Eine gesellige Runde mit Kumpeln, es wird getrunken und gegessen. Neben Ihnen sitzt Ihr langjähriger Freund – nennen wir ihn Peter. Er ist ein bisschen zu dick, isst gern auch mal Fettes, oft klagt er über Stress bei der Arbeit, und seine Mutter leidet an Typ-2-Diabetes – das hat er unlängst nebenbei erzählt. Da Sie selbst Diabetiker sind und Ihr Blutzuckermessgerät immer in der Tasche dabeihaben, kommen Sie ins Grübeln: Was, wenn Peter nun auch Diabetes hat, ohne es zu wissen? Sollen Sie ihn einfach mal nach dem Essen – natürlich mit seiner Zustimmung – in den Finger piksen und seinen Blutzuckerwert messen? Klingt übergriffig, könnte aber Peters Leben vielleicht um einige Jahre verlängern. In der Tat ist es gar nicht so unwahrscheinlich, dass Peter unbemerkt ebenfalls Typ-2-Diabetes hat.
Denn die Stoffwechselerkrankung beginnt schleichend, die Dunkelziffer an Diabetes-Kranken ist extrem hoch: 4,5 Millionen Deutsche im Alter von 20 bis 79 Jahren wissen nichts von ihrer Erkrankung, schätzt die International Diabetes Federation.
Prädiabetes: Was ist das?
Dabei zeigen sich bereits im Frühstadium Alarmsignale – erkennt man diese, kann man die Stoffwechselerkrankung häufig noch abwenden. Diese Vorstufe nennen Mediziner Prädiabetes. Sie ist noch keine diagnostizierte Krankheit und führt auch nicht zwangsläufig zu einer manifestierten Diabetes-Erkrankung. Doch Prädiabetes ist eine ernst zu nehmende Gesundheitsgefahr. Das Risiko für Folgeschäden ist jetzt hoch. In Studien wurden bereits in diesem Stadium Nierenschäden festgestellt.
Die Wahrscheinlichkeit, mit der man innerhalb der nächsten fünf Jahre an Typ-2-Diabetes erkranken wird, ermittelt ein Test des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE): www.drs.dife.de
Tipps, die das Risiko mindern:
- Verringern Sie Ihren Taillenumfang.
- Erhöhen Sie Ihre Aktivität.
- Essen Sie mehr Vollkornprodukte.
- Essen Sie weniger rotes
Fleisch (Rind, Schwein, Lamm). - Hören Sie mit dem Rauchen auf.
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Diagnose und Werte
Ein Nüchternblutzucker zwischen 100 und 127 mg/dl (5,6 und 7 mmol/l), ein Wert zwischen 140 und 200 mg/dl (7,8 und 11,1 mmol/l) zwei Stunden nach einem Zuckerbelastungstest oder ein HbA1c-Wert, der zwischen 5,6 und 6,4 Prozent liegt – wird beim Arzt einer dieser Werte gemessen, lautet die Diagnose mit ziemlicher Sicherheit Prädiabetes.
Der Check-up beim Hausarzt im Alter von 35 Jahren ist genau der richtige Zeitpunkt, um mit der Diabetes-Prävention zu starten.
Wird jetzt nicht gegengesteuert, kann aus Prädiabetes Diabetes mit schweren Folgeerkrankungen entstehen. Daher sollte auch Peter besser wissen, ob er Prädiabetes hat. Und Sie entpuppen sich als guter Freund, wenn Sie seine Blutzuckerwerte messen und möglicherweise sogar die Erkrankung entdecken. Sie könnten Ihren Freund auch überreden, zum Arzt zu gehen. „Der Check-up beim Hausarzt im Alter von 35 Jahren ist genau der richtige Zeitpunkt, um mit der Diabetes-Prävention zu starten“, rät Andreas Fritsche vom Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrums München an der Universität Tübingen (IDM). Den Gesundheitszustand und den HbA1c- Wert sollten alle regelmäßig kontrollieren lassen, die zur Risikogruppe zählen.
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Gehören Sie zur Risikogruppe?
Ob man dazugehört, hängt zunächst von den Genen ab: „Hat ein Elternteil Typ-2-Diabetes, erkranken Kinder mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent ebenfalls daran“, erklärt Fritsche. Ist ein naher Verwandter betroffen, steigt das eigene Risiko um 26 Prozent. Auch der Lebensstil und die Lebensumstände spielen eine große Rolle: Weitere Risikofaktoren sind wenig Bewegung, viel Stress, Nachtarbeit, ein großer Taillenumfang (Männer ab 102 cm, Frauen ab 88 cm). „Und leider ist auch Armut ein hoher Risikofaktor“, so Fritsche. „Diabetes ist keine Überflusserkrankung, sie betrifft vielmehr eher den ärmeren Teil der Gesellschaft.“
FOCUS-GESUNDHEIT 06/21
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Aktives Frühwarnsystem
Ebenso wie Diabetes beginnt auch Prädiabetes tückisch – oft ohne Symptome. Dennoch könnten Sie Alarmsignale an Ihrem Freund beobachten: Ist er schlapp? Hat er übermäßigen Durst? Hat er in letzter Zeit stark abgenommen und schlecht heilende Wunden? All das können Hinweise auf eine beginnende Stoffwechselerkrankung sein.
Symptome bei Typ-1-Diabetes |
Anzeichen für Typ-2-Diabetes |
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Quelle: diabetesDE, Dr. Peter Achenbach |
Was kann man tun, um vorzusorgen?
Doch nicht jeder Pfundige entwickelt zwangsläufig Diabetes. Nur 25 Prozent der Menschen, die von ihrem Prädiabetes wissen, erkranken in den nächsten drei Jahren auch an der diagnostizierten Krankheit. „Die überwiegende Mehrheit der Menschen mit Prädiabetes bekommt in den nächsten Jahren keinen Diabetes – ohne Gegenmaßnahmen“, sagt Diabetes-Forscher Fritsche. Er rät dennoch zu einer frühen Prävention: „Um die Manifestation von Typ-2-Diabetes zu vermeiden oder diese weit hinauszuschieben, sollte man immer schnell gegensteuern.
Um die Manifestation von Typ-2-Diabetes zu vermeiden oder diese weit hinauszuschieben, sollte man immer schnell gegensteuern.
Das Übliche: sich gesund ernähren, auf sein Gewicht achten, sich ausreichend bewegen, Stress vermeiden. Das ist besonders für eine Hochrisikogruppe unter den Prädiabetikern wichtig, die zu wenig Insulin produzieren und eine insulinresistente Fettleber haben. Ob Freund Peter zu dieser Risikogruppe gehört, kann er nur durch eine Untersuchung beim Arzt herausfinden.