An der Küchentür prangen Motivationssprüche. „Auf geht’s!“ – „Runter mit den überflüssigen Pfunden!“ – „Mehr Energie haben!“ – „Rückenschmerzen ade!“ – „Tempo egal, nur durchhalten gilt!“ Sie erinnern Waltraud Hauer an ihr Diätprogramm, wenn sie morgens frühstückt. In den Tag startet die 56-jährige Einzelhandelskauffrau meist mit einem Eiweißshake. „Morgens habe ich nicht viel Appetit. Aber wenn ich das Frühstück ausfallen lasse, überfällt mich später im Supermarkt der Heißhunger, und ich stopfe ungesunde Lebensmittel in mich hinein“, erzählt sie.
Kleine Verhaltensänderungen halfen der 1,55 Meter großen Frau, acht Kilogramm Gewicht zu verlieren. Von 81 auf 73 Kilogramm speckte sie ab, über einen Zeitraum von zwei Jahren. Diäten, bei denen sie auf vieles verzichten musste, hatten bei Hauer nie funktioniert. Mit dem „Ich nehme ab“-Programm der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) fand sie ihren individuellen Ansatz, um Kalorien einzusparen – ohne zu hungern und ohne sich zu sehr von ihren Essgewohnheiten verabschieden zu müssen.
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Ziele für das Abnehmen festlegen
Legen Sie als Erstes Ihre Ziele fest. Wie viel Gewicht wollen Sie in welchem Zeitraum verlieren? Nehmen Sie sich nicht zu viel vor. "Wer die Pfunde schnell purzeln lässt, erlebt danach häufig den berühmten Jo-Jo-Effekt", sagt Antje Gahl, Ernährungswissenschaftlerin bei der DGE. Experten empfehlen, in der ersten Etappe maximal fünf bis zehn Prozent des Ausgangsgewichts abzunehmen und nicht mehr als ein halbes bis ein Kilogramm pro Woche.
Legen Sie auch fest, welche gesundheitlichen Verbesserungen Sie durch die Gewichtsreduktion erreichen wollen, zum Beispiel weniger Rückenschmerzen. Und welche emotionalen Veränderungen Sie anstreben, etwa an Selbstvertrauen zu gewinnen.
Das Essverhalten genau beobachten
Um das richtige Abnehmprogramm zu finden, ging die Diäterprobte erstmals ihren Ernährungsgewohnheiten auf den Grund. "Mindestens eine Woche gilt es, sich selbst genauestens zu beobachten", so Ernährungsexperte Hauner. Jede Kleinigkeit sollten Sie aufschreiben, auch unterwegs. Notieren Sie die genaue Art der Lebensmittel, also ob es sich um Salami, Bierschinken oder Geflügelwurst handelt, statt pauschal Wurst und die jeweilige Menge.
Nicht nur, was Sie zu sich genommen haben, ist wichtig, sondern auch in welcher Situation. "Die meisten unterschätzen die Nahrungsmenge, die sie nebenbei essen, ohne darauf zu achten", weiß Putziger. Auch Gefühle oder äußere Umstände beim Essen können bei der späteren Analyse weiterhelfen. Waren Sie gestresst, oder haben Sie in einer geselligen Runde mit Freunden abends gespeist? Beschönigen hilft beim Schreiben des Ernährungstagebuchs übrigens nicht weiter. "Es geht nicht darum, eine Bella Figura zu machen, sondern eine gute Basis zu schaffen, um herauszufinden, wo die Diät ansetzen könnte", erklärt Abnehmexperte Hauner.
Ernährungstagebuch führen
Wer Kalorien einsparen möchte, muss die eigenen Essgewohnheiten erst einmal genau kennen. Ein Ernährungstagebuch enthält so genaue Informationen wie möglich. Die folgenden Punkte können Sie darin notieren.
Uhrzeit | Auf die Minute kommt es nicht an. Aber auf die Viertelstunde genau sollten Sie Ihre Essenszeiten aufschreiben. |
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Mahlzeit | Frühstück, Mittagessen, Abendessen, oder haben Sie zwischendurch etwas gegessen? |
Speisen/Menge |
Was haben Sie gegessen und wie viel? Seien Sie genau. Zum Beispiel: 1 Wiener Schnitzel (2 Handteller groß), paniert und frittiert, 2 große Möhren, 2 Schöpfkellen Kopfsalat, 1 Teelöffel Honig usw. |
Getränke/Menge |
Notieren Sie das genaue Volumen, auch ob Sie Ihr Getränk zusätzlich gesüßt haben. Etwa: 2 Tassen à 250 ml Milch mit je 4 Teelöffeln Kakao, 250 ml Mineralwasser oder 1 Glas (400 ml) Limonade. |
Situation |
In welcher Situation haben Sie gegessen? Allein im Büro und neben der Arbeit? Zu Hause mit der Familie? Auf einer Feier bei Freunden? Während einer Besprechung? In der Kantine mit Kollegen? |
Anmerkungen |
Diese Spalte bietet Platz für Beobachtungen, die Ihnen direkt an Ihrem Essverhalten auffallen. Zum Beispiel: "War eigentlich satt und habe das Croissant nur aus Geselligkeit gegessen" oder "hektisch gegessen wegen Besprechungstermin". |
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Das Grundprinzip jeden Abnehmens
Die genauen Aufzeichnungen helfen zu erkennen, wo Sie Kalorien einsparen können. „Wer Gewicht verlieren möchte, muss mehr Energie verstoffwechseln, als er aufnimmt“, erklärt Hauner. Das Grundprinzip jeden Abnehmens lautet: 500 bis 800 Kalorien pro Tag weniger verspeisen. Trotzdem sollten Sie sich satt fühlen. „Wer ständig mit knurrendem Magen rumläuft, wird früher oder später über die Stränge schlagen“, sagt Hauner.
Das Sättigungsgefühl entsteht durch Dehnungsreize im Magen. Die Signale werden über den Nervus vagus an das Gehirn weitergeleitet, und der Hunger verschwindet. Ein gewisses Nahrungsmittelvolumen ist also notwendig. Der Trick ist, nicht weniger, aber anders zu essen.Nahrungsmittel tauschen
Suchen Sie Nahrungsmittel, die energieärmer sind als Essen, das bisher auf Ihrem Speiseplan stand. Das kann ein Austausch innerhalb bestimmter Lebensmittelgruppen sein. Wer gern Leberkäsesemmeln isst, dem mundet vielleicht auch ein Kassler. Das spart mal eben die Hälfte der Kalorien ein. Während in 200 Gramm Leberkäse 600 Kalorien stecken, hat die gleiche Menge Kassler gerade mal die Hälfte der Kalorien.
Weitere Beispiele: Fruchtjoghurt enthält viel Zucker. Wenn Sie einen normalen Joghurt nehmen und Obst reinschneiden, müssen Sie auf das geliebte Frühstück nicht verzichten und nehmen trotzdem deutlich weniger Energie auf. Wer Pellkartoffeln anstatt Bratkartoffeln oder Pommes isst, die mit viel Fett zubereitet werden, drittelt seine Kalorienzufuhr. In vielen Lebensmittelgruppen lassen sich Abnehm-Alternativen finden. „Auf diese Weise können Sie sehr viel Energie einsparen, ohne wirklich weniger auf dem Teller zu haben oder sich zu sehr von Ihren Essgewohnheiten verabschieden zu müssen“, fasst Hauner zusammen.
Wo Sie Einsparmaßnahmen treffen, bleibt Ihnen selbst überlassen. Dem einen fällt es leichter, weniger Fett zu essen. Der andere verzichtet lieber auf Kohlenhydrate. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Low-Carb- und Low-Fat-Kostformen gleich gut helfen, Gewicht zu verlieren – sofern die Diät zum Abnehmenden passt. Für manche Menschen eignet sich auch das Intervallfasten, wie inzwischen wissenschaftlich belegt ist. „Es funktioniert etwa gleich effektiv, wie 500 bis 600 Kalorien bei allen Mahlzeiten am Tag einzusparen“, so Hauner. Wer ungern Kalorien zählt, für den könnte diese Methode geeignet sein.Egal, wie Sie Ihre Ernährung umstellen, wichtig ist, dass sie ausgewogen bleibt. „Vor allem Mikronährstoffe braucht der Körper in gleicher Menge, auch beim Abnehmen“, erklärt Ernährungsmediziner Hauner. Das heißt, alle Diäten, die bestimmte Lebensmittelgruppen gänzlich vom Speiseplan streichen, sind mit Vorsicht zu genießen. „No Carb, also gänzlich auf Kohlenhydrate zu verzichten, ist extrem und bringt keine besseren Ergebnisse“, erklärt Hauner. Eines der wichtigsten menschlichen Organe, das Gehirn, kann nur Zucker verbrennen. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen auch, dass die wenigsten Menschen eine Diät ohne Kohlenhydrate, wie etwa die Atkins-Diät, auf Dauer durchhalten.
Viele Pflanzen, wenig Fertigprodukte
Obwohl jeder individuell herausfinden sollte, welche kalorienreduzierte Diät zu ihm passt, gibt es einige allgemeine Ernährungsregeln fürs Abnehmen. Pflanzliche Lebensmittel sind grundsätzlich günstiger als tierische Produkte, weil sie mehr Wasser enthalten. Obst, Gemüse, Salat und Kartoffeln haben pur nur wenige Kalorien. Dafür füllen sie den Magen und enthalten viele wichtige Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe, denen verschiedene gesundheitsförderliche Wirkungen zugeschrieben werden wie entzündungshemmende und antibakterielle. Naturreis, Vollkornnudeln oder -brot machen lange satt.Essen Sie sich bei den Hauptmahlzeiten an pflanzlichen Lebensmitteln satt. „Fünf am Tag“, lautet die Empfehlung der DGE: drei Hände voll Gemüse und zwei Portionen Obst. „Mit dem Obst sollte man es auch nicht übertreiben, denn Äpfel, Bananen & Co. enthalten relativ viel Zucker, was bei einem Diabetes problematisch sein kann“, sagt Hauner.
Eine ausgewogene Ernährung
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt pro Tag:
Viele versteckte Kalorien verbergen sich in verarbeiteten Lebensmitteln. „So wenig Fertigprodukte wie möglich kaufen“, rät Ernährungsexperte Putziger. „Wer es doch tut, sollte die Zutatenliste studieren. Zucker ist oft auch dort zugesetzt, wo man ihn überhaupt nicht erwartet.“ Häufig entfernen Hersteller auch Inhaltsstoffe aus Produkten, die eigentlich sättigen würden.
Entscheidend für den Abnehmerfolg: Was und wann esse ich?
Nicht nur, was, auch wann Sie essen, sollten Sie planen. Das richtige Timing spielt für den Abnehmerfolg eine wichtige Rolle. Legen Sie Ihre Mahlzeiten genau fest, und begrenzen Sie diese auf zwei bis drei. Die Abstände müssen so lang sein, dass der Insulinspiegel zwischendrin abfällt. Insulin ist ein Stoffwechselhormon und der direkte Gegenspieler des Fettabbaus. Wenn Sie etwas essen, steigen der Blutzuckerspiegel und in der Folge die Menge des Insulins im Blut an. "Je höher der Insulinspiegel zwischen den Mahlzeiten ist, desto weniger Fett baut der Körper ab", erklärt Putziger.Eine regelmäßige Nahrungszufuhr beugt auch Heißhungerattacken vor. "Wenn Sie doch zwischendurch etwas essen, greifen Sie zu kalorienarmen Lebensmitteln. Mal eine Karotte oder ein Apfel", empfiehlt Hauner. Auch wer sich Süßigkeiten gönnt, hat Gewichtsvorteile, wenn er auf das richtige Timing achtet. "Essen Sie Süßigkeiten als Nachspeise direkt im Anschluss an eine Hauptmahlzeit. Die Nährstoffe werden durch den bereits angeregten Stoffwechsel schneller für die Energiebereitstellung verbraucht", so Putziger. Außerdem sinkt die Gefahr, zu viel zu essen, weil Sie vom Hauptgang bereits satt sind.
Eine Vorsättigung des Magens kann auch helfen, bei der Hauptmahlzeit weniger zu essen. Das erreichen Sie zum Beispiel durch einen Salat oder eine Suppe vor dem eigentlichen Abendessen. Auch wer vor der Mahlzeit viel trinkt, dehnt den Magen. Sie werden anschließend schneller satt. Am besten eignen sich kalorienarme Getränke wie Wasser oder ungesüßte Tees. Wer abnimmt, muss übrigens insgesamt mehr trinken. Durch den Gewichtsverlust steigt die Menge an Abbauprodukten im Blut und damit der Bedarf an Flüssigkeit. Die DGE empfiehlt mindestens 1,5 Liter pro Tag.
Bewegung in das Abnehmprogramm integrieren
„Sich bei einer Diät mehr zu bewegen ist sinnvoll“, konstatiert Hauner. Zum einen ließe sich damit der Energieverbrauch etwas steigern, zum anderen dem Verlust von Muskelmasse entgegenwirken. Es muss nicht gleich der Sportverein sein, Bewegung in den Alltag zu integrieren zählt ebenso. Dabei helfen einfache Regeln: die Treppe anstelle des Aufzugs nehmen, nur eine Tasse Tee kochen statt eine ganze Kanne, um öfter in die Küche gehen zu müssen, oder kurze Wege zu Fuß laufen, anstatt mit dem Auto zu fahren.
Mit diesen Tricks zum Abnehmerfolg
Meditation und Entspannungsübungen gegen Essattacken
Forscher der Harvard University in Boston wiesen einen Zusammenhang zwischen Stress und Gewichtszunahme bei Übergewichtigen nach. Sie empfehlen Meditation und Entspannungsübungen. Studien zeigen, dass es Meditationsgeübten deutlich besser gelingt, Essattacken zu zügeln. Bewegung wiederum senkt den Cortisol-Spiegel. Yoga und Tai-Chi, die sowohl Elemente von Meditation und Bewegung enthalten, gelten als besonders wirksame Methoden, Stress abzubauen.
Was hilft gegen Heißhunger?
„Gegen plötzliche Essensgelüste hilft es, ein innerliches Stoppschild aufzubauen und Alternativen festzulegen“, empfiehlt Christoph Klotter, Ernährungspsychologe an der Hochschule Fulda. Statt zum Vorratsschrank zu laufen, gehen Sie lieber eine Runde um den Block, telefonieren Sie mit einem Freund, legen Sie den Arm in kaltes Wasser, oder machen Sie Entspannungsübungen. „Es geht darum, die eingefahrenen Handlungsstrukturen zu durchbrechen und neue zu etablieren“, erläutert der Psychologe. Mit der Wiederholung schleifen sich die alternativen Verhaltensweisen ein.Ernährungspsychologen raten, Listen anzulegen, auf denen die Stressauslöser sowie die Entspannungsmethoden aufgeschrieben sind. Im Krisenfall kann man so lange darauf zurückgreifen, bis das neue Verhalten verinnerlicht ist. Schnell geht das nicht. „Aus der Neurowissenschaft wissen wir, dass Verhaltensänderungen zwei bis drei Jahre dauern“, sagt Klotter.Keine strikten Verbote!
"Strikte Verbote wie ‚Ich esse nie wieder Schokolade‘ oder ‚Ich esse nur, was meine Diät erlaubt‘ sind in einem Umfeld des allgegenwärtigen Nahrungsangebots zum Scheitern verurteilt", betont der Ernährungspsychologe Thomas Ellrott von der Georg-August-Universität Göttingen. Das evolutionsbiologische Programm lasse sich nicht mit strengen Vorschriften in Schach halten.
Selbst völlig unbedeutende Ereignisse wie der Verzehr eines Schokoriegels setzen dann oft das gesamte Kontrollsystem außer Kraft. Nach dem Motto „Nun ist es auch schon egal“ verpufft der Vorsatz schlagartig, und der Abnehmwillige isst vollständig ungezügelt.
Ellrott favorisiert das Konzept der flexiblen Kontrolle. Diese sei erfolgversprechender und zudem eine Langzeitstrategie. Kein Lebensmittel ist verboten, und es gibt Möglichkeiten der Kompensation. Statt „Ich esse keine Schokolade mehr“ lautet der flexible Vorsatz „In der nächsten Woche esse ich nur drei statt sieben Tafeln Schokolade“. So entsteht der Spielraum, entweder jeden Tag einen Riegel oder an einem Tag eine ganze Tafel zu essen, gefolgt von einer Phase der Abstinenz.
Essen als Zeremonie
Ohne Kalorienreduktion funktioniert Abnehmen nicht. Ein paar schlichte Regeln vereinfachen den anstrengenden Verzicht. Begrenzen Sie die Anzahl der Mahlzeiten. Snacken Sie nicht – und wenn, dann Nüsse statt Kekse. Essen Sie nicht nebenbei, etwa Chips vorm Fernseher. Entkoppeln Sie Arbeit und Essen, kein Mittagessen vorm Computer.
"Essen ist es wert, eine Zeremonie daraus zu machen", findet Klotter. Kochen Sie selbst, statt Fertiggerichte aufzuwärmen. Decken Sie den Tisch schön. Nehmen Sie sich mindestens eine halbe Stunde Zeit. Genießen Sie jeden Bissen und jeden Schluck bewusst. Benutzen Sie kleine Teller, denn wir sind dazu erzogen, die servierte Portion aufzuessen. Das sind die kleinen Schritte auf dem Weg zur großen Veränderung.
Dies ist eine gekürzte Fassung. Den vollständigen Text finden Sie in FOCUS-GESUNDHEIT „Gesunde Ernährung" – als Print-Heft oder als digitale Ausgabe.