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Neue Behandlungsmethoden für den Knie- oder Hüft-Gelenkersatz

Vom OP-Saal direkt wieder an den Start: Fast-Track-Eingriffe verhelfen Gelenkpatienten rasch zurück ins Leben. Wie das gelingt – und warum diese Strategie die Zukunft der Gelenkchirurgie sein könnte

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Endoprothetik (Fast-Track-Methode): Mann läuft mit Krücken durch einen Park

© Shutterstock


Es sind nur kleine Schritte, die Jürgen Spychala macht. Vorsichtig setzt er einen Fuß vor den anderen in den Sand, links und rechts geben ihm Krücken zusätzlichen Halt. Für den Rentner aus Rügen sind es dennoch Riesenschritte. Erst vier Tage zuvor haben ihm die Chirurgen am linken Knie ein künstliches Gelenk eingesetzt. Und jetzt geht Spychala schon wieder. „Für mich“, sagt er, „grenzt das an ein Wunder.“ Spychala ist 73. Vor elf Jahren stand bei ihm schon einmal eine endoprothetische OP an. Damals wurde ihm im rechten Knie eine sogenannte Schlittenprothese eingesetzt. Und obwohl er damals elf Jahre jünger war, lag er nach dem Eingriff tagelang im Bett. „Danach musste ich erst mal Muskeln und Kreislauf trainieren“, sagt Spychala. „Das war ein ziemlicher Akt.“

Was ist die Fast-Track-Chirurgie?

Heute geht die Sache schneller. Immer mehr orthopädische Kliniken schwenken auf ein Vorgehen um, das als Fast-Track-Chirurgie bezeichnet wird. Bei diesem Ansatz sollen Patienten nach der Implantation einer Hüft- oder Knieprothese so schnell wie möglich mobilisiert und in den Alltag entlassen werden – im Schnitt nach drei oder vier Tagen. Andreas Halder, Chefarzt der Klinik für Operative Orthopädie an den Sana Kliniken Sommerfeld und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC), sieht darin eine Abkehr vom Credo des Ruhens und Sich-Schonens, das jahrzehntelang für frisch operierte Patienten mit künstlicher Hüfte oder Knie galt.

„In der Regel blieben die Betroffenen nach der Implantation mehr als vierzehn Tage auf Station, bevor sie zur Reha geschickt wurden“, sagt er. Die lange Schonphase sollte Folgekomplikationen verhindern und der Wunde Zeit geben, gut auszuheilen. „Heute weiß man, dass eine solche Strategie mehr Schaden als Nutzen bringt“, resümiert Halder. So führt der Muskelabbau die Patienten während der tagelangen Liegezeit nicht selten in eine Abwärtsspirale. Ihr Kreislauf wird schwächer, die frisch Operierten kommen langsamer zu Kräften, werden unbeweglicher, auch die Sturzgefahr steigt. Lungenentzündungen und Thrombosen häufen sich.

In der Sana Klinik in Sommerfeld setzt man seit neun Jahren auf die schnelle Tour. Mit guten Ergebnissen. „Wir haben geringere Komplikationsraten“, berichtet Halder. Einer Überblicksarbeit aus China zufolge liegt diese statistisch bei Fast-Track-Chirurgie um 23 Prozent niedriger als bei dem herkömmlichen Schongang. Zudem erhöht das frühe Wiedererlangen der Beweglichkeit die Zufriedenheit der Betroffenen – sie liegt laut finnischen Daten bei durchschnittlich neun von maximal zehn Punkten.

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Fast-Track-Chirurgie: Die individuelle Fitness gibt den Takt vor

Um Patienten nach einer Operation zügig auf die Beine zu bringen, muss vor dem Eingriff, aber auch währenddessen und danach eine Reihe von Dingen beachtet werden. „Im Grunde richten sich alle Bemühungen darauf aus, die Mobilität so schnell wie möglich wiederherzustellen, ohne dass der Wundheilungsprozess gestört wird“, erklärt Orthopäde Halder. Dabei beschränkt sich die Rapid-Recovery-Strategie, wie das Vorgehen auch genannt wird, nicht auf fitte und junge Menschen. Sie hilft jedem Patienten – angepasst an die individuelle Leistungsfähigkeit.

Ein 90-Jähriger wird am Tag nach der OP nur wenige Schritte auf dem Gang zurücklegen. Der 60-Jährige hingegen, der zwei Jahre zuvor den letzten Marathon gelaufen ist, erklimmt vielleicht schon am zweiten Tag mehrere Stockwerke im Treppenhaus. Das Prinzip ist das gleiche: die rasche Rückkehr zu den Alltagsbewegungen. Einzige Voraussetzung ist ein Mindestmaß an Fitness. „Wir schließen Patienten aus, die in den drei Monaten vor der Operation bettlägerig waren. Sonst nehmen wir jeden auf ins Fast-Track-Programm“, sagt Christoph Schnurr, Chefarzt der Klinik für Orthopädie am St. Vinzenz Krankenhaus Düsseldorf.

Fast-Track-Chirurgie: Vorbereitung auf die Operation

Doch wie ist das möglich, dass Patienten wie Jürgen Spychala – er ist jetzt immerhin elf Jahre älter – schneller aufstehen und fitter sind? Was wird beim Fast-Track-Verfahren anders gemacht? Im Grunde sind es viele kleine Schritte, die ineinandergreifen. Bereits vor der Operation lernen die Patienten mit einer Gehhilfe zurechtzukommen. „Außerdem habe ich von der Physiotherapeutin ein Stück weit gezeigt bekommen, welche Übungen ich nach der Operation auf welche Weise machen sollte“, erzählt Spychala. „Da wusste ich schon mal Bescheid, was mich nach dem Eingriff erwartet.“

Da die Operation oft Wochen zuvor geplant wird, kann, wenn nötig, eine Gewichtsreduktion angestrebt werden. Ebenfalls auf dem Plan: die Optimierung von Blutwerten – ein hoher Blutzuckerwert bei Diabetikern stört die Wundheilung. Sind die Eisenwerte niedrig, wird das Mineralstoffkonto aufgefüllt – Eisen ist wichtig, um nach Blutverlust neue Blutkörperchen zu bilden.

Ein noch selten eingesetztes Element ist die sogenannte Blood Flow Restriction. Dabei wird in den Tagen vor einer Knieoperation für eine gewisse Zeit eine Blutdruckmanschette um den Oberschenkel gelegt. Der Druck führt dazu, dass das Blut verlangsamt fließt. So bekommt der Muskel etwas weniger Sauerstoff – und um eine Unterversorgung für die Zukunft zu verhindern, vermehrt er das Muskelgewebe. „Auf diese Weise kann man mit vergleichsweise wenig Aufwand bis zu einem gewissen Grad Muskelkraft aufbauen“, erklärt Knut Beitzel, Chefarzt für Schulterchirurgie, Arthroskopie und Sportorthopädie an der Atos Orthoparc Klinik in Köln. „Ein Patient, der seine Muskeln vor einer Operation mit Blood Flow Restriction aufgebaut hat, kommt danach besser in Bewegung. Das zeigen auch Studien, die wir durchgeführt haben.“ Die Atos Orthoparc Klinik ist eines der ersten Häuser deutschlandweit, das diese Methode anbieten.

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Fast-Track-Chirurgie: Operation

Auch die Operationsmethode spielt bei Fast Track eine wichtige Rolle. Die Narkose beispielsweise soll möglichst kurz wirksam sein, damit Patienten nach dem Eingriff schnell wieder vollständig orientiert sind. Spychala bekam sogar nur eine lokale Rückenmarksnarkose. „Ich hatte auch keine Kreislaufprobleme, anders als noch zehn Jahre zuvor, als sogar das erste Aufsetzen eine Herausforderung darstellte“, sagt er. Weil eine Wunddrainage die Beweglichkeit von Patienten reduziert, wird nach Möglichkeit darauf verzichtet. „Wir verabreichen stattdessen eine Substanz namens Tranexamsäure, die den Umfang von Blutungen während und nach der Operation minimiert. Das funktioniert sehr gut“, erklärt Chefarzt Halder. Keine lästigen Schläuche am Leib zu haben, empfand auch Jürgen Spychala als Vorteil.

Minimalinvasives Operieren mit kleinen Schnitten, durchsichtiges Wundpflaster für bessere Kontrolle des Heilungsprozesses sowie der weitgehende Verzicht auf starke Schmerzmittel zählen zu den weiteren Bausteinen der Fast- Track-Philosophie. „Opioide können das Gleichgewichtsgefühl beeinflussen und damit die Mobilisation behindern“, sagt Halder. Stattdessen werden eher schwächer wirksame Mittel wie Ibuprofen verabreicht. „Diese dann aber in kürzeren Abständen, so lassen sich die Schmerzen meist auch gut unter Kontrolle halten“, so Halder.

FOCUS-GESUNDHEIT 03/22

Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung. Den vollständigen Text finden Sie in der Ausgabe Knochen & Gelenke. Weitere Themen: Das hilft wirksam bei Seitenstechen, Muskelkater und Krämpfen. Was Sie bei Orthopädie-Apps beachten sollten. U.v.m.

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Fast-Track-Chirurgie: Bausteine in der Behandlung

Alle diese Bausteine bilden ein Gesamtpaket, das bei jeder Fast-Track-Behandlung zum Einsatz kommt. „Ob jung oder alt, ob Knie oder Hüfte, jede Patientin und jeder Patient schreitet im Grunde auf dem gleichen Behandlungspfad voran“, sagt Ulrich Nöth, Klinikdirektor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Evangelischen Waldkrankenhaus Spandau. Mit dieser Formulierung skizziert Nöth zugleich ein etwas anderes Patientenverhalten: Schreiten tun Menschen gemeinhin erhobenen Hauptes, egal ob mit oder ohne Gehhilfe. Sie übernehmen selbst wieder Regie. „Die Methode ist nur erfolgreich, wenn der Patient informiert ist und aktiv etwas für seine Genesung tut“, sagt Nöth. Deshalb empfiehlt er Patienten, schon zum Vorgespräch einen Angehörigen mitzubringen, der mit zuhört, um Unklarheiten gering zu halten. Zusätzlich gibt Nöth seinem Gegenüber einen QR-Code zum Download einer leicht bedienbaren App namens „mymobility“ mit, in der der Eingriff erklärt wird.

Digitale Unterstützung

Vor- und Nachsorge via App ist ein wichtiger Bestandteil der Fast-Track-Chirurgie
 

Wie funktioniert’s?
In den Tagen vor und nach der Operation erinnert zum Beispiel die „mymobility“-App selbstständig mit Push-Benachrichtigungen daran, welche Übungen zu machen sind. Der Arzt kann am Computer die Fortschritte seiner Patienten verfolgen und gegebenenfalls die Behandlung anpassen. Die Übungen werden als Videos gezeigt, sodass der Patient sie eins zu eins nachmachen kann.
 

Woher kommt’s?
„mymobility“ ist ein Projekt des US-amerikanischen Unternehmens Zimmer Biomet. In Deutschland arbeiten zum Beispiel das Krankenhaus Bethel in Berlin oder das Evangelische Waldkrankenhaus Spandau mit der App. Zusätzlich gibt es vergleichbare Anwendungen deutscher Kliniken: die „Meine- Sana“-App der Sana Kliniken in Rummelsberg und München oder die „TEP-App“ des Diakoniekrankenhauses Annastift in Hannover.

In zahlreichen Studien hat die medizinische Forschung belegt, dass Fast-Track-Chirurgie die Prognose für die Einheilung der Gelenkprothese verbessert. Elemente der Schnellspur-Methode werden mittlerweile in vielen Kliniken angewandt: etwa Physiotherapie bereits vor der OP oder das Verabreichen von Tranexamsäure während des Eingriffs. Nur wenige Häuser setzen das Verfahren konsequent als Gesamtpaket um. Vielleicht auch, weil es einige Prinzipien der medizinischen Versorgung auf den Kopf stellt. „Alteingesessene Abläufe müssen geändert werden. Das fällt nicht immer leicht“, sagt Orthopäde Christoph Schnurr.

Auf schnellstem Weg gesund

Fast-Track-Chirurgie: Schematischer Ablauf der Fast-Track-Chirurgie

© FOCUS-GESUNDHEIT

Vor, während und nach der OP – jeder Baustein der Fast-Track-Behandlung ist wichtig und notwendig auf dem Weg zum schmerzfreien Gelenk

Der Erfolg überzeugte die Skeptiker

Am Tag der Operation noch mobilisieren – für manchen Physiotherapeuten ist das unvorstellbar. Könnte nicht jede Bewegung die noch zarte Wunde aufreißen? Keine Drainage mehr während der Operation einlegen – da ist der Anästhesistin erst einmal unwohl. Was, wenn es zu einer Nachblutung kommt? Und die Versorgung auf Station? Keine oder nur wenige Opioide gegen die Schmerzen, das könne man manchem Patienten nicht zumuten, heißt es vom Pflegeteam.

Doch bei genauerer Betrachtung ist all dies medizinisch nicht nur möglich, sondern sogar ratsam, wie etliche Studien zeigen. „Wir haben uns mit allen Berufsgruppen in der Klinik zusammengesetzt, das ganze Team, das sich um den Patienten kümmert. Und wir haben uns mit jeder Sorge auseinandergesetzt. So haben wir alle ins Boot geholt“, sagt Schnurr. Dann fügt er hinzu: „Ich glaube, manche waren erst ganz überzeugt, als sie den Erfolg in der Praxis gesehen haben.“

Wie schnell man nach einem Eingriff mit der Fast-Track-Methode wieder auf den Beinen ist, wie rund die Prozedur meist verläuft – diese Botschaften verbreiten auch die erfolgreich operierten Patienten weiter. Etwa Thomas Tetzlaff aus Düsseldorf. Nachdem der 64-jährige Ingenieur im linken Knie äußerst schmerzhaft „auf Felgen“ lief, erhielt er im St. Vinzenz Krankenhaus ein neues Gelenk. „Im Vorgespräch wurde mir das Verfahren erklärt und es überzeugte mich“, erzählt Tetzlaff. Ende Januar ließ er sich von seinem Arzt Christoph Schnurr operieren – nachdem er vorher eine Reihe von Übungen gemacht und das Verwenden von Gehstützen geübt hatte. „Nur wenige Stunden nach der Operation bin ich aufgestanden, habe mich auf einen speziellen Rollator gestützt und bin losgelaufen, bald darauf auch mit Gehstützen“, so Tetzlaff. „Mein Körper erhielt gar nicht erst die Gelegenheit, in den Erholungsmodus zu fallen.“ Natürlich sei das manchmal anstrengend gewesen. „Aber es war richtig. Wenn man für sich selbst die Verantwortung trägt, gibt das Selbstvertrauen.“

Und dann erzählt Tetzlaff noch von dieser „ulkigen Sache“, wie er es beschreibt: „Man wird in der Klinik nicht im Bett zum Operationstrakt geschoben, wie üblich, sondern man legt den Weg selbst zurück. Ich bin also mit meinen Bade­schlappen bis zum Operationsbereich gegangen.“ Aus medizinischer Perspektive sicher ein un­wesentliches Detail. Aber es soll offenbar eine gewisse psychologische Wirkung erzielen. Bei Tetzlaff hat es funktioniert. „Mir wurde noch einmal klar, dass ich in den Behandlungsprozess voll eingebunden bin und am Gelingen aktiv mitwirken kann“, sagt er. Ein weiterer Baustein des Erfolgs der Fast­-Track­-Chirurgie: Der Patient ist Teil des Behandlungsteams. Und damit auch Teil seines eigenen Heilungserfolgs.

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Klinikliste 2025

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