Die Tage werden kürzer, die Temperaturen sinken, und statt warmer Sonnenstrahlen gibt es jetzt Nieselregen und Graupelschnee ins Gesicht: Kein Wunder, dass viele die Flucht von draußen auf die gemütliche Couch antreten. Hat man es sich dort einmal mit seiner Wolldecke bequem gemacht, will man meist gar nicht mehr aufstehen. Wenn die Trägheit siegt, werden oft auch gesunde Lebensweisen über Bord geworfen. Statt Sport und Ofengemüse gibt es Filmabend und Tiefkühlpizza. Stress, Sorgen, Ängste und Unsicherheiten befeuern die negativen Gedanken.
Das ist jedoch kein Grund, den Kopf hängen zu lassen. Schon mit einfachen Übungen bleiben Sie im Winter aktiv, entspannt und resilient.
Achtsamkeit stärkt die Psyche
Genauso wie wir unseren Körper durch Bewegung gesund halten, können wir unsere Psyche trainieren, um die mentale Gesundheit zu fördern. Wer achtsam ist und das Hier und Jetzt ganz bewusst wahrnimmt, kann Herausforderungen besser entgegentreten. „Achtsamkeit wirkt sich positiv auf die Resilienz aus. Die Motivation, Herausforderungen des Lebens zu begegnen und mit ihnen umzugehen, steigt“, erklärt Stefanie Hertel. Bei der Yoga-Lehrerin aus München mit Weiterbildung in Positiver Psychologie wurde im Alter von einem Jahr Typ-1- Diabetes diagnostiziert. Sie weiß, wieso es besonders für Menschen mit Diabetes wichtig ist, das „seelische Immunsystem“ zu stärken: „Ich habe das Gefühl, dass meine Grundanspannung höher ist als bei Menschen ohne die Stoffwechselerkrankung. Diabetes ist für viele ein 24-Stunden-Job an sieben Tagen der Woche. Im Hintergrund laufen permanent Gedanken ab. Habe ich schon gespritzt? Wie viel Restinsulin wirkt noch? Wie viele Kohlenhydrate hat dieser Bagel?“, sagt sie.
Was ist Resilienz?
Resilienz beschreibt die psychische Widerstandskraft gegen äußere Stressoren.
Resiliente Menschen suchen in Krisen das Gute, sehen Enttäuschungen als Erfahrung und nutzen Neues als Chance. Faktoren wie Optimismus und Akzeptanz ermöglichen es ihnen, Krisen zu überwinden und sogardaran zu wachsen.
Dank Meditation und regelmäßigem Yoga hat sich bei ihr über die Jahre eine geistige Gelassenheit eingestellt: „Bei Yoga, Achtsamkeit und Resilienz geht es gleichermaßen um Annahme und Akzeptanz. Jetzt, in diesem Moment, bin ich, wie ich bin. Die Situation ist, wie sie ist. Yoga hat mein Leben entschleunigt. Auch mein Blutzucker ist seitdem viel stabiler“, sagt die 31-Jährige.
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So reagiert der Körper bei Entspannung und Stress
Sympathikus und Parasympathikus sind Teile des vegetativen Nervensystems und an der unwillkürlichen Steuerung der meisten inneren Organe und des Blutkreislaufs beteiligt. In Stresssituationen sorgt der Sympathikus dafür, dass dem Körper kurzfristig mehr Energie zur Verfügung steht. Sein Gegenspieler hingegen „dämpft“ bestimmte Körperprozesse, sodass wir regenerieren und entspannen. Das hat direkte Auswirkungen auf unsere Körperfunktionen.
Gehirn
Hirnwellen passen sich den Bewusstseinszuständen an: Im wachen, konzentrierten Zustand dominieren Beta-Wellen (12,5–30 Hz). Alpha-Wellen (7,5–12,5 Hz) stehen für leichte Entspannung,Theta-Wellen (3,5–7,5 Hz) für Schläfrigkeit. Im Schlaf produziert das Hirn Delta-Wellen (<3,5 Hz).
Puls
Im entspannten Zustand verbraucht der Körper weniger Sauerstoff, und der Pulschlag reduziert sich. Bei Erwachsenen liegt die Frequenz dann bei ca. 60 bis 80 Schlägen pro Minute. Mit einer tiefen, regelmäßigen Atmung wird der Puls aktiv gesenkt.
Muskeln
Muskeln stehen permanent unter Anspannung. Nur im Schlaf oder entspannten Zustand nimmt die Grundspannung, der Muskeltonus, ab. Dann sinkt die Zahl der Nervenimpulse zu den Muskelfasern. Wärme, sanfte Massagen und Dehn- oder Streckübungen entspannen und lockern muskuläre Verspannungen.
Blutzucker
Regelmäßige Entspannungsübungen senken den Blutzuckerspiegel und verbessern die Insulinresistenz. Die Insulinwirkung steigt, dadurch erhöht sich der Glukosetransport in die Zellen.
Hormone
Die Nebennierenrinde setzt Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol ins Blut frei – der Körper ist im Alarmzustand. Dauerstress bewirkt eine Überlastung des Körpers und kann zu Schlafstörungen und Insulinresistenz führen. Entspannung hilft beim Abbau der Stresshormone.
Blutgefäße
Das Stresshormon Noradrenalin bewirkt die Ausschüttung von Neutrophilen und Monozyten im Knochenmark. Die Entzündungszellen dringen in die Gefäßwand ein und begünstigen die Bildung von atherosklerotischen Plaques. Chronischer Stress fördert Atherosklerose.
Herz
Unter Stress schlägt der Hohlmuskel schneller, damit der erhöhte Sauerstoffbedarf des Körpers gedeckt wird. Der Blutdruck steigt. Langfristig steigert dieser Zustand das Risiko für Herzrhythmusstörungen oder einen Infarkt.
Atmung
In Stress- und Angstsituationen bewirkt das sympathische Nervensystem eine Erweiterung der Luftröhre und Bronchien, damit dem Körper schnell mehr Sauerstoff zur Verfügung steht. Der Atem wird flach, schnell und unregelmäßig.
Mit Yoga gegen hohe Blutzuckerwerte und Stress
Wissenschaftliche Studien geben Hinweise auf den positiven Effekt von Yoga auf Typ-2-Diabetes. Die Autoren einer US-amerikanischen Übersichtsarbeit mit 25 Studien zum Einfluss vonYoga auf Erwachsene mit Typ-2-Diabetes kommen zu dem Schluss, dass Yoga sich positiv auf Blutzucker- sowie Blutdruckwerte, Stimmung und Stressempfinden auswirkt. Auch das Körpergewicht der Probanden, die zwischen 40 Tagen und sechs Monaten bis zu dreimal pro Woche übten, reduzierte sich. „Übungen wie der Sonnengruß, eine dynamische Abfolge von zwölf Yoga-Haltungen, kurbeln den Stoffwechsel an“, bestätigt Hertel.
Kraftvolles Yoga fordert die Muskulatur, bei der passiven Variante hingegen entspannen die Muskeln, da sie ohne Anstrengung gedehnt werden. „Für Menschen, die immer etwas zu tun haben, ist ruhiges Yoga eine Herausforderung. Doch gerade dann ist es eine spannende Erfahrung. Aktive Stile wie Ashtanga können bewirken, dass der Blutzucker durch die Übungen besser in Balance bleibt“, erklärt Hertel.
Welcher Yoga-Stil zu einem passt, probiert jeder selbst aus. Sanfte Stile sind Hatha oder Yin Yoga. Vinyasa, Ashtanga oder Jivamukti Yoga sind körperlich fordernder. Wer aufgrund des Diabetes an Folgeschäden leidet, sollte mit seinem Arzt abklären, ob alle Übungen ausgeführt werden können. Sind Blutgefäße in der Netzhaut des Auges betroffen, raten Ärzte von Umkehrhaltungen wie dem Kopfstand ab.
FOCUS-DIABETES 04/20
Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung. Den vollständigen Text finden Sie in der Ausgabe Gesund Herz & Nerven von FOCUS-DIABETES. Weitere Themen: Einfluss des Lebensstils auf unsere Gene, wichtige Vorsorgeuntersuchungen für Diabetiker u.v.m.
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Sanft in Bewegung bleiben
Durch körperliche Bewegung sinkt der Zuckerspiegel im Blut, da die Glukose von den Muskelzellen aufgenommen wird. Nicht nur Ausdauersportarten, auch sanftere Sportarten trainieren den Körper und sind für Menschen mit Diabetes geeignet. Pilates stärkt insbesondere die Tiefenmuskulatur rund um die Wirbelsäule und den Beckenboden. Jeder Praktizierende führt die Übungen in seiner gewünschten Intensität aus.
Auch bei Yoga wird der Körper durch statische oder dynamische Übungen (sogenannte Asanas) sanft gestärkt. Doch Yoga ist mehr als ein Sport. Es ist eine Philosophie, zu der Atem- und Meditationsübungen gehören: „Das Ziel von Yoga ist es nicht, beweglicher zu werden, sondern die Gedankenkreise in unserem Kopf zur Ruhe zu bringen. Asanas können dabei helfen“, erklärt Stefanie Hertel. Die Atmung dient dazu, den Fokus weg von der körperlichen Anstrengung zu lenken.
Davon profitieren auch andere Lebensbereiche: „Wenn ich innerlich unruhig bin, esse ich ungesunde Sachen, trinke zu viel Kaffee oder schaue Serien, statt zu schlafen. Yoga bringt mich wieder in die Spur. Es stärkt das Körperbewusstsein und Wohlbefinden, beruhigt den Geist und hilft dabei, gelassener mit Blutzuckerschwankungen umzugehen“, sagt Hertel.
Öfter mal abschalten
Ob mit Sonnengruß oder Meditation – es lohnt sich runterzukommen. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Stress eines der größten Gesundheitsrisiken des 21. Jahrhunderts. Bei Stress schüttet der Körper die Hormone Cortisol und Adrenalin aus, die den Blutzuckerspiegel steigen lassen. Entspannung hingegen hilft, den Blutzucker im Gleichgewicht zu halten.
Das Beste: Um zu entspannen, brauchen Sie kein Equipment. Meditieren kann man auch auf dem Sofa.
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