Deutschland rüstet auf: Während das Tragen von Schutzmasken beim Einkaufen schon fast zum Alltag gehört, haben auch Gummihandschuhe vielerorts Hochkonjunktur. Chefarzt Jörg Steinmann ist Experte für Klinikhygiene am Klinikum Nürnberg. Uns hat er erklärt, warum Einmalhandschuhe nur bedingt vor Viren schützen.
Jörg Steinmann absolvierte bis 2012 seine Facharztausbildung im Bereich Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie. Seit 2017 ist er Chefarzt des Instituts für Klinikhygiene, medizinische Mikrobiologie und Klinische Infektiologie am Klinikum Nürnberg.
Einweghandschuhe schützen nur bedingt
Als zusätzlichen Schutz vor dem hochinfektiösen Coronavirus setzen manche beim Gang in den Supermarkt auf Einweghandschuhe. Das sei keine gute Idee, sagt der Mediziner und Experte für Krankenhaushygiene Jörg Steinmann, denn das Tragen von Handschuhen vermittle ein falsches Sicherheitsgefühl.
Coronaviren sind über Schleimhäute von Augen, Nase und Mund übertragbar. Wenn jemand im Geschäft den infizierten Griff eines Einkaufswagens berührt und sich anschließend ins Gesicht fasst, kann er sich mit dem Virus anstecken. Experten sprachen dann von einer Schmierinfektion. „Ob man sich den Erreger mit bloßen Händen oder Handschuhen ins Gesicht reibt, macht keinen Unterschied“, erklärt Steinmann.
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Wie kann ich Schmierinfektionen vermeiden?
Das Entscheidende sei, sich mit den Händen nicht ins Gesicht zu fassen und sich regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife zu waschen. Die Theorie, dass sich die Menschen mit behandschuhten Händen weniger im Gesicht berühren, halten Experten wie Steinmann für unrealistisch. Wer dennoch Handschuhe tragen möchte, könne auf einfache Modelle aus Baumwolle zurückgreifen.
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Schutzwirkung nur bei richtiger Anwendung
„Handschuhe bieten keinen hundertprozentigen Schutz vor Erregern“, sagt Jörg Steinmann. „Sie können reißen oder das Material porös werden, wenn man sie länger trägt und stark beansprucht. Dann können Viren eindringen.“ Beim Schieben des Einkaufswagens oder dem Wühlen in der Handtasche könnten solche Risse bereits entstehen, weil das Material durch die mechanische Belastung strapaziert wird.
„Im OP tragen Unfallchirurgen, die viel mit ihren Händen arbeiten müssen, aus diesem Grund manchmal zwei Handschuhe übereinander, damit sie während des Eingriffs unter sterilen Bedingungen gewechselt werden können“, sagt der Hygieniker.
Korrektes Anziehen von Einmalhandschuhen
Ärzte und Pfleger haben gelernt, dass vor dem Anziehen der Handschuhe gründliches desinfizieren Pflicht ist. Medizinische Laien wissen das jedoch oft nicht. Ohne gründliche Handhygiene vor dem Anziehen können die Handschuhe zur Brutstätte für Keime werden: Liegen sie beispielsweise in der Einkaufstasche und werden erst im Laden über die ungewaschenen Hände gezogen, könnten bereits Erreger auf den Fingern sein. „Zieht man die Handschuhe an und geht eine Stunde einkaufen, fängt man an zu schwitzen. Auf den feuchten Händen finden die Erreger ideale Bedingungen, um sich zu vermehren“, erklärt der Mediziner.
Korrektes Ausziehen von Einmalhandschuhen
Auf der Außenseite der Handschuhe sitzen die potentiellen Krankheitserreger. Deshalb ist beim Abstreifen große Sorgfalt geboten. „Weil dieser Vorgang ziemlich fehleranfällig ist, schulen wir das medizinische Personal regelmäßig im korrekten Abstreifen von Einweghandschuhen“, so Steinmann. Die Handschuhe dürfen nur von innen berührt und müssen sofort in einem geschlossenen Mülleimer entsorgt werden, damit kein anderer sich infizieren kann. Im Anschluss ist gründliches Händewaschen oder Desinfizieren besonders wichtig.
Warum sind Handschuhe für medizinische Fachkräfte sinnvoll?
Einweghandschuhe dienen dem Eigenschutz von medizinischem Personal und sind immer dann nötig, wenn Ärzte oder Pfleger einen Patienten waschen, Wunden versorgen, Urinbeutel leeren oder eine Stuhlprobe entnehmen. „In diesen Situationen besteht für das Personal das Risiko, sich über eine winzige Verletzung an der Hand mit potentiellen Erregern anzustecken. Handschuhe sind auch sinnvoll, wenn die zu erwartenden Erreger unempfindlich gegenüber Handdesinfektionsmitteln mit Alkohol sind“, erklärt Steinmann. Das sei etwa bei bestimmten Krankenhauskeimen, wie dem Erreger „C. difficile“ der Fall.
Ärzte und Pfleger kommen täglich mit potentiell kontaminierten Gegenständen oder Sekreten in Kontakt. Im Gegensatz zu medizinischen Laien, wurden Fachkräfte, die in Arztpraxen oder Kliniken arbeiten, darin geschult, Handschuhe sachgerecht zu verwenden und zu entsorgen.
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