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Die Kontrolle zurückschminken

Ein Schminkseminar hilft Krebspatientinnen nach einer Chemotherapie, sich wieder schön zu fühlen. Ängste und Einsamkeit verschwinden unter Rouge.

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Frau schminkt sich vor einem Kosmetikspiegel

© Antonia Schillinger

Die freundlichen Augen von Paula Krause* sehen müde aus, die Erschöpfung steht ihr ins Gesicht geschrieben. Sie fühlt sich nicht mehr wohl in ihrer Haut. Sie ist eine von zehn völlig unterschiedlichen Frauen, die an diesem Dienstagnachmittag im Klinikum Rechts der Isar in München zusammenkommen - mit einer Gemeinsamkeit: Sie alle haben Krebs. Ein Kosmetikseminar der DKMS-life soll ihnen helfen, wieder mit mehr Selbstbewusstsein in den Spiegel zu schauen.

Mit 70.000 Neuerkrankungen pro Jahr ist Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Bei Paula Krause wurde der Krebs im Juni 2019 diagnostiziert, seit einigen Monaten läuft bereits die Chemotherapie-Behandlung, im Dezember steht eine Operation bevor. Wie die meisten Krebspatienten leidet Krause stark unter dem veränderten Aussehen durch die Chemo. „Das Schlimmste ist nicht der Haarausfall, sondern dass Wimpern und Augenbrauen ausfallen“, sagt sie.

Ulrike Ackermann, Psychoonkologin im Klinikum Rechts der Isar in München, bestätigt: „Die größte Belastung ist der Kontrollverlust über den eigenen Körper. Das beginnt schon damit, dass sich die Krankheit meist einschleicht, ohne dass die Betroffenen es bemerken.“ Perücken, deren Haarersatz Echthaar inzwischen nahezu perfekt imitiert, helfen den Patienten, das Gefühl der Kontrolle aufrecht zu erhalten. „Bei Wimpern und Augenbrauen funktioniert das nicht. Es sieht schnell ungepflegt aus und man kann nicht viel dagegen tun“, erklärt Psychoonkologin Ackermann. „Jeder auf der Straße sieht das. Die Frauen wollen sich in der Gesellschaft bewegen, ohne als eine Sterbenskranke aufzufallen. Sie möchten selbst entscheiden, wer von ihrer Krankheit erfährt.“

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Das Ziel des Kosmetikworkshops ist es, dass die Patienten das Gelernte ganz einfach zuhause im Alltag anwenden können. Als Starthilfe bekommt jede Teilnehmerin eine Tasche mit gesponserten Kosmetikprodukten im Wert von 150 Euro geschenkt, immer unterschiedlich befüllt von Hautcreme bis Lippenstift. In zwei Stunden lernen sie, die strapazierte Haut richtig zu pflegen und zu schminken: Augenbrauen werden wieder sichtbar und der blasse Teint strahlt. „Die Frauen gehen mit leuchtenden Augen aus dem Seminar“, erzählt Susanne Bachmann. Die medizinische Kosmetikerin leitet seit sechs Jahren Veranstaltungen an verschiedenen Standorten in Deutschland. „Ich möchte den Damen helfen, wieder mehr Selbstwertgefühl zu bekommen“, sagt sie.

Anfangs sind die Frauen, darunter Paula Krause, noch zögerlich. Sie kennen sich nicht, haben über Ärzte, Patienten oder durch Plakate vom Seminar erfahren und sich angemeldet. Eine unbehagliche Gewissheit liegt in der Luft, dass sie alle in einer unglücklichen Situation sind. „Ich komm überhaupt nicht mehr mit meinem Gesicht klar“, gibt eine Seminarteilnehmerin zu. „Wenn ich morgens in den Spiegel schaue, erkenne ich mich oft selbst gar nicht wieder.“ Als das Seminar beginnt, bessert sich die Stimmung schnell. Die Frauen helfen sich gegenseitig beim Schminken aus, tauschen Produkte und beraten sich bei der Farbauswahl.

Vom Gesicht bis zu den Nägeln: Tipps von Kosmetikexpertin Susanne Bachmann

Waren die Blicke in den Spiegel zu Beginn noch sehr kritisch, beäugen sich die Frauen jetzt immer freundlicher. Eine Teilnehmerin nimmt ihr Kopftuch ab. Und spätestens beim Rouge scheinen sie die Lage, in der sie sich befinden, ausgeblendet zu haben. „Ich habe seit 15 Jahren kein Rouge benutzt“, sagt eine Frau und kichert. „Nimm das knalligste Pink, das passt zu dir“, neckt ihre Nachbarin. Genau das ist auch Ziel des Seminars: Die Patientinnen sollen sich eine Auszeit nehmen von ihrer Krankheit, über schöne Dinge sprechen und ihre Situation, wenn auch nur kurz, vergessen. „Es ist ganz wichtig, den Fokus mal auf das Positive zu legen“, bestätigt Psychoonkologin Ackermann. „Die Erkrankung konfrontiert die Frauen ständig mit Negativem. Im Kosmetikseminar spielen Therapie und Prognose keine Rolle.“

Auch Paula Krause fühlt sich sichtlich wohl. „Man merkt, dass man etwas Gemeinsames hat, das gleiche Leiden, die gleichen Sorgen, die gleichen Gefühle“, erzählt sie. „Man hat eine Mascara in der Hand und denkt sich: Was soll ich damit? Ich habe keine Wimpern mehr.“ Das Seminar gibt den Frauen das Gefühl, nicht die einzige Person mit diesen Problemen zu sein. „Man ist nicht alleine“, sagt Krause lächelnd.

Der Nachmittag neigt sich dem Ende zu. „Sieht ungewohnt aus oder?“, schmunzelt Bachmann als eine Seminarteilnehmerin gar nicht mehr aufhören kann, in den Spiegel zu schauen. Die Frauen sind sichtlich zufrieden mit ihrem Werk und ein paar machen Fotos, um das geschminkte Gesicht festzuhalten. Die Kosmetiktaschen werden zusammengepackt, man verabschiedet sich mit „Alles Gute für euch alle!“ Ein Wiedersehen ist ungewiss. Die zwei Stunden Auszeit von der Krankheit haben alle genossen, einfach Zeit, sich schön zu machen.

*Name von der Redaktion geändert

Kosmetikworkshops für Krebspatienten

Die DKMS-life bietet bundesweit kostenlose Schminkseminare für krebskranke Frauen an. Eine Anmeldung ist über die Webseite http://www.dkms-life.de/ möglich.

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