ä. Häufig ist eine mediterrane Speisenauswahl möglich, die sich in Studien als herzgesund erwiesen hat.


REHA NACH KREBS
Das Behandlungsziel:
Die Kost soll Genesung und Lebensqualität unterstützen und mögliche Defizite bei der Nahrungsaufnahme (zum Beispiel wegen Appetitverlust oder Schluckbeschwerden) beheben.
Ernährung: Bei Mangelernährung oder Untergewicht liegt das Augenmerk darauf, den Protein- und Fettbedarf zu decken. Infrage kommen appetitanregende Maßnahmen, eventuell Wunschkost oder kalorienanreichernde Ergänzungen (z. B. Beigabe von Rapsöl, klein gemahlenen Nüssen ins Essen).

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Einkaufstraining: was steckt dahinter?

Auch Einkaufstraining gehört zum Repertoire. Dazu führt Sarah Mohr ihre Schützlinge in eine Art Tante-Emma-Laden auf dem Klinikgelände. In den Regalen liegen, säuberlich aneinandergereiht, meterweise leere Müslipackungen, Joghurtbecher, Gurkengläser, Speiseölflaschen und Getränkedosen. „Anhand der simulierten Einkäufe, die der Patient hier macht, kann ich mit ihm realitätsnah besprechen, ob seine bevorzugten Lebensmittel ungünstige Zutaten enthalten. Ein klassisches Beispiel ist der versteckte Zucker in Fruchtjoghurts“, so die Expertin.

Unsere Expertin für Ernährungstherapien

Sarah Mohr, Ernährungstherapeutin aus der Rehaklinik Überruh in Baden-Württemberg
Sarah Mohr

© Frank Lübke


Die tägliche Kost umzustellen und auf lieb gewonnene, wenn auch ungesunde Lebensmittel zu verzichten fällt kaum jemandem leicht. Therapeutinnen wie Sarah Mohr haben deshalb gelernt, kleine Erfolge wertzuschätzen: „Ich freue mich auch, wenn mir ein Patient berichtet: ,Früher habe ich nur eine Portion Gemüse am Tag gegessen. Jetzt gönne ich mir die doppelte Menge.‘ Doch selbst solche Fortschritte verpuffen mitunter, wenn die Patienten in den Alltag zurückkehren. Aus diesem Grund haben Rehabilitationskliniken in den vergangenen Jahren verstärkt das Thema Nachsorge in den Blick genommen – auch bei der Ernährungstherapie. Eine Strategie besteht darin, den Hausarzt im Entlassungsbrief darüber zu informieren, welche Behandlungsziele (z. B. „Ich möchte den Konsum von Cola auf ein Glas täglich beschränken“) sich der Patient in der Klinik gesetzt hat. „Wir hoffen natürlich, dass der Behandler das Thema im Auge behält“, so Mohr.

Für Adipositas-Betroffene gibt es zudem die Möglichkeit, ein spezielles „Irena“-Programm zu nutzen. Diese „Intensivierte Rehabilitationsnachsorge“ findet erneut in einer Rehaeinrichtung statt, allerdings berufsbegleitend, und dauert meistens sechs Monate. In dieser Zeit absolvieren die Teilnehmer des Gruppenkurses bis zu 24 Behandlungseinheiten: Ernährungsberatung, aber auch Sport und psychologische Gespräche. Das Programm ist das Sahnehäubchen zur Ernährungstherapie in der stationären Reha.

FOCUS-Gesundheit 01/24 – Einfach besser leben 2024

© FOCUS-Gesundheit

FOCUS-Gesundheit 01/2024

Einfach besser leben 2024
Viele Alterungsprozesse lassen sich nachweislich bremsen. Was uns jung hält. Wie wir Lust an Bewegung (wieder) finden. Plus: Übungen fürs Home-Workout. U.v.m.

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Dieser Artikel enthält allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Den passenden Arzt finden Sie über unser Ärzteverzeichnis.

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Dr. Andrea Bannert

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