Unser Experte für Lungen- und Bronchialheilkunde
Christian Taube, seit 2017 Direktor der Klinik für Pneumologie an der Universitätsmedizin Essen. Chronisch erkrankte Atemorgane sind sein Fachgebiet.So verläuft eine Pneumokokken-Lungenentzündung
Wie kommt es zu einer Lungenentzündung durch Pneumokokken?
Die Pneumokokken sind der häufigste Verursacher einer zuhause erworbenen Lungenentzündung, also einer Erkrankung, mit der sich Menschen außerhalb eines Krankenhauses angesteckt haben. Pneumokokken sind Bakterien, die auch bei gesunden Menschen häufig in den Schleimhäuten im Rachen nachweisbar sind. Doch ein funktionierendes Immunsystem hält sie in Schach. Der Erreger kann jedoch in die Lunge gelangen und dort eine Entzündungsreaktion auslösen.
Ist die Pneumokokken-Lungenentzündung für alte Menschen gefährlich?
Die Pneumonie ist in den westlichen Industrieländern die Infektionskrankheit, an der die meisten Menschen sterben. Gerade bei Älteren besteht ein hohes Risiko, auch bei kleinen Kindern kann die Erkrankung schwer verlaufen. Daher wird mittlerweile von der STIKO (Ständige Impfkommission) die Pneumokokken-Impfung empfohlen.
Wie behandeln Ärzte eine bakterielle Lungenentzündung?
Bei den bakteriellen Pneumonien, nicht nur bei der Pneumokokken-Pneumonie, haben wir eine spezifische Therapie. Die Patienten bekommen Antibiotika, die die Bakterien abtöten. Je früher die Behandlung damit beginnt, desto milder ist in der Regel auch der Verlauf.
Wann müssen Patienten mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus?
Das machen wir an verschiedenen klinischen Werten fest: zum Beispiel an Atemfrequenz, Blutdruck und Bewusstseinszustand des Patienten. Bei Menschen mit schweren Begleiterkrankungen entscheiden sich Ärzte in der Regel früher für eine stationäre Behandlung als bei Patienten, die ansonsten komplett gesund sind.
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So verläuft eine COVID-19-Lungenentzündung
Inwiefern unterscheidet sich die COVID-19-Lungenentzündung von der durch Pneumokokken verursachten?
Eine COVID-19-Pneumonie wird durch SARS-CoV-2, das neuartige Coronavirus, ausgelöst. Sie wird also nicht durch Bakterien, sondern Viren verursacht. Neben dem Erreger ist auch der Verlauf einer COVID-19-Lungenentzündung anders als bei der bakteriellen Variante. Häufig haben Patienten zunächst nur Beschwerden in den oberen Atemwegen, später verlagern sie sich in die Lunge.
Ist der Verlauf, den wir beim britischen Premierminister Boris Johnson beobachtet haben, typisch für die COVID-19-Lungenentzündung: zunächst milde Symptome und anschließende Behandlung auf der Intensivstation?
Solche Fälle sehen wir häufig. Auch wenn das Virus die Lunge bereits befällt, haben viele Patienten zu Beginn der Erkrankung kaum Atembeschwerden.
In einem Beitrag in der Fachzeitschrift "Intensive Care Medicine" heißt es, dass COVID-19-Patienten anfangs noch das Gefühl haben, normal atmen zu können, obwohl sie schon unter starkem Sauerstoffmangel leiden. Woran liegt das?
Das beobachten wir hier auch. Insbesondere bei jungen Patienten stellen wir fest, dass sie noch gut atmen können, obwohl auf dem CT-Bild schon eine deutliche Entzündungsreaktion in der Lunge sichtbar ist. In der Frühphase der Erkrankung bleibt die Dehnbarkeit der Lunge erhalten oder ist nur wenig eingeschränkt.
Warum haben sie keine Atemprobleme?
Atemnot ist ein sehr komplexes Symptom, was durch verschiedene Faktoren beeinflusst wird. Dafür ist gar nicht so sehr ein Sauerstoffmangel entscheidend, sondern die mechanische Arbeit der Lunge. Anfangs ist die Dehnbarkeit der Lunge bei COVID-19 kaum beeinträchtigt. Der Patient muss sich nicht vermehrt anstrengen, um sie zu belüften. Deshalb wird wenig Atemnot empfunden, obwohl der Sauerstoffgehalt im Körper schon vermindert ist.
Wie kommt es zu der Lungenentzündung durch COVID-19?
Das Virus kann Körperzellen infizieren, die einen bestimmen Rezeptor an der Oberfläche haben. Einen sogenannten ACE2-Rezeptor. Zellen mit einem solchen Rezeptor kommen in der Lunge vor. Das Virus dringt zunächst in die Zelle ein, vermehrt sich dort und zerstört sie schließlich. Neu freigesetzte Viren befallen weitere Zellen.
Die Infektion beginnt in den oberen Atemwegen und wandert bei manchen Patienten von dort aus in die Lunge. Der Körper antwortet mit einer Entzündungsreaktion, einer Art Abwehrreaktion. In der Folge füllen sich die Lungenbläschen mit Sekret, verschließen sich und können nicht mehr belüftet werden. Somit ist die Sauerstoffaufnahme über die Zellen nicht mehr möglich. Wenn die Entzündung weiter fortschreitet, kommt es zur Schädigung der Lungenbläschen.
Wie behandeln Ärzte Patienten mit einer solchen Lungenentzündung?
Wir haben aktuell keinen Wirkstoff, der das Virus blockt oder abtötet. Trotzdem versuchen wir, den Patienten bestmöglich zu helfen.
Wichtig ist es, die Erkrankten mit genügend Sauerstoff zu versorgen und rechtzeitig abzuschätzen, ob sie eine maschinelle Beatmung benötigen. Außerdem wissen wir mittlerweile, dass es bei COVID-19-Erkrankungen vermehrt zu Gerinnungsstörungen kommt. Um Blutgerinnsel zu vermeiden, bekommen Betroffene entsprechende Medikamente. Dann gibt es verschiedene Wirkstoffe, die wir im Rahmen von klinischen Studien einsetzen können. Natürlich nur, wenn der Patient oder seine Angehörigen zustimmen.
Welche sind das zum Beispiel?
Es gibt Präparate, die versuchen, die heftige Immunreaktion gegen das Virus im Körper des Patienten zu blockieren. Außerdem gibt es mittlerweile erste Daten zu Medikamenten, die die Virusvermehrung hemmen können.
Welche Patienten müssen maschinell beatmet werden?
Es ist wichtig, im Blick zu behalten, wie orientiert und ansprechbar der Patient ist. Vor allem achten wir aber darauf, wie die Sauerstoff- und Kohlendioxid-Werte im Körper sind. An diesen Parametern sehen wir, ob Lunge und Atemmuskulatur noch richtig funktionieren und entscheiden, ob und wie wir den Patienten beim Atmen unterstützen müssen. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Bei der nicht-invasiven Form wird der Patient über eine Maske beatmet. Als letzte Option legen wir einen Beatmungsschlauch in die Luftröhre. Darüber wird der Mensch mit Sauerstoff versorgt.
Können Sie jetzt schon absehen, ob das Virus in der Lunge Langzeitschäden anrichtet?
Wir können dazu noch wenig sagen, weil wir die Krankheit selbst erst seit kurzer Zeit kennen. Was wir aber sagen können ist, dass es Patienten gibt, deren Lunge sich gut erholt. Bei anderen bleibt nach einem schweren Verlauf vernarbtes Gewebe in der Lunge zurück. Welche langfristigen Schäden das für die Betroffenen hat, kann man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.
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